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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 01.10.2007
Aktenzeichen: 11 Wx 45/07
Rechtsgebiete: FGG, KostO


Vorschriften:

FGG § 27 Abs. 1 S. 1
FGG § 28
FGG § 29 Abs. 1 S. 2
KostO § 30 Abs. 2 S. 1
KostO § 98 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

11 Wx 45/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

in der Adoptionssache

hat der 11. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Goebel, den Richter am Oberlandesgericht Hütter und den Richter am Oberlandesgericht Pliester

am 1. Oktober 2007

beschlossen:

Tenor:

Auf die weitere Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 5. Juli 2007 - Az.: 5 T 781/06 - aufgehoben.

Das Verfahren wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerdeverfahren - an das Landgericht zurückverwiesen.

Geschäftswert für das Verfahren vor dem Brandenburgischen Oberlandesgericht: 3.000,00 €.

Gründe:

I.

Der Antragsteller zu 1 verfolgt die Adoption des Anzunehmenden. Das Amtsgericht hat den Antrag abgelehnt; das Landgericht hat die hiergegen eingelegte Beschwerde durch Beschluss vom 22. Februar 2007 zurückgewiesen. Auf die weitere Beschwerde des Antragstellers zu 1 hat der Senat diesen Beschluss aufgehoben und das Verfahren an das Landgericht zurückverwiesen. Im Wesentlichen hat der Senat (Beschluss vom 3. Mai 2007; Bl. 142 d. A.) ausgeführt:

Das Vorliegen eines "Eltern-Kind-Verhältnisses" setze bei einem volljährigen Anzunehmenden nicht ein tatsächliches Zusammenleben voraus; vielmehr sei eine auf Dauer angelegte Bereitschaft zu gegenseitigem Beistand erforderlich, so wie ihn sich leibliche Eltern und Kinder typischerweise leisteten. Das Landgericht habe die Tatsachen, aus denen sich das Bestehen einer solchen Bereitschaft zum Beistand ergeben könnten, nicht hinreichend ermittelt. Welche Vorstellungen der Antragsteller zu 1 in Hinblick auf Beistandsleistungen habe, sei nicht zu ersehen. Auch die Äußerungen des Antragstellers zu 2 beschränkten sich in der ausfüllungsbedürftigen Einschätzung, er wisse erst jetzt, was eine Beziehung zu einem Vater sein könne. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den den Beteiligten bekannten Beschluss Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Antragsteller ergänzend angehört (Protokoll vom 25. Juni 2007; Bl. 158 d. A.). Mit Beschluss vom 5. Juli 2007 hat das Landgericht die Beschwerde des Antragstellers zu 1 erneut zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt:

Es sei nicht mit ausreichender Sicherheit festzustellen, dass der Antragsteller zu 1 ein starkes, den Beziehungen innerhalb einer Familie entsprechendes Band zum Antragsteller zu 2 entwickelt habe. Dem Antragsteller zu 1 gehe es darum, seine Mutter nach dem Tode seines Vaters durch den Antragsteller zu 2 umsorgt zu wissen; dahinter trete die Anteilnahme an der künftigen Lebensgestaltung des Anzunehmenden und dessen Unterstützung bei der Erlangung des Schulabschlusses zurück. Die Planungen der Antragsteller, wo der Antragsteller zu 2 wohnen solle, gingen auseinander.

Eine familiäre Bindung im Sinne eines Eltern-Kind-Verhältnisses bestehe auf Seiten des Antragstellers zu 2 ebenfalls nicht. Wenn der Antragsteller zu 2 sich bereit erklärt habe, sich um die Mutter des Antragstellers zu 1 zu kümmern, basiere diese Einstellung auf seinen Erfahrungen in Bangladesch. In Anbetracht des zeitlichen Zusammenhangs zwischen dem Verlauf des Asylverfahrens und der Antragstellung der Adoption sei davon auszugehen, dass die Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft Hauptzweck der Adoption sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die weitere Beschwerde des Antragstellers zu 1 vom 24. Juli 2007, mit der er sein Adoptionsbegehren weiter verfolgt. Er führt aus:

Zu Unrecht habe das Landgericht gefordert, dass ein starkes familiäres Band vorhanden sein müsse. Auch sei eine Übereinstimmung in der Lebensplanung in ihrer Gesamtheit zwischen dem Anzunehmenden und dem Annahmewilligen nicht erforderlich. Dass ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Asylverfahren und der Antragstellung im Adoptionsverfahren bestehe und deshalb der Hauptzweck der Adoption die Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft sei, sei vom Landgericht nicht begründet worden.

II.

Die gem. §§ 27 Abs. 1 S. 1, 28, 29 Abs. 1 S. 2 FGG zulässige Beschwerde ist begründet; sie führt zur erneuten Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht. Das Landgericht hat die erforderlichen Feststellungen zu der Frage, ob sich zwischen den Antragstellern eine Eltern-Kind-Beziehung im Sinne einer inneren Bereitschaft, für einander einzustehen, entwickelt hat oder ob eine solche Entwicklung zu erwarten ist, nicht in dem erforderlichen Umfang getroffen.

1.

