Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 06.03.2008
Aktenzeichen: 12 U 165/07
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 313 Abs. 2
ZPO § 412
ZPO § 511
ZPO § 513
ZPO § 517
ZPO § 519
ZPO § 520
ZPO § 520 Abs. 3
ZPO § 546
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 847 Abs. 1 a. F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

12 U 165/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 06.03.2008

Verkündet am 06.03.2008

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 14.02.2008 durch

den Richter am Oberlandesgericht Beckmann, den Richter am Oberlandesgericht van den Bosch und die Richterin am Amtsgericht Eggers-Chemseddine

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 12. Juli 2007 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam, Az.: 11 O 74/04, wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt vom Beklagten die Zahlung von Schmerzensgeld sowie die Feststellung einer Haftung für künftige materielle und immaterielle Schäden wegen einer seiner Auffassung nach fehlerhaften Behandlung einer Entzündung im rechten Ohr. Der Kläger stützt sich in erster Linie darauf, der Beklagte habe fehlerhaft eine bei ihm vorliegende Otitis media trotz entsprechender Symptome nicht diagnostiziert und dementsprechend nicht zutreffend behandelt. Hierdurch sei es zu einer Mastoiditis gekommen, die wiederum eine Labyrinthitis verursacht habe, diese habe schließlich eine Hörschädigung sowie einen Tinnitus ausgelöst. Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit am 12.07.2007 verkündeten Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein Anspruch stehe dem Kläger weder aus Vertrag noch aus unerlaubter Handlung zu. Es sei weder ein Diagnosefehler des Beklagten bewiesen noch ein Behandlungs- oder Befunderhebungsfehler, der für die Schädigung des Klägers kausal geworden sei. Dem Beklagten sei eine objektive Fehlerhaftigkeit seiner Diagnose nicht anzulasten, zumindest sei die Deutung der Befunde vertretbar gewesen. Die Kammer folge insoweit den Ausführungen des gerichtlich beauftragten Sachverständigen Dr. J..., dass Anzeichen für eine akute Mittelohrentzündung, die zu einer Mastoiditis führen könne, sich während des gesamten Krankheitsverlaufes nicht gefunden hätten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils.

Der Kläger hat gegen das ihm am 16.07.2007 zugestellte Urteil mit am 15.08.2007 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und das Rechtsmittel sogleich begründet.

