Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 22.11.2001
Aktenzeichen: 12 U 65/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, GKG


Vorschriften:

ZPO § 511
ZPO § 511 a
ZPO § 516
ZPO § 518
ZPO § 519
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 546 Abs. 2 S. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711 S. 1
ZPO § 713
ZPO § 546 Abs. 1 S. 2
ZPO § 3
BGB § 631 Abs. 1
BGB § 164 Abs. 1 Satz 2
BGB § 179 Abs. 1
BGB § 184 Abs. 1
GKG § 12 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

12 U 65/01 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 22.11.2001

Verkündet am 22.11.2001

in dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 1. November 2001 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Pastewski, den Richter am Oberlandesgericht Beckmann und den Richter am Landgericht van den Bosch

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 30. Januar 2001 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder), Az.: 12 O 70/00, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Wert der Beschwer für die Klägerin: 14.906,26 DM.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 511, 511 a, 516, 518, 519 ZPO. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Zahlungsanspruch aus § 631 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Vertrag betreffend die Erbringung von Abbruch- und Entsorgungsleistungen am Bauvorhaben Kurzzeit- und Tagespflege A Straße A vom 05.06.1998. Der Vertrag ist nicht zwischen den Parteien zustande gekommen. Der Beklagte hat die Auftragserteilung vielmehr als Vertreter der Bauherrin, Frau E F vorgenommen, § 164 Abs. 1 Satz 2 BGB. Wird im Rahmen eines Bauvorhabens ein Auftrag nicht von dem Bauherrn selbst, sondern von einem von ihm eingesetzten Architekten erteilt, so ist bei der Beantwortung der Frage, ob der Architekt für den Bauherrn oder im eigenen Namen tätig wird, vom objektiven Erklärungswert der Auftragserteilung auszugehen. Dabei ist von Bedeutung, wie sich die Erklärung nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte für einen objektiven Betrachter in der Lage des Erklärungsempfängers darstellt; zu berücksichtigen sind die gesamten Umstände des Einzelfalles, insbesondere die dem Rechtsverhältnis zugrunde liegenden Lebensverhältnisse, die Interessenlage, der Geschäftsbereich, dem der Erklärungsgegenstand zugehört, und die typischen Verhaltensweisen (BGH BauR 1988, S. 215 ff; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 9. Auflage 1999, Rn. 1066). Die Auftragserteilung durch einen Architekten, der grundsätzlich - anders als ein Bauträger - berufsspezifisch für seinen Auftraggeber tätig wird, spricht hierbei für ein Handeln im Namen des Bauherrn (vgl. OLG Köln, BauR 1996, S. 254 ff; Werner/Pastor a.a.O.).

Die Klägerin ist von einer Auftragserteilung des Beklagten als Vertreter der Bauherrin ausgegangen, wie sich bereits ausdrücklich aus ihren Schreiben vom 24.03. und 16.06.1999 an die Bauherrin bzw. an den Beklagten ergibt. Aus den Umständen des vorliegenden Falles ergibt sich auch, dass die Auftragserteilung am 05.06.1998 durch den Beklagten als Vertreter der Bauherrin und nicht im eigenen Namen erfolgte, die Annahme eines Vertretergeschäftes seitens der Klägerin also zu Recht erfolgte. Zwar ist die Formulierung des Schreibens des Beklagten vom 05.06.1998 missverständlich. Insbesondere kann aus der Verwendung des Wortes "wir" nicht abgeleitet werden, dass der Auftrag ausschließlich im Namen der Bauherrin erteilt werden sollte. Insoweit ist der Klägerin vielmehr zuzugeben, dass der Wortsinn gerade für eine vertragliche Verpflichtung des Beklagten und der Bauherrin gemeinsam spricht. Allerdings ist eine derartige gemeinschaftliche vertragliche Verpflichtung von Architekten und Bauherrn nicht üblich, so dass das Schreiben aus der Sicht eines objektiven Empfängers nicht ohne weitere - hier nicht vorliegende - Umstände dahingehend aufgefasst werden kann, dass sich sowohl Bauherr als auch Architekt vertraglich binden wollten. Die Formulierung lässt vielmehr offen, ob eine Beauftragung durch den Beklagten im eigenen Namen oder namens der Bauherrin erfolgen sollte. Aus den sonstigen Umständen ergibt sich jedoch eindeutig eine Auftragserteilung im Namen der Bauherrin. Zum einen war die Bauherrin in die Vertragsverhandlungen einbezogen. So nahm sie persönlich an der Objektbegehung am 02.04.1998 teil, auf die hin die Leistungsbeschreibung abgeändert wurde. Dies zeigt, dass sie eng in das Baugeschehen eingebunden war und spricht zugleich gegen die Annahme, dass sie den Beklagten als selbständigen Vertragspartner - etwa vergleichbar einem Generalunternehmer - Zwischenschalten wollte. Auch wird die Bauherrin sowohl in dem Protokoll über die Objektbegehung am 02.04.1998 als auch im Verteiler des Anschreibens vom 07.04.1998, mit dem die abgeänderte Leistungsbeschreibung der Klägerin übersandt wurde, als Auftraggeber (AG) bezeichnet. Ferner ist sie in der Leistungsbeschreibung als Bauherr angegeben. Schließlich wurde ihr auch das Auftragsschreiben vom 05.06.1998 vom Beklagten ausweislich des Verteilers auf dem Schreiben zur Kenntnis übersandt, auch wenn sie im Verteiler nicht mehr als Auftraggeber, sondern lediglich unter ihrem Namen aufgeführt ist. Nach alledem war aus der Sicht eines objektiven Empfängers davon auszugehen, dass entsprechend der üblichen Interessenlage bei einem Bauvorhaben, der Architekt, hier also der Beklagte, keine eigene Verpflichtung begründen, sondern den Bauherrn verpflichten wollte.

