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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 08.12.2008
Aktenzeichen: 11 Wx 77/08
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 181
BGB § 1899 Abs. 4
FGG § 69g Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des Landgerichts Frankfurt/Oder vom 10. November 2008 - 19 T 399/08 - und der Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt/Oder vom 6. August 2008 - Az.: 7 XVII 440/06 aufgehoben.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat die Anordnung einer Ergänzungsbetreuung für den Aufgabenkreis "Widerruf der Vorsorgevollmacht vom 26. Juli 2005" angeordnet und insoweit die Beteiligte zu 4. zur Ergänzungsbetreuerin bestellt. Auf die hiergegen erhobene Beschwerde der Beteiligten zu 2. hat das Landgericht den Beschluss aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt: Das amtsgerichtliche Verfahren leide an Mängeln, da die Sache nicht hinreichend aufgeklärt worden sei. Es fehle an Feststellungen zu der Frage, ob die Betreuung in Ansehung des Bestehens einer Vorsorgevollmacht überhaupt erforderlich sei. Die angefochtene Entscheidung gehe offenbar vom Vorrang des Betreuungsverfahrens aus; zu der eigentlich entscheidenden Frage, ob die Bestellung des Ergänzungsbetreuers nicht schon deshalb entbehrlich sei, weil eine wirksame Vorsorgevollmacht ohnehin vorrangig sei, enthalte der Beschluss keine Ausführungen. Eine eigene Entscheidung des Beschwerdegerichts sei ausnahmsweise nicht angezeigt, weil umfangreiche Ermittlungen anzustellen seien. Eine abschließende Sachentscheidung durch die Kammer käme im Ergebnis dem Verlust einer Instanz gleich.

Gegen diesen ihrem Bevollmächtigten am 17. November 2008 zugestellten Beschluss hat die Beteiligte zu 1 mit Anwaltsschriftsatz, beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangen am 20. November 2008, sofortige weitere Beschwerde eingelegt. Sie hält die grundsätzliche Frage der Einrichtung einer Betreuung für hinreichend geklärt; da sich die Beteiligte zu 2. weiterhin der Vollmacht bedienen wolle, sei ein Widerruf notwendig. Den vom Landgericht angenommenen weiteren Klärungsbedarf stellt die Beteiligte zu 1 demgemäß in Abrede. Wegen der Einzelheiten des Rechtsbeschwerdevorbringens wird auf die Beschwerdeschrift vom 19. November 2008 Bezug genommen.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist statthaft; die Beteiligte zu 1. ist als Tochter des Betroffenen beschwerdebefugt (§ 68g Abs. 1 S. 1 FGG), gleichermaßen in ihrer Funktion als Betreuerin (§ 68g Abs. 2 S. 1 FGG). Das Rechtsmittel ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 29, 22 Abs. 2 FGG).

In der Sache führt die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung auf Rechtsfehler zur Abänderung des amtsgerichtlichen Beschlusses vom 6. August 2008 und zur Aufhebung des Beschlusses des Landgerichts vom 10. November 2008.

Zur Entscheidung des Senats ist allein die Frage gestellt, ob sich die Bestellung der weiteren Betreuerin zur Wahrnehmung der Rechte des Betroffenen im Zusammenhang mit der erteilten Vorsorgevollmacht als gesetzmäßig darstellt (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG). Insoweit unterliegt der amtsgerichtliche Beschluss der vollen Überprüfung durch den Senat; der Senat ist im Rahmen des Verfahrensgegenstandes nicht an die Anträge der Beteiligten gebunden und unterliegt nicht dem Verbot der Schlechterstellung der Beschwerdeführerin oder der Rechtsbeschwerdeführerin, weil allein das Wohl des Betreuten im Vordergrund steht (vgl. Bumiller/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 8. Aufl., § 25 FGG RN 5).

Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass Gegenstand des amtsgerichtlichen Beschlusses die Bestellung eines Ergänzungsbetreuers für einen einzelnen Aufgabenkreis ist. Die Zulässigkeit der Bestellung der Ergänzungsbetreuers - neben der bereits bestehenden, nicht den unmittelbaren Verfahrensgegenstand betreffenden Betreuung - richtet sich nach § 1899 Abs. 4 BGB. Nach dieser Vorschrift ist die Verhinderung, auch aus Rechtsgründen, Voraussetzung dafür, dass ausnahmsweise mehrere Betreuer bestellt werden dürfen. Die Entscheidung des Amtsgerichts, welches die in Betracht kommende Gesetzesvorschrift nicht benennt, nimmt hierauf offenbar Bezug, indem es einen eventuellen Widerruf der Vorsorgevollmacht (Bl. 283 d. A.) als "In-Sich-Geschäft" bezeichnet.

