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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 04.12.2003
Aktenzeichen: 12 U 122/03
Rechtsgebiete: StVG, BGB, StVO, PflVG, EGBGB, ZPO


Vorschriften:

StVG § 7
StVG § 7 Abs. 2
StVG § 17
StVG § 17 Abs. 1
StVG § 18
BGB § 253
BGB § 254 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 2
BGB § 847
StVO § 5
StVO § 5 Abs. 3 Nr. 1
StVO § 5 Abs. 3 Nr. 2
StVO § 5 Abs. 4 Satz 2
StVO § 7 Abs. 5
StVO § 8
StVO § 10
PflVG § 3 Nr. 1
EGBGB Art. 229 § 8
ZPO § 531 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

12 U 122/03 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 04.12.2003

Verkündet am 04.12.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 13.11.2003 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Landgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 8. Juli 2003 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam, Az.: 6 O 499/01, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Kläger hat aufgrund des Unfallereignisses vom 01.09.1998 über den vom Landgericht zuerkannten Umfang hinaus gegen den Beklagten zu 1. gemäß §§ 7, 17 Abs. 1, 18 StVG, 253, 823 Abs. 1, Abs. 2, 847, 254 Abs. 1 BGB i.V.m. § 10 StVO keinen Anspruch auf Ersatz des geltend gemachten materiellen Schadens und Zahlung von Schmerzensgeld, für den auch die Beklagte zu 2. gemäß § 3 Nr. 1 PflVG einzustehen hätte. Des gleichen kommt eine Feststellung einer Ersatzpflicht der Beklagten für zukünftige Schäden nach einer Haftungsquote von mehr als 70 % nicht in Betracht.

Auf das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien ist das bis zum 31.07.2002 geltende Schadensrecht anzuwenden, Art. 229 § 8 EGBGB.

1. Das Landgericht hat zu Recht entschieden, dass die Beklagten dem Kläger für die aus dem Unfall entstandenen Folgen dem Grunde nach in Höhe einer Quote von 70 % einzustehen haben; das Berufungsvorbringen rechtfertigt eine abweichende Entscheidung des Senats nicht.

Für beide Seiten war das Unfallereignis nicht unabwendbar im Sinne des § 7 Abs. 2 StVG. Für die Beklagten folgt dies daraus, dass dem Beklagten zu 1., wie vom Landgericht festgestellt und vom Beklagten zu 1. selbst zugestanden, ein unfallursächliches Verschulden zur Last fällt; aber auch der Kläger hat - was im Rahmen des Haftungsausschlusses nach § 7 Abs. 2 StVG ihm als Fahrer und Halter obliegt (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Aufl., Rn. 48 zu § 7 StVG) - nicht nachgewiesen, dass in seiner Situation ein den höchsten Sorgfaltsanforderungen des § 7 Abs. 2 StVG entsprechender "Idealfahrer" unter Berücksichtigung aller möglichen Gefahrenmomente (vgl. Hentschel, Rn. 30 zu § 7 StVG) den Unfall nicht hätte vermeiden können. Unabhängig davon, ob der Kläger in der konkreten Verkehrssituation, in der sich die beiden voraus fahrenden LKW in langsamer Fahrt der sich an der Kreuzung stauenden Kolonne näherten, ohne Verkehrsverstoß überholen durfte oder ihn die Situation doch Anlass zu besonderer Vorsicht hätte geben müssen, wirkt sich mit Rücksicht auf die im Rahmen des § 7 Abs. 2 StVG geltende Beweislast zu Lasten des Klägers aus, da der Unfallhergang nicht aufklärbar ist und damit ein Auffahren des Klägers auf das bereits (länger) stehende Fahrzeug des Beklagten zu 1. nicht ausgeschlossen werden kann.

Zwischen den beteiligten Haltern richtet sich folglich die Verpflichtung zum Ersatz sowie dessen Umfang gemäß § 17 Abs. 1 StVG nach den Umständen, insbesondere danach, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Dabei sind zu Lasten jeder Seite nur feststehende, das heißt solche Umstände zu berücksichtigen, auf die sich eine Seite beruft und die unstreitig oder bewiesen sind (Hentschel, Rn. 21 zu § 17 StVG).

