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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 17.01.2008
Aktenzeichen: 12 U 166/07
Rechtsgebiete: ZPO, StVG, PflVG, StVO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 511
ZPO § 513
ZPO § 517
ZPO § 519
ZPO § 520
ZPO § 520 Abs. 3
ZPO § 546
StVG § 7 Abs. 1
StVG § 11 S. 2
StVG § 17 Abs. 1
StVG § 18 Abs. 1
PflVG § 3 Nr. 1
StVO § 4 Abs. 1
StVO § 4 Abs. 1 Satz 1
StVO § 4 Abs. 1 Satz 2
BGB § 254
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

12 U 166/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 17.01.2008

Verkündet am 17.01.2008

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 20.12.2007 durch den Richter am Oberlandesgericht van den Bosch als Einzelrichter

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 29. Juni 2007 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Potsdam, Az.: 4 O 276/06, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

1.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO. Die Berufungsbegründung genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO. Der Kläger stützt sein Rechtsmittel unter anderem darauf, das Landgericht habe zu Unrecht ein nur geringes Fehlverhalten des Beklagten zu 1. im Zusammenhang mit dem von diesem durchgeführten Bremsmanöver angenommen und habe deshalb fehlerhaft eine Mithaftung der Beklagten vollständig verneint. Der Kläger zeigt damit eine Rechtsverletzung auf, auf der das Urteil beruhen kann, §§ 513, 546 ZPO.

2.

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch aus §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, 18 Abs. 1, 11 S. 2 StVG, 3 Nr. 1 PflVG, wobei für das Unfallgeschehen auf die Rechtslage nach Inkrafttreten des 2. Gesetzes zur Änderung schadensrechtlicher Vorschriften vom 19.07.2002 mit Wirkung zum 01.08.2002 abzustellen ist, da sich der Unfall am 09.04.2006 ereignet hat.

Allerdings ist der Sturz des Klägers auf der Ortsverbindungsstraße zwischen H... und A... dem Betrieb des Pkw des Beklagten zu 1. im Sinne des § 7 Abs. 1 StVG zuzurechnen. Für die Anwendung dieser Vorschrift genügt es, dass ein Kraftfahrzeug durch seine Fahrweise oder sonstige Verkehrsbeeinflussung zu der Entstehung des Schadens beigetragen hat, wobei das Fahrzeug nicht notwendig selbst an einer Kollision beteiligt gewesen sein muss. Ausreichend ist, wenn der Unfall unmittelbar durch das Verhalten des Verletzten oder eines Dritten ausgelöst wird, dieses aber in zurechenbarer Weise durch das Kraftfahrzeug des Anspruchsgegners mit veranlasst ist (vgl. BGH NJW 1988, S. 2802; OLG Celle ZfS 1999, S. 56; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, Kommentar, 39. Aufl., § 7 StVG, Rn. 10). So reicht es aus, wenn ein Fahrmanöver den anderen Fahrer zu einer Ausweichreaktion veranlasst, bei der er dann die Kontrolle über sein Fahrzeug verliert (BGH VersR 1971, S. 1060, OLG Hamm NZV 2000, S. 369; KG NZV 2002, S. 229; Hentschel, a. a. O., § 7, Rn. 10). Dies ist vorliegend der Fall. Zu dem Sturz des Klägers ist es im Rahmen einer Ausweichreaktion gekommen, die durch das vom Beklagten zu 1. vorgenommene Bremsmanöver veranlasst worden ist. Zwar haben die Zeugen W... S... und H... E... in ihrer Vernehmung vor dem Senat bekundet, dass die Motorradfahrer auf den Pkw des Beklagten zu 1. aufgeschlossen hatten, um diesen zu überholen. Ein bereits eingeleiteter Überholvorgang des Klägers ist jedoch von keinem der Zeugen angegeben worden und wird auch von den Beklagten nicht vorgetragen. Stellt sich das Ausweichmanöver des Klägers jedoch als Reaktion auf das Fahrverhalten des Beklagten zu 1. dar, so ist bereits hierdurch der Anwendungsbereich des § 7 Abs. 1 StVG eröffnet, mag auch der Sturz des Klägers auf von ihm selbst zu verantwortende Umstände zurückzuführen sein, die - wie vorliegend - letztlich wiederum zum Ausschluss der Haftung der Beklagten führen.

