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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 08.11.2007
Aktenzeichen: 11 Wx 50/07
Rechtsgebiete: AufenthG, AsylVfG, FGG, ZPO


Vorschriften:

AufenthG § 15 Abs. 4
AufenthG § 33 Abs. 3
AufenthG § 57
AufenthG § 57 Abs. 3
AufenthG § 62
AufenthG § 62 Abs. 1
AufenthG § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
AufenthG § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a
AufenthG § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
AufenthG § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
AufenthG § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4
AufenthG § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5
AsylVfG § 14
AsylVfG § 14 Abs. 3
AsylVfG § 14 Abs. 3 S. 3
FGG § 25
FGG § 27 Abs. 1 S. 2
ZPO § 547 Nr. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

11 Wx 50/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Freiheitsentziehungsverfahren

hat der 11. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 18. Oktober 2007 - Az.: 15 T 120/07 - durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Goebel, den Richter am Oberlandesgericht Hütter und den Richter am Oberlandesgericht Ebling

am 8. November 2007

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten erfolgt nicht.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Cottbus ordnete mit Beschluss vom 15.08.2007 - Az.: 92 XIV 31/07 - gemäß §§ 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 57 AufenthG Haft zur Sicherung der Zurückschiebung für die Dauer von 60 Tagen an. Nach Abgabe des Verfahrens an das Amtsgericht Eisenhüttenstadt stützte dieses mit Beschluss vom 17.08.2007 die Haft zur Sicherung der Zurückschiebung auch auf § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe der vorgenannten Beschlüsse Bezug genommen.

Nach Einlieferung in die Abschiebehafteinrichtung der Zentralen Ausländerbehörde des Landes Brandenburg stellte der Betroffene einen schriftlichen Asylantrag, der am 11.08.2007 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge einging. Dieses lehnte den Asylantrag mit Bescheid vom 04.09.2007 als offensichtlich unbegründet ab.

Auf Antrag der Antragstellerin vom 09.10.2007 verlängerte das Amtsgericht Eisenhüttenstadt mit Beschluss vom 11.10.2007 - Az.: 23 XIV 136/07 die angeordnete Haft zu Sicherung der Abschiebung bis zum 14.12.2007.

Gegen diesen Beschluss hat die vom Betroffenen als Vertrauensperson benannte Frau L... am 15.10.2007 sofortige Beschwerde eingelegt, die der Betroffene genehmigt hat. Zudem hat sein Verfahrensbevollmächtigter die sofortige Beschwere insbesondere damit begründet, dass die Fortdauer der Freiheitsentziehung schon deshalb rechtswidrig sei, da § 14 Abs. 3 Satz 3 Asylverfahrensgesetz die weitere Inhaftierung eines Ausländers trotz Asylantragstellung nur bei Abschiebehaft ermögliche, nicht aber dann, wenn sich der Betroffene - wie vorliegend - in Zurückschiebungshaft befinde. Der Betroffene hätte mithin unmittelbar nach Eingang seines Asylantrags beim Bundesamt am 21.08.2007 aus der Haft entlassen werden müssen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf den Schriftsatz vom 18.10.20007 (Bl. 71 f d. A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat nach Anhörung des Betroffenen am 18. Oktober 2007 einen Beschluss gefasst, der die sofortige Beschwerde zurückweist und keine Gründe enthält. (Bl. 80/81 d. A.). Unter demselben Datum hat das Landgericht mit wortgleichem Tenor eine begründete Beschlussfassung erlassen (Bl 87 ff d. A.).

Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen zur Verlängerung der Haft zur Sicherung der Zurückschiebung für die Dauer bis zum 14.12.2007 seien nach den von der Kammer getroffenen Feststellungen jedenfalls derzeit gegeben. Unter anderem hat die Kammer ausgeführt wegen der durch § 57 Abs. 3 AufenthG angeordneten entsprechenden Anwendung der Vorschriften über die Abschiebehaft auf die Zurückschiebungshaft sei auch § 14 Abs. 3 S.3 Asylverfahrensgesetz auf den Fall der Zurückschiebungshaft anwendbar. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe des landgerichtlichen Beschlusses Bezug genommen.

Hiergegen hat der Betroffene mit Schriftsatz vom 19.10.2007, eingegangen bei der gemeinsamen Briefannahmestelle des Land- und Amtsgerichts Frankfurt/Oder am selben Tag (vgl. Bl. 98) sofortige weitere Beschwerde eingelegt und auf seine bisherigen Rechtsausführungen Bezug genommen, mit denen sich das Landgericht nicht auseinander gesetzt habe. Zudem genüge die Entscheidung in formeller Hinsicht nicht den Anforderungen des § 25 FGG.

Die Antragstellerin verteidigt demgegenüber die angefochtene Entscheidung nach Maßgabe ihrer Ausführungen im Schriftsatz vom 2.11.2007, auf die verwiesen wird.

II.

Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie sofortige weitere Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Die angefochtene Beschwerdeentscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes (§ 27 Abs. 1 FGG).