Der Kläger rügt, das Landgericht habe seine Entscheidung auf eine fehlerhafte Tatsachengrundlage gestützt. Die tatsächlich zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigten hingegen eine Stattgabe der Klage. Zudem habe das Landgericht die Grundsätze der freien Beweiswürdigung verletzt. Die Feststellungen im landgerichtlichen Tatbestand seien lückenhaft, da nicht sämtliche für das Vorliegen einer Otitis media sprechende Symptome aus den Behandlungsunterlagen des Beklagten wie auch aus dem Notfall-/Vertretungsschein der Klinik ... vom 28.02.1999 wiedergegeben seien. Auch gebe der Sachverhalt nicht wieder, dass der Beklagte den Kläger wegen einer Otitis externa stationär eingewiesen habe, mithin das Klinikum insoweit auf eine falsche Fährte gelockt habe. Wegen der Einzelheiten der Beanstandungen des Klägers wird auf die Ausführungen auf Bl. 2 - 7 der Berufungsbegründung (Bl. 468 ff. d. A.) verwiesen. Im Rahmen seiner Beweiswürdigung habe sich das Landgericht im Anschluss an die Ausführungen des Sachverständigen darauf festgelegt, dass eine akute Otitis media nur dann vorliege, wenn das Trommelfell gerötet sei, dabei aber verkannt, dass wiederholt eine Rötung des Trommelfells dokumentiert worden sei. Zu Unrecht habe das Landgericht zudem die zahlreichen anderen Signale für das Vorliegen einer akuten Mittelohrentzündung nicht berücksichtigt. So habe der Beklagte bereits am 24.02.1999 anlässlich des ersten Besuchs des Klägers in nicht hinreichendem Maße Befunde erhoben, etwa ein Audiogramm erstellt. Auch habe der Beklagte verkannt, dass bereits zu diesem Zeitpunkt das Trommelfell des rechten Ohres verdickt, vorgewölbt und gefäßinjiziert gewesen sei, der Kläger zudem seit einer Woche bei Ohrenschmerzen an Schwerhörigkeit gelitten habe und somit eindeutige Zeichen für das Vorliegen einer akuten Otitis media vorgelegen hätten. Zudem habe der Beklagte zu spät die Erstellung eines Röntgenbildes veranlasst. Spätestens als die am 28.02.1999 begonnene Antibiotikabehandlung bis zum 10.03.1999 keine nachhaltigen Wirkungen gezeigt habe, hätte der Beklagte den Verdacht auf Vorliegen einer akuten Otitis media verbunden mit einer Gefahr des Ausbruchs einer eitrigen Mastoiditis durch weitergehende Befunderhebungen ausschließen müssen. Hierzu hätte vor allen Dingen die Erstellung eines CT gehört. Nicht nachvollziehbar seien die Ausführungen des Landgerichts im Anschluss an den Sachverständigen, die Bezeichnung "akute Otitis media et externa" sei ein Oberbegriff, der nicht zwingend auf das Vorliegen einer akuten Otitis media hindeute. Es seien vielmehr eindeutig sowohl eine Gehörgangsentzündung als auch eine akute Mittelohrentzündung diagnostiziert worden. Auch habe der Beklagte am 06.03.1999, also nach 6 Tagen die Antibiotikabehandlung nicht fortgesetzt, obwohl zu diesem Zeitpunkt die Beschwerden immer noch nicht abgeklungen gewesen seien und nach dem Beipackzettel eine Fortbehandlung 2 bis 3 Tage über das Abklingen der Symptome hinaus erfolgen solle. Zudem sei dem Beklagten als grober Behandlungsfehler anzulasten, dass er nach Unterbrechung der ersten Antibiotikabehandlung ein anderes Antibiotika verschrieben habe, wodurch eine Resistenz des Klägers eingetreten sei. Auszugehen sei davon, dass bei einer umfassenden Befunderhebung und richtiger Diagnose der akuten Otitis media schon zu Beginn der Behandlung diese folgenlos und ohne das Auftreten von Komplikationen ausgeheilt wäre, es also weder zur eitrigen Mastoiditis noch zum Erfordernis einer Operation noch zum Tinnitus gekommen wäre. Auch müsse davon ausgegangen werden, dass die Unterbrechung der Antibiotikabehandlung ab dem 06.03.1999 ebenfalls den Heilungserfolg verhindert habe. Weiter habe der Beklagte mit seiner Diagnose eines Gehörgangsabzesses bei Einweisung des Klägers in die Klinik diese irregeleitet, woraufhin eine gewisse Zeitspanne benötigt worden sei, um mittels des klinikeigenen Diagnoseprogramms bis hin zum CT eine Otitis media festzustellen. Ferner sei auch eine Behandlung der Otitis media mit Wärme fehlerhaft. Im Ergebnis sei davon auszugehen, dass sowohl die fortbestehende Schwerhörigkeit des Klägers als auch der Tinnitus, der keineswegs nur subjektiv bemerkbar sei, Folge der fehlerhaften Behandlung des Beklagten seien. Schließlich wiederholt der Kläger seinen Antrag auf Einholung eines Obergutachtens.

