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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 01.03.2007
Aktenzeichen: 11 Wx 7/07
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 1906
BGB § 1906 Abs. 1 Nr. 1
BGB § 1906 Abs. 2 Nr. 2
FGG § 22 Abs. 1 S. 1
FGG § 70 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 b
FGG § 70 d Abs. 1 S. 1 Nr. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

11 Wx 7/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Unterbringungsverfahren

hat der 11. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts am 01. März 2007 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Goebel, den Richter am Oberlandesgericht Hütter und den Richter am Oberlandesgericht Pliester

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige weitere Beschwerde der Betroffenen wird der Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 30. Januar 2007 (versehentliches Beschlussdatum in der Urschrift: 26. Januar 2007) - Az.: 5 T 728/06 - aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Seit dem 11. August 2006 ist die Betroffene gem. § 1906 BGB untergebracht. Zuletzt wurde die Unterbringung durch Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 29. November 2006 bis zum 29. November 2007 verlängert (Bl. 240 d.A.). Gleichzeitig hat das Amtsgericht den Einwilligungsvorbehalt für die Vermögenssorge verlängert und eine Überprüfung zum 29. November 2008 angekündigt. Gegen die Unterbringung in einer geschlossenen Anstalt hat sich die Betroffene mit der sofortigen Beschwerde vom 06. Dezember 2006 ebenso gewandt wie gegen die Verlängerung des Einwilligungsvorbehaltes. Das Landgericht hat die Betroffene und die behandelnden Ärzte angehört und ein weiteres psychiatrisches Gutachten eingeholt. Sodann hat das Landgericht die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Es hat die Unterbringung der Betroffenen auf § 1906 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 gestützt und sich der Bewertung des Gutachters C... angeschlossen. Wegen der Einzelheiten der Begründung und wegen des weiteren bisherigen Verfahrensverlaufs wird auf den angefochtenen Beschluss, ebenso auf die in den Akten befindlichen Gutachten, Bezug genommen.

Gegen den Beschluss, der dem Verfahrenspfleger am 30. Januar 2007 zugestellt worden ist, richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Betroffenen, beim Landgericht eingegangen am 13. Februar 2007, mit der sie die Beendigung der Unterbringung und die Aufhebung des Einwilligungsvorbehalts weiter verfolgt.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig, insbesondere in der Frist des § 22 Abs. 1 S. 1 FGG beim Landgericht Potsdam eingegangen. In der Sache führt das Rechtsmittel zur Aufhebung der Entscheidung und Zurückverweisung an das Landgericht Potsdam.

1.

Gemäß § 70 d Abs. 1 S. 1 Nr. 6 FGG ist vor einer Unterbringungsmaßnahme unter anderem die zuständige Behörde zu beteiligen. Für Unterbringungen gem. § 70 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 b FGG bestimmt sich die Zuständigkeit nach dem Betreuungsbehördengesetz (vgl. Bumiller/ Winkler, § 70 d FGG RN 1). Diese Anhörung ist zwingend (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.07.1994, 3 Wx 406/94; BayObLG, Beschluss vom 06.05.1993, 3Z BR 79/93).

Im vorliegenden Fall ist die Beteiligung der Behörde unterblieben. Das Jugendamt, welches für die Landeshauptstadt Potsdam tätig geworden ist, hat zwar in Kontakt mit der Betreuerin gestanden, wie die von letzterer überreichten Schreiben belegen (vgl. etwa Bl. 204 d.A.); doch eine Beteiligung im Verfahren vor dem Amtsgericht oder Landgericht ist ersichtlich unterblieben.

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass eine Äußerung der Behörde für die Unterbringungsentscheidung ersichtlich keinen Einfluss hätte haben können. Insbesondere für die Unterbringung gem. § 1906 Abs. 2 Nr. 2 BGB kommt es, wie ausgeführt werden wird, auf die Frage an, ob eine ärztliche Heilbehandlung möglich und notwendig ist, wobei die Möglichkeit einer Heilbehandlung unter anderem davon abhängt, ob diese - gegebenenfalls aus öffentlichen Mitteln - zu finanzieren ist.

