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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 18.12.2008
Aktenzeichen: 12 U 115/08
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, StGB


Vorschriften:

ZPO § 511
ZPO § 513
ZPO § 517
ZPO § 519
ZPO § 520
ZPO § 520 Abs. 3
ZPO § 546
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 2
BGB § 847 Abs. 1 a. F.
StGB § 223
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 15. Mai 2008 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam, Az.: 11 O 124/05, wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO. Die Berufungsbegründung genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO. Der Kläger stützt sein Rechtsmittel unter anderem darauf, das Landgericht habe verkannt, dass der Eingriff mangels hinreichender Aufklärung bereits rechtswidrig gewesen sei und die Beklagte daher für dessen Folgen zu haften habe. Die Beweiswürdigung des Landgerichts sei fehlerhaft, insbesondere soweit das Landgericht aufgrund der Bekundungen der Zeugin Dr. U. S. eine ordnungsgemäße Aufklärung angenommen habe, obwohl die Zeugin sich an das konkrete Aufklärungsgespräch nicht habe erinnern können. Der Kläger macht damit eine Rechtsverletzung geltend, auf der das Urteil beruhen kann, §§ 513, 546 ZPO.

2. In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes aus §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 847 Abs. 1 BGB a. F., 223 StGB. Auf das Geschehen ist die Rechtslage vor Inkrafttreten des 2. Gesetzes zur Änderung schadensrechtlicher Vorschriften vom 19.07.2002 mit Wirkung zum 01.08.2002 anzuwenden, da sich die nach Auffassung des Klägers fehlerhafte Behandlung im März 2002 zugetragen hat.

Der Rechtsvorgängerin der Beklagten ist eine fehlerhafte Behandlung der Hämorrhoiden des Klägers nicht vorzuwerfen. Zur Überzeugung des Senats steht aufgrund der nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Dr. med. B. J. in seinem Gutachten vom 10.05.2007 fest, dass die vom Kläger für die bei ihm aufgetretene Stuhlinkontinenz als ursächlich angesehene Ausbildung einer Mariske mit einem Vorfall der Darmschleimhaut auch bei einer ordnungsgemäß durchgeführten Operation auftreten kann. Auch der Kläger stellt die entsprechenden Ausführungen des Sachverständigen nicht in Frage. Entgegen der Ansicht des Klägers ist vorliegend auch keine Beweislastumkehr dahingehend gerechtfertigt, dass die Beklagte nachzuweisen hat, dass die Stuhlinkontinenz des Klägers nicht auf einen Behandlungsfehler zurückzuführen ist. Zwar führt die unterlassene oder lückenhafte Dokumentation einer aus medizinischer Sicht zu dokumentierenden Maßnahme zu der Vermutung, dass diese Maßnahme unterblieben ist (BGH VersR 1995, S. 706; VersR 1993, S. 836; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 5. Aufl., B, Rn. 247). Allein durch einen Dokumentationsmangel wird jedoch eine Beweislastumkehr hinsichtlich des Ursachenzusammenhanges für den Schaden grundsätzlich nicht begründet; etwas anderes kann gelten, wenn eine gänzlich unterlassene oder unvollständige Dokumentation einen groben Behandlungsfehler oder das Unterlassen einer Diagnostik mit behandlungspflichtigem Ergebnis indiziert, die ihrerseits Grundlage für die Beweislastumkehr wären (BGH VersR 1999, S. 1282; VersR 1993, a. a. O.; Geiß/Greiner, a. a. O., B, Rn. 250). Die vom Kläger als Dokumentationsmängel bzw. Widersprüchlichkeiten aufgezeigten Umstände indizieren einen groben Behandlungsfehler der Rechtsvorgängerin der Beklagten jedoch nicht, sodass auch eine Beweislastumkehr nicht gerechtfertigt ist. Aus der Beanstandung des Klägers, es sei kein Aufklärungsgespräch hinsichtlich der bei ihm zuerst durchgeführten Coloskopie zum Ausschluss einer schwerwiegenderen Erkrankung als eines Hämorrhoidenleidens durchgeführt worden, folgt bereits nicht, dass die Coloskopie nicht fachgerecht durchgeführt worden ist. Auch der Kläger behauptet insoweit einen Behandlungsfehler nicht und führt auch die Stuhlinkontinenz nicht auf die Coloskopie zurück. Die vom Kläger angeführten Widersprüche bei der Angabe der Lage der Hämorrhoidenknoten zwischen Aufnahmebericht und Operationsbericht rechtfertigen ebenfalls nicht eine Beweislastumkehr. Eine fehlerhafte Dokumentation der Operation folgt hieraus nicht. Vielmehr folgt der Senat den Ausführungen der Sachverständigen in seiner Anhörung durch das Landgericht, es sei davon auszugehen, dass der Operationsbericht richtig sei, da bei der Operation die bessere Einsichtsmöglichkeit bestehe und auch die Operationsnarben an den vermerkten Stellen vorhanden seien. Zudem besteht das Hämorrhoidenleiden des Klägers seit der Operation nicht fort, woraus ebenfalls folgt, dass die Operation an den zutreffenden Stellen erfolgt ist.

