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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 28.02.2008
Aktenzeichen: 12 U 12/06
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 156
ZPO § 295
ZPO §§ 517 ff.
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 831 Abs. 1
BGB § 847
BGB § 1922 (a.F.)
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

12 U 12/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 28.02.2008

verkündet am 28.02.2008

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 31. Januar 2008 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Pastewski, den Richter am Oberlandesgericht Beckmann und den Richter am Oberlandesgericht Funder

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das am 9. November 2005 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus, Az.: 5 O 463/00, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die gegen sie gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten zu 1. und 3. vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Kläger machen gegen die Beklagten Schmerzensgeldansprüche aus ererbtem Recht ihrer am 06.09.1999 geborenen und am 29.11.1999 verstorbenen Tochter V... geltend, die aufgrund von Komplikationen bei der Geburt im Krankenhaus der Beklagten zu 1. körperlich und geistig schwer geschädigt wurde. Im Berufungsverfahren streiten die Parteien nur noch über das Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers seitens der als Hebamme tätigen Beklagten zu 3., der die Kläger vorwerfen, nicht rechtzeitig das Vorliegen eines pathologischen CTG und damit eines ärztlichen Entscheidungsbedarfes erkannt zu haben, so dass die operative Entbindung und die Reanimation des Kindes zu spät eingeleitet worden seien. Auf die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, den Beklagten seien ärztliche Versäumnisse bei der Geburt nicht vorzuwerfen. Der Beklagten zu 3. sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ein Behandlungsfehler ebenfalls nicht anzulasten. Es sei nachvollziehbar, dass sie zunächst von einer fehlerhaften Aufzeichnung der CTG-Kurve ausgegangen sei. Es sei üblich, dass bei auftretenden Veränderungen zunächst eigene Maßnahmen von der Beklagten zu 3. selbst durchgeführt würden, wie etwa die Nachjustierung des Aufzeichnungssignals oder ein Lagewechsel der Mutter sowie unter Umständen der Einsatz eines technisch besseren Gerätes, ehe ein Arzt hinzu gerufen werde. Es sei nicht falsch gewesen, einen Lagewechsel vorzunehmen und auf den zumeist positiven Effekt bezüglich der Herzfrequenz im CTG zu warten. Häufigste Ursache für das Aufzeichnen einer vermeintlich kindlichen Herzfrequenz sei das Verrutschen des Aufnahmekopfes. Von einer hypoxisch bedingten Bradykardie mit ungünstiger Prognose hätte bei fehlenden Vorzeichen nicht ausgegangen werden können. Zwischen der Feststellung eines Entscheidungsbedarfes durch die Beklagte zu 3. und der Anwesenheit eines Facharztes dürfe lediglich eine Zeit von 10 Minuten vergehen, die eingehalten worden sei. Selbst wenn man einen Behandlungsfehler der Beklagten zu 3. unterstelle, sei den Klägern auch nicht der Nachweis der Kausalität gelungen. Nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen komme es in der Praxis nicht selten vor, dass Aufzeichnungsfehler bedingt durch verschiedene Ursachen vorkämen. Im Hinblick darauf habe die Beklagte zu 3. nicht eindeutig gegen gesicherte medizinische Erkenntnisse und Erfahrungen verstoßen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen spreche vieles für eine plötzliche und kurz anhaltende Austauschstörung mit nachfolgendem intrauterinem Fruchttod. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Entscheidungsgründe verwiesen.

Gegen das ihnen zu Händen ihrer Prozessbevollmächtigten am 16.12.2005 zugestellte Urteil (Bl. 483 GA) wenden sich die Kläger mit ihrer per Telefax am 16.01.2006 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingelegten und sogleich begründeten Berufung, mit der sie ihre Ansprüche unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens nur noch gegenüber den Beklagten zu 1. und 3. weiter verfolgen. Nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren durch den Senat mit Beschluss vom 18.05.2006 (Bl. 534 f. GA) haben die Kläger vorsorglich mit einem per Telefax am 07.06.2006 eingegangenen Schriftsatz einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist und der Berufungsbegründungsfrist gestellt (Bl. 545 GA).