Der landgerichtliche Beschluss beruht demgemäß auf dem Verfahrensfehler. Dem Senat als Rechtsbeschwerdegericht (§ 27 Abs. 1 FGG) ist die Nachholung der Behördenbeteiligung und deren Berücksichtigung in einer erneuten tatrichterlichen Beurteilung verwehrt.

2.

Vorbehaltlich näherer Erkenntnisse auf Grund der nachzuholenden Behördenbeteiligung hat das Landgericht die Voraussetzungen für die Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB allerdings rechtsfehlerfrei festgestellt. Es hat die eingeholten Gutachten und ärztlichen Äußerungen im Ergebnis zutreffend gewürdigt. Die sofortige weitere Beschwerde führt keine Gesichtspunkte auf, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen könnten.

a.

Zu Unrecht wendet die Rechtsbeschwerde ein, das Gutachten des Sachverständigen C..., insbesondere die Exploration der Betroffenen, sei nicht zeitnah vor der Entscheidung des Landgerichts erfolgt. Der Sachverständige hat die Betroffene am 30. Dezember 2006 untersucht und zudem die bereits vorliegenden Gutachten und ärztlichen Stellungnahmen berücksichtigt. Vor dem Hintergrund, dass die Betroffene an einer lang anhaltenden Erkrankung leidet, ist gegen eine Frist von einem Monat zwischen Untersuchung und Unterbringungsbeschluss nichts zu erinnern, zumal die Rechtsbeschwerde nicht geltend macht, dass sich innerhalb dieses Monats eine nachhaltige Veränderung des Krankheitsbildes ergeben hätte.

b.

Mit der weiteren Beschwerde wird darüber hinaus geltend gemacht, der Gutachter und, ihm folgend, das Landgericht habe sich nicht hinreichend mit dem Inhalt der Stellungnahmen der behandelnden Ärzte auseinander gesetzt. Bei der Anhörung des Arztes Dr. S... am 18. Dezember 2006 (Anhörungsprotokoll Bl. 271 d.A.) hat dieser seine Auffassung zu den Vorgutachten des Sachverständigen Dr. Sc... geäußert. Diese Äußerungen hat der Gutachter Dr. C... in nachvollziehbarer und überzeugender Weise in seine Beurteilung einbezogen. Insbesondere sind sich die Gutachter - auch unter Berücksichtigung der wiederholten Suizidversuche der Betroffenen - einig, dass eine erhebliche Selbstgefährdung vorliegt. Nach der Beurteilung des Sachverständigen Dr. Sc... (S. 29; Bl. 234 d.A.) ist im Falle der Entlassung aus der Unterbringung in kürzester Zeit mit suizidalen bzw. parasuizidalen Handlungsweisen zu rechnen, die zum Tode oder zu irreversiblen, schwersten Gesundheitsschäden führen können.

Diese Einschätzung wird vom Gutachter C... geteilt, der die Option, die Betroffene nach Hause zu entlassen, wegen der Suizidgefahr ebenfalls ausgeschlossen hat. Die unmittelbare, auf konkreten Tatsachen beruhende Gefahr, dass es jederzeit zu einer Selbstschädigung der Betroffenen kommen könnte, ist demgemäß aus dem bisherigen Krankheitsverlauf der Betroffenen ebenso abzuleiten wie aus der von mehreren Sachverständigen bestätigten Verhaltensprognose.