Der Rechtsvorgängerin der Beklagten ist auch ein Aufklärungsfehler nicht anzulasten. Ist eine ordnungsgemäße Aufklärung nicht gegeben und mithin auch eine wirksame Einwilligung des Klägers in die Behandlung durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten nicht erfolgt, so ist der konkrete Eingriff, also die Hämorrhoidenoperation, als rechtswidrige Körperverletzung zu werten (vgl. hierzu BGH VersR 1990, S. 1010; VersR 1989, S. 253; Geiß/Greiner, a. a. O., C, Rn. 1 f). Eine Aufklärung über die Wahl der Behandlungsmethode ist dabei erforderlich, wenn die Behandlungsalternativen zu jeweils unterschiedlichen Belastungen des Patienten führen oder wesentlich unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen bieten, wie dies etwa bei dem Verhältnis einer konservativen Behandlung zur einem operativen Eingriff der Fall ist (Geiß/Greiner, a. a. O., C, Rn. 23, 29). Im Rahmen der Risikoaufklärung ist dem Patienten zu vermitteln, inwieweit selbst eine fehlerfreie medizinische Behandlung ein Schädigungsrisiko mit sich bringt, sei es als mögliche Eingriffskomplikation in der Operation, sei es als sonstige schädliche Nebenfolge aus dem Eingriff (Geiß/Greiner, a. a. O., C, Rn. 41). Dabei ist nicht erforderlich, dass eine exakte medizinische Beschreibung der in Betracht kommenden Risiken erfolgt, es genügt eine Aufklärung "im Großen und Ganzen" über Chancen und Risiken der Behandlung (BGH VersR 2006, S. 838; Brandenburgisches OLG - 1. Zivilsenat - VersR 2000, S. 1283). Zutreffend geht der Kläger davon aus, dass er nach diesen Maßstäben sowohl über Alternativen zur Operation als auch über die Chancen und Risiken eines operativen Vorgehens aufzuklären war. Der Senat folgt insoweit den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen. Dieser hat zwar festgestellt, dass bei den nach den Unterlagen als Hämorrhoidenerkrankung 3. Grades einzuordnenden Beschwerden des Klägers ein operativer Eingriff die Standardmethode ist. Der Sachverständige hat seine Feststellungen jedoch dahingehend eingeschränkt, dass eine solche Indikation zur Operation immer auch vom Leidensdruck des Patienten abhängig sei. Auch hat er ausgeführt, dass bei den während der Operation festgestellten thrombosierten Hämorrhoidalknoten auch eine konservative Behandlung in Frage gekommen sei, mit dem Ziel, eine Abschwellung der Hämorrhoiden zu erreichen und eine anschließende Behandlung durch Excision, Sklerosierung oder Gummibandligaturen zu ermöglichen. Weiterhin kommt der Senat im Anschluss an die Ausführungen des Sachverständigen auch zu dem Ergebnis, dass die Gefahr einer Stuhlinkontinenz als eingriffsspezifische und den Patienten schwer belastende Folge anzusehen ist. Der Sachverständige hat eine Gas- und Stuhlinkontinenz als typisches Risiko eingeordnet, welches durch postoperative Narben, Infektionen oder Fehlverheilungen verwirklicht werden kann, wobei er angegeben hat, dass in bis zu 15 % der operierten Fälle vorstehende Hautzipfel auftreten würden.