Die Kläger rügen mit der Berufung eine unzureichende Sachaufklärung und fehlerhafte rechtliche Würdigung. Das Landgericht habe rechtsfehlerhaft einen groben Behandlungsfehler verneint, obwohl die Schlussfolgerungen des Sachverständigen im Widerspruch zu den von ihm getroffenen tatsächlichen Feststellungen stünden. So sei es nach den Ausführungen des Sachverständigen bei Auftreten einer Bradykardie mit einer Herzfrequenz von unter 100 Schlägen pro Minute bei einer Dauer von 3 Minuten dringend geboten, ärztliche Hilfe zu organisieren. Der Gutachter sei selbst davon ausgegangen, dass gegen 13:15 Uhr akuter Handlungsbedarf bestanden habe. Die schwere Bradykardie habe von der Beklagten zu 3. bei ihrem Eintreffen um 13:17 Uhr erkannt werden können. Soweit das Landgericht meine, die Beklagte zu 3. habe keine Pflichten verletzt, indem sie nicht sofort gegen 13:17 Uhr ärztliche Hilfe organisiert habe, habe es sich von dem tatsächlichen Sachverhalt entfernt. Es stehe nicht fest, dass die von dem Sachverständigen festgestellten üblichen Maßnahmen wie das Nachjustieren des Aufnahmekopfes vorgenommen worden seien. Aus der Aufzeichnung sei eine durchgehende Aufzeichnungslinie sichtbar. Das Landgericht sei auch fehlerhaft davon ausgegangen, dass die Beklagte zu 3. nicht von der Gefahr einer hypoxisch bedingten Bradykardie hätte ausgehen können. Die Reihenfolge Herzfrequenzanstieg, irreversible Bradykardie und Herzstillstand passten zum pathologischen Konzept einer Sauerstoffunterversorgung, womit die Beklagte zu 3. bei Feststellung der Bradykardie mit einem möglichen zukünftigen Herzstillstand und irreversiblen Herzschädigungen hätte rechnen müssen. Eine Nabelschnur-Blutgas-Analyse des pH-Wertes habe nicht vorgelegen und sei von der Beklagten zu 3. auch nicht in Erwägung gezogen worden. Auch habe die Beklagte zu 3. aus der Aufzeichnung eine ungünstige Prognose bis zum Herzstillstand in Erwägung ziehen müssen. Spätestens ab 13:15 Uhr habe ein hochpathologisches CTG vorgelegen; Anhaltspunkte dafür, dass das Diagnosegerät gestört gewesen sei, hätten nicht vorgelegen. Damit habe die Beklagte zu 3. bereits gegen 13:18 Uhr ärztliche Hilfe organisieren müssen. Die Zeit zwischen der Entscheidung zu einer Geburtshilfemaßnahme und der Entwicklung des Kindes spiele im vorliegenden Fall dagegen keine Rolle. Maßgeblich sei hier der Zeitpunkt bis zum Erkennen des ärztlichen Entscheidungsbedarfs und dem Arztruf, der erst um 13:30 Uhr erfolgt sei. Angesichts des pathologischen CTGs ohne Wehentätigkeit und der sich daraus zu prognostizierenden Gefahr einer Hypoxie bis hin zur Asphyxie erscheine es nicht mehr verständlich, den Arzt nicht sofort zu rufen. Dies sei etwas, was einer Hebamme nicht unterlaufen dürfe. Damit habe die Beklagte zu 3. gegen gesicherte medizinische Kenntnisse und Erfahrungen verstoßen. Das Landgericht habe sich mit der von ihnen zitierten Rechtsprechung zur Frage des groben Behandlungsfehlers einer Hebamme nicht auseinandergesetzt. Aufgrund des anzunehmenden groben Behandlungsfehlers seien die Beklagten für die fehlende Kausalität beweisbelastet. Es könne jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass die Nabelschnurumschlingung ursächlich für die intrauterine Asystolie sei. Dieser Ursachenzusammenhang werde auch nicht wegen der festgestellten leichten Azidose ausgeschlossen. Es sei wahrscheinlich, dass bei rechtzeitigem Arztruf um 13:18 Uhr und einer Tokolyse als medizinischer Standardmaßnahme die Asystolie hätte verhindert werden können.