Der Unfallhergang im Einzelnen ist ungeklärt, insbesondere ist offen, ob die Unfallschilderung des Klägers oder diejenige des Beklagten zu 1. zutrifft. Beweis durch die Vernehmung von Zeugen wurde nicht angetreten, das eingeholte Sachverständigengutachten hat in Ermangelung greifbarer Anknüpfungstatsachen zu keinen verwertbaren Feststellungen geführt. Bei dieser Sachlage kann nach den oben genanten Grundsätzen zu Lasten jeder Seite nur das von ihr selbst zugestandene Fahrverhalten berücksichtigt werden. Damit gilt im Einzelnen Folgendes:

Zulasten der Beklagten fällt der vom Landgericht festgestellte Verstoß gegen § 10 StVO ins Gewicht, für den bereits der erste Anschein spricht. Danach hat, wer (u.a.) von einem Grundstück auf die Fahrbahn einfahren will, sich so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. § 10 StVO findet auf Ausfahrten von öffentlichen Parkplätzen Anwendung, weil diese zwar dem öffentlichen, nicht aber dem durchgehenden Verkehr dienen, und daher weder als Kreuzungen noch als Einmündungen im Sinne des § 8 StVO anzusehen sind (Hentschel, Rn. 35 zu § 8 StVO m. w. N.). Gegen die ihm nach § 10 StVO obliegenden Sorgfaltspflichten hat der Beklagte zu 1. verstoßen, was schon dadurch belegt ist, dass es zu der Kollision mit dem Kläger gekommen ist. Das Abbiegen nach links durch eine Kolonnenlücke birgt besondere Gefahren, da wegen der auf der rechten Spur stehenden Fahrzeuge die Sicht auf die daneben liegende Fahrspur eingeschränkt ist (vgl. hierzu KG, DAR 1976, 213); wer in dieser Weise in eine Straße einfährt, muss auch mit von Links überholenden Fahrzeugen rechnen (Hentschel, Rn. 11 zu § 10 StVO). Ohne Zweifel war hiernach auch die Betriebsgefahr des vom Beklagten zu 1. gesteuerten Fahrzeugs aufgrund des schuldhaften Verstoßes gegen § 10 StVO erhöht.

Mit dem Landgericht ist der Senat der Auffassung, dass ein Verkehrsverstoß des Klägers im Ergebnis nicht festzustellen und bei der zu treffenden Abwägung allein die - allerdings gesteigerte - Betriebsgefahr seines Kraftrades zu seinen Lasten zu berücksichtigen ist.

Dass ein Überholen an der (Unfall-)Stelle verboten gewesen wäre, ist nicht festzustellen. Zwar geht die Einlassung des Beklagten zu 1. im Ermittlungsverfahren in diese Richtung, jedoch ist nicht erkennbar, worauf diese Annahme beruhte. Anhaltspunkte dafür, dass an der Unfallstelle ein Überholverbot gemäß § 5 Abs. 3 Nr. 2 StVO bestanden hätte, ergeben sich aus dem Parteivortrag nicht.

Zweifelhaft ist allerdings, ob der Kläger angesichts einer unklaren Verkehrslage im Sinne des § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO nicht hätte überholen dürfen. Unklar ist eine Verkehrslage dann, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände mit einem ungefährdenden Überholen nicht gerechnet werden kann (Hentschel, Rn. 34 zu § 5 StVO m.w.N.); eine solche kommt beim Überholen einer Kolonne in Betracht, wenn diese anhält, um einem Linksabbieger von rechts das Kreuzen zu ermöglichen (a.a.O.). Zureichende Feststellungen dazu, ob im Streitfall überhaupt von dem Überholen einer Kolonne auszugehen ist, lassen sich nicht treffen; an Sachvortrag der Parteien etwa zum Abstand der LKW untereinander aber auch zu den im weiteren Straßenverlauf vor der Kreuzung stehenden Fahrzeugen, fehlt es ebenso wie an objektiven Anhaltspunkten. Bei dieser Sachlage steht nicht fest, dass sich für den Kläger die Situation als unklar darbot.

Kann damit von dem Überholen einer Kolonne schon aus diesem Grund nicht ausgegangen werden, so bedarf keiner Entscheidung, ob die sogenannte "Lückenrechtsprechung", wonach derjenige, der an einer zum Stehen gekommenen oder langsam fahrenden Kolonne links vorbeifährt, bei der Annäherung an Kreuzungen und Einmündungen auf für ihn erkennbare Lücken achten und damit rechnen muss, dass diese von Querverkehr genutzt werden, (vgl. KG, NZV 1996, 365, 366; DAR 1976, 213ff.; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, Rn. 41 zu § 10 StVO) auch für Lücken an Grundstücksausfahrten, namentlich von Parkplätzen, gilt (ablehnend: KG, NZV 1996, 365, 366; a. A. für Ausfahrt aus Tankstelle, OLG Hamm, NZV 1992, 238f.).

Ein verkehrswidriges Überholen des Klägers lag auch nicht darin, dass der Kläger nach seinem eigenen Vortrag beim Überholen auf der rechten Fahrspur geblieben, also nicht auf die Spur des Gegenverkehrs, ausgeschert ist. Ein Verstoß gegen das Gebot ausreichenden Abstands (§ 5 Abs. 4 Satz 2 StVO) ist in diesem Fahrverhalten nicht zu sehen, weil die hierzu erforderlichen Feststellungen (Breite der Fahrbahn sowie der überholten Fahrzeuge) nicht zu treffen sind. Der Auffassung des Kammergerichts in der Entscheidung NZV 1996, 365, 366, das einer Zusammenschau von § 5 und § 7 Abs. 5 StVO (Fahrstreifenwechsel) entnommen hat, zum Überholen sei immer auf einen eigenen freien Fahrstreifen auszuscheren, folgt der Senat jedenfalls für die hier gegebene Verkehrssituation nicht. Maßgeblich für die Zulässigkeit des Überholens ist nach § 5 Abs. 4 Satz 2 StVO allein, dass der erforderliche Seitenabstand eingehalten wird. Ob hierzu die Begrenzung zwischen den Fahrbahnen überfahren werden muss oder nicht, ist eine Frage der jeweiligen Gegebenheiten.

Ungeachtet dessen, dass dem Kläger nach alledem ein schuldhafter Verursachungsbeitrag nicht zur Last fällt, ist aber im Sinne der Berufung ein völliges Zurücktreten der Betriebsgefahr seines Kraftrades hinter den Haftungsanteil der Beklagten nicht gerechtfertigt. Vielmehr hat der Kläger für die gesteigerte Betriebsgefahr seines Kraftrades einzustehen.

Grundsätzlich stellt ein völliges Zurücktreten der Betriebsgefahr eines unfallbeteiligten Fahrzeuges nach dem Haftungssystem der §§ 7, 17 StVG die Ausnahme dar. Dementsprechend geht der dem § 17 StVG zugrundeliegende Gedanke davon aus, dass bei der Beteiligung zweier Halter jeder jeweils zur Hälfte für den entstandenen Schaden einzustehen hat. Hiervon ausgehend sind die Verursachungsanteile im Einzelnen aufgrund unstreitiger oder bewiesener Umstände zu Lasten der einen oder anderen Seite zu erhöhen. Ein völliges Zurücktreten der Haftung setzt dabei in der Regel voraus, dass der nicht erheblich ins Gewicht fallenden Betriebsgefahr auf der einen Seite ein grobes Verschulden auf der anderen Seite gegenüber steht (vgl. Hentschel, Rn. 16 zu § 17 StVG, kritisch zu einer Ausdehnung ). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall unbeschadet dessen, dass der unter Verstoß gegen § 10 StVO unaufmerksam Einfahrende im Normalfall den Schaden im Verhältnis zum Längsverkehr alleine tragen muss (vgl. Hentschel, Rn. 18 zu § 17 StVG m.w.N.), nicht vor. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte zu 1. zwar unter Verstoß, jedoch nicht unter grober Missachtung der ihm obliegenden Sorgfaltspflichten in die P...straße eingefahren ist. Anders als der Kläger meint, spricht für ein grobes Verschulden des Beklagten zu 1. nicht bereits der erste Anschein. Zwar ist anerkannt, dass aus einem Schadensereignis nach dem Beweis des ersten Anscheins auf eine schuldhafte Verursachung geschlossen werden kann, wenn der Hergang typischerweise auf eine Sorgfaltspflichtverletzung zurückzuführen ist. Jedoch greift die Rechtsfigur des Anscheinsbeweises nach allgemeiner Ansicht nicht ein für die Annahme eines über die einfache Fahrlässigkeit hinausgehenden Verschuldensgrades etwa der groben Fahrlässigkeit, weil dieser ein der typisierenden Betrachtung entzogener Subjektivitätsgehalt zukommt (vgl. BGH, VRS 65, 347, 350; OLG Frankfurt, DAR 1992, 432, 433; OLG München, DAR 1984, 18; Hentschel, Einleitung, Rn. 157a m.w.N.) Daher sind die Umstände, welche einen über das Maß des einfachen Verschuldens hinausgehen Vorwurf rechtfertigen, vom Unfallgegner darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen. Nach seiner eigenen Einlassung fuhr der Beklagte zu 1. vorsichtig und sehr langsam durch die Lücke und tastete sich vor. Erst nach einer kurzen Standzeit auf der Mittellinie soll der Kläger in das stehende Fahrzeug gefahren sein. Da Gegenteiliges nicht bewiesen ist, ist dieser Geschehensablauf insoweit zugrunde zu legen, als es um den Verursachungsanteil des Erstbeklagten geht, weil für die der einen Seite ungünstigen Umstände die Gegenseite die Beweislast trägt. Unbeschadet dessen, dass mit Rücksicht auf die hohen Sorgfaltspflichten nach § 10 StVO dem Beklagten zu 1. mehr als nur einfache Fahrlässigkeit zur Last fällt, ist bei dieser Sachlage ein grobes Verschulden im Sinne einer gravierenden Nachlässigkeit nicht festzustellen.

Auf der anderen Seite belastet den Kläger nicht allein die einfache Betriebsgefahr des von ihm geführten Kraftrades, weil diese unter den konkreten Umständen des Unfallhergangs deutlich erhöht war. Dies folgt daraus, dass der Kläger auf der rechten Fahrspur "im Schatten" der beiden LKW überholte, damit für möglichen Querverkehr sehr spät zu erkennen war und zudem aufgrund seiner Fahrlinie nahe an der Sichtlinie querender Fahrzeugführer für diese kaum die Möglichkeit bestand, eine Kollision zu verhindern. Diese Gefahr, die bei Annäherung an eine vor einer Kreuzung stehenden Kolonne nicht von der Hand zu weisen ist, verwirklichte sich auch, indem der Kläger beim Einscheren mit dem Fahrzeug des Erstbeklagten zusammenstieß. Bei dieser Sachlage eines gesteigerten, aber nicht in besonders schwerer Weise erhöhten, Verschuldens auf der einen Seite und einer erheblich erhöhten Betriebsgefahr auf der anderen Seite hält der Senat die vom Landgericht mit 70 % zu Lasten der Beklagten bemessene Haftungsquote für vertretbar und sieht sich zu einer Abänderung nicht veranlasst.

2. Auf dieser Grundlage stehen dem Kläger über den zuerkannten Umfang hinaus weitergehende Ansprüche aus dem Unfallereignis nicht zu.

2.1. Im Hinblick auf den ursprünglich geltend gemachten Anspruch für den Ersatz der materiellen Schäden greift die Berufung die Entscheidung des Landgerichts zu den Positionen Kleidung sowie Zuzahlungen zu Krankenhauskosten und sonstigen Heilbehandlungskosten nicht an.

2.2. Hinsichtlich der Kosten für Taxifahrten in Höhe von 701,40 DM, welche das Landgericht insgesamt aberkannt hat, weil sie entgegen der schriftsätzlichen Ankündigung nicht durch Belege unterlegt worden seien, beruft sich die Berufung ohne Erfolg auf die mit der Berufungsbegründung eingereichten Unterlagen. Unbeschadet dessen, dass die in Ablichtung vorgelegten Fahrpreisquittungen überwiegend den Anlass der Fahrten und teilweises die Fahrstrecke nicht ausweisen, liegen keine Umstände vor, welche eine Zulassung des in der Vorlage der Belege liegenden neuen Angriffsmittels in der Berufungsinstanz gemäß § 531 Abs. 2 ZPO rechtfertigen würden. Entgegen der Auffassung der Berufung ist ein im Verstoß gegen die Hinweispflicht gemäß § 139 ZPO liegender Verfahrensfehler des Landgerichts nicht festzustellen. So ist schon zweifelhaft, ob eine Hinweispflicht dahin, der Kläger habe die auf Seite 7 der Klageschrift als Beweismittel in Bezug genommenen "vorzulegenden" Fahrtkostenbelege nicht eingereicht, überhaupt bestand. Denn bereits mit der Klageerwiderung haben die Beklagten darauf hingewiesen, die Belege müssten beigebracht werden. Hat aber der Gegner schon auf die Unvollständigkeit des Vorbringens hingewiesen, so bedarf es im Grundsatz eines Hinweises des Gerichts nicht. Anhaltspunkte dafür, der Kläger habe den Hinweis der Beklagten aufgrund eines Missverständnisses oder eines Rechtsirrtums nicht beachtet, was einen ergänzenden Hinweis des Gerichts hätte erforderlich machen können (vgl. Zöller, ZPO, 24. Aufl., Rn. 6 zu § 139 ZPO), bestehen nicht. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Kläger nunmehr vorträgt, die Beklagte zu 2. sei schon vorprozessual in den Besitz der Belege gelangt. Entscheidend ist allein, ob die Belege zur Akte und damit dem Gericht zur Kenntnis gelangt sind. Dass dies nicht der Fall war, war dem Kläger bekannt, weil weder er noch die Beklagten die Belege in dem Rechtsstreit vorgelegt hatten.