Eine ordnungsgemäße Aufklärung des Klägers ist indes erfolgt. Darlegungs- und beweispflichtig für eine richtige und vollständige Aufklärung ist der behandelnde Arzt (BGH VersR 1992, S. 960 und S. 747). Dabei kann aus dem Fehlen einer hinreichenden Dokumentation nicht geschlossen werden, dass eine ordnungsgemäße Aufklärung nicht erfolgt ist (Geiß/Greiner, a. a. O., Rn. 134). Auch kommt der Feststellung einer ständigen Aufklärungsübung des Arztes in Verbindung mit einer jedenfalls teilweise vorhandenen Dokumentation je nach deren Inhalt eine mehr oder weniger starke Indizwirkung für das in Betracht stehende konkrete Aufklärungsgespräch zu (BGH VersR 2005, 227; VersR 1999, S. 210; Geiß/Greiner, a. a. O.). Im Ergebnis der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme steht auch zur Überzeugung des Senats fest, dass die damals für die Rechtsvorgängerin der Beklagten tätige Zeugin Dr. U. S. den Kläger hinreichend aufgeklärt hat. Die im von der Rechtsvorgängerin der Beklagten verwendeten Aufklärungsbogen gegebene Darstellung sowohl der Behandlungsalternativen als auch der Risiken eines operativen Eingriffs sind als Grundlage eines Aufklärungsgespräches hinreichend. In dem Aufklärungsbogen wird zum einen darauf verwiesen, dass neben einer operativen Abtragung der Hämorrhoidalknoten auch eine Verödung der Hämorrhoiden oder eine Gummiringunterbindung grundsätzlich möglich ist. Damit sind die Alternativen eines operativen Eingriffs im Grundsatz aufgezeigt. Zum anderen verweist der Aufklärungsbogen im Rahmen der erwähnten möglichen Komplikationen auf narbige Afterengen und Stuhlhalteschwächen, die in seltenen Fällen nach ausgedehnten Operations- und Wundheilungsstörungen entstehen und eine Korrekturoperation an der Afterhaut erforderlich machen können. Da sich nach den Ausführungen des Sachverständigen die Problematik der Stuhlhalteschwäche bzw. des diese auslösenden Schleimhautvorfalls nicht mit bestimmten Prozentangaben belegen lässt, ist auch der Verweis auf die Seltenheit dieser Komplikation nicht zu beanstanden. Der Senat hält die Angaben der Zeugin Dr. S. in Zusammenschau mit den übrigen Umständen des Falles auch für hinreichend für den Nachweis einer ordnungsgemäßen Aufklärung. Die Zeugin hatte zwar keine konkrete Erinnerung an das Gespräch mit dem Kläger, das im Zeitpunkt der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme bereits über 6 Jahre zurücklag. Die Angaben der Zeugin zu ihrem üblichen Vorgehen sowie die Vermerke in dem unstreitig vom Kläger unterzeichneten Aufklärungsbogen belegen jedoch eine Aufklärung auch bezüglich der Alternativen zur Operation und zu den Operationsrisiken. So hat die Zeugin geschildert, dass sie üblicherweise - nachdem der Patient Gelegenheit hatte den Aufklärungsbogen durchzulesen - in eigenen Worten die weitere Vorgehensweise erläutere und dabei auch erkläre, weshalb operiert werden sollte, was die Operationsindikation ist sowie, ob es Alternativen gebe. Dabei spreche sie auch die Operationsrisiken an. Die Zeugin hat ferner angegeben, dass sie handschriftliche Vermerke auf den Aufklärungsbögen nur anbringe, wenn ausdrücklich über die entsprechenden Punkte gesprochen worden sei. Aus den im Aufklärungsbogen enthaltenen Vermerken "Entfernung der Hämorrhoiden" sowie "Risiken bekannt" folgt daher, dass gerade über die Operationsindikation gesprochen wurde