Ein weiterer grober Behandlungsfehler der Beklagten zu 3. liege darin, dass sie trotz der Aufzeichnung eines Herzstillstandes durch die zweite CTG-Aufzeichnung über einen Zeitraum von fünf Minuten nicht den Arzt gerufen habe. Die zwischen dem Abbruch der ersten Aufzeichnung und dem Anschluss des zweiten Gerätes verstrichene Zeit von 13:18 Uhr bis 13:25 Uhr sei so lang, dass sie mit dem Anschluss eines neuen Gerätes nicht erklärt werden könne. Wäre der Arzt bereits um 13:18 Uhr gerufen worden, wäre die Geburt 15 Minuten nach Eintritt der Asystolie erfolgt. Über diesen Zeitraum betrage nach den Ausführungen des Gutachters das Risiko für irreversible Hirnschäden lediglich 10 %, nach 20 Minuten jedoch über 50 %. Bei pflichtgemäßem Handeln um 13:18 Uhr wäre mit einer Wahrscheinlichkeit von bis zu 10 % unumkehrbare Hirnschäden nicht zu vermeiden gewesen, jedoch nicht in der Schwere, wie sie tatsächlich aufgetreten seien.

Mit weiterem Schriftsatz vom 02.10.2006 tragen die Kläger vor, soweit der Sachverständige in erster Instanz von einem pH-Wert des Blutes in der Nabelarterie von 7,176 ausgegangen sei, hätten diese Werte nicht zugrunde gelegt werden dürfen, da sich der Schluss aufdränge, dass das betreffende Messprotokoll nicht von dem Kind V... stamme.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Cottbus vom 09.11.2005, Az.: 5 O 463/00, die Beklagten zu 1. und 3. gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an sie als Gesamtgläubiger ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit dem 07.09.1999 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Zur Begründung führen sie aus, der Sachverständige habe sich mit den konkreten Handlungen der Beklagten zu 3. auseinandergesetzt und dabei nicht die Notwendigkeit gesehen, im Hinblick auf die bis 13:18 Uhr vorliegende CTG-Aufzeichnung sofort einen Arzt herbeizurufen. Der Herzfrequenzverlauf aus der vorliegenden CTG-Aufzeichnung habe gerade nicht den Verdacht einer Bradykardie mit ungünstiger Prognose ergeben. Nach der Bewertung des Sachverständigen, an dessen Fachkompetenz kein Zweifel bestehe, sei es üblich und standardgerecht, zunächst eine zweite CTG-Ableitung durchzuführen, bevor Notmaßnahmen veranlasst würden. Handlungsnotwendigkeiten, deren Beachtung zum Grundwissen einer Hebamme gehören, seien nicht verletzt worden. Selbst bei nachträglicher Annahme einer frühestmöglichen Reaktion habe der tatsächliche Entbindungsverlauf in zeitlicher Hinsicht dem zu fordernden Standard entsprochen. Selbst wenn man eine Haftung dem Grunde nach unterstelle, sei das geforderte Schmerzensgeld im Hinblick auf die kurze Lebenszeit des Kindes übersetzt.

