Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 08.03.2007
Aktenzeichen: 12 U 173/06
Rechtsgebiete: ZPO, StVG, BGB, StVO, PflVG


Vorschriften:

ZPO §§ 517 ff
StVG § 7 Abs. 1
StVG § 17
StVG § 18 Abs. 1 S. 1
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 2
StVO § 2 Abs. 2
StVO § 8 Abs. 2
StVO § 8 Abs. 2 S. 2
PflVG § 3 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

12 U 173/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 08.03.2007

Verkündet am 08.03.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 15. Februar 2007 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Pastewski, den Richter am Oberlandesgericht van den Bosch und die Richterin am Landgericht Dr. Scheiper

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 25. Juli 2006 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Neuruppin, Az.: 1 O 128/06, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gem. den §§ 517 ff ZPO eingelegte Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz aus den §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 S. 1 StVG, 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 2 Abs. 2 StVO, jeweils i.V.m. § 3 Nr. 1 PflVG. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass bei der nach § 17 StVG vorzunehmenden Abwägung der jeweiligen Verur-sachungs- und Verschuldensbeiträge von einem überwiegenden groben Verschulden der Klägerin aufgrund eines schuldhaften Verstoßes gegen § 8 Abs. 2 S. 2 StVO auszugehen ist, hinter dem eine eventuelle Haftung aus der Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeuges vollständig zurücktritt. Zur Begründung wird zunächst auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Das Vorbringen der Klägerin in der Berufungsbegründung rechtfertigt keine andere Beurteilung. Ergänzend weist der Senat noch auf Folgendes hin:

Den gegen die Klägerin sprechenden Beweis des ersten Anscheins einer schuldhaften Vorfahrtverletzung nach § 8 Abs. 2 StVO hat die Klägerin nicht entkräftet. Der Annahme eines solchen Anscheinsbeweises steht im Streitfall nicht entgegen, dass sich die Kollision - wie von der Klägerin behauptet - außerhalb des eigentlichen Kreuzungsbereiches ereignet haben soll, da die Wartepflicht des § 8 Abs. 2 StVO nicht nur für die Kreuzungsfläche gilt, sondern darüber hinaus bis zur vollständigen Einordnung des Wartepflichtigen auf der vorfahrtberechtigten Straße (vgl. OLG Celle VersR 1972, 468, 469; OLG Köln VersR 1998, 1044; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., § 8 StVO, Rn. 55) bzw. bis die auf der Vorfahrtstraße allgemein eingehaltene Geschwindigkeit erreicht wird (vgl. OLG München NZV 1989, 438) oder der Wartepflichtige sich bereits in stabiler Geradeausfahrt befindet (vgl. OLG Köln NZV 1989, 437). Dem Vortrag der Klägerin lässt sich bereits nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, dass sie sich bereits wieder vollständig in den Geradeausverkehr eingeordnet und die auf der Vorfahrtstraße allgemein geltende Geschwindigkeit wieder angenommen hatte. Sie hat den Kollisionsort nur ohne nähere Eingrenzung als "unmittelbar nach der ersten Fußgängerampel" (Bl. 95 GA) bzw. "unmittelbar hinter dem Fußgängerübergang" (Bl. 97 GA) beschrieben. Unabhängig davon steht aufgrund der glaubhaften Aussage der Zeugin T..., die mit der Berufungsbegründung nicht gesondert angegriffen worden ist, fest, dass sich die Kollision der beiden Fahrzeuge noch im Kreuzungsbereich auf der aus Sicht des Beklagten zu 1. rechten Fahrbahnseite ereignet hat. Die Aussage der Zeugin P... steht dem nicht entgegen. Zwar hat die Zeugin P... angegeben, dass die Fahrzeuge nach der Kollision hinter der Fußgängerampel gestanden hätten (Bl. 54 GA). Die Klägerin hat jedoch selbst in der Klageschrift angegeben, dass ihr Fahrzeug aufgrund des Aufpralls ca. 16 m weitergeschleudert worden ist, so dass aus dem Endstand der Fahrzeuge nicht auf den tatsächlichen Kollisionsort geschlossen werden kann.