Ein Zahlungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagen aus § 631 Abs. 1 BGB i.V.m. einer vertraglichen Abrede besteht auch nicht hinsichtlich der in der Rechnung vom 22.01.1999 aufgeführten Zusatzleistungen. Diese Arbeiten sind zwar von dem Auftrag vom 05.06.1998 nicht erfasst. Die Klägerin hat eine gesonderte Auftragserteilung bezüglich dieser Arbeiten durch den Beklagten jedoch nicht dargetan. Diesbezüglich kann auch nicht auf die Bestätigung der sachlichen und rechnerischen Richtigkeit der Rechnung durch den Beklagten zurückgegriffen werden, da sich hieraus nicht auf die Umstände der Auftragserteilung, insbesondere auf die Person des Auftraggebers, rückschließen lässt.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch aus § 179 Abs. 1 BGB wegen eines Handelns des Beklagten als Vertreter ohne Vertretungsmacht. Es kann insoweit dahinstehen, ob der Beklagte aufgrund der oben geschilderten Einbeziehung der Bauherrin in die Vertragsverhandlungen von dieser zur Vergabe der verfahrensgegenständlichen Leistungen nicht bereits - konkludent - bevollmächtigt wurde bzw. ob in der unstreitigen Zahlung der Teilrechnung vom 06.07.1998 über einen Betrag von 32.111,72 DM eine Genehmigung der Auftragserteilung durch die Bauherrin i. S. v. § 184 Abs. 1 BGB liegt, denn auch im Falle des Fehlens einer ausdrücklichen oder konkludenten Bevollmächtigung ist es jedenfalls zu einer wirksamen Verpflichtung der Bauherrin über das Institut der Duldungsvollmacht gekommen. Danach haftet derjenige auf Vertragserfüllung, der das Handeln eines anderen, nicht zu seiner Vertretung Befugten kennt und es trotz zumutbarer Sorgfalt duldet, falls der Geschäftsgegner diese Duldung dahin wertet und nach Treu und Glauben auch werten darf, dass der Handelnde Vollmacht hat. Die Duldungsvollmacht setzt dabei die positive Kenntnis des Vertretenen voraus, dass der vollmachtlose Vertreter beim Vertragsabschluss wie sein Vertreter auftritt, und ferner die Duldung eines solchen Auftretens. Eine Duldungsvollmacht in diesem Sinne kann z. B. darin liegen, dass der Auftraggeber die Kopie eines durch seinen Architekten erteilten Auftrages widerspruchslos entgegennimmt oder Teil- bzw. Abschlagsrechnungen eines solchen Auftrages bezahlt (OLG Hamburg BauR 1996, S. 256 f, Ingenstau/Korbion, VOB, Kommentar, 13. Aufl. 2000, B, § 2 Rn. 40; Werner/Pastor, a.a.O., Rn. 1084). In diesem Fall entfällt zugleich eine Haftung des Handelnden aus § 179 Abs. 1 BGB (vgl. Werner/Pastor, a.a.O., Rn. 1071). Das Institut der Duldungsvollmacht greift allerdings dann nicht ein, wenn der Vertragspartner bei Anwendung der zumutbaren Sorgfalt erkennen konnte, dass trotz der Duldung des Verhaltens des Architekten durch den Bauherrn dieser keine Vollmacht damit erteilen wollte (vgl. hierzu BGH DB 1985, S. 432 f; Werner/Pastor, a.a.O., Rn. 1084). Die Bauherrin erhielt