Der Senat hat Beweis erhoben durch eine ergänzende mündliche Erläuterung des Gutachtens durch den Sachverständigen Prof. Dr. V... sowie die Einholung eines schriftlichen Ergänzungsgutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 09.11.2006 (Bl. 618 ff. GA) und das Ergänzungsgutachten des Sachverständigen Prof. Dr. V... vom 25.07.2007 (Bl. 740 ff. GA) Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Kläger ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht gem. §§ 517 ff. ZPO eingelegt worden. Die Kläger haben bereits innerhalb der Berufungsfrist eine unbedingte Berufung gegen das landgerichtliche Urteil eingelegt und die Einlegung der Berufung nicht von der vorherigen Entscheidung über ihr Prozesskostenhilfegesuch abhängig gemacht. Einer Entscheidung über den von ihnen hilfsweise gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bedurfte es somit nicht.

Die Berufung bleibt jedoch ohne Erfolg. Den Klägern steht gegenüber den Beklagten ein Anspruch auf Schmerzensgeld aus §§ 823 Abs. 1, 831 Abs. 1, 847, 1922 BGB (a.F.) nicht zu. Auch nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten ergänzenden Beweisaufnahme haben die Kläger nicht zur Überzeugung des Senates (§ 286 ZPO) den ihnen obliegenden Beweis einer fehlerhaften, weil verspäteten Reaktion der Beklagten zu 3. und einer dadurch verursachten verspäteten Einleitung der Notsectio erbracht. Der Beklagten zu 3. ist weder ein Fehler bei der Auswertung der ersten CTG-Aufzeichnung (dazu unter 1.) noch eine relevante Verzögerung bei der Information des Arztes (dazu unter 2.) mit der erforderlichen Gewissheit vorzuwerfen. Auch ein Organisationsverschulden der Beklagten zu 1. ist nicht gegeben (dazu unter 3.).

Auf den zugrunde liegenden Sachverhalt sind die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der bis zum 31.07.2002 geltenden Fassung anzuwenden, da sich das schädigende Ereignis nach dem Vortrag der Kläger vor diesem Zeitpunkt ereignet hat (Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB).

1.