Der Kläger beantragt,

das landgerichtliche Urteil abzuändern und dem in erster Instanz gestellten Klageantrag - Verurteilung des Beklagten zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes nicht unter 15.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit und Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zum Ersatz sämtlicher materieller und immaterieller Zukunftsschäden des Klägers, die ab Rechtshängigkeit aus der fehlerhaften Behandlung im Zeitraum Februar bis März 1999 resultierten, sofern diese Ansprüche nicht auf einen Sozialversicherungsträger übergehen - zu entsprechen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte bezieht sich auf seinen erstinstanzlichen Vortrag nebst Beweisantritten und verteidigt das landgerichtliche Urteil. Er ist der Auffassung, bei der gebotenen Prüfung aus Sicht ex ante sei ihm ein Behandlungsfehler nicht anzulasten, da weder die charakteristischen Symptome einer Mittelohrentzündung (auffällige Rötung des Trommelfells, Abgang pulsierenden Sekrets) vorgelegen hätten noch richtungsweisende Anzeichen für eine Mastoiditis. Soweit in den Behandlungsunterlagen eine "Gefäßinjektion" vermerkt sei, handele es sich nicht um eine Rötung sondern um ein Sichtbarwerden von Gefäßen durch vermehrten Blutfluss. Die Feststellung einer Rötung des Trommelfells im Klinikum ... sei ihm jedenfalls nicht zugänglich gewesen. Auch das bei einer akuten Otitis media regelmäßig auftretende Fieber sei beim Kläger erst am 15.03.1999 festgestellt worden. Ihm sei auch eine fehlerhafte Diagnose bei der Einweisung des Klägers ins Klinikum nicht vorzuwerfen. Zudem sei die weitergehende Abklärung der Krankheit vom Klinikum eigenverantwortlich vorzunehmen.

II.

1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO. Die Berufungsbegründung genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO. Der Kläger stützt sein Rechtsmittel unter anderem darauf, das Landgericht habe verkannt, dass der Beklagte schon aufgrund der von ihm selbst erhobenen Befunde eine Otitis media hätte diagnostizieren und entsprechend behandeln müssen, in diesem Fall wäre es nicht zu der Mastoiditis und deshalb auch nicht zu der fortbestehenden Schwerhörigkeit und dem Tinnitus gekommen. Der Kläger macht damit eine Rechtsverletzung geltend, auf der das Urteil beruhen kann, §§ 513, 546 ZPO. Der Prüfungsumfang des Berufungsgerichts ist dabei auch nach der Reform der Zivilprozessordnung durch das Gesetz vom 27.07.2001 nicht auf die Frage beschränkt, ob das Ausgangsgericht im Rahmen der Beweiswürdigung gegen Rechtssätze, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen hat, vielmehr hat eine uneingeschränkte Prüfung der erstinstanzlichen Beweiswürdigung dahingehend stattzufinden, ob das zutreffende Ergebnis gefunden worden ist (vgl. BGH NJW 2005, Seite 1583).

2. In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Der Kläger hat gegen den Beklagten weder aus §§ 823 Abs. 1, 847 Abs. 1 BGB a. F. noch - hinsichtlich des den zukünftigen materiellen Schaden betreffenden Feststellungsantrages - aus positiver Forderungsverletzung des von den Parteien geschlossenen Behandlungsvertrages einen Anspruch auf Schadensersatz.

Ein Behandlungsfehler ist dem Beklagten lediglich deshalb vorzuwerfen, weil er es unterlassen hat, bereits zu Beginn der Behandlung des Beklagten ein Audiogramm zu erstellen bzw. in sonstiger Weise eine Hörprüfung durchzuführen. Ein weitergehender Behandlungsfehler steht im Ergebnis der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats nicht fest.

