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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 15.11.2007
Aktenzeichen: 11 Wx 55/07
Rechtsgebiete: AufenthG, FEVG, FGG, ZPO, AuslG


Vorschriften:

AufenthG § 57 Abs. 3
AufenthG § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
AufenthG § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 5
AufenthG § 62 Abs. 2 S. 4
AufenthG § 106 Abs. 2 S. 1
FEVG § 3 S. 2
FEVG § 7 Abs.
FEVG § 16
FGG § 12
FGG § 25
FGG § 27
FGG § 27 Abs. 1 S. 2
ZPO § 547 Nr. 6
AuslG § 57 Abs. 2 S. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

11 Wx 55/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Freiheitsentziehungsverfahren

hat der 11. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 18. Oktober 2007 - Az.: 15 T 121/07 - durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Goebel, den Richter am Oberlandesgericht Hütter und den Richter am Oberlandesgericht Ebling

am 15. November 2007

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten erfolgt nicht.

Gründe:

I.

Der Betroffene wurde am 14.08.2007 gegen 6.35 Uhr von der Landespolizei im grenznahen Raum in Höhe der Ortschaft B... aufgegriffen. Es war zunächst beabsichtigt, den Betroffenen in die Republik Polen als sicheren Drittstaat zurückzuschieben.

Das Amtsgericht Cottbus ordnete mit Beschluss vom 15.08.2007 - Az.: 92 XIV 31 - 33/07 - gem. §§ 57 Abs. 3, 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AufenthG Haft zur Sicherung der Zurückschiebung für die Dauer von 60 Tagen an. Nach Abgabe des Verfahrens an das Amtsgericht Eisenhüttenstadt stützte dieses mit Beschluss vom 17.08.2007 i.V.m. dem wegen offensichtlicher Unrichtigkeit (es wurde irrtümlich eine unzutreffende Staatsangehörigkeit angegeben) erlassenen Berichtigungsbeschluss vom 22.08.2007 die Haft zur Sicherung der Zurückschiebung auch auf § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 AufenthG. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe der vorgenannten Beschlüsse Bezug genommen.

Nach Einlieferung in die Abschiebehafteinrichtung der Zentralen Ausländerbehörde des Landes Brandenburg stellte der Betroffene einen schriftlichen Asylantrag, der am 20.08.2007 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) einging.

Im Hinblick auf diesen Antrag wurde das an die Republik Polen gerichtete formlose Rücknahmeersuchen zurückgenommen, da die Voraussetzungen einer Rückführung wegen des Asylantrags nicht länger vorlagen.

Das BAMF lehnte den Asylantrag mit Bescheid vom 04.09.2007 (vgl. Bl. 84 a ff) als offensichtlich unbegründet ab. Am 14.09.2007 erhob der Betroffene gegen diesen Bescheid Klage beim Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) (Az.: 7 K 1319/07).

Mit Schreiben vom 10.09.2007 verfügte die Zentrale Rückführungsstelle des Bundespolizeiamts F. die Zurückschiebung des Betroffenen nach Indien. Zwischenzeitlich war dem Betroffenen ein Passersatzantrag vorgelegt worden, den er in der Abschiebehafteinrichtung ausfüllte. Die Unterlagen wurden der Bundespolizeiinspektion (BPOLI) Polizeiliche Sonderdienste (PSD) in B... zur Vorlage bei der Botschaft übersandt. Die Unterlagen konnten allerdings nicht an die Botschaft weitergeleitet werden, da sie unvollständig ausgefüllt waren. Mit Hilfe eines Dolmetschers wurden am 31.08.2007 erneut Passersatzanträge ausgefüllt und der BPOLI PSD übersandt. Die Anträge wurden der indischen Botschaft am 04.09.2007 übergeben und gleichfalls der deutschen Botschaft in Neu Dehli übersandt.

Mit Antrag vom 09.10.2007 (Bl. 40/41) beantragte die Antragstellerin, die seit dem 14.08.2007 bestehende Haft bis zum 14.12.2007 zu verlängern. In der Antragsbegründung hieß es u. a., die weitere Haft sei bis zu diesem Datum notwendig, um das eingeleitete Passersatzbeschaffungsverfahren abzuschließen und die Person nach Indien zurückzuschieben. Da die Person bei der Befragung falsche bzw. unvollständige Angaben gemacht habe, verzögere sich die Überprüfung im Heimatland und dadurch das gesamte Verfahren. Erfahrungsgemäß könne mit einer Entscheidung der Botschaft innerhalb von 4 - 6 Wochen gerechnet werden. Die Haft sei weiterhin erforderlich, um zu verhindern, dass die Person im Schengengebiet untertauche und sich der Zurückschiebung entziehe.

