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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 09.12.2004
Aktenzeichen: 12 U 116/04
Rechtsgebiete: AKB, VVG


Vorschriften:

AKB § 12 Nr. 1 II. e)
AKB § 7 Abs. 1 Nr. 2 S. 3
AKB § 7 Abs. 5 Nr. 4
AKB § 10 Abs. 2
VVG § 6 Abs. 3
VVG § 79 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

Verkündet am 09.12.2004

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 09.12.2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 24.06.2004 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Potsdam, Az.: 2 O 42/04, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO. Die Berufungsbegründung genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO. Die Klägerin setzt sich mit den tragenden Ausführungen des landgerichtlichen Urteils, nämlich den unzutreffenden Angaben der Klägerin in der Schadensanzeige in Bezug auf den Hagelschaden und hinsichtlich des Vorhandenseins sonstiger beschädigter Gegenstände - hier: Beschädigung der Leitplanke -, hinreichend auseinander. Die Klägerin stützt ihr Rechtsmittel unter anderem darauf, das Landgericht habe unzutreffend ihren Ehemann als Repräsentanten im versicherungsrechtlichen Sinne angesehen und ihr dessen Verhalten - auch hinsichtlich der von diesem ausgefüllten Schadensanzeige - zugerechnet, obwohl sie hierzu erstinstanzlich vorgetragen habe, sich nicht sämtlicher Verantwortung im Hinblick auf das beschädigte Fahrzeug begeben zu haben.

Die weitergehenden Erwägungen des Landgerichts zur fehlenden Kompatibilität der Schäden, der Widersprüchlichkeit der Angaben des Ehemannes der Klägerin und einer in Betracht kommenden Unfallflucht waren für den Urteilsspruch hingegen nicht tragend, wie sich aus den Ausführungen des Landgerichts ergibt, welches diese Aspekte ausdrücklich hat dahinstehen lassen. Eine hinreichende Auseinandersetzung mit diesen Punkten war daher für die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht erforderlich, zugleich ist mangels Entscheidungserheblichkeit dieser Punkte ein Verfahrensfehler nicht darin zu sehen, dass das Landgericht diesbezüglich keinen Beweis erhoben hat.

2. In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Landgericht hat zutreffend einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus § 12 Nr. 1 II. e) AKB in Verbindung mit dem von den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag verneint. Die Beklagte ist nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 S. 3, Abs. 5 Nr. 4 AKB in Verbindung mit § 6 Abs. 3 VVG leistungsfrei geworden.

Die Klägerin hat ihre Aufklärungspflicht durch das Verschweigen des Hagelschadens in der Unfallanzeige vom 04.05.2003 verletzt. Der Umfang der Aufklärungspflicht richtet sich grundsätzlich nach den Fragen des Versicherers im Schadensanzeigeformular, wobei bereits die Nichtbeantwortung einer Frage eine Pflichtverletzung darstellt (Prölss/Martin-Knapp-mann, VVG, Kommentar, 27. Aufl., § 7 AKB, Rn. 12). Dies betrifft auch die Frage nach Vorschäden (BGH VersR 1984, S. 228; OLG Hamm RuS 1998, S. 110; Prölss/Martin-Knapp-mann, a.a.O., Rn. 47). Vorliegend hat der Ehemann der Beklagten in der von ihm ausgefüllten Schadensanzeige verneint, dass das Kfz vor dem behaupteten Unfall im April 2003 reparierte oder unreparierte Schäden aufwies, obwohl das Fahrzeug am 21.06.2002 großflächig durch Hagel beschädigt worden war, was zu einer Ausgleichszahlung der Beklagten in Höhe von 4.214,88 € geführt hatte. Die Beklagte kann sich auch mit Erfolg auf die Obliegenheitsverletzung berufen. Der Versicherungsnehmer muss die Fragen auch dann vollständig und zutreffend beantworten, wenn sich der Versicherer die Kenntnis anderweitig hätte verschaffen können. Der Versicherer ist angesichts des von ihm betriebenen Massengeschäftes nicht verpflichtet seine Archive auf etwaige frühere Angaben durchzusehen, solange sich aus der Schadensanzeige nicht konkrete Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der entsprechenden Angaben ergeben (OLG Nürnberg Schaden-Praxis 2004, S. 59; KG VersR 2003, S. 1119; OLG Braunschweig Schaden-Praxis 1999, S. 244; OLG Düsseldorf Schaden-Praxis 1998, S. 292), zumal dem Versicherungsnehmer jedenfalls im Regelfall zutreffende Angaben ohne weiteres möglich sind.

Die Klägerin muss sich die Angaben ihres Ehemannes zurechnen lassen. Gem. § 79 Abs. 1 VVG ist auf die Kenntnis und das Verhalten des Versicherten abzustellen, wenn die Versicherung (auch) eine Fremdversicherung umfasst (Prölss/Martin-Prölss, a.a.O., § 79 VVG, Rn. 2). Dies ist nach § 10 Abs. 2 AKB hinsichtlich des Eigentümers des versicherten Fahrzeugs der Fall (vgl. auch OLG Koblenz NVersZ 1999, S. 429; Prölss/Martin-Prölss, a.a.O., § 6 VVG, Rn. 58 a). Vorliegend ist der Ehemann der Klägerin Eigentümer des beschädigten Fahrzeugs, mithin Versicherter im Rahmen der Vollkaskoversicherung, so dass es bei der Beurteilung des Vorliegens von Obliegenheitsverletzungen auf sein Verhalten ebenso wie auf das Verhalten der Klägerin ankommt, soweit - wie hier - Sachschäden am Fahrzeug geltend gemacht werden.

Die Obliegenheitsverletzung der Klägerin ist schuldhaft erfolgt. Die Klägerin hat weder vorgetragen noch ist sonst ersichtlich, dass ihr Ehemann keine Kenntnis von der Vorschädigung hatte, da unstreitig er der Eigentümer des Fahrzeuges war, es selbst erworben hatte und auch alleine nutzte, und zudem das Schadensereignis nicht einmal ein Jahr vor der behaupteten Kollision mit der Leitplanke lag.

Der Beklagten ist es auch nicht nach § 6 Abs. 3 VVG verwehrt, sich auf die Obliegenheitsverletzung zu berufen. Im Rahmen von § 6 Abs. 3 VVG hat der Versicherungsnehmer das mangelnde Verschulden oder einen geringeren Schuldgrad nachzuweisen, etwa grobe Fahrlässigkeit anstelle von Vorsatz (Prölss/Martin-Prölss, a.a.O., § 6 VVG, Rn. 124 f; § 7 AKB, Rn. 79 f). Mangels anderweitigen Vortrages der Klägerin ist von vorsätzlichen falschen Angaben ihres Ehemannes auszugehen. Diese sind auch relevant im Sinne von § 6 Abs. 3 VVG. Vorsätzliche folgenlose Verstöße führen lediglich bei versicherungsrechtlicher Relevanz zur Leistungsfreiheit, d. h. bei genereller Eignung, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden, ohne dass es auf den konkreten Fall ankommt (Prölss/Martin-Knappmann, a.a.O., § 7 AKB, Rn. 79; -Prölss, a.a.O., § 6 VVG, Rn. 100 ff). Dies ist bei falschen Angaben zu Vorschäden der Fall. Solche Angaben können insbesondere dazu führen, dass eine den Wert des Fahrzeugs übersteigende Entschädigung gezahlt wird (BGH VersR 2002, S. 173; 1984, a. a. O.; OLG Düsseldorf, a.a.O.).

Schließlich ist die Beklagte auch nicht wegen des von der Klägerin behaupteten Gespräches ihres Ehemannes mit einem Vertreter der Beklagten unmittelbar nach dem Unfall gehindert, sich auf ihre Leistungsfreiheit zu berufen. Zwar kann der Versicherer ein Anerkenntnis hinsichtlich seiner Leistungsverpflichtung abgeben (vgl. Prölss/Martin-Kollhosser, a.a.O., § 55 VVG, Rn. 81 ff). Ein solches Anerkenntnis, dass sich auch auf erst später aufgetretene Obliegenheitsverletzungen erstreckt, ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Soweit die Klägerin erstmals im Schriftsatz vom 01.06.2004 nachvollziehbar zu den Ereignissen nach dem Unfall vorgetragen und behauptet hat, ihr Ehemann habe eine Viertelstunde nach der Kollision bei einem Telefonat mit einer Hotline der Beklagten die Mitteilung bekommen, er könne das Fahrzeug in die Vertragswerkstatt T... verbringen und dort reparieren lassen, ist dem eine Erklärung einer Einstandspflicht unter Verzicht der Berufung auf nachfolgende Obliegenheitsverletzungen nicht zu entnehmen.

Dahinstehen kann, ob eine Leistungsfreiheit auch wegen der übrigen vom Landgericht und der Beklagten angesprochenen Obliegenheitsverletzungen bestehen würde.

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 Satz 1, 713 ZPO.

Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Wert der Beschwer für die Klägerin: 7.637,58 €.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 7.637,58 € festgesetzt, § 47 Abs. 1 GKG n. F.



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