Der Senat folgt den Ausführungen des Sachverständigen Dr. J..., dass der Beklagte zu keinem Zeitpunkt der Behandlung selbst Symptome beim Beklagten festgestellt hat, aus denen er auf das Vorliegen einer akuten Mittelohrentzündung hätte schließen müssen. Der Sachverständige hat ausgeführt - etwa im Rahmen seiner ersten Anhörung durch das Landgericht am 09.02.2006 -, dass im Falle einer akuten Mittelohrentzündung eine Rötung des Trommelfells vorliegen müsse. Eine solche Rötung des Trommelfells hat der Beklagte in seinen Behandlungsunterlagen jedoch zu keinem Zeitpunkt festgehalten. Nicht zutreffend ist insoweit die vom Kläger erstmals in der Berufungsinstanz geäußerte Auffassung, die Formulierung "gefäß-injiziert" meine eine Rötung in diesem Sinne. Die Formulierung "gefäßinjiziert" ist erstinstanzlich weder vom gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. J... noch vom durch die Schlichtungsstelle eingeschalteten Sachverständigen Prof. Dr. med. Sch... oder der vom Kläger beauftragten Gutachterin Dr. med. V... in diesem Sinne verstanden worden. Zudem werden die Begriffe "Rötung" und "gefäßinjiziert" nicht nur vom Beklagten, sondern auch in den Unterlagen des Klinikums ... unterschiedlich verwendet in dem Sinne, dass als gefäßinjiziert lediglich das Sichtbarwerden von Gefäßen zu verstehen ist. In diesem Zusammenhang verweist der Senat zugleich darauf, dass entgegen der Ansicht des Klägers das Landgericht nicht gehalten war, sämtliche bei den Untersuchungen des Klägers festgestellte Symptome im Tatbestand aufzuführen. Die vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel sind vielmehr nur ihrem wesentlichen Inhalt nach knapp darzustellen, § 313 Abs. 2 ZPO.

Die Ausführungen des Sachverständigen Dr. J..., dass im Falle einer akuten Mittelohrentzündung eine Rötung des Trommelfells vorliegen müsse und aus denen zugleich folgt, dass die übrigen Symptome einer Otitis media ohne diese Rötung für eine entsprechende Diagnose nicht ausreichend sind, stehen auch nicht im Widerspruch zu den gutachterlichen Stellungnahmen des Prof. Dr. med. Sch... und der Gutachterin Dr. med. V..., die beide auf diesen Aspekt insoweit nicht eingehen. Schon von daher ist aus Sicht des Senats auch die Einholung eines Obergutachtens nicht veranlasst. Die Einholung eines Obergutachtens nach § 412 ZPO kommt in Betracht, wenn das erste Gutachten mangelhaft - unvollständig, widersprüchlich oder nicht überzeugend - ist, von falschen Voraussetzungen ausgeht, der Sachverständige erkennbar oder erklärtermaßen nicht die notwendige Sachkunde hat, die Anschlusstatsachen sich ändern oder ein anderer Sachverständiger über überlegene Forschungsmittel oder Erfahrungen verfügt (Greger in Zöller, ZPO, Kommentar, 26. Aufl., § 412, Rn. 1). Die genannte Grundthese des Sachverständigen Dr. J... ist jedoch durch die Feststellungen der weiteren Sachverständigen wie auch durch die Ausführungen des Klägers gerade nicht erschüttert worden. Hinzu kommt, dass jedenfalls zu Beginn der Behandlung des Klägers beim Beklagten auch die weiteren, vom Sachverständigen Dr. J... für wesentlich gehaltenen Anzeichen für eine akute Entzündung, nämlich Fieber, eitriger Ausfluss und Schmerzen nicht vorgelegen haben.