Daraufhin verlängerte das Amtsgericht Eisenhüttenstadt mit Beschluss vom 11.10.2007 - Az.: 23 XIV 137/07 - die angeordnete Haft zur Sicherung der Zurückschiebung bis zum 14.12.2007. In den Gründen führte das Amtsgericht u. a. auf, im Hinblick auf die Erklärung der zuständigen Behörde über den gegenwärtig bestehenden Verfahresstand, sei davon auszugehen, dass die Zurückschiebung innerhalb der von § 62 As. 2 S. 4 AufenthG geforderten Frist erfolgen könne.

Gegen diesen Beschluss hat die vom Betroffenen als Vertrauensperson benannte Frau L. am 15.10.2007 sofortige Beschwerde eingelegt, die der Betroffene genehmigt hat. Mit seinem Rechtsmittel hat der Betroffene im Wesentlichen geltend gemacht:

Die Haftanordnung sei aufgrund des § 62 Abs. 2 S. 4 AufenthG aufzuheben. Hiernach sei die Sicherungshaft unzulässig, wenn feststehe, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten habe, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten 3 Monate durchgeführt werden könne. Dies sei hier der Fall. Es sei bekannt, dass in den Fällen indischer Staatsangehöriger, in denen keine Identitätsnachweise vorlägen, die indischen Behörden in der Regel keine Heimreisedokumente ausstellten oder zumindest mehr als 6 Monate für das entsprechende Verfahren benötigten. Bisher habe noch nicht einmal eine Vorführung bei der indischen Botschaft stattgefunden. Es sei daher von vornherein abzusehen, dass die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten 3 Monate seit der Erstanordnung stattfinden könne.

Demgegenüber hat die Antragstellerin ausgeführt, die Passersatzanträge würden von der indischen und deutschen Botschaft derzeit geprüft. Die Überprüfung benötige lt. Auskunft der BPOLI PSD in der Regel 6 - 8 Wochen. Im Anhörungstermin vor dem Landgericht am 18.10.2007 haben die Vertreter der Antragstellerin erklärt, dass diese innerhalb der nächsten 14 Tage - spätestens - mit der Identitätsfeststellung des Betroffenen rechne und davon ausgehe, dass nach längstens weiteren 5 - 6 Wochen die Passersatzpapiere vorliegen würden. Diese Zeitabläufe entsprächen den allgemeinen Erfahrungswerten.

Das Landgericht hat nach Anhörung des Betroffenen am 18.10.2007 einen Beschluss gefasst, der die sofortige Beschwerde zurückweist und keine Gründe enthält (Bl. 88/89 d. A.). Unter demselben Datum hat das Landgericht mit wortgleichem Tenor eine begründete Beschlussfassung erlassen (Bl. 99 ff d. A.).

Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen zur Verlängerung der Haft zur Sicherung der Zurückschiebung für die Dauer bis zum 14.12.2007 seien nach den von der Kammer getroffenen Feststellungen jedenfalls derzeit gegeben. Die Anordnung der Haft sei auch nicht unverhältnismäßig i.S.d. § 62 Abs. 2 S. 4 AufenthG. Der betroffene habe die Verzögerung der Zurückschiebung jedenfalls zu vertreten. Im Sinne des § 62 Abs. 2 S.4 AufenthG habe der Betroffene alle Umstände zu vertreten, die von ihm zurechenbar veranlasst seien und dazu geführt hätten, dass ein Abschiebehindernis eingetreten sei. Ein Ausländer habe nach gefestigter Rechtsprechung Verzögerungen seiner Abschiebung jedenfalls dann zu vertreten, wenn er seine Passpapiere schuldhaft weggegeben habe - etwa an einen Schleuser - und hierdurch einen ihm zurechenbaren Umstand geschaffen habe, der seine Abschiebung verzögere, weil nunmehr Passersatzpapiere beschafft werden müssten. So liege der Fall hier. Die Antragstellerin habe alle erforderlichen Anstrengungen zur alsbaldigen Beschaffung von Passersatzpapieren unternommen. Zwar sei die Identität des Betroffenen gegenwärtig noch nicht von der Deutschen Botschaft in Neu Dehli festgestellt und bestätigt worden. Hiermit sei nach Angaben der Antragstellerin - auf Grund der vorliegenden allgemeinen Erfahrungswerte - aber in den nächsten 10 bis 14 Tagen und innerhalb der nächsten 5 bis 6 Wochen dann mit der Ausstellung von Passersatzpapieren zu rechnen, so dass die Zurückschiebung danach unverzüglich vollzogen werden könne. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe des landgerichtlichen Beschlusses Bezug genommen.