und zugleich deren Risiken erläutert wurden. Eine andere Beurteilung ist auch nicht im Ergebnis der informatorischen Anhörung des Klägers, die der Senat in der mündlichen Verhandlung am 20.11.2008 ergänzt hat, veranlasst. Soweit der Kläger in seiner Anhörung durch das Landgericht angegeben hat, in dem mit ihm geführten Gespräch sei ihm mitgeteilt worden, dass nunmehr nur eine kleine Operation notwendig sei, während im Falle eines Zuwartens ein erheblich größerer Eingriff erforderlich werden könne, überzeugt seine Schilderung nicht. So ist der operative Eingriff bei der Hämorrhoidenentfernung vom Fortschritt der Erkrankung nach den Feststellungen des Sachverständigen bereits relativ unabhängig. Die Entfernung der Hämorrhoidenknoten erfolgt durch die Operation in jedem Fall. Das weitere Fortschreiten der Erkrankung führt lediglich dazu, dass die Hämorrhoidenknoten bei einer Erkrankung vierten Grades ständig außerhalb des Afters liegen und eine Alternative zum operativen Eingriff nicht mehr gegeben ist. Zudem hat der Kläger in seiner Anhörung durch den Senat nunmehr ausgeführt, dass er sich an den Inhalt des Aufklärungsgespräch nicht erinnere, mithin seine im Widerspruch zu den Bekundungen der Zeugin Dr. S. stehenden Angaben nicht weiter aufrecht erhalten. Ebenfalls nicht zutreffend erscheinen die Angaben des Klägers, das Gespräch - an das er sich indes nicht erinnern könne - sei erst nach Durchführung der Coloskopie unter Einwirkung von Schmerzmitteln durchgeführt worden. Die Behandlungsunterlagen belegen die Durchführung der Coloskopie wie auch die Hämorrhoidenoperation am 05.03.2002, während der Aufklärungsbogen auf den 04.03.2002 datiert ist und sich auch die Unterschrift des Klägers erst nach der Datumsangabe findet. Der Senat geht nicht davon aus, dass die Zeugin Vermerke über den Inhalt eines Aufklärungsgesprächs macht und sich vom Kläger unter einem falschen Datum gegenzeichnen lässt, obwohl tatsächlich über diese Punkte nicht gesprochen wurde. Zudem ist nicht nachvollziehbar, welchen Inhalt das Aufklärungsgespräch sonst gehabt hat, zumal der Kläger seinen bisherigen Vortrag zu diesem Umstand in der Anhörung durch den Senat nicht mehr bestätigt hat und auch der Vortrag des Klägers im Übrigen nicht frei von Zweifeln im Hinblick auf seine Glaubhaftigkeit ist. So will der Kläger vor der Operation über einen Zeitraum von mindestens acht Monaten schmerzfrei gewesen sein und sich zuvor auch nur einmal in Behandlung wegen Hämorrhoiden befunden haben, ist dann aber wegen der plötzlich am 03.03.2002 aufgetretenen Schmerzen sofort ins Krankenhaus gegangen und will auch nach Abklingen der Beschwerden am Folgetag die Operationsindikation einfach hingenommen haben. Ein solches Verhalten erscheint dem Senat gerade für eine eher wortgewandte Person, als die sich der Kläger vor dem Senat präsentiert hat, nicht lebensnah.

Aus den vorgenannten Gründen ist schließlich auch der Feststellungsantrag des Klägers betreffend weitere immaterielle Schäden unbegründet.

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 Satz 1, 713 ZPO.

Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 15.000,00 € festgesetzt, § 47 Abs. 1 GKG (Zahlungsantrag: 10.000,00 €; Feststellungsantrag: 5.000,00 €).

Wert der Beschwer für den Kläger: 15.000,00 €.

Ende der Entscheidung

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