Im Gegensatz zu der Auffassung der Instanzgerichte ist die Bestellung eines gesonderten Betreuers jedoch nicht erforderlich, um einen diesbezüglichen Betreuungsbedarf des Betroffenen zu decken; dies schon deshalb nicht, weil es einer Erweiterung des Aufgabenkreises der Beteiligten zu 1. zum beabsichtigten Widerruf der Vollmacht der Beteiligten zu 2. nicht bedarf. Die Rechtsbeschwerdeführerin ist wirksam unter anderem mit dem Aufgabenkreis "Vermögenssorge" befasst. Der Widerruf rechtsgeschäftlicher Vollmachten, auch soweit sie noch von dem Betreuten stammen, fällt ohne weiteres in diesen Aufgabenkreis. Auch soweit die Gesundheitsvorsorge betroffen ist, ist die Betreuerin auf Grund ihrer Stellung in der Lage, die diesbezügliche Bevollmächtigung in der notariellen Urkunde vom 26. Juli 2005 zu widerrufen. Die Betreuerin hat von der Möglichkeit, die Bevollmächtigung Dritter zu widerrufen, auch Gebrauch gemacht (vgl. Schreiben der Betreuerin vom 21. November 2007). Gründe, die zur Unwirksamkeit dieses erklärten Widerrufs führen könnten, sind nicht zu ersehen und werden von den Beteiligten auch nicht geltend gemacht.

Nur soweit die eigene Bevollmächtigung der Betreuerin in der Vorsorgevollmacht betroffen ist, könnte einem Widerruf durch sie selbst möglicherweise die Vorschrift des § 181 BGB entgegen stehen; doch ist weder ersichtlich, dass es dem Betreuten oder der Betreuerin hierauf ankommt, noch, dass insoweit ein Bedürfnis bestehen könnte. Es geht hier ersichtlich allein um den Widerruf der der Beteiligten zu 2. erteilten Vollmacht, die jedoch kein verbotenes In-Sich-Geschäft darstellt. Es bedarf daher weder der Erweiterung des Aufgabenkreises der Beteiligten zu 1, noch ist in diesem Zusammenhang die Bestellung eines Ergänzungsbetreuers notwendig.

Es bleibt der Betreuerin überlassen, den Widerruf der Vollmachten - nötigenfalls zivilrechtlich - durchzusetzen. Es ist nicht Aufgabe des Vormundschaftsgerichts, durch die Bestellung eines zusätzlichen Betreuers in diese zivilrechtliche Auseinandersetzung einzugreifen.

Unabhängig davon - den Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens nicht betreffend - wird das Amtsgericht noch formell über den Antrag der Beteiligten zu 2. vom 7. Februar 2008 (Bl. 356 d. A.) zu entscheiden haben. Den Akten lässt sich zwar insoweit entnehmen, dass das Amtsgericht von der zunächst erwogenen Aufhebung der Betreuung und Bestellung eines Vollmachtsüberwachungsbetreuers Abstand genommen hat; gleichwohl ist der angefochtenen Entscheidung nicht zu entnehmen, aus welchen, im Interesse des Betreuten liegenden Gründen sich das Amtsgericht für die Fortdauer der Betreuung und Belassung der Beteiligten zu 1. im Betreueramt entschlossen hat und warum die Vorsorgevollmacht letztlich keine Rolle mehr spielen sollte. Soweit das Amtsgericht, wofür im Verfahrensverlauf einiges spricht, die persönlichen Zerwürfnisse zwischen den Bevollmächtigten zum Anlass für seine Entscheidung genommen haben sollte, ist dies bislang nicht zum Ausdruck gekommen. In diesem Zusammenhang wird das Amtsgericht auch zu prüfen haben, ob der Schriftsatz der Beteiligten zu 2. als einfache Beschwerde gemäß § 69g Abs. 1 S. 1 FGG verstanden werden muss.

III.

Das Rechtsbeschwerdeverfahren ist kostenfrei, weil der Senat davon ausgeht, dass das Rechtsmittel in erster Linie im Interesse des Betreuten eingelegt worden ist (§ 131 Abs. 3 KostO).

Ende der Entscheidung

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