Ohne Erfolg beanstandet die weitere sofortige Beschwerde, der vom Landgericht "zunächst" erlassene Beschluss enthalte keine Gründe; da in Freiheitsentziehungssachen keine Abhilfemöglichkeit bestehe, sei es dem Landgericht auch im Hinblick auf den Devolutiveffekt eines Rechtsmittels verwehrt gewesen, danach einen "weiteren", nunmehr begründeten Beschluss zu erlassen.

Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Betroffenen: Eine Entscheidung des Beschwerdegerichts, bei der Gründe überhaupt oder zu den für die Entscheidung wesentlichen Punkten vollständig fehlen, beruht auf einer Verletzung des Gesetzes und unterliegt der Aufhebung nach § 27 Abs. 1 S. 2 FGG in Verbindung mit § 547 Nr. 6 ZPO; es muss in diesem Fall grundsätzlich eine Zurückverweisung erfolgen (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler - Sternal, FGG, 15. Aufl., § 25 Rdn 30; § 27 Rn. 40).

Bei der gebotenen Gesamtwürdigung kann der Senat vorliegend jedoch keinen Verstoß gegen den von § 25 FGG normierten Begründungszwang feststellen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist im Ergebnis nicht von zwei selbständigen Beschlüssen auszugehen. Vielmehr handelt es sich um einen einheitlichen Beschluss, dessen Tenor zunächst vorab von den beteiligten Richtern unterzeichnet wurde. Dabei bedarf es keiner Klärung durch den Senat, weshalb diese Verfahrensweise im Fall einer nicht erfolgreichen sofortigen Beschwerde von der Kammer gewählt wurde.

Die angefochtene Entscheidung erweist sich auch im Übrigen als rechtsfehlerfrei.

Der Senat hat bereits in der Entscheidung 11 Wx 19/05/11 Wx 20/05 vom 17. März 2005, auf die Bezug genommen wird, ausgeführt, das Landgericht habe in jenem Fall rechtsfehlerfrei die Auffassung vertreten, die Anordnung und Aufrechterhaltung der Zurückschiebungshaft sei auch dann zulässig, wenn der Betroffene aus der Haft einen Asylantrag beim BAMF stelle. An dieser Rechtsprechung hält der Senat - auch im Hinblick auf die seit dem 28.08.2007 gültige Neuregelung des § 14 Asylverfahrens - fest, obwohl inzwischen in der Kommentarliteratur teilweise eine andere Auffassung vertreten wird (so Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl., § 14 AsylVerfG Rn 16 ff und Melchior, Abschiebungshaft Onlinekommentar Nr. 417) und das Oberlandesgericht Köln (Az.: 16 Wx 130/07, Beschluss vom 11.06.2007) es als zweifelhaft angesehen hat, ob die Vorschrift des § 14 Abs. 3 S. 3 AsylVfG auch die Fortdauer von Zurückschiebungshaft ermöglicht (im Ergebnis vom OLG Köln offengelassen).

Ausgangspunkt aller Überlegungen in diesem Zusammenhang muss sein, dass die Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) ein besonders hohes Rechtsgut ist, in das nur aus wichtigen Gründen eingegriffen werden darf. Geschützt wird die im Rahmen der geltenden allgemeinen Rechtsordnung gegebene tatsächliche körperliche Bewegungsfreiheit vor Eingriffen wie Verhaftung, Festnahme und ähnlichen Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs. Nach Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG darf die in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleistete Freiheit der Person nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes beschränkt werden. Die Eingriffsvoraussetzungen müssen sich dabei unmittelbar und hinreichend bestimmt aus dem Gesetz selbst ergeben. Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG steht vor allem einer analogen Heranziehung materiell-rechtlicher Ermächtigungsgrundlagen für Freiheitsentziehungen entgegen (BVerfG, 2 BvR 2106/05, Beschluss vom 16.05.2007). Diese verfassungsrechtlichen Grundsätze verletzt die angefochtene Entscheidung nicht.

§ 14 Abs. 3 AsylVfG lautet in der aktuellen Fassung:

"Befindet sich der Ausländer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 2 in

1. Untersuchungshaft,

2. Strafhaft,

3. Vorbereitungshaft nach § 62 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes,

4. Sicherungshaft nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des Aufenthaltsgesetzes, weil er sich nach der unerlaubten Einreise länger als einen Monat ohne Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufgehalten hat,

5. Sicherungshaft nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a bis 5 des Aufenthaltsgesetzes, steht die Asylantragstellung der Anordnung oder Aufrechterhaltung von Abschiebungshaft nicht entgegen. Dem Ausländer ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, mit einem Rechtsbeistand seiner Wahl Verbindung aufzunehmen, es sei denn, er hat sich selbst vorher anwaltlichen Beistands versichert. Die Abschiebungshaft endet mit der Zustellung der Entscheidung des Bundesamtes, spätestens jedoch vier Wochen nach Eingang des Asylantrags beim Bundesamt, es sei denn, es wurde auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren ein Auf- oder Wiederaufnahmeersuchen an einen anderen Staat gerichtet oder der Asylantrag wurde als unbeachtlich oder offensichtlich unbegründet abgelehnt."