Ein Behandlungsfehler des Beklagten liegt auch nicht in seinem weiteren Vorgehen, nachdem eine Rötung des Trommelfells im Rahmen der Notfalluntersuchung im Klinikum ... am 28.02.1999 festgestellt und insoweit eine akute Otitis media et externa diagnostiziert worden ist. Nicht zutreffend ist allerdings die Behauptung des Beklagten, ihm seien die entsprechenden Feststellungen des Klinikums nicht zugänglich gewesen. Der am 28.02.1999 erstellte Befund der Klinik befindet sich bei den vom Beklagten eingereichten Krankenunterlagen. Aus den Behandlungsunterlagen des Beklagten ergibt sich jedoch, dass bei seiner Untersuchung des Klägers am 01.03.1999 wiederum eine Rötung des Trommelfells nicht gegeben war. Gleichwohl hat der Beklagte zunächst die Diagnose des Klinikums einer akuten Otitis media et externa übernommen und die Behandlung einer Otitis media durch Fortsetzung der Antibiotikagabe weitergeführt. Der Senat folgt auch insoweit den nachvollziehbaren Angaben des Sachverständigen Dr. J..., dass die Dosierung des Antibiotikums zwar niedrig gewesen sei, aber noch in der Bandbreite der üblicherweise verabreichten Dosen gelegen habe. Ebenfalls nicht zu beanstanden ist zur Überzeugung des Senats, dass der Beklagte die Behandlung des Klägers mit Antibiotika nach dem 06.03.1999 nicht weitergeführt hat, denn auch bei den auf den Termin vom 01.03.1999 folgenden Untersuchungen waren die Symptome einer akuten Mittelohrentzündung nicht mehr vorhanden, wohingegen weiterhin Anzeichen auf eine Entzündung des äußeren Ohres hindeuteten. So war schon am 01.03.1999 das Trommelfell nicht nur nicht mehr gerötet, sondern auch aufgelockert, wenn auch noch vorgewölbt. Am 03.03.1999 ist dann auch eine Vorwölbung des Trommelfells nicht mehr festgestellt worden. Im Termin am 05.03.1999 war das Trommelfell zwar wieder verdickt, bei der Untersuchung am 08.03.1999 jedoch wieder aufgelockert. Danach war jedenfalls zu diesem Zeitpunkt vom Fortbestehen einer akuten Mittelohrentzündung nicht auszugehen, zumal der Kläger auch nicht über Fieber klagte und auch weiterhin keine Rötung des Trommelfells festzustellen war. Ebenso ist nicht zu beanstanden, dass die weitere Behandlung zunächst nur das äußere Ohr betraf, da entsprechend den Ausführungen des Sachverständigen Dr. J... die Symptome für eine dort vorhandene Entzündung sprachen. Da nach dem Vorstehenden die Maßnahmen des Beklagten auch einer am 28.02.1999 diagnostizierten akuten Mittelohrentzündung Rechnung getragen haben, kommt es auch nicht darauf an, ob den Ausführungen des Sachverständigen zu folgen ist, dass die Formulierung "Otitis media et externa" lediglich als Oberbegriff bei Vorliegen einer Gehörgangsentzündung zu werten ist bzw. jedenfalls aufgrund der weiteren beschriebenen Symptome eine Entzündung des äußeren Ohres im Vordergrund stand. Selbst wenn diese Erwägungen des Sachverständigen in diesem Punkt möglicherweise nicht in jeder Hinsicht überzeugen, stellen sie die Überzeugungskraft des Gutachtens nicht in seiner Gesamtheit in Frage.

Auch das weitere Vorgehen des Beklagten stellt sich nicht als fehlerhaft dar. So hat der Beklagte bereits am 05.03.1999 einen Ohrabstrich bakterielogisch untersuchen lassen, ohne dass diese Untersuchung allerdings ein positives Ergebnis brachte. Ebenso waren weitergehende Maßnahmen des Klägers nicht aufgrund der Ergebnisse der Notfallbehandlungen des Klägers im Klinikum ... am 14.03.1999 und in der Nacht auf den 15.03.1999 veranlasst. Es ergibt sich aus den vorgelegten Behandlungsunterlagen bereits nicht, dass wiederum eine akute Mittelohrentzündung diagnostiziert worden ist. In der Anamnese ist lediglich festgehalten, dass ein Zustand nach Otitis media et externa rechts vorliege. Behandelt worden ist zudem ebenfalls nur die Entzündung des Gehörganges. Entsprechend ist auch der Beklagte - auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen (insbesondere aufgrund einer weiterhin fehlenden Rötung des Trommelfells) - weiter verfahren. Zudem hat er am 16.03.1999 - einen Tag nachdem eine deutliche Verschlechterung des Zustandes des Klägers eingetreten war - eine Röntgenuntersuchung mit dem Ziel des Ausschluss einer Mastoiditis veranlasst, die allerdings - ohne dass dies dem Beklagten anzulasten wäre - kein sicheres Ergebnis brachte. Zugleich hat der Sachverständige nachvollziehbar ausgeführt, dass aus der Einschmelzung und Spontanperforation am Gehörgangsboden auf eine nunmehr eintretende Heilung geschlossen werden konnte, zudem der Ort der Perforation für eine Mastoiditis völlig ungewöhnlich war. Es ist daher auch nicht zu beanstanden, dass der Beklagte am 17.03.1999 eine stationäre Behandlung des Klägers nicht anordnete, sondern eine Fortsetzung der Behandlung vornahm und erst am 18.03.1999 - wegen des fortbestehenden kritischen Zustandes des Klägers - dessen Einweisung veranlasste, selbst wenn dies - wie vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausgeführt - allein auf die Initiative des Klägers zurückging. Da selbst am 18.03.1999 - nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. J... - weiterhin die beim Kläger vorhandenen Symptome nicht auf das Vorliegen einer akuten Mittelohrentzündung hinwiesen, ist schließlich auch der Einweisungsbefund des Beklagten nicht als fehlerhaft zu bewerten.