Die danach vorzunehmende Abwägung der Verursachungsbeiträge nach § 17 Abs. 1 StVG führt nicht zu einer Haftungsbeteiligung der Beklagten. Ein Verstoß des Beklagten zu 1. gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 StVO steht nicht zur Überzeugung des Senates fest. Da im Verkehr mit dem plötzlichen Bremsen des Vordermannes grundsätzlich gerechnet werden muss, ist unter einem starken Abbremsen im Sinne der vorgenannten Vorschrift ein Bremsvorgang zu verstehen, der deutlich über das Maß eines "normalen" Bremsmanövers hinausgeht (KG NZV 1993, S. 478; NZV 2003, S. 41). Ein solches Abbremsen haben die Zeugen S... und H... E... nicht glaubhaft darlegen können. Beide Zeugen konnten nicht bestätigen, dass der Beklagte zu 1. eine Vollbremsung unternommen hat. Der Zeuge H... E... konnte auch sonst zu der Heftigkeit des Bremsvorganges keine genaueren Angaben machen. Er hat vielmehr lediglich angegeben, der Bremsvorgang sei für ihn überraschend gewesen, zumal der Beklagte zu 1. nicht zuvor geblinkt habe. Der Zeuge S... hat zwar den Eindruck einer stärkeren Bremsung gehabt, eine Vollbremsung insbesondere mit blockierenden Reifen aber ausgeschlossen. Demgegenüber hat die Zeugin A... M... lediglich ein schwaches Bremsen des Beklagten zu 1. geschildert. Die Zeugin hat bekundet, dass der Beklagte zu 1. den toten Dachs am Straßenrand bei der Annäherung zwar wahrgenommen und abgebremst hat, sich aber keineswegs erschreckt hat. Schon diese von der Zeugin geschilderte Situation spricht gegen die Annahme einer starken Bremsung durch den Beklagten zu 1., weil hierfür - auch aus der Sicht des Beklagten zu 1. - keinerlei Anlass bestanden hat. Zugleich ist nicht auszuschließen, dass das Bremsmanöver von den folgenden Motorradfahrern - zu Unrecht - deshalb als überzogen empfunden wurde, weil sie ihrerseits in Vorbereitung des Überholvorgangs unter Verletzung des einzuhaltenden Sicherheitsabstandes zu nah auf das Fahrzeug des Beklagten zu 1. aufgefahren sind. Schließlich spricht gegen ein starkes Abbremsen des Beklagten zu 1. auch die Tatsache, dass es den beiden sich vor dem Kläger befindlichen Motorradfahrern gelungen ist, dass Fahrzeug des Beklagten zu 1. ohne Sturz zu passieren. Auch im Übrigen ist dem Beklagten zu 1. ein Fehlverhalten nicht vorzuwerfen, insbesondere das Setzen des Blinkers war nicht veranlasst, da der Beklagten zu 1. unstreitig nicht beabsichtigte vor dem am Straßenrand liegenden Dachs anzuhalten.

Demgegenüber ist dem Kläger ein Verstoß gegen die Abstandsvorschriften des § 4 Abs. 1 Satz 1 StVO anzulasten, da er als an dritter Position mit einer Geschwindigkeit von 60 bis 70 km/h fahrender Motorradfahrer zu dem vorausfahrenden Pkw lediglich einen Abstand von 40 Metern eingehalten hat. Auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichtes hierzu wird verwiesen. Der Senat folgt dem Landgericht allerdings nicht soweit es einen von dem Verstoß gegen § 4 Abs. 1 StVO unabhängigen Fahrfehler angenommen hat. Einen solchen Fehler haben die Beklagten nicht nachgewiesen, es lässt sich nicht ausschließen, dass es zu dem Sturz des Klägers gerade wegen fehlender Reaktionsmöglichkeiten infolge der Verletzung der Abstandsvorschriften gekommen ist.

Im Ergebnis der Abwägung der Verursachungsbeiträge hat es nach Auffassung des Senats bei der bereits vom Landgericht ausgesprochenen alleinigen Haftung des Klägers und dem vollständigen Zurücktreten der Betriebsgefahr des Fahrzeuges des Beklagten zu 1. zu verbleiben. Dabei war neben der erhöhten Betriebsgefahr des Motorrades wegen dessen größerer Instabilität, die sich vorliegend realisiert hat, zu berücksichtigen, dass - nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme - das Unfallgeschehen im Wesentlichen durch die Unterschreitung des erforderlichen Sicherheitsabstandes seitens des Klägers herbeigeführt wurde.

Ein Anspruch des Klägers besteht auch nicht aus §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB, 4 Abs. 1 Satz 2 StVO, 3 Nr. 1 PflVG. Aus den vorgenannten Gründen ist ein Verstoß des Beklagten zu 1. gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 StVO nicht erwiesen. Im Übrigen führt das Mitverschulden des Klägers zu dessen alleiniger Haftung, § 254 BGB.

3.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 Satz 1, 713 ZPO.

Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Wert der Beschwer für den Kläger: 3.670,52 €.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 3.670,52 € festgesetzt, § 47 Abs. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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