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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 21.06.2007
Aktenzeichen: 12 U 147/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 280 Abs. 1
BGB § 284 Abs. 2 a. F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

12 U 147/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Verkündet am 21.06.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 21. Juni 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Pastewski sowie die Richter am Oberlandesgericht Beckmann und Funder

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 10. Juli 2006 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Frankfurt (Oder), Az.: 14 O 89/06, wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Klage ist begründet. Dem Kläger steht der von ihm geltend gemachte Zahlungsanspruch in Höhe von 10.909,85 € aus § 280 Abs. 1 BGB zu.

Eine Pflichtverletzung des Anwaltsvertrages wegen fehlerhafter Beratung liegt vor. Der Beklagte hat seine anwaltlichen Aufklärungs- und Beratungspflichten, die sich aus dem Mandatsverhältnis zum Kläger ergeben haben, verletzt.

1.

Dies folgt in Bezug auf den nicht abgeschlossenen Vergleich nicht in erster Linie daraus, dass der Beklagte dem Kläger einem Vergleichsabschluss nicht zugeraten hat, denn dies kann nur verlangt werden, wenn ein solcher Vergleichsabschluss aufgrund objektiver Anhaltspunkte eindeutig günstiger erscheint (vgl. OLG Oldenburg NJW-RR 1991, 1499). Der Beklagte hätte aber mit dem Kläger gewissenhaft die Vor- und Nachteile des Vergleichs und der streitigen Beendigung eines Rechtsstreits abwägen und mit dem Mandanten erörtern müssen (vgl. Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, 2. Aufl., Rn. 278 m.w.N.). Davon kann im vorliegenden Fall keine Rede sein. Vielmehr hat der Beklagte dem grundsätzlich vergleichsbereiten Kläger ohne nähere Erläuterung zur Ablehnung des fundierten Vergleichsangebotes der Gegenseite geraten, und zwar u. a. auch deshalb, weil er seinerzeit von der unzutreffenden Rechtsauffassung ausging, der vom Kläger geltend gemachte Vertragsstrafenanspruch könne Erfolg haben. Ein solcher Vertragsstrafenanspruch bestand ersichtlich nicht, wie der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch eingeräumt hat. Der Kläger war im Vorprozess sowohl seitens der dortigen Klägerin wie auch seitens des Gerichts darauf hingewiesen worden, dass die Vertragsstrafe nicht durchsetzbar sei, weil eine Fertigstellungsfrist nicht vereinbart worden sei und auch der Vortrag zur Verzögerung unsubstanziiert sei. Entsprechend hat das Landgericht die Vertragsstrafe in der im Vorprozess getroffenen Entscheidung nicht durchgreifen lassen, weil verbindliche Ausführungsfristen nicht vereinbart waren. Dies traf auch zu, da jedenfalls nach der bis zum 01.01.2002 bestehenden Rechtslage eine Vereinbarung wie "drei Werktage nach Baubeginn" nur eine bestimmbare Frist bedeutete, nicht aber eine bestimmte Frist, wie sie seinerzeit für das Vorliegen der Voraussetzungen von § 284 Abs. 2 BGB a. F. erforderlich war. Auch im Übrigen hat eine eingehende Erörterung des Vergleichsvorschlages der Gegenseite nicht stattgefunden. Der Beklagte hat in der Klageerwiderung selbst ausgeführt, es habe vier Tage vor dem Termin mit dem Kläger eine Besprechung stattgefunden, wobei nicht über etwaige Vergleiche gesprochen worden sei, weil sowohl dem Kläger als auch ihm zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar gewesen sei, welche Positionen möglicherweise gerechtfertigt seien, die jedoch vom Bauüberwacher noch nicht bestätigt worden seien. Unabhängig davon, dass diese dargestellte völlige Unklarheit ohne nähere Erläuterung so nicht nachvollziehbar ist, hätte jedenfalls nach der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Gelegenheit bestanden, den fundierten Vergleichsvorschlag der Gegenseite zu prüfen und mit dem Kläger eingehend zu erörtern. Vielmehr hat der Beklagte aus nicht nachvollziehbaren Gründen vorgetragen, ein Vergleichsabschluss sei zum damaligen Zeitpunkt überhaupt nicht in Betracht gekommen. Auch daraus wird deutlich, dass es eine sachgerechte Beratung des Klägers in Bezug auf einen Vergleichsabschluss nicht gegeben hat, wobei auch nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Sachlage unüberschaubar und völlig unklar gewesen wäre. Unstreitig war die im Vorprozess geltend gemachte Forderung von 42.066,00 € in Höhe eines Betrages von 25.202,93 € begründet, weil insoweit keine Einwendungen gegen die Klageforderung erhoben wurden. Dies wurde dem Kläger auch in dem Schriftsatz, der den Vergleichsvorschlag enthielt, mitgeteilt. Damit reduzierte sich der noch streitige Restbetrag bereits beträchtlich. Dass die Vertragsstrafe nicht durchsetzbar war, lag ebenfalls auf der Hand. Es verblieb dann im Wesentlichen nur noch die Frage, inwieweit die von der Klägerin des Vorprozesses abgerechneten und noch streitigen Leistungen erbracht worden waren. Insoweit war absehbar, dass hierüber Beweis erhoben werden musste durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. In dem Schriftsatz vom 19.03.2003 wurde dem Kläger detailliert vorgerechnet, welche Positionen aufgrund der Klageerwiderung streitig waren und über die eventuell wegen der streitigen Mengen und Massen Beweis erhoben werden musste. Zur Vermeidung der durch eine solche Beweisaufnahme entstehenden Kosten wäre es jedenfalls erforderlich gewesen, mit dem Kläger eingehend zu erörtern, welche Risiken mit der Fortsetzung des Verfahrens verbunden sind, anstatt sich darauf zurückzuziehen, dass die Angelegenheit derart unüberschaubar sei, dass ein Anraten zu einem Vergleichsabschluss völlig ausgeschlossen gewesen wäre. Vor diesem Hintergrund überzeugt es nicht, wenn der Beklagte mit der Klageerwiderung ausführt, es habe nach dem Termin zur mündlichen Verhandlung eine Besprechung am 01.04.2003 in seiner Kanzlei gegeben, aufgrund derer sich der Kläger infolge der unklaren Risikolage nicht habe entscheiden können, einen Vergleich abzuschließen. Unklar war die Risikolage hier ersichtlich nicht. Ein Vergleichsabschluss erschien auch nicht deshalb seinerzeit nicht veranlasst, weil sich das Ergebnis des Rechtsstreits, nämlich die Zahlung eines Betrages von über 37.000,00 €, gegenüber dem Vergleichsvorschlag nur als geringe Abweichung erweist. Unter Berücksichtigung der Zinsen und Kosten ist der Kläger immerhin in einer Größenordnung von mehr als 10.000,00 € durch den Nichtabschluss des Vergleiches schlechter gestellt. Auch solche Gesichtspunkte sind im Rahmen der Risikoabwägung vor Abschluss eines Vergleiches zu erwägen, erst recht, wenn absehbar ist, dass hinsichtlich eines Teils der Forderung eine Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens droht, die in der Regel kostenintensiv ist.

Unverständlich ist der auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom Beklagten wiederholt erhobene Einwand, es sei im Termin zur mündlichen Verhandlung beim Landgericht nur ein unwiderruflicher Vergleich möglich gewesen. Diese in den Raum gestellte Aussage ist so nicht nachvollziehbar. Dass der Gegner oder das Gericht den Abschluss eines Widerrufsvergleichs nicht akzeptiert hätten, ist nicht ersichtlich. Dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin des Vorprozesses den Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht derart unter Druck gesetzt hat, dass das Vergleichsangebot nur für den Tag des Termins galt und auch an diesem Tag eine Annahme des Vergleiches unwiderruflich erfolgen musste, behauptet selbst der Beklagte nicht und erscheint auch fern liegend. Sowohl die Klägerin des Vorprozesses als auch der hiesige Kläger waren seinerzeit ersichtlich an einer einvernehmlichen Erledigung des Rechtsstreits interessiert. Der Beklagte hat dem jedoch ohne eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage und Erörterung mit dem Kläger entgegengewirkt, wodurch dem Kläger der mit der Klage geltend gemachte Schaden entstanden ist.

Nicht nachvollziehbar ist schließlich auch der Hinweis des Beklagten in der Berufungsbegründung, wonach das erstinstanzliche Gericht hätte berücksichtigen müssen, dass im Falle eines Vergleichsabschlusses auch die entsprechende Quotierung der Kosten mit in Ansatz hätte gebracht werden müssen. Welchen Einwand der Beklagte insoweit konkret erheben will, erschließt sich dem Senat nicht. Im Falle des Abschlusses eines Vergleiches wäre die Kostenregelung für den Beklagten jedenfalls günstiger ausgefallen. Der Kläger hat den Schaden betreffend die Kosten in der Anlage 10 zur Klageschrift detailliert dargestellt. Die Aufstellung endet mit dem Betrag, den der Kläger insgesamt hätte zahlen müssen, wenn der Rechtsstreit durch den vorgeschlagenen Vergleich beendet worden wäre. Mit der Klageschrift hat der Kläger dargelegt, in welchem Umfang er nunmehr Zahlungen hat leisten müssen. Gegen diese schlüssige Darstellung des Klägers wird seitens des Beklagten nichts Erhebliches eingewandt.

2.

Eine fehlerhafte Beratung liegt auch in Bezug auf die geltend gemachte Forderung in Höhe von 558,39 € vor. Der Kläger hatte im Vorprozess insoweit Erfüllung eingewandt und lediglich zum Nachweis einen Einzahlungsbeleg vorgelegt. Dieser war als Beweismittel untauglich. Entsprechend der Darstellung des Beklagten soll mit dem Kläger am 01.04.2003 besprochen worden sein, dass die Kontoauszüge zu den Zahlungen vorzulegen seien. Dies ist hinsichtlich der übrigen drei in Rede stehenden Zahlungen auch erfolgt. Hinsichtlich der hier noch maßgeblichen Zahlung ist die Vorlage jedoch unterblieben. Als sorgfältig handelnder Anwalt hätte der Beklagte sich aber von der Vollständigkeit der Unterlagen vergewissern müssen, anstatt diese lediglich an das Gericht durchzureichen. Auf diese Weise hätte er bemerkt, dass der Kläger den Kontoauszug betreffend die Zahlung eines Betrages von 1.092,12 DM nicht beigelegt hatte. Der Auffassung des Beklagten, es sei nicht notwendig, dass bezüglich aller Beweismittel der Mandant hinsichtlich jedes einzelnen Beleges rechtlich fundiert aufgeklärt werde, so ist dem nicht beizutreten. Der Beklagte genügt seinen anwaltlichen Pflichten nicht damit, lediglich die Kontoauszüge für die geleisteten Zahlungen vom Mandanten zu fordern. Vorliegend ging es um die Vorlage von vier Kontoauszügen zum Nachweis von insgesamt vier Zahlungen. Der Umfang der Nachweisführung war damit leicht überschaubar, weshalb dem Beklagten ohne weiteres zumutbar war, die vom Kläger überreichten Belege auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit hin zu überprüfen. Da der Beklagte als Anwalt die Verantwortung dafür trägt, dass sich eine Partei im Rechtsstreit vollständig mit den dazu erforderlichen Belegen erklärt, kann dem Kläger auch ein Mitverschulden dahin, dass er versehentlich nur drei statt der vier erforderlichen Belege eingereicht hat, nicht angelastet werden.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 S. 1, 713 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO bestehen nicht.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 10.909,85 €

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