Eine andere Bewertung ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil nach Behauptung des Klägers eine akute Mittelohrenzündung vorgelegen haben muss, aus der sich die Mastoiditis entwickelt hat. Bereits im Gutachten vom 11.05.2005 hat der Sachverständige Dr. J... ausgeführt, die schleichend entstandene Mastoiditis könne zur Entstehung der Gehörgangsentzündung beigetragen haben oder sogar deren Ursache gewesen sein. Somit ist denkbar, dass die Mastoiditis bereits vor dem Auftreten einer Gehörgangsentzündung am 01.03.1999 entstanden war, mithin eine vorhergehende Mittelohrentzündung unter Umständen schon bei der erstmaligen Vorstellung des Klägers beim Beklagten am Abklingen war, bzw. dass die Mastoiditis sich aus einer am 01.03.1999 noch bestehenden, dann aber durch die Antibiotikagabe erfolgreich bekämpften akuten Mittelohrentzündung entwickelt hat oder bereits hatte.

Schließlich ist auch die vom Kläger veranlasste Mikrowellenbehandlung des Klägers am 24. und 25.02.1999 nicht zu beanstanden, da im damaligen Zeitpunkt nicht von einer akuten Mittelohrentzündung auszugehen war.

Nicht nachvollziehbar ist dem Senat die Beanstandung der Antibiotikagabe ab dem 16.03.1999, aus der die der Schmerzensgeldforderung des Klägers zugrunde liegenden Beeinträchtigungen nicht entstanden sein können.