von der Auftragserteilung durch den Beklagten dadurch Kenntnis, dass ihr das Schreiben des Beklagten vom 05.06.1998 ebenfalls übersandt wurde. Aus den oben genannten Gründen war es für die Bauherrin ebenso wie für die Klägerin erkennbar, dass der Beklagte den Auftrag nicht im eigenen Namen sondern als ihr - der Bauherrin - Vertreter erteilen wollte. Ferner hat die Bauherrin die aus dem gleichen Vertrag resultierende Teilrechnung vom 06.07.1998 über 32.111,72 DM beglichen. Beides konnte die Klägerin nur dahin werten, dass die Bauherrin die Auftragserteilung durch den Beklagten gegen sich gelten lassen wollte. Dass die Klägerin eine entsprechende Bewertung tatsächlich auch vorgenommen hat, ergibt sich bereits aus ihrem Schreiben vom 24.03.1999, in dem sie die Bezahlung der verfahrensgegenständlichen Leistungen von der Bauherrin verlangt hat. Weiterhin konnte die Klägerin auch nicht bei Anwendung der zumutbaren Sorgfalt erkennen, dass trotz der Duldung seitens der Bauherrin, diese eine entsprechende Vollmacht damit nicht erteilen wollte. Der Auftragnehmer hat in der Regel keine Nachforschungs- oder Erkundigungspflicht hinsichtlich des Umfangs der Vollmacht des Architekten. Er muss sich über den Umfang vielmehr nur dann vergewissern, wenn sich ihm begründete Zweifel aufdrängen oder aufdrängen mussten (BGH NJW 2000, S. 1407 f; BGH DB 1985, S. 432 f; OLG Düsseldorf, BauR 1985, S. 339 ff; Werner/Pastor, a.a.O., Rn. 1068; vgl. auch BGH NJW-RR 1987, S. 307). Derartige Zweifel an einer Bevollmächtigung des Beklagten, die die Klägerin zu einer Nachfrage hätten veranlassen müssen, bestanden nicht. Es kann dabei dahinstehen, ob der im Baugewerbe tätige Unternehmer wissen muss, dass Vertragsbeziehungen zwischen Bauherrn und Architekten gewöhnlich die Einheitsverträge zugrunde liegen und diese gerade keine Bevollmächtigung zur Auftragsvergabe vorsehen (so OLG Köln, BauR 1992, S. 812 f, nur Leitsatz). Hier war die Bauherrin jedoch bei einem Teil der Vertragsverhandlungen, nämlich bei der Baubegehung am 02.04.1998 zugegen und wurde ausweislich der in den weiteren Schreiben des Beklagten angegebenen Verteiler über den weiteren Fortgang der Angelegenheit informiert. Unter diesen Umständen war eine weitere Nachfrage der Klägerin wegen einer Vollmacht des Beklagten nicht veranlasst, zumal die Bauherrin durch die spätere Zahlung der Teilrechnung ihre Billigung des Verhaltens des Beklagten nochmals zum Ausdruck brachte.

Andere Anspruchsgrundlagen, aus denen das Begehren der Klägerin gerechtfertigt sein könnte, sind nicht ersichtlich.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 546 Abs. 2 S. 1, 708 Nr. 10, 711 S. 1, 713 ZPO.

Gründe, die Revision gem. § 546 Abs. 1 S. 2 ZPO zuzulassen, bestehen nicht.

Streitwert für die Berufungsinstanz: 14.906,26 DM, §§ 12 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück