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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 08.03.2007
Aktenzeichen: 12 U 186/06
Rechtsgebiete: BGB, StGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 2
BGB § 847 a. F.
BGB § 847 Abs. 1 a. F.
BGB § 852 a. F.
StGB § 229
ZPO § 511
ZPO § 513
ZPO § 517
ZPO § 519
ZPO § 520
ZPO § 520 Abs. 3
ZPO § 546
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

12 U 186/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 08.03.2007

Verkündet am 08.03.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 15.02.2007 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Pastewski, den Richter am Oberlandesgericht Beckmann und den Richter am Oberlandesgericht van den Bosch

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 25. August 2006 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Frankfurt (Oder), Az.: 11 O 249/05, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt die Zahlung von materiellen Schadensersatz und Schmerzensgeld sowie die Feststellung des Bestehens einer Ersatzpflicht betreffend alle weiteren Schäden infolge einer ärztlichen Behandlung - Zeckenschutzimpfung - durch den Beklagten vom 17.06.1997, hinsichtlich der die Klägerin dem Beklagten einen Aufklärungsfehler vorwirft. Die Parteien streiten über die ordnungsgemäße Aufklärung der Klägerin, die Kausalität der Zeckenschutzimpfung für die von der Klägerin behaupteten Beschwerden, Art und Umfang dieser Beschwerden und die daraus resultierenden Beeinträchtigungen sowie über die Verjährung der Ansprüche. Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit am 25.08.2006 verkündeten Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, Schadensersatzansprüche der Klägerin seien jedenfalls verjährt. Hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs aus §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 847 BGB a. F. in Verbindung mit § 229 StGB gelte die dreijährige Verjährungsfrist des § 852 BGB a. F.. Diese sei im Jahr 1997 in Lauf gesetzt worden, da in diesem Zeitpunkt die Klägerin - ihren Vortrag als wahr unterstellt - bereits Kenntnis davon gehabt habe, dass eine Aufklärung über die Risiken der Impfung nicht erfolgt sei, sowie gewusst habe, dass der Beklagte sie geimpft habe und hiernach Komplikationen aufgetreten seien. Zudem sei sie selbst stets davon ausgegangen, dass die Impfung kausal für ihre Beschwerden gewesen sei. Aufgrund dieser Kenntnis sei ihr bereits zu diesem Zeitpunkt zuzumuten gewesen, gegen den Beklagten eine Schadensersatzklage - zumindest in Form einer Feststellungsklage - zu erheben. Verjährung sei dementsprechend mit Ablauf des Jahres 2000 eingetreten. Darüber hinaus sei nicht nachvollziehbar dargelegt, dass die Klägerin sich nicht hätte impfen lassen, wenn ihr die Risiken bekannt gewesen seien; jeder vernünftig denkende Mensch hätte sich und seiner Familie vor dem Antritt einer Reise in ein gefährdetes Gebiet den bestmöglichen Schutz - nämlich eine Zeckenschutzimpfung - zukommen lassen. Auch vertragliche Ansprüche seien verjährt. Auf den vertraglichen Anspruch sei ebenfalls die Verjährungsfrist des § 852 BGB a. F. anzuwenden. Es sei davon auszugehen, dass die kurze Verjährungsfrist des Deliktsrechts nach ihrem Schutzzweck auch konkurrierende Ansprüche erfassen sollen. Wegen der weitergehenden Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils verwiesen.

Die Klägerin hat gegen das am 29.08.2006 zugestellte Urteil mit am 29.09.2006 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und das Rechtsmittel sogleich begründet.

Die Klägerin bezieht sich auf ihren erstinstanzlichen Vortrag und vertieft diesen. Sie ist der Ansicht, das Landgericht habe den unstreitigen Sachverhalt schon nicht zutreffend wiedergegeben. So habe der Beklagte sie weder am 18.06.1997 noch in den darauf folgenden Tagen an den Neurologen Dr. L... überwiesen, vielmehr habe sie sich erstmals am 20.06.1997 aus eigenem Antrieb dort vorgestellt. Das Landgericht sei auch unzutreffend von einer Verjährung der Ansprüche ausgegangen. Erforderlich für den Beginn der Verjährungsfrist sei eine von der Behandlerseite zu beweisende Kenntnis der folgenden Umstände:

1. das Vorliegen von neurologischen Schäden im Bereich der linken Körperhälfte (Gesicht, Hals, Gesäß, Arm, Hand und Bein),

2. Ursachenzusammenhang zwischen dem am 20.05.1997 und am 17.06.1997 verabreichten Impfstoff und den Körperschäden,

3. Kenntnis, dass es sich hierbei um Nebenwirkungen des Impfstoffes handele, über die der Arzt habe aufklären müssen.

Ferner sei für den Lauf der Verjährungsfrist die Erkenntnis notwendig, dass die eingetretene Komplikation ein Risiko des Eingriffs und nicht ein unglücklicher Zufall gewesen sei. Eine entsprechende Kenntnis habe sie nicht gehabt. Sie habe ausführlich dargelegt, dass sie sich durch eine ganze Reihe von Arztbesuchen darum bemüht habe, herauszufinden, ob die durchgeführte Impfung am 17.06.1997 in einem ursächlichen Zusammenhang mit den eingetretenen Beschwerden stehe. Die konsultierten Ärzte hätten einen Zusammenhang jedoch nicht bestätigt. Eine Kausalität der Impfung für die bei ihr aufgetretenen Schäden habe sich erstmals aus dem Schreiben der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft vom 10.12.1997 ergeben, das ihr erst im September 2002 ausgehändigt worden sei. Auch die Ausführungen des Landgerichts zu einer hypothetischen Einwilligung seien nicht zutreffend. Grundlage der insoweit zu treffenden Beurteilung sei die persönliche Anhörung des Patienten, der lediglich einsichtig machen müsse, dass ihn die vollständige Aufklärung über das Für und Wider des ärztlichen Eingriffs ernsthaft vor die Frage gestellt hätte, ob er zum damaligen Zeitpunkt der Behandlung zugestimmt hätte. Das Gericht dürfe hingegen nicht seine eigene Beurteilung des Konfliktes an die Stelle derjenigen des Patienten setzen. Falsch sei schließlich auch die Anwendung der Verjährungsfrist des § 852 BGB a. F. auf den vertraglichen Schadensersatzanspruch.

Die Klägerin beantragt,

das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 25.08.2006, Az.: 11 O 249/05, abzuändern und der Klage - Verurteilung des Beklagten zur Zahlung eines angemessenes Schmerzensgeld nicht unter 12.500,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB ab Klagezustellung, Verurteilung des Beklagten zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 25.785,00 € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB ab Klagezustellung sowie Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zum Ersatz sämtlicher materieller und immaterieller Zukunftsschäden infolge der fehlerhaften Behandlung vom 17.06.1997, die ab Juni 2005 entstehen, soweit die Ansprüche nicht auf einen Sozialversicherungsträger übergehen - stattzugeben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte bezieht sich ebenfalls auf seinen erstinstanzlichen Vortrag nebst Beweisangeboten und verteidigt das landgerichtliche Urteil. Er behauptet weiterhin, eine ordnungsgemäße Aufklärung der Klägerin sei bereits vor der ersten Teilimpfung am 20.05.1997 erfolgt. Auch bestehe zwischen den Beeinträchtigungen der Klägerin und den behaupteten Folgeschäden kein Kausalzusammenhang. Weiterhin sei nicht nachvollziehbar dargelegt, dass die Klägerin sich nicht hätte impfen lassen, wenn ihr die Risiken bekannt gewesen wären. Sie habe einen ernsthaften Entscheidungskonflikt nicht plausibel gemacht. Zutreffend habe das Landgericht auch eine Verjährung der Ansprüche angenommen. Es habe bereits unmittelbar nach der Impfung ein Zusammenhang von dieser mit den aufgetretenen Beeinträchtigungen nahe gelegen und sei bereits bei der ersten Überweisung als Verdacht auf Impfkomplikationen manifestiert worden. Schließlich sei auch eine Verjährung etwaiger vertraglicher Ansprüche anzunehmen, da mit Wirkung zum 01.01.2002 die Verjährungsfrist für diese Ansprüche auf drei Jahre verkürzt worden sei, so dass Verjährung mit Ablauf des Jahres 2004 eingetreten sei.

II.

1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO. Die Berufungsbegründung genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO. Die Klägerin stützt ihr Rechtsmittel unter anderem darauf, das Landgericht habe die Anforderungen an die für den Beginn der Verjährungsfrist erforderliche Kenntnis von den maßgeblichen Umständen nicht zutreffend bestimmt. Die Klägerin rügt damit eine Rechtsverletzung, auf der das Urteil beruhen kann, §§ 513, 546 ZPO. Unschädlich ist das Fehlen eines ausdrücklichen Sachantrages in der Berufungsinstanz. Für die Zulässigkeit der Berufung genügt es, wenn sich das Ziel des Rechtsmittels aus der Berufungsbegründungsschrift ermitteln lässt (Zöller-Gummer/Heßler, ZPO, Kommentar, 26. Aufl., § 520, Rn. 28). Dies ist vorliegend schon aufgrund der entsprechenden Bezugnahme im Berufungsantrag ("der Klage stattzugeben") der Fall, da sich hieraus - wie auch aus den Ausführungen in der Berufungsbegründung - ergibt, dass die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiterverfolgt.

2. In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg. Die Klägerin hat gegen den Beklagten weder aus §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 847 Abs. 1 BGB a. F. in Verbindung mit § 229 StGB noch - hinsichtlich des materiellen Schadens und des entsprechenden Feststellungsantrages - aus positiver Forderungsverletzung des zwischen den Parteien im Mai 1997 geschlossenen Behandlungsvertrages einen Anspruch auf Schadensersatz, wobei auf das Geschehen die bis zum 31.12.2001 geltende Rechtslage anzuwenden ist, da sich der Behandlungsfehler (körperlicher Eingriff ohne hinreichende Einwilligung) nach dem Vortrag der Klägerin bereits am 17.06.1997 ereignet hat. Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin aus Delikt scheidet wegen einer anzunehmenden hypothetischen Einwilligung der Klägerin aus. Zugleich entfällt damit mangels kausalem Verstoß gegen die vertragliche Hauptpflicht, den Patienten ordnungsgemäß aufzuklären (vgl. hierzu BGH VersR 1984, S. 538), auch ein vertraglicher Schadensersatzanspruch.

Zutreffend geht die Klägerin davon aus, dass sie vor Durchführung der Impfungen über das Risiko des Auftretens einer entzündlichen Reaktion des Gehirns bzw. von Nervenentzündungen hätte aufgeklärt werden müssen. Vor Durchführung eines Eingriffs ist der Patient über die mit diesem verbundenen Risiken ordnungsgemäß aufzuklären, um unter Wahrung seiner Entscheidungsfreiheit wirksam in den Eingriff einwilligen zu können. Die Aufklärung hat dem Patienten einen zutreffenden allgemeinen Eindruck von der Schwere des Eingriffs und der Art der Belastung zu vermitteln, die sich für seine körperliche Integrität und seine Lebensführung aus der Behandlung ergeben können (BGH VersR 1996, S. 330; NJW 1991, S. 2346; Brandenburgisches OLG VersR 2000, S. 1283; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 5. Aufl., C, Rn. 5 ff; Rn. 41 ff). Im Rahmen der Aufklärung ist auch zu erörtern, inwieweit trotz fehlerfreier medizinischer Behandlung Schadensrisiken bestehen, seien es mögliche Eingriffskomplikationen während des Eingriffs oder sonstige schädliche Nebenfolgen (OLG Oldenburg VersR 1986, S. 69; Geiß/Greiner, a. a. O., Rn. 41; vgl. auch BGH VersR 1982, S. 147). Dabei ist insbesondere über solche Risiken aufzuklären, die sich bereits aus dem Beipackzettel eines Medikamentes ergeben (OLG Oldenburg, a. a. O., im Ergebnis auch BGH VersR 1982, a. a. O.). Im vorliegenden Fall enthält der vom Hersteller des vom Beklagten verwendeten Impfstoffes gemäß Beipackzettel den Hinweis, dass in seltenen Fällen Nervenentzündungen unterschiedlichen Schweregrades auftreten können. Die gebotene Aufklärung der Klägerin hätte schon deshalb auch dieses Risiko umfassen müssen. Insbesondere sind Anhaltspunkte dafür, dass es sich um Risiken handelt, die so außergewöhnlich und nicht vorhersehbar sind, dass sie für den Entschluss des Patienten ohne Einfluss bleiben, weder ersichtlich noch werden sie vom Beklagten, der sich vielmehr auf eine entsprechende Aufklärung der Klägerin beruft, behauptet.

Dahinstehen kann, ob es das vom Beklagten behauptete Aufklärungsgespräch vor der ersten Teilimpfung am 20.05.1997 überhaupt gegeben hat und - gegebenenfalls - ob es eine Information der Klägerin im erforderlichen Umfang beinhaltete. Es liegt nämlich eine hypothetische Einwilligung der Klägerin in die Impfbehandlungen vor, wobei sich der Beklagte auf eine hypothetische Einwilligung auch ausdrücklich berufen hat. Der Beklagte hat diesbezüglich vorgetragen, die Klägerin hätte sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung über die Nebenwirkungen des Impfstoffes angesichts des geringen Risikos einerseits und der konkreten Gefahr einer Erkrankung aufgrund eines Zeckenbisses im anstehenden Urlaub andererseits für die Durchführung der Impfung entschieden. Der Klägerin ist es nicht gelungen diesen Einwand des Beklagten zu entkräften. Beruft sich der Arzt auf den Einwand der hypothetischen Einwilligung hat der Patient glaubhaft zu machen, er hätte sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung in einem echten Entscheidungskonflikt befunden, wobei die Darlegung des Konfliktes plausibel, also nachvollziehbar sein muss, es hingegen nicht darauf ankommt, wie sich der Patient entschieden haben würde (BGH VersR 2005, S. 836; Brandenburgisches OLG, a. a. O.; Geiß/Greiner, C, Rn. 138 ff). An die Darlegungspflicht des Patienten sind dabei keine allzu hohen Anforderungen zu stellen, es genügt, wenn er einsichtig macht, dass ihn die ordnungsgemäße Aufklärung über das Für und Wider des ärztlichen Eingriffs ernsthaft vor die Frage gestellt hätte, ob er diesem zustimmen sollte (BGH NJW 1998, S. 2734; Brandenburgisches OLG, a. a. O.). Keinesfalls darf der Tatrichter seine eigene Beurteilung des Konfliktes an die Stelle derjenigen des Patienten setzen (BGH VersR 2005, S. 694). Entgegen der Ansicht der Klägerin entfällt der Einwand der hypothetischen Einwilligung allerdings nicht bereits bei einem Zögern des Patienten, das zu einer Verschiebung der konkreten Behandlung geführt hätte; maßgeblich ist vielmehr, ob eine Einwilligung in die letztlich durchgeführte Behandlung erfolgt wäre (OLG Karlsruhe VersR 2001, S. 860; Geiß/Greiner, C, Rn. 137). Auch die von der Klägerin insoweit angeführte Entscheidung (OLG Jena MDR 1998, S. 538) belegt ihre Ansicht nicht. Kann der Patient schließlich seinen Entscheidungskonflikt plausibel machen, ist es Sache des Arztes, zu beweisen, dass gleichwohl eine Einwilligung zu der vorgenommenen Behandlung erteilt worden wäre (BGH VersR 2005, a. a. O). Vorliegend ist es der Klägerin nicht gelungen, einen Entscheidungskonflikt betreffend die Durchführung der Impfung bei Kenntnis des Risikos einer Nervenentzündung in seltenen Fällen plausibel zu machen. Weder auf der Grundlage der protokollierten Angaben der Klägerin im Rahmen ihrer Anhörung vor dem Landgericht noch aufgrund ihrer umfangreichen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz vermag der Senat zu erkennen, dass sich für die Klägerin ernsthaft die Frage gestellt hätte, ob sie die Impfung angesichts des Risikos einer Nervenentzündung tatsächlich hätte durchführen lassen. Die Angaben der Klägerin wiesen verschiedene Widersprüche auf, die - unter Berücksichtigung der weiteren Besonderheiten des Falles - dazu führen, dass der Senat die Angaben der Klägerin insgesamt nicht für zutreffend hält. So bezog die Klägerin in die Darstellung ihres Entscheidungskonfliktes in der Verhandlung vor dem Senat etwa ihr nachträglich zugänglich gewordene Veröffentlichungen ein, nach denen ein Zeckenbiss weniger gefährlich sei als eine Behandlung mit dem vom Beklagten verwendeten Impfstoff. Unbeschadet der Frage der Richtigkeit dieser Behauptungen handelt es sich hierbei jedenfalls nicht um Angaben, die das Aufklärungsgespräch durch den Beklagten hätte umfassen müssen, sodass diese Kenntnisse außer Betracht zu bleiben haben. Ebenfalls nicht zu berücksichtigen ist die Aussage der Klägerin, sie sei auch sonst sehr zurückhaltend bei der Einnahme von Medikamenten. Die Klägerin, die bei ihren beiden Kindern bereits eine Zeckenschutzimpfung veranlasst hatte, hatte nämlich von sich aus den Beklagten aufgesucht, um gemeinsam mit ihrem Ehemann ebenfalls die Impfung zu erhalten, war also im Prinzip von vornherein zur Durchführung der Behandlung mittels eines Medikaments bereit. Außerdem stehen