Unbeschadet dessen hat das Landgericht ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 17.06.2003 darauf hingewiesen, die in der Klageschrift angeführten Belege befänden sich nicht bei den Akten. Zwar geht die Berufung zu Recht davon aus, dass Hinweise so früh wie möglich zu erteilen sind; Folge eines verspäteten Hinweises kann jedoch nur sein, dass der Partei noch Gelegenheit zur Ergänzung des Vorbringens gegeben werden muss. Dies setzt jedoch voraus, dass für das Gericht erkennbar eine solche Ergänzung noch erfolgen soll und die Partei zu einer sofortigen Erklärung nicht in der Lage ist. Hierfür bestanden jedoch im Termin am 17.06.2003 keine Anhaltspunkte. Es wäre Sache des Klägers gewesen, sich im Termin zu dem Hinweis zu erklären und gegebenenfalls zum Zwecke der Vorlage der Belege Schriftsatznachlass zu beantragen.

Bei dieser Sachlage ist zugleich nicht nachgewiesen, dass die Vorlage der Belege erst mit der Berufungsschrift nicht auf einer Nachlässigkeit des Klägers beruhte, § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO.

2.3. Ohne Erfolg bleibt die Berufung auch hinsichtlich des zuerkannten Schmerzensgeldes. Das Landgericht hat unter Berücksichtigung der Mithaftungsquote ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.500,00 € als angemessenen Ausgleich des immateriellen Schadens angesehen und dem Kläger dementsprechend den über die vorprozessuale Zahlung von 13.000,00 DM hinausgehenden Differenzbetrag zugesprochen. Hierbei sind von der Kammer die wesentlichen Bemessungskriterien, nämlich sowohl die erheblichen Verletzungen als auch die infolge einer hierdurch bedingten Knochenmarksentzündung eingetretenen Dauerfolgen sowie die Gesamtdauer der notwendigen stationären Behandlung, berücksichtigt worden. Gleiches gilt für den Umstand, dass die Wiederherstellung der Arbeitskraft des Klägers ungewiss ist. Es ist nicht erkennbar und von der Berufung auch nicht dargelegt, dass das Landgericht insoweit einen wesentlichen Gesichtspunkt außer Acht gelassen hätte. Schließlich ist auch der Mitverursachungsanteil aufgrund der Betriebsgefahr zu berücksichtigen, für die der Kläger als Halter des Kraftrades einzustehen hat (vgl. Palandt, 61. Aufl., Rn. 6 zu § 847). Dass dies nicht "quotenmäßig" sondern in der Weise zu geschehen hat, dass der Mitverursachungsanteil als einer der Faktoren in die Bemessung einzustellen ist (vgl. hierzu Palandt, a.a.O. m.w.N.), ändert nichts daran, dass der Senat nach eigener Würdigung aller Umstände keine Veranlassung sieht, dem Kläger ein weitergehendes Schmerzensgeld zuzuerkennen. Der vom Landgericht für angemessen gehaltene Betrag trägt sowohl der Ausgleichfunktion des Schmerzensgeldes als auch der Genugtuungsfunktion Rechnung, die mit Rücksicht darauf, dass der Unfallhergang, der das konkrete Verschuldensmaß des Beklagten zu 1. bestimmt, im einzelnen nicht aufgeklärt ist, jedenfalls nicht im Vordergrund steht. Die vom Kläger angeführten Entscheidungen betreffen sowohl hinsichtlich des Lebensalters der Verletzten als auch bezüglich des zu berücksichtigenden Mitverursachungsanteils abweichende Fallgestaltungen, an der sich die zu treffende Einzelfallentscheidung nicht orientieren kann.

Im Hinblick auf noch nicht abzusehende Dauerfolgen sind die Interessen des Klägers durch die auf der Grundlage einer Haftungsquote von 70 % getroffenen Feststellung der künftigen Ersatzpflicht für materielle und immaterielle Schäden gewahrt.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

4. Gründe, die die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO rechtfertigen, sind nicht gegeben. Die Entscheidung betrifft einen Einzelfall, ohne von höchstrichterlicher oder obergerichtlicher Rechtsprechung abzuweichen. Insbesondere konnte offen bleiben, ob die sogenannte "Lückenrechtsprechung" auch bei Ausfahrten von öffentlichen Parkplätzen anzuwenden ist. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist daher weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung veranlasst.

Streitwert im Berufungsrechtzug, zugleich Beschwer für den Kläger: 14.102,56 €. (Zahlung: materieller Ersatz 844,43 €; Schmerzensgeld 12.508, 13; Feststellung: 750,00 €, das sind 30 % von 2.500,00 €).

Ende der Entscheidung

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