Hiergegen hat der Betroffene mit Schriftsatz vom 30.10.2007, eingegangen bei dem Landgericht Frankfurt (Oder) am selben Tag (vgl. Bl. 118) sofortige weitere Beschwerde eingelegt. Mit dieser macht er im Wesentlichen geltend:

Der Beschluss des Landgerichts sei zunächst in verfahrenswidriger Weise ohne Entscheidungsgründe ergangen. Sodann sei er am 24.10., allerdings rückdatiert auf den 18.10.2007, erneut mit Gründen gefasst worden. Der zurückweisende Beschluss sei in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft:

Am 22.08.2007 sei ihm ein Passersatzantrag vorgelegt worden, den er nicht habe vollständig ausfüllen können, da ihm die notwendige Übersetzung vorenthalten worden sei. Daher sei erst am 31.08.2007, mithin 17 Tage nach Beginn der Freiheitsentziehung, mit der Passbeschaffung begonnen worden. Damit sei das Beschleunigungsgebot verletzt gewesen, was weder das Amtsgericht noch das Landgericht hinreichend berücksichtigt hätten. Der Haftantragsteller, der auch für die Rückführung verantwortlich sei, müsse die Abschiebung bzw. Rückschiebung zügig vorbereiten und durchführen. Dazu habe er dem Betroffenen konkret und nachweisbar die notwendigen Schritte in Abstimmung mit der Botschaft des betroffenen Heimatlandes aufzuzeigen und sicherzustellen, dass diese auch unternommen würden. Dies bedeute, dass er hätte in Kenntnis gesetzt werden müssen, wie er einen Passantrag auszufüllen habe, damit dieser an die zuständige Botschaft weitergeleitet werden könne. Bereits aus diesem Grund stelle sich die Aufrechterhaltung der Haft als rechtswidrig dar, da sie einen Fortgang des Verstoßes gegen die Beschleunigungsmaxime bedeute.

Soweit die Antragstellerin geltend mache, eine Überprüfung seiner Identität durch die deutsche Botschaft in Indien betrage 6 - 8 Wochen, ebenso lange dauere die Überprüfung durch die indische Botschaft, entbehre dies jeglicher Grundlage. Tatsächlich würden sei Jahren im Raum Berlin-Brandenburg keine indischen Staatsangehörigen in Abschiebungshaft genommen, wenn keinerlei Identitätspapiere oder andere Belege für die Identität vorlägen. Dies beruhe darauf, dass eine Identitätsüberprüfung durch die indischen Behörden strukturell bedingt länger als 3 Monate dauere. Völlig unklar sei die Auskunft der Antragstellerin, seine Identität werde durch die deutsche Botschaft geprüft. Da dieses Verfahren überraschend sei, müsse sich die Antragstellerin unter Beibringung entsprechender Unterlagen erklären. Unter Bezugnahme auf Rechtsprechung verschiedener Gerichte führt der Betroffene weiter aus, dass sich nach den Erfahrungen dieser Spruchkörper die Beschaffung von Passersatzpapieren bei indischen Staatsangehörigen innerhalb von 3 Monaten als undurchführbar herausgestellt habe. Dies mache es erforderlich, dass das Haftgericht die Möglichkeit der Beschaffung der Papiere innerhalb von 3 Monaten konkret überprüfe. Daher hätte das Landgericht zu ermitteln gehabt, ob in den vergangenen Monaten Inder in ihr Heimatland hätten abgeschoben werden können, die nicht über Nationalpässe oder andere Identitätspapiere verfügten. Hierzu hätte die Kammer Informationen der Antragstellerin oder der Haftanstalten einholen müssen. Im Übrigen sei zu beachten, dass die 3-Monats-Frist mit seiner Festnahme zu laufen begonnen habe. Wenn zunächst, wie die Antragstellerin ausführe, die Überprüfung durch die deutsche Botschaft 6 - 8 Wochen dauere, müsse die indische Botschaft Ersatzpapiere innerhalb von 4 - 6 Wochen ausstellen, um innerhalb dieser Frist zu bleiben. Die Antragstellerin trage jedoch selbst vor, die indische Botschaft benötige mindestens 6 - 8 Wochen für die Erteilung eines Ersatzreisepapiers, was im Übrigen bestritten werde. Dies erscheine ungewöhnlich schnell angesichts der bekannten Praxis der indischen Botschaft in B.... Ergänzend verweist der Beschwerdeführer auf Verfahren indischer Staatsangehöriger, in denen es der Antragstellerin nicht gelungen sei, Passersatzpapiere innerhalb von 3 Monaten zu beschaffen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Rechtsbeschwerdeschrift Bezug genommen.

Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 12.11.2007, auf den verwiesen wird, zur Rechtsbeschwerde Stellung genommen und deren Zurückweisung beantragt.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 106 Abs. 2 S.1 AufenthG, 7 Abs. 1, 3 S. 2 FEVG, 27, 29 FGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis des Betroffenen ergibt sich bereits daraus, dass seine Erstbeschwerde ohne Erfolg geblieben ist.

In der Sache hat die sofortige weitere Beschwerde keinen Erfolg. Die Entscheidung des Landgerichts hält der dem Senat allein möglichen Überprüfung auf Rechtsfehler (§§ 27 Abs. 1 Satz 1 FGG, 546 ZPO) stand, da sie nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht, § 27 FGG.

Ohne Erfolg beanstandet die weitere sofortige Beschwerde, der vom Landgericht "zunächst,, erlassene Beschluss enthalte in verfahrenswidriger Weise keine Gründe und sei am 24.10.2007 - rückdatiert - erneut gefasst worden.

Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Betroffenen: Eine Entscheidung des Beschwerdegerichts, bei der Gründe überhaupt oder zu den für die Entscheidung wesentlichen Punkten vollständig fehlen, beruht auf einer Verletzung des Gesetzes und unterliegt der Aufhebung nach § 27 Abs. 1 S. 2 FGG i.V.m. § 547 Nr. 6 ZPO; es muss in diesem Fall grundsätzlich eine Zurückverweisung erfolgen (vgl. Keidel/Kuntze/ Winkler - Sternal, FGG, 15. Aufl., § 25 Rn. 30; § 27 Rn. 40).

Bei der gebotenen Gesamtwürdigung kann der Senat vorliegend jedoch keinen Verstoß gegen den von § 25 FGG normierten Begründungszwang feststellen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist im Ergebnis nicht von zwei selbständigen Beschlüssen auszugehen. Vielmehr handelt es sich um einen einheitlichen Beschluss, dessen Tenor zunächst vorab von den beteiligten Richtern unterzeichnet wurde. Dabei bedarf es keiner Klärung durch den Senat, weshalb diese Verfahrensweise im Fall einer nicht erfolgreichen sofortigen Beschwerde von der Kammer gewählt wurde.

Die angefochtene Entscheidung erweist sich auch im Übrigen als rechtsfehlerfrei.

Der Senat hat bereits in seinen Entscheidungen 11 Wx 19/05/11 Wx 20/05 vom 17. März 2005 und 11 Wx 50/07 vom 8. November 2007, auf die Bezug genommen wird, ausgeführt, das Landgericht habe in jenen Fällen rechtsfehlerfrei die Auffassung vertreten, die Anordnung und Aufrechterhaltung der Zurückschiebungshaft sei auch dann zulässig, wenn der Betroffene aus der Haft einen Asylantrag beim BAMF stelle. Hieran hält der Senat fest (zum Meinungsstand vgl. Senat 11 Wx 50/07 m.w. Nachw.).

Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht den Haftgrund des § 62 Abs. 2 S.1 Nr. 1, Nr. 5 AufenthG bejaht. Da die sofortige weitere Beschwerde hiergegen keine Einwendungen erhebt, verweist der Senat auf die rechtsfehlerfreien Ausführungen des Landgerichts in dem angefochtenen Beschluss.

Ferner erweist sich die Annahme des Landgerichts, dass § 62 Abs. 2 S. 4 AufenthG der Haftverlängerung nicht entgegenstehe, da der Betroffene die Verzögerung seiner Abschiebung zu vertreten habe und sich vorausschauend nicht feststellen lasse, dass die Abschiebung innerhalb des gesamten Haftzeitraums nicht möglich sein werde, als frei von Rechtsfehlern.

Im Sinne des § 62 Abs. 2 S. 4 AufenthG hat der Betroffene alle Umstände zu vertreten, die von ihm zurechenbar veranlasst sind und dazu geführt haben, dass ein Abschiebehindernis eingetreten ist. Nach der Rechtsprechung des BGH (Beschluss vom 11.07.1996, Az.: V ZB 14/96, NJW 1996, 2796) zu der gleichlautenden Vorgängerregelung in § 57 Abs. 2 S. 4 AuslG muss bei der Anwendung der Vorschrift deren Zweck Rechnung getragen werden, dass im Regelfall die Dauer von drei Monaten Haft nicht überschritten werden soll und eine Haftdauer von sechs Monaten nicht ohne weiteres als verhältnismäßig angesehen werden darf. Daraus ist zu folgern, dass auch die Verlängerung einer Haftanordnung über drei Monate des insgesamt angeordneten Haftzeitraumes hinaus unzulässig ist, wenn die Abschiebung während der ersten drei Monate aus Gründen unterblieben ist, die von dem Ausländer nicht zu vertreten sind. Dementsprechend darf die Haft für einen Zeitraum von insgesamt sechs Monaten nur verlängert werden, wenn die Verzögerung der Abschiebung von dem Betroffenen im Sinne des § 62 Abs.2 S. 4 AufenthG zu vertreten ist. Es handelt sich um eine Frage der Zurechnung, die nicht generell-abstrakt beantwortet werden kann, sondern unter Würdigung der gesamten Umstände zu entscheiden ist (BGH NJW a.a.O.; OLG Hamm, Beschluss vom 02.01.2007, Az.: 15 W 22/06).

Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob bereits der Umstand allein, dass der Betroffene sich ohne Nationalpass im Bundesgebiet aufgehalten hat, als Zurechnungsgrund in diesem Sinne ausreicht (so OLG Hamm, Beschluss vom 25.11.1996, Az.: 15 W 465/96). Teilweise wird insoweit bezogen auf die Verhältnisse abgelehnter Asylbewerber die Auffassung vertreten, nur wenn festgestellt werden könne, dass der Betroffene seinen vorhandenen Nationalpass bei seiner Einreise schuldhaft (etwa an einen Schlepper) weggegeben habe, liege ein zurechenbares Verhalten vor (vgl. etwa OLG Düsseldorf, Beschl. v. 03.11.2003, Az.: I-3 Wx 275/03; OLG Köln, Beschl. v. 13.10.2004, Az.: 16 Wx 194/04). Auch nach dieser einschränkenden Auffassung hat der Betroffene die Verzögerung infolge der Notwendigkeit der Passersatzbeschaffung jedoch zu vertreten, da er, wie das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, eben dies nach seinen eigenen Angaben getan hat.

Das Vertretenmüssen im Sinne des § 62 Abs. 2 S. 4 AufenthG erstreckt sich auf die Verzögerung der Abschiebung, die dadurch entsteht, dass die Behörden des Heimatstaates des Betroffenen um die Erteilung eines Passersatzpapiers ersucht werden müssen. In den dem Betroffenen zuzurechnenden und von ihm daher hinzunehmenden Zeitraum fällt deshalb in den Grenzen der gesetzlichen Vorschrift auch das Prüfungsverfahren, das die Heimatbehörden des Betroffenen bis zur positiven Bescheidung des Antrags auf Erteilung eines Passersatzpapiers für sich in Anspruch nehmen (OLG Hamm a.a.O.).

Auch der Umstand, dass das Landgericht seine Prognoseentscheidung, es stehe nicht vorausschauend fest, dass eine Abschiebung nicht innerhalb des verlängerten Haftzeitraums möglich sein werde, ohne weitere Ermittlungen auf die Auskünfte der Antragstellerin gestützt hat, hält der allein möglichen rechtlichen Prüfung stand. Im Verfahren der Rechtsbeschwerde ist die Tatsachenwürdigung des Beschwerdegerichts nur darauf nachprüfbar, ob der Tatrichter den maßgebenden Sachverhalt ausreichend ermittelt, sich mit allen wesentlichen Umständen auseinandergesetzt und hierbei nicht gegen gesetzliche Beweisregeln und Verfahrensvorschriften sowie gegen Denkgesetze, zwingende Erfahrungssätze oder den allgemeinen Sprachgebrauch verstoßen hat (Keidel/Meyer-Holz, FG, 15. Aufl. § 27 FGG Rdn. 4).

Nicht zu beanstanden ist danach zunächst, dass das Landgericht davon abgesehen hat - wie von dem Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen für erforderlich gehalten - zu ermitteln, ob in den vergangenen Monaten Inder in ihr Heimatland hätten abgeschoben werden können, die nicht über Nationalpässe oder andere Identitätspapiere verfügten. Der Senat folgt der vom Oberlandesgericht Hamm in der bereits zitierten Entscheidung vertretenen Auffassung, dass die Kammer sich insoweit nicht etwa eine Gesamtstatistik von der Antragstellerin vorlegen lassen musste. Auch war das Landgericht nicht gehalten, Informationen von Haftanstalten einzuholen.

Der Tatrichter kann seine Überzeugung, die Undurchführbarkeit der Abschiebung (Zurückschiebung) innerhalb des maßgebenden Zeitraums könne nicht festgestellt werden, rechtsfehlerfrei darauf stützen, dass in Einzelfällen eine solche Abschiebung hat durchgeführt werden können. Diese Sichtweise entspricht der insoweit eindeutigen gesetzlichen Regelung, nach der die Haftanordnung nur zu unterbleiben hat, wenn feststeht , dass die Abschiebung nicht möglich sein wird (so auch OLG Hamm a.a.O.). Dies steht nach dem hier zu Beurteilung stehenden Sachverhalt gerade nicht fest, wobei darauf hinzuweisen ist, dass neue Tatsachen und Beweismittel in Bezug auf die Sache weder durch die Beteiligten noch durch das Gericht der weiteren Beschwerde eingeführt werden können; das gilt sowohl für Tatsachen, die bei Erlass der Beschwerdeentscheidung schon bestanden haben, aber nicht vorgebracht wurden, als auch für erst nachträglich eingetretene (vgl. hierzu im einzelnen: Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 27 Rdrn. 45 ff. m.w.Nachw.).

Auch der Umstand, dass die Kammer - wie sich aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses ergibt - die Auskünfte der Mitarbeiter der Antragstellerin ohne weitere Ermittlungen als glaubhaft erachtet hat, begründet keinen Verstoß gegen § 12 FGG. Es besteht Einigkeit in der obergerichtlichen Rechtsprechung, dass bei der Prüfung, innerhalb welchen Zeitraums eine Abschiebung möglich erscheint, zuvörderst auf die Erfahrungen der (zentralen) Ausländerbehörden zurückzugreifen ist (OLG Hamm, a.a.O.; OLG Düsseldorf, Beschluss. vom 05.06.2002, Az.: 3 Wx 152/02; OLG Köln, Beschluss vom 23.11.2001, Az.: 16 Wx 253/01). Dabei teilt auch der Senat allerdings die Auffassung, dass der Haftrichter den Angaben einer antragstellenden Behörde nicht blind vertrauen darf, sondern diese aus gegebenem Anlass auch überprüfen muss. Ein solcher Anlass bestand vorliegend bei der gebotenen Gesamtwürdigung jedoch nicht. Zudem deckten sich die Angaben der Behörde durchaus mit den Feststellungen anderer Gerichte, wonach eine Abschiebung (Zurückschiebung) innerhalb des maßgebenden Zeitraums nach Indien - vorbehaltlich der Richtigkeit der Angaben des Betroffene zu seiner Person - möglich war (vgl. z.B. OLG Frankfurt, Beschluss vom 16.01.2007, Az.: 20 W 466/06). Insoweit beruft sich der Beschwerdeführer ohne Erfolg auf frühere Rechtsprechung. Im Übrigen lagen zum Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die entsprechenden Angaben des Betroffenen falsch gewesen sein könnten, nicht vor. Diesen Sachverhalt hat - wie ausgeführt - auch der Senat seiner Entscheidung über die Rechtsbeschwerde zu Grunde zu legen.

Auch eine Verletzung des Beschleunigungsgebotes ist angesichts der dargestellten Abläufe nicht feststellbar.

Da die Anordnung der Haft somit zu Recht erfolgt ist, ist der Tatbestand des § 16 FEVG ersichtlich nicht erfüllt, so dass eine Kostenerstattung ausscheidet.

Ende der Entscheidung

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