Darin, dass die Beklagte zu 3. nicht bereits bei der Kontrolle der ersten CTG-Aufzeichnung gegen 13.18 Uhr den Arzt gerufen hat, ist ein Behandlungsfehler nicht zu sehen. Zwar gehört es zu den Aufgaben einer Hebamme, ein pathologisches CTG zu erkennen und bei einem krankhaften Befund einen Arzt hinzu zu rufen (vgl. OLG Oldenburg VersR 1997, 1236, 1237; OLG Celle VersR 1999, 486). Hier lag jedoch zu dem Zeitpunkt, als die Beklagte zu 3. die CTG-Aufzeichnung gegen 13.18 Uhr kontrollierte, ein pathologisches CTG, das die sofortige Hinzuziehung eines Arztes notwendig machte, nicht vor. Wie der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. V..., an dessen Sachkunde als Direktor einer Klinik für Geburtsmedizin und ärztlicher Leiter einer Hebammenschule für den Senat keine Zweifel bestehen, ausgeführt hat, bestanden bei der Klägerin zu 1. keine Anhaltspunkte für eine Risikoschwangerschaft. Es bestand danach für die Beklagte zu 3. keine gesteigerte Notwendigkeit, nach Beginn der CTG-Aufzeichnung gegen 12.50 Uhr fortlaufend anwesend zu sein; vielmehr ist es nach den Ausführungen des Sachverständigen durchaus üblich, dass die Hebamme während der 30minütigen Aufzeichnung das Behandlungszimmer zwischenzeitlich verlässt, wenn - wie hier - keine Anzeichen für einen ungewöhnlichen Verlauf der Aufzeichnung vorliegen. Ein Handlungsbedarf bestand nach den Ausführungen des Sachverständigen erstmals gegen 13.15 Uhr vor, als das CTG eine Bradykardie, also einen Abfall der fetalen Herzfrequenz auf unter 110 spm über einen Zeitraum von mehr als drei Minuten, aufzeichnete. Entgegen der Auffassung der Kläger bestand jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht die Notwendigkeit, unmittelbar einen Arzt zu rufen. Vielmehr kamen - so der Sachverständige Prof. Dr. V... weiter - mehrere Ursachen für den aufgetretenen Herzfrequenzabfall in Betracht, von denen die meisten für das Kind günstig sind. Die Annahme einer durch eine Nabelschnurkomplikation bedingten Sauerstoffunterversorgung als Ursache für die aufgetretene Bradykardie war zwar nicht völlig ausgeschlossen, lag jedoch im konkreten Fall aufgrund fehlender Vorzeichen wie Schmerzen im Sinne von Wehen, einer vorzeitigen Plazentalösung oder einer vaginalen Blutung nicht nahe. Vielmehr kommt als häufigste Ursache in derartigen Fällen das Verrutschen des Aufnahmekopfes in Frage, was dazu führt, dass statt der kindlichen nunmehr die mütterliche Herzfrequenz aufgezeichnet wird, so dass es für die Beklagte zu 3. dem üblichen Maßnahmenkatalog entsprach, nach Erkennen der Symptome einer Bradykardie, als sie gegen 13.18 Uhr den Raum wieder betrat und die CTG-Aufzeichnung sah, entsprechend dem von der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) herausgegebenen Notfallplan die erkannten Symptome auf ihre Bedeutung und Tendenz zu überprüfen, indem sie die in solchen Fällen nächstliegenden Ursachen einer Aufzeichnung der mütterlichen Herzfrequenz oder eines Rückenlage-Schock-Syndroms durch einen Lagewechsel, verbunden mit dem Anschluss an das zweite, leistungsstärkere CTG-Gerät, abklärte, bevor sie den Arzt verständigte. Die Möglichkeit eines Rückenlage-Schock-Syndroms konnte im vorliegenden Fall nicht deshalb ausgeschlossen werden, weil die Klägerin zu 1. während der CTG-Aufzeich-nung gemäß den Angaben der Beklagten im Schriftsatz vom 08.02.2005 nicht auf dem Rücken lag, sondern in einem Sessel Platz genommen hatte, da nach den Angaben des Sachverständigen im Termin vom 05.10.2005 das Rückenlage-Schock-Syndrom auch im Sitzen auftreten kann (Bl. 385 GA). Der Sachverständige hat in diesem Zusammenhang sowohl in seinen schriftlichen Gutachten als auch im Rahmen der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens sowohl vor dem Landgericht als auch vor dem Senat wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass unter den damaligen Umständen aus Sicht der Beklagten zu 3. keine unmittelbare Veranlassung bestand, bereits bei Erkennen der ersten CTG-Aufzeichnung sofort einen Arzt zu rufen. Im Übrigen hätte auch ein Arzt, selbst wenn er bereits um 13.18 Uhr gerufen worden wäre, zunächst den Anschluss an ein zweites CTG-Gerät zur Erfassung der Herzfrequenz angeordnet, wie es auch nach dem tatsächlich erfolgten Arztruf gegen 13.30 Uhr geschehen ist.

Entgegen der Auffassung der Kläger stehen die Ausführungen des Sachverständigen nicht im Widerspruch zu dem tatsächlichen Behandlungsablauf. Der Sachverständige hat gerade nicht festgestellt, dass bereits gegen 13.15 Uhr bei Auftreten der Bradykardie über einen Zeitraum von mehr als drei Minuten ärztliche Hilfe geboten war. Er hat vielmehr ausgeführt, dass ab diesem Zeitpunkt Handlungsbedarf in dem Sinne bestand, als eine Unregelmäßigkeit vorlag, hinsichtlich derer die Beklagte zu 3. gehalten war, die in derartigen Fällen üblichen Maßnahmen wie eine Nachjustierung des Aufnahmekopfes, einen Lagewechsel der Mutter oder den Anschluss an ein zweites CTG-Gerät durchzuführen. Erst wenn nach Durchführung dieser Maßnahmen weiterhin das Fortbestehen einer Herzfrequenz von unter 100 spm zu verzeichnen war, war es dringend geboten, ärztliche Hilfe zu organisieren (S. 11 des Gutachtens vom 03.05.2004, Bl. 284 GA). Der Sachverständige ist auch nicht von unzutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgegangen. Er hat insbesondere nicht unterstellt, dass die Beklagte zu 3. eine Nachjustierung des Aufnahmekopfes vorgenommen hat, in welchem Fall nur eine Unterbrechung und nicht der Abbruch der Aufzeichnung gegen 13.18 Uhr zu verzeichnen gewesen wäre, sondern dargelegt, dass eine solche Nachjustierung zu den üblichen bei Auftreten derartiger Komplikationen durchzuführenden Maßnahmen gehört. Darin, dass die Beklagte zu 3. eine Nachjustierung nicht vorgenommen hat, ist andererseits auch kein Fehler zu sehen, da die Nachjustierung nur eine von mehreren möglichen Maßnahmen ist und die Beklagte zu 3. hier sich direkt zu einer zweiten CTG-Aufzeichnung zur Kontrolle des sich aus der ersten Aufzeichnung ergebenden Befundes entschlossen hat. Im Übrigen hat der Sachverständige nachvollziehbar dargelegt, dass bei einem Verrutschen des Aufnahmekopfes eine Unterbrechung der Aufzeichnung nicht zwingend erfolgen muss, sondern nur bei einer Justierung des Aufnahmekopfes (S. 10 des Gutachtens vom 21.12.2004, Bl. 339 GA).

Der Sachverständige hat sich auch mit dem Einwand der Kläger, bereits um 13.11 Uhr habe ein pathologisches CTG vorgelegen, das die Beklagte zu 3. habe erkennen und demzufolge unverzüglich den Arzt verständigen müssen, auseinandergesetzt und in Kenntnis des Verlaufs der Aufzeichnungskurve die Erforderlichkeit, bereits um 13.18 Uhr den Arzt zu rufen, mit nachvollziehbaren Gründen verneint. Soweit die Kläger meinen, der Sachverständige sei in diesem Zusammenhang von falschen Voraussetzungen ausgegangen, indem er einen plötzlichen Abbruch der Aufzeichnung gegen 13.11 Uhr angenommen habe, während tatsächlich ein kontinuierlicher Abfall der fetalen Herzfrequenz zu verzeichnen gewesen sei, ergibt sich aus der vorgelegten Aufzeichnung selbst, dass in dem fraglichen Zeitraum die Herzfrequenz kurzzeitig nicht aufgezeichnet worden ist, bevor sie wieder einsetzte und bis ca. 13.15 Uhr auf 90 spm anstieg, so dass die Aussage des Sachverständigen im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat, dass das Gerät gegen 13.11 Uhr kein Signal mehr wiedergegeben habe, der Realität entspricht. Der protokollierten Äußerung des Sachverständigen ist auch nicht zu entnehmen, dass dieser von einem plötzlichen Abbruch der Aufzeichnung ausgegangen ist.

Soweit die Kläger die von dem Sachverständigen gezogene Schlussfolgerung, dass der Herzstillstand des Kindes nicht auf eine Sauerstoffunterversorgung zurückzuführen ist, dadurch in Zweifel zu ziehen versuchen, dass sie vortragen, dass der in der Nabelarterie gemessene pH-Wert von 7,18 nicht von dem Kind V... stammen könne, weil der um 14.35 Uhr gemessene pH-Wert und der Basenüberschusswert erheblich niedriger lagen, handelt es sich um eine reine Spekulation, für deren Richtigkeit keine Anhaltspunkte ersichtlich sind. Der Sachverständige hat sich mit der Frage des Rückganges des pH-Wertes bei der späteren Messung um 14.35 Uhr sowohl anlässlich der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens vor dem Landgericht als auch in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 25.07.2007 auseinandergesetzt und den niedrigeren Wert nachvollziehbar damit begründet, dass dieser auf den mit der Reaktivierung des Kreislaufes infolge der Reanimation des Kindes verbundenen Rückspuleffekt (Überführung der sauren Stoffwechselprodukte aus der Zeit der Unterversorgung nach dem Herzstillstand in die Blutbahn) zurückzuführen ist (Bl. 387, 743 GA). Allein daraus, dass in den Protokollen zunächst nur der damalige Familienname der Klägerin zu 1. aufgeführt war und im Nachhinein handschriftlich der Name des Kindes hinzugefügt worden ist, kann nicht rückgeschlossen werden, dass das Messprotokoll nicht von dem Kind V... stammt, zumal auch nicht ersichtlich ist, von wem das Messprotokoll sonst stammen sollte.

2.

Ein Behandlungsfehler ist letztlich auch nicht darin zu sehen, dass nach dem Anschluss an das zweite CTG-Gerät und der Kontrolle durch die zweite CTG-Aufzeichnung gegen 13.25 Uhr, nachdem eine Herztätigkeit des Kindes nicht mehr feststellbar war, der Arztruf erst gegen 13.30 Uhr erfolgt ist. In den Behandlungsunterlagen ist der Notruf aus dem Kreißsaal, wo sich die Klägerin zu 1. unstreitig während der CTG-Aufzeichnung befand, um 13.30 Uhr verzeichnet (vgl. Bl. 32 GA). Nach den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. V... in seinem Ergänzungsgutachten vom 21.12.2004 fand der Anschluss der Klägerin zu 1. an das zweite CTG-Gerät zwischen 13.22 Uhr und 13.25 Uhr statt (Bl. 333 GA). Damit ist von einem Beginn der zweiten CTG-Aufzeichnung spätestens um 13.25 Uhr auszugehen. Berücksichtigt man die von dem Sachverständigen bei seiner ergänzenden mündlichen Anhörung vor dem Senat angegebene Vorlaufzeit von 30 Sekunden zwischen der Inbetriebnahme und dem Beginn der Aufzeichnung, verbleibt somit ein Zeitraum von etwa vier Minuten, bis der Arztruf dokumentiert worden ist. Daraus lässt sich jedoch ein Versäumnis der Beklagten zu 3. nicht mit der erforderlichen Gewissheit herleiten. Wie der Sachverständige in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 25.07.2007 ausgeführt hat, handelt es sich bei den in der Dokumentation erfassten Zeitangaben um nachträgliche, in der Retrospektive gemachte Angaben, die anhand gemerkter Uhrzeiten in unterschiedlichen Räumen rekonstruiert werden, die nicht immer sekundengenau aufeinander abgestimmt sind, so dass bei einer im nachhinein zu erfolgenden zeitlichen Rekonstruktion der Ereignisse immer ein gewisser zeitlicher Spielraum eingeräumt werden muss (Bl. 741 GA). Unter Berücksichtigung dieser Besonderheiten hat der Sachverständige keine Anhaltspunkte für eine der Beklagten zu 3. vorzuwerfende Verzögerung bei der Verständigung des Arztes festgestellt. In seinem Ergänzungsgutachten vom 21.12.2004 hat der Sachverständige zudem unter Bezugnahme auf die von der DGGG erhobenen Mindestanforderungen an die prozessualen, strukturellen und organisatorischen Voraussetzungen für geburtshilfliche Abteilungen darauf hingewiesen, dass danach zwischen der Feststellung des Entscheidungsbedarfs durch einen Nicht-Facharzt oder eine Hebamme bis zur Anwesenheit des Facharztes im Krankenhaus ein Zeitraum von höchstens zehn Minuten vergehen darf (Bl. 347 GA). Dieser maximale Zeitraum ist im Streitfall eingehalten worden, da zwischen dem Beginn der zweiten CTG-Aufzeichnung um 13.25 Uhr und der Anwesenheit des Arztes um 13.32 Uhr nur sieben Minuten verstrichen sind; der Entschluss zur Notsectio durch den Beklagten zu 2. fiel danach um 13.35 Uhr und damit ebenfalls innerhalb von zehn Minuten nach Beginn der zweiten CTG-Aufzeichnung.

3.

Auch ein Organisationsverschulden der Beklagten zu 1. ist nach alledem nicht gegeben. Es erscheint zwar nicht unproblematisch, wenn die laufende CTG-Aufzeichnung nicht permanent durch eine Krankenschwester oder die Hebamme überwacht wird und damit grundsätzlich die Möglichkeit eröffnet wird, dass das CTG einen krankhaften Befund oder aufgrund eines verrutschten Aufnahmekopfes überhaupt kein Signal aufzeichnet, ohne dass dieser Befund über einen längeren Zeitraum von der Hebamme oder einem Arzt gesehen und ausgewertet wird. Im Streitfall hat sich diese Gefahr jedoch nicht verwirklicht, indem zu dem Zeitpunkt, als die Beklagte zu 3. erstmals das CTG gesehen hat, aus damaliger Sicht der Beklagten zu 3. das CTG nach den Ausführungen des Sachverständigen noch keinen auffälligen Befund zeigte, der die sofortige Hinzuziehung eines Arztes erforderlich machte.

4.

Die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Kläger vom 06.02.2008 und vom 11.02.2008 geben keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gem. § 156 ZPO. Die Begutachtung durch den Sachverständigen ist entgegen der Auffassung der Kläger auch nicht deshalb unverwertbar, weil bei der Anfertigung des Gutachtens die seinerzeit in ihrer Weiterbildung zur Fachärztin befindliche Frau Dr. D... H... mitgewirkt hat und das Ausmaß ihrer Mitwirkung durch den Sachverständigen nicht mitgeteilt worden ist. Zwar hat der Sachverständige nach § 407a Abs. 2 Satz 2 ZPO den Umfang der Tätigkeit der Hilfsperson anzugeben. Der Sachverständige hat im vorliegenden Fall jedoch durch die Unterzeichnung des schriftlichen Gutachtens und des Ergänzungsgutachtens, die mehrfache Erläuterung des Gutachtens durch ihn sowohl vor dem Landgericht als auch dem Senat und die eigenverantwortliche Ausarbeitung der ergänzenden Stellungnahme vom 25.07.2007 ohne die Mitwirkung von Frau Dr. H... keinen Zweifel daran gelassen, dass er für den Inhalt der gutachterlichen Ausarbeitung und die darin enthaltene Meinungsbildung eigenverantwortlich einsteht (vgl. OLG Frankfurt VersR 1994, 610; OLG Zweibrücken VersR 2000, 605). Es kann daher keine Rede davon sein, dass der Sachverständige das schriftliche Gutachten nur "überlesen" und auf offensichtliche Fehler überprüft hat. Im Übrigen wäre ein in einem Verstoß gegen § 407a Abs. 2 ZPO liegender Verfahrensfehler gem. § 295 ZPO geheilt worden, indem der Klägervertreter in dem auf die Erstattung des schriftlichen Gutachtens folgenden Verhandlungstermin rügelos verhandelt hat, ohne den nunmehr erstmals gerügten Verstoß geltend zu machen (vgl. OLG Zweibrücken NJW-RR 1999, 1368).

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 S. 1, 709 S. 2 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst. Es handelt sich um eine Entscheidung anhand der Besonderheiten des vorliegenden speziellen Einzelfalls, bei der der Senat nicht von bestehender höchst- oder obergerichtlicher Rechtsprechung abweicht, so dass die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung aufweist (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs als Revisionsgericht erfordern (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird gem. § 3 ZPO i.V. mit § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG auf 153.387,56 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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