die Ausführungen der Klägerin zu einem zurückhaltenden Gebrauch von Medikamenten nicht in Einklang mit ihrer Angabe, sie informiere sich häufig bei ihrem Apotheker über Medikamentenwirkungen und habe insoweit ein Vertrauensverhältnis zu diesem Apotheker. Weiterhin hält der Senat auch die Angabe für wenig plausibel, dass die Klägerin, die sich zunächst zu einem Arzt - dem Beklagten - begeben hat, nach ordnungsgemäßer Aufklärung über die Gefahr von Nervenentzündungen in seltenen Fällen, eine Entscheidung zurückgestellt hätte, um sich erst nachträglich mit dem Apotheker über Alternativen zu beraten. Die Richtigkeit dieses Vorbringens unterstellt, würde sich im Übrigen gleichwohl nicht ergeben, dass hieraus ein Entscheidungskonflikt entstanden wäre, der mit einem Verzicht auf die Impfungen hätte enden können. Nachdem die Klägerin in ihren Angaben vor dem Senat erstmals erklärt hat, sie habe beim Beklagten schon vor der ersten Impfung am 20.05.1997 wegen der Erforderlichkeit dieser Maßnahme nachgefragt, ist nicht erkennbar, dass wegen eines Gesprächs mit dem Apotheker, die Impfungen nicht am 20.05. und 17.06.1997 durchgeführt worden wären. Es spricht gegen die Richtigkeit des Vorbringens der Klägerin insgesamt, wenn erstmals in zweiter Instanz ein weiteres Gespräch mit dem Beklagten im Vorfeld der ersten Impfung behauptet wird, in dem dementsprechend bereits eine Aufklärung hätte stattfinden müssen, und nach dem Vorbringen der Klägerin teilweise auch erfolgt ist - jedenfalls im Hinblick auf die vom Beklagten nach Angabe der Klägerin gegebene unbedingte Empfehlung für eine Zeckenschutzimpfung bei einer Urlaubsreise nach Tschechien. Auch soweit die Klägerin vor dem Senat angegeben hat, als Alternative habe die Möglichkeit der Verwendung einer Creme oder eines Sprays bestanden, überzeugt dies nicht. Die Klägerin beabsichtigte mit ihrer ganzen Familie an einem Karatelager in Tschechien teilzunehmen, bei dem die Übungen nach ihren Angaben im Freien abgehalten wurden. Bei der Durchführung von Kampfsportübungen im Gras in einem zeckengefährdeten Gebiet ist es nicht nachvollziehbar, dass die Klägerin, die diese Situation gerade als Anlass für ihren Termin beim Beklagten angab, sich auf die Anwendung einer Creme bzw. eines Sprays beschränkt hätte. Zudem stehen diese Angaben der Klägerin im Widerspruch zu den Angaben vor dem Landgericht. Dort hatte die Klägerin noch auf die Möglichkeit einer unverzüglichen Behandlung eines Zeckenbisses verwiesen, ohne allerdings zu berücksichtigen, dass sich die Klägerin im Ausland befand, sodass eine dem deutschen Standard entsprechende Behandlung nicht unbedingt ohne Schwierigkeiten zu realisieren gewesen wäre. Insgesamt genügen daher die Ausführungen der Klägerin auch unter Berücksichtigung der nicht zu hoch anzusetzenden Anforderungen an den Vortrag nicht, um einen Entscheidungskonflikt im damaligen Zeitpunkt plausibel zu machen. Der Senat übersieht dabei auch nicht die mittlerweile vergangene Zeitspanne, die sich sicherlich auf das Erinnerungsvermögen der Klägerin ausgewirkt hat. Zu berücksichtigen ist jedoch zugleich, dass es sich um für die Klägerin bedeutsame Ereignisse handelte, hinsichtlich derer im Wesentlichen eine Erinnerung bei der Klägerin nach ihren Angaben auch noch vorhanden war.

Das Vorliegen einer hypothetischen Einwilligung führt schließlich trotz der hiervon unberührt bleibenden Verletzung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten zu einem vollständigen Ausschluss von Schmerzensgeldansprüchen (BGH, Beschluss vom 23.09.2003, VI ZR 82/03, zitiert nach OLG Naumburg OLG-Recht 2004, S. 404; so auch OLG Naumburg, a. a. O.; OLG Koblenz VersR 2004, S. 1564; OLG Dresden NJW 2004, S. 298; a. A. OLG Jena, a. a. O.).

Nach allem war das Rechtsmittel zurückzuweisen, ohne dass es auf die - nicht zweifelsfreien - Ausführungen des Landgerichts zur Verjährung der Ansprüche ankommt.

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 Sätze 1 und 2 ZPO.

Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 48.385,00 € festgesetzt, § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG (Schmerzensgeld: 12.500,00 €; Haushaltsführungsschaden: 25.785,00 €; Feststellungsantrag: 10.100,00 €).

Wert der Beschwer für die Klägerin: 48.385,00 €.

Ende der Entscheidung

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