Das Landgericht hat eine ausreichende innere Bindung des Antragstellers zu 1 mit der Begründung verneint, für ihn stehe im Vordergrund, dass zunächst seine kürzlich verwitwete Mutter versorgt werde. Aus der Tatsache, dass der Antragsteller seine dahingehenden Vorstellungen nicht zuvor mit dem Antragsteller zu 2 besprochen hat, hat das Landgericht geschlossen, es fehle an einer hinreichenden Eltern-Kind-Beziehung.

Die Würdigung der vorbenannten Tatsachen durch das Landgericht ist indes nicht vollständig. Vor dem Hintergrund, dass der Vater des Antragstellers zu 1 erst kürzlich verstorben ist und erst der - ungewisse - positive Ausgang des Adoptionsverfahrens die Antragsteller in die Lage versetzen kann, nähere Planungen in Bezug auf die Wohnsituation des Antragstellers zu 2 umzusetzen, lässt sich aus dem Fehlen einer dahingehenden expliziten Absprache nicht ohne weiteres auf das Fehlen einer inneren Bindung schließen. Das Landgericht hat in seine Betrachtung auch die Überlegung einzubeziehen, dass es im Einzelfall auch gerade Ausdruck einer inneren Bindung sein kann, Erwartungen an Dritte zu stellen, ohne dies zuvor abzusprechen. Da es an einer Begründung fehlt, die diese Aspekte einbezieht, stellt sich die Tatsachenfeststellung das Landgerichts als nicht vollständig dar; dem Senat als Rechtsbeschwerdegericht ist es verwehrt, selbst an Stelle des Landgerichts die entsprechenden Tatsachen festzustellen.

2.

Die Feststellungen, ob auf Seiten des Antragstellers zu 2 eine Bereitschaft bestehe, für den Antragsteller zu 1 einzustehen, sind noch immer unvollständig. Die Befragung durch die Kammer genügt den Anforderungen, die an die Tatsachenfeststellung zu treffen sind, nicht ausreichend. So hat der Senat in seinem Beschluss vom 3. Mai 2007 ausgeführt: "Ob der Antragsteller zu 2 überhaupt eine Vorstellung davon hat, auf welche Weise er jetzt und möglicherweise später Beistand leisten muss - Pflege bei später eintretender Bedürftigkeit, Unterstützung in materiellen oder sonstigen Krisen - ist ungeklärt geblieben. Auch insoweit lässt sich dem Protokoll des Landgerichts nicht hinreichend entnehmen, welche Fragen dem Antragsteller zu 2 gestellt worden sind." Hieran hat sich auch bei der erneuten Anhörung des Antragstellers zu 2 nichts geändert.

Soweit die Bereitschaft des Antragstellers zu 2 betroffen ist, sich vorübergehend auch um die Mutter des Antragstellers zu 1 zu kümmern, hat das Landgericht gemeint, dies beruhe auf der Erziehung des Antragstellers zu 2 in Bangladesch. Wenn allerdings der Antragsteller zu 2 so erzogen ist, dass er älteren Familienmitgliedern Beistand leisten will - das Landgericht hat die dahingehenden Angaben des Antragstellers zu 2 nicht für unglaubhaft gehalten -, so ergäbe sich hieraus gerade ein Indiz für das Bestehen einer Bindung das Antragstellers zu 2 an den Antragsteller zu 1, die auch dessen Angehörige mit umfassen würde.

Das Landgericht hat ferner auf Grund der Anhörung den "persönlichen Eindruck" gewonnen, dass die Beziehungen zwischen den Antragstellern Ausdruck einer engen freundschaftlichen Verbundenheit seien. Aus der Sicht des Senats ist dies in Ermangelung von näheren Anknüpfungstatsachen nicht nachvollziehbar. Der Senat verkennt hierbei nicht, dass die Anforderungen an dahingehende Feststellungen, die sich überwiegend auf innere Tatsachen beziehen, nicht überspannt werden dürfen. Doch ohne die Mitteilung von Anhaltspunkten, die es der Kammer ermöglicht haben, den Eindruck "nur" einer freundschaftlichen Verbundenheit zu erlangen, ist dem Senat die Überprüfung des Beschlusses auf Rechtsfehler nicht möglich.

3.

Schließlich stellt das Landgericht in dem angefochtenen Beschluss auf den zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Asylverfahren einerseits und dem Adoptionsverfahren andererseits ab. Hinreichende Feststellungen zu den genauen zeitlichen Abläufen sind insoweit jedoch nicht getroffen. So ist bekannt, dass der Antragsteller zu 2 nach seiner Anreise im Jahre 2003 einen Asylantrag gestellt hat. Wann dieser abgelehnt worden ist, ist den Akten indes nicht zu entnehmen. Es steht die Möglichkeit im Raum, dass der Asylantrag erst abgelehnt wurde, nachdem der Adoptionsantrag bereits eingereicht war; in diesem Falle bedürfte es einer eingehenden Begründung dafür, dass der Erwerb der Staatsbürgerschaft der Hauptzweck der angestrebten Adoption darstellen würde.

Nach alledem ist die Sache zur ergänzenden Feststellung der adoptionsrelevanten Tatsachen an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.

III.

Eine Auslagenentscheidung (§ 13 a FGG) ist nicht veranlasst. Die Festsetzung des Geschäftswertes folgt aus § 98 Abs. 2 in Verbindung mit § 30 Abs. 2 S. 1 KostO.

Ende der Entscheidung

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