Allerdings sieht der Senat im Anschluss an die Ausführungen des Sachverständige Dr. J... einen Befunderhebungsfehler im Unterlassen der Erstellung eines Audiogramms bereits zu Beginn der Behandlung des Klägers. Der Sachverständige hat nachvollziehbar und in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Prof. Dr. med. Sch... und der Dr. med. V... ausgeführt, dass ein Audiogramm hätte gefertigt bzw. eine Hörprüfung hätte durchgeführt werden müssen. Der Kläger hat jedoch nicht nachgewiesen, dass dieser Fehler zu den von ihm behaupteten Beeinträchtigungen geführt hat. Der Kläger behauptet zwar, dass es mit hinreichender Sicherheit ohne Verschleppung der akuten Otitis media nicht zum Durchbruch in den Mastoid gekommen wäre, er deshalb nicht hätte operiert werden müssen. Dem stehen aber die Ansichten aller in den Rechtsstreit eingebundenen Sachverständigen entgegen, die alle davon ausgehen, es stehe nicht fest, das die Erstellung eines Audiogramms letztlich zu einer früheren Diagnose einer akuten Mittelohrentzündung oder der Mastoiditis geführt hätte. So führt die vom Kläger beauftragte Sachverständige Dr. med. V... in ihrer Stellungnahme vom 20.01.2000 aus, dass Ursache des Tinnitus und der Hörminderung zum einen in einer Labyrinthitis liegen zum anderen aber auch durch die Operation vom 20.03.1999 verursacht worden sein könne, wobei die Labyrinthitis wiederum eine Komplikation der akuten Mittelohrentzündung darstellen könne. Sie schränkt aber ein, dass nicht exakt angegeben werden könne, wo und wann genau die Ursache im vorliegenden Fall zu suchen seien, sodass auch nicht bestimmt werden könne, ob eine frühere effektivere Therapie den Tinnitus wie auch die Schwerhörigkeit als Langzeitfolgen hätte verhindern können. Diese Einschätzung hat sie in ihrer Stellungnahme vom 12.10.2003 noch einmal bestätigt, in der sie ebenfalls ausgeführt hat, es könne nicht festgestellt werden, wann die Innenohrschädigung mit der daraus resultierenden Hörminderung und dem Tinnitus eingesetzt habe. Entsprechendes ergibt sich aus den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Sch... im Schlichtungsverfahren. Dieser hat ausgeführt, dass die Labyrinthitis im Rahmen der akuten Mittelohrentzündung aufgetreten sei und die Schallempfindungschwerhörigkeit sowie der Tinnitus wahrscheinlich Folge dieser Entzündungen seien. Mangels Feststellungen bzw. Hinweisen zu dem Beginn der Labyrinthi-tis könne allerdings nicht festgestellt werden, dass vorhergehende Maßnahmen den Tinnitus oder die Schallempfindungsschwerhörigkeit vermieden hätten. Auch der gerichtlich bestellte Sachverständige Dr. med. J... geht hiervon aus. Er vermutet in seinem Gutachten vom 11.05.2005, dass die Gehörgangsentzündung Folge der Mastoiditis gewesen ist bzw. diese jedenfalls zur Entstehung der Gehörgangsentzündung beigetragen hat, woraus wiederum folgt, dass nicht auszuschließen ist, dass die Ursachen der Schwerhörigkeit und des Tinnitus bereits im Zeitpunkt des Beginns der Tätigkeiten des Beklagten gelegt waren.

Allein das Unterlassen der Erstellung eines Audiogramms rechtfertigt schließlich eine Umkehr der Beweislast zugunsten des Klägers nicht. Eine Beweislastumkehr hinsichtlich der Ursächlichkeit eines ärztlichen Fehlers für den eingetretenen Primärschaden ist bei Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers anzunehmen (BGH VersR 2004, S. 909; VersR 2000, S. 1146; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 5. Aufl., B, Rn. 251). Ein grober Behandlungsfehler in diesem Sinne ist gegeben, wenn ein Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstößt und dadurch einen Fehler begeht, der aus objektiver ärztlicher Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil ein solcher Fehler dem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf (BGH VersR 2004, a. a. O.; VersR 2001, S. 1030; Geiß/Greiner, a. a. O., B, Rn. 252). Daneben kommt bei der Unterlassung der Erhebung oder Sicherung medizinisch gebotener Befunde dem Geschädigten eine Beweiserleichterung dann zugute, wenn der Befund mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein medizinisch positives und deshalb reaktionspflichtiges Ergebnis gehabt hätte (Greiß/Greiner, a. a. O., B, Rn. 296). Das Unterlassen des Einholens eines Audiogramms ist kein grober Behandlungsfehler im vorgenannten Sinn. In keiner der in den Rechtsstreit eingeführten gutachterlichen Stellungnahmen wird diese Versäumnis des Beklagten als aus ärztlicher Sicht unverständlicher Fehler bewertet, der schlechterdings nicht geschehen darf. Schließlich hat der Sachverständige Dr. J... wiederum überzeugend dargetan, dass angesichts der zunächst auf einen Paukenerguss und später auf eine Entzündung des Gehörgangs hinweisenden Symptome das Ergebnis von Hörprüfungen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht Anlass für eine andere Therapie gewesen wäre.

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Wert der Beschwer für den Kläger: 20.000,00 €.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 20.000,00 € festgesetzt, § 47 Abs. 1 GKG (Schmerzensgeld: 15.000,00 €; Feststellungsantrag: 5.000,00 €).

Ende der Entscheidung

Zurück