Mit dem zum 1.11.1997 in § 14 AsylVfG eingefügten Abs. 3 (früher Abs. 4) sollte verhindert werden, dass der Ausländer, der um Asyl nachsucht, während er sich in öffentlichem Gewahrsam befindet, wegen des dann ausgelösten Bleiberechts entlassen werden muss und untertauchen und (erneut) Straftaten begehen kann (BT-Drs 13/4948 S.10). Dieses Ziel ist im Gesetzestext nicht ausdrücklich zum Ausdruck gelangt. Daher hängt die Anwendung nicht vom Nachweis einer Missbrauchsabsicht ab, diese wird vielmehr generell ohne Möglichkeit der Widerlegung unterstellt. Die danach im Hinblick auf die aufgezeigten Vorgaben der Verfassung notwendige Begrenzung des Anwendungsbereichs soll durch eine abschließende Aufzählung der Gewahrsamsarten und strikte Befristung erreicht werden (vgl. Renner a.a.O., Rdnr. 16). Das Asylgesuch und das damit verbundene gesetzliche Aufenthaltsrecht der Aufenthaltsgestattung beenden die Ausreisepflicht und führen damit grundsätzlich zur Beendigung von Vorbereitungs- und Sicherungshaft. § 14 Abs. 3 AsylVfG verhindert diese regulären Folgen des Asylgesuchs und ermöglicht Abschiebehaft trotz Aufenthaltsgestattung und Aufhebung der Ausreisepflicht (vgl. Renner, a.a.O.).

Mit der von Renner und Melchior vertretenen Auffassung (jeweils a.a.O.) geht auch der Senat davon aus, dass die Regelungen des § 14 Abs. 3 AsylVfG angesichts des Ausnahmecharakters und des gesetzlichen Zwecks der Missbrauchabwehr sorgfältig und möglichst wortlautgetreu auszulegen sind.

Anders als die genannten Kommentatoren meinen, stellt die Anordnung bzw. Aufrechterhaltung der Zurückschiebungshaft in Fällen, in denen der Betroffene aus der Haft heraus einen Asylantrag stellt, nach Meinung des Senates aber gerade keine unzulässige erweiternde Auslegung über den Wortlaut des § 14 Abs. 3 AsylVfG hinaus oder analoge Anwendung dar:

Im Hinblick auf die Zurückschiebungshaft ist in §§ 15 Abs. 4, 57 Abs. 3 und in § 33 Abs. 3 AufenthG auf § 62 AufenthG Bezug genommen worden. Soweit § 14 Abs. 3 AsylVfG in diesen Vorschriften nicht erwähnt ist, kann daraus aber nicht gefolgert werden, dass die Zurückschiebungshaft von § 14 Abs. 3 AsylVfG nicht umfasst wird.

Vielmehr ergibt sich aus dieser Norm - unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben - hinreichend deutlich, dass sie die "Abschiebehaft" im Sinne des Aufenthaltsgesetzes insgesamt in ihren Regelungsbereich einbezieht. Unter diesen Begriff fallen gerade auch die Zurückweisungs- bzw. Zurückschiebungshaft. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass der Gesetzgeber des AufenthG diese von der Rechtsprechung und Kommentarliteratur verwendeten differenzierenden Bezeichnungen für die verschiedenen Haftarten nicht gewählt, sondern alle Haftarten mit dem Oberbegriff "Abschiebehaft" bezeichnet hat. Konsequenterweise hat der Gesetzgeber diese, dem AufenthG fremde Terminologie nicht im AsylVfG aufgegriffen. Daher vermag der Senat der Auffassung, es fehle an einer Verknüpfung der genannten Regelungen des AufenthG mit § 14 Abs. 3 AsylVfG, nicht beizutreten. Wenn der Gesetzgeber der Auffassung gewesen wäre, seine dargelegte Motivation (Verhinderung von Missbrauch und Untertauchen) passe nicht ohne Weiteres auf Zurückweisung und Zurückschiebung (letzteres meint Renner, a.a.O.), hätte er diese Bereiche angesichts der dargelegten Gesetzessystematik gerade ausdrücklich ausnehmen müssen.

Da nach dem hinreichend erkennbaren Willen des Gesetzgebers auch der Fall der (sogen.) Zurückschiebungshaft von § 14 Abs. 3 AsylVfG umfasst wird, kommt es auf das weitere, zur Unterstützung seiner Meinung von Renner betonte Argument, Zurückweisung und Zurückschiebung unterschieden sich so sehr von der Ausweisung und Abschiebung, dass sich auch ihr Verhältnis zu einem Asylgesuch anders darstelle, nicht mehr an. Allerdings könnten dieser Auffassung im Hinblick auf die jeweils durchzuführenden Verwaltungs- und Rechtsschutzverfahren Bedenken begegnen, ohne dass dies hier näher untersucht werden müsste.

Den übrigen Ausführungen des Landgerichts schließt sich der Senat an. Insbesondere hat die Kammer die erforderlichen Voraussetzungen für die Verhältnismäßigkeit der Haft in der angefochtenen Entscheidung rechtsfehlerfrei bejaht.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes ist nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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