Dass das Landgericht diese Selbstgefährdung als auf einer psychischen Krankheit beruhend angesehen hat, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Gutachter C... hat - insoweit in Übereinstimmung mit dem Gutachter Dr. Sc... - eine psychische Erkrankung der Betroffenen diagnostiziert. Eine "schlichte" Persönlichkeitsstörung, die - entsprechend den Äußerungen des Arztes Dr. S... vom 18. Dezember 2006 - möglicherweise keinen Krankheitswert hätte und eine Unterbringung nicht rechtfertigen könnte, liegt nach der Auffassung des Landgerichts und der Gutachter C... und Dr. Sc... gerade nicht vor. Anhaltspunkte dafür, dass der Gutachter C... diesbezüglich Erkenntnisquellen unberücksichtigt gelassen hätte, liegen nicht vor; im Gegenteil setzt er sich im Einzelnen mit sämtlichen vorliegenden Befunden ausführlich auseinander.

c.

Für das Rechtsbeschwerdeverfahren kommt es, da der landgerichtliche Beschluss aus anderen Gründen aufgehoben wird, nicht mehr darauf an, ob das Landgericht eine Stellungnahme des Verfahrenspflegers vor einer Entscheidung hätte abwarten müssen; diesbezüglich ist aktenkundig (Bl. 310 d.A.), dass das Gutachten dem Verfahrenspfleger erst am 29. Januar 2007 zur Verfügung gestellt worden ist.

3.

Ob daneben die Voraussetzungen für eine Unterbringung der Betroffenen gem. § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB vorliegen, ist derzeit im Gegensatz zu der Auffassung des Landgerichts nicht hinreichend feststellbar.

a.

Eine Unterbringung zur Durchführung einer Heilbehandlung ist nur dann verhältnismäßig, wenn eine solche Behandlung möglich erscheint. Dies setzt voraus, dass es eine Einrichtung gibt, die bereit ist, die Betroffene - auch gegen ihren Willen - aufzunehmen, wobei nicht ausgeschlossen sein darf, dass eine solche Behandlung schon wegen mangelnder finanzieller Möglichkeiten erfolgen kann. Es bleibt dem Ergebnis der Behördenbeteiligung vorbehalten, ob die Möglichkeit einer Behandlung, etwa in der von der Betreuerin angesprochenen "...", bestehen wird.

b.

Nicht vom Landgericht zu entscheiden sein wird die Frage, welche konkrete Erfolg versprechende medizinische - nicht rein pädagogische - Behandlung in Betracht zu ziehen ist; auf die insoweit leicht differierenden Stellungnahmen der Sachverständigen Dr. Sc... und C... kommt es insoweit nicht an.

c.

Für das weitere Verfahren ist darauf hinzuweisen, dass die Art, Inhalt und Dauer der Heilbehandlung in der Unterbringungsgenehmigung genau festgelegt wird, weil der Zweck der Unterbringung entfällt, wenn die Heilbehandlung beendet oder undurchführbar geworden ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Juli 1994, 3 Wx 406/94). Nur auf diese Weise kann die Betreuerin einen verlässlichen Maßstab für spätere Entscheidungen über die Fortdauer der Unterbringung erlangen.

Dass die Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik, wie bisher, zur Durchführung einer Heilbehandlung nicht in Betracht zu ziehen ist, dürfte sich schon aus den dahingehenden Äußerungen der bislang behandelnden Ärzte ergeben, die von den gerichtlichen Sachverständigen im Ergebnis bestätigt werden.

4.

Die Rechtsbeschwerde weist schließlich mit Recht darauf hin, dass der landgerichtliche Beschluss keinerlei Ausführungen im Zusammenhang mit der Anordnung des Einwilligungsvorbehalts enthält. Auch insoweit unterliegt die angefochtene Entscheidung der Aufhebung, damit das Landgericht die hierzu erforderlichen Feststellungen nachholen kann.

III.

Eine erneute Bestellung des Verfahrenspflegers für das Rechtsbeschwerdeverfahren ist nicht veranlasst, da die vom Landgericht vorgenommene Bestellung im Rechtsbeschwerdeverfahren fortwirkt (BayObLG, FamRZ 2002, 1363).

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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