Der nunmehr mit der Berufungsbegründung erstmals erfolgte Beweisantritt zum Kollisionsort durch Zeugnis der M... Pö... und der D... V... war nicht zu berücksichtigen, da die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO nicht dargetan sind. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Benennung dieser Zeuginnen in erster Instanz aufgrund Nachlässigkeit der Klägerin bzw. ihrer erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten, deren Verschulden sich die Klägerin zuzurechnen hat, unterblieben ist. Die Klägerin kann sich insbesondere nicht mit Erfolg darauf berufen, sie habe davon ausgehen dürfen, dass der Kollisionsort unstreitig bleibe. Bereits aus der im Bußgeldverfahren durchgeführten Hauptverhandlung war erkennbar, dass der Unfallhergang streitig war. Ebenso war sowohl aus der Stellungnahme der Beklagten zu 3. in ihrem Ablehnungsschreiben vom 21.12.2005 sowie spätestens aus der Klageerwiderung, mit der die Beklagten ausdrücklich behauptet haben, dass es zur Kollision im Kreuzungsbereich gekommen sei, für die Klägerin hinreichend ersichtlich, dass es aufgrund der unterschiedlichen Unfallschilderungen auf eine Beweisaufnahme zum Unfallhergang ankommen werde. Spätestens nachdem der Einzelrichter mit terminsleitender Verfügung vom 24.04.2006 die vorbereitende Ladung der Zeugin P... angeordnet hatte, bestand somit für die Klägerin hinreichende Veranlassung, vorsorglich etwaige weitere Beweismittel zum Unfallhergang zu benennen. Dies gilt insbesondere, als es sich bei den nunmehr benannten Zeuginnen nach dem Vorbringen der Klägerin um Beifahrer bzw. Mitfahrer in dem Klägerfahrzeug handelt, die danach in der Lage waren, den Unfallhergang aus ihrer eigenen Wahrnehmung zu schildern. Dass die Benennung der Zeuginnen in erster Instanz unterblieben ist, kann mangels Darlegung anderer nachvollziehbarer Gründe nur mit einer Nachlässigkeit der Klägerin bzw. ihrer Prozessbevollmächtigten erklärt werden. Insbesondere liegt ein Verfahrensfehler des Landgerichts nicht vor. Das Landgericht war nicht gehalten, der Klägerin vorab Hinweise dahingehend zu erteilen, welche sonstigen Beweismittel sie noch zum Beweis des Unfallherganges und des Kollisionsortes vorlegen wolle.

Auch für die Einholung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens bestand für das Landgericht keine Veranlassung. Erstinstanzlich hat sich die Klägerin auf die Einholung eines solchen Gutachtens lediglich zum Beweis ihrer nicht näher unterlegten Behauptung bezogen, der Beklagte zu 1. sei mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren. Auf die Frage des Kollisionsortes bezog sich dieser Beweisantritt gerade nicht. Im Übrigen hat das Landgericht zu Recht darauf abgestellt, dass keine hinreichenden Anknüpfungstatsachen für die Einholung eines solchen Gutachtens vorliegen. Es fehlt bereits an den für eine Unfallrekonstruktion notwendigen Bildern von den Schäden an dem Fahrzeug der Beklagten zu 2. Weder liegt eine polizeilich vermessene Unfallskizze vor, noch sind irgendwelche Unfallspuren gesichert oder aufgenommen worden, so dass nicht ersichtlich ist, aufgrund welcher Anhaltspunkte ein Sachverständiger ein Gutachten zu der Frage des Kollisionsortes erstellen kann.

Den zu ihren Lasten sprechenden Anscheinsbeweis hat die Klägerin nicht entkräftet. Gem. § 8 Abs. 2 S. 2 StVO durfte die Klägerin nur nach links in die F... Straße einbiegen, wenn sie den bevorrechtigten Beklagten zu 1. weder gefährdete noch wesentlich behinderte. Es ist jedoch nicht nachvollziehbar, dass die Klägerin zum Zeitpunkt, als sie den Abbiegevorgang begonnen hatte, das von dem Beklagten zu 1. geführte Fahrzeug nicht gesehen haben will, obwohl sie nach eigenen Angaben besonders vorsichtig und langsam gefahren sein will.

Soweit sie in zweiter Instanz behauptet, dass Beklagtenfahrzeug sei zum Zeitpunkt des Einfahrens in die Kreuzung noch nicht zu erkennen gewesen (Bl. 97 GA), ist dies anhand der von der Klägerin selbst vorgelegten Lichtbilder nicht nachvollziehbar. Sowohl diese Lichtbilder als auch die von den Beklagten vorgelegten Lichtbilder belegen, dass die F... Straße aus Sicht der Klägerin vom Kreuzungsbereich aus schnurgerade auf längere Sicht einsehbar ist, so dass das Beklagtenfahrzeug von der Klägerin bei Einhaltung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte gesehen werden müssen. Im Übrigen steht weder eine Geschwindigkeitsüberschreitung des Beklagten zu 1. fest, noch ist bewiesen, dass er von seiner Fahrspur abgekommen ist.

Schließlich kann sich die Klägerin auch nicht mit Erfolg darauf berufen, der Beklagte zu 1. habe nicht darauf vertrauen dürfen, dass sie ihm die Vorfahrt gewähren werde. Die Beklagten haben hierzu lediglich vorgetragen, der Beklagte zu 1. habe das Fahrzeug der Klägerin sich aus der K...Straße nähern sehen, als er festgestellt habe, dass die Klägerin ihm die Vorfahrt nahm, habe er sofort ein Bremsmanöver eingeleitet (Bl. 42 f GA). Ein Verkehrsverstoß des Beklagten zu 1. ist nach alledem nicht festzustellen, so dass im Rahmen der Abwägung nach § 17 StVG nur die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeuges zu berücksichtigen ist, die jedoch hinter dem den Unfall allein verursachenden Verkehrsverstoß der Klägerin gegen § 8 Abs. 2 S. 2 StVO zurücktritt.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen. da der Rechtsstreit weder grundsätzliche Bedeutung besitzt, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs als Revisionsgericht gem. § 543 Abs. 2 ZPO erfordern.

Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird gem. § 3 ZPO i.V.m. § 47 Abs. 1 S. 1 GKG auf 10.363,36 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

Zurück