Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 20.12.2007
Aktenzeichen: 12 U 65/07
Rechtsgebiete: ZPO, HGB


Vorschriften:

ZPO § 156
ZPO § 296 a
ZPO § 511
ZPO § 513
ZPO § 517
ZPO § 519
ZPO § 520
ZPO § 520 Abs. 3
ZPO § 531 Abs. 2
ZPO § 546
HGB §§ 59 ff
HGB §§ 74 ff
HGB § 74 Abs. 2
HGB § 75 c
HGB § 87 a Abs. 2 Hs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

12 U 65/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 20.12.2007

Verkündet am 20.12.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 06.12.2007 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Pastewski, den Richter am Oberlandesgericht van den Bosch und die Richterin am Amtsgericht Eggers-Chemseddine

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 22. Februar 2007 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Cottbus, Az.: 2 O 42/06, wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Erstattung der von ihr nach ihrer Behauptung an die G... Lebensversicherungs AG zurückgezahlten Abschlussprovisionen für gekündigte Versicherungsverträge in Anspruch sowie auf Zahlung einer Vertragsstrafe für nach ihrer Behauptung in fünf Fällen begangene Verstöße gegen ein Abwerbungsverbot. Ferner verlangt die Klägerin Erstattung ihr vorgerichtlich entstandener Anwaltskosten. Die Parteien streiten in erster Linie um die Auslegung einer zwischen ihnen geschlossenen Vereinbarung vom 08.03.2005, insbesondere hinsichtlich der Überleitung der Rückzahlungsverpflichtung der Klägerin auf den Beklagten betreffend die von der Klägerin erhaltenen Abschlussprovisionen im Falle vorzeitiger Vertragsbeendigung und die Wirksamkeit der Klausel hinsichtlich des Abwerbungsverbotes. Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Mit am 22.02.2007 verkündeten Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, ein Anspruch auf Erstattung der von der Klägerin an die Versicherer gezahlten Abschlussprovisionen ergebe sich nicht aus der Vereinbarung vom 08.03.2005. Eine ausdrückliche Vereinbarung bezüglich dieser Rückzahlungen sei nicht geschlossen worden. Auch im Wege der Auslegung ergebe sich nicht, dass der Beklagte eine Rückzahlungsverpflichtung übernommen habe. Zu berücksichtigen sei insoweit, dass der Vertrag - jedenfalls nach dem Vorbringen der Klägerin - dazu gedient habe, dem Beklagten einen wirtschaftlichen Vorteil als Anerkennung für seine geleistete Tätigkeit zukommen zu lassen. Seien jedoch die Rückzahlungsansprüche hinsichtlich der Abschlussprovisionen auf den Beklagten übergegangen, so würde dies ein erhebliches Risiko für den Beklagten bedeuten. Das ergänzende Vorbringen der Klägerin im nachgereichten Schriftsatz sei nicht zu berücksichtigen, da insoweit eine Schriftsatzfrist nicht gewährt worden sei. Die Klägerin habe auch nicht substantiiert dargelegt, dass dem Beklagten hinsichtlich der Verwirklichung der Rückzahlungsverpflichtung gegenüber den Versicherern ein Verschulden anzulasten sei, sodass ein diesbezüglicher Schadensersatzanspruch ebenfalls nicht bestehe. Auch einen Vertragsstrafenanspruch könne die Klägerin nicht mit Erfolg geltend machen. Das vertraglich vereinbarte Verbot direkter oder indirekter Kundenabwerbung sei nicht hinreichend bestimmt. Insbesondere der Fall einer indirekten Kundenabwerbung sei nicht hinreichend konkretisiert, da hierunter jegliches berufliches Tätigwerden des Beklagten gefasst werden könne. Auch eine einschränkende Auslegung der Vereinbarung dahingehend, dass lediglich die direkte Kundenabwerbung untersagt werde, sei nicht möglich, da eine Abgrenzung zwischen direkter und indirekter Kundenabwerbung ebenfalls nicht hinreichend bestimmbar sei. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung aufgrund des nachgereichten Schriftsatzes sei schließlich nicht veranlasst, es sei insbesondere nicht nachvollziehbar, dass seitens der Klägerin zu den für die Vertragsauslegung bedeutsamen Umständen nicht spätestens in der mündlichen Verhandlung vorgetragen worden sei. Wegen der weitergehenden Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen das ihr am 28.02.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 28.03.2007 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und das Rechtsmittel nach Fristverlängerung bis zum 28.05.2007 mit am 29.05.2007 (Dienstag nach Pfingsten) eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Klägerin bezieht sich auf ihren erstinstanzlichen Vortrag nebst Beweisantritten. Sie hält die vom Landgericht vorgenommene Auslegung der zwischen den Parteien geschlossenen Vereinbarung für fehlerhaft. Das Landgericht habe insbesondere nicht berücksichtigt, dass die übertragenen Bestände einen Wert von ca. 150.000,00 € darstellten, sodass die Risiken für den Beklagten weit hinter den aus dem Vertrag resultierenden Chancen zurückbleiben würden. Zu Unrecht habe das Gericht ihr Vorbringen im nachgereichten Schriftsatz als verspätet zurückgewiesen. Die Kammer habe erstmals im Verhandlungstermin vom 11.01.2007 erkennen lassen, dass sie den Vertrag nicht im Sinne der Klägerin auslegen würde. Erst hiernach habe Anlass für weiteren Vortrag bestanden. Auch habe eine Wiedereröffnung erfolgen müssen. Der Schriftsatznachlass sei zudem nicht alleine zu dem im Termin angesprochenen Schadensersatzanspruch eingeräumt worden. Das Landgericht habe auch zu Unrecht den Vertragsstrafenanspruch verneint und insoweit ein nicht hinreichend bestimmtes Verbot einer direkten oder indirekten Kundenabwerbung angenommen. Es habe sich ohnehin nur mit der indirekten Kundenabwerbung beschäftigt. Die Auffassung, dass eine Abgrenzung zwischen einer direkten und einer indirekten Abwerbung nicht möglich sei, überzeuge nicht. Vorliegend handele es sich zudem um Fälle einer direkten Abwerbung, wie vorgetragen und unter Beweis gestellt worden sei.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie 46.953,69 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 8.468,87 € seit dem 17.08.2005 bis zum 27.10.2005, aus 29.749,67 € seit dem 28.10. bis zum 17.11.2005 und aus 46.953,69 € seit dem 18.11.2005 zu zahlen,

sowie den Beklagten zu verurteilen, an sie außergerichtliche Kosten der Rechtsverfolgung in Höhe von 596,30 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 18.11.2005 zu zahlen,

hilfsweise beantragt sie,

das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an eine andere Kammer des Landgerichts Cottbus zurückzuverweisen. Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte bezieht sich ebenfalls auf sein erstinstanzliches Vorbringen nebst Beweisantritten und verteidigt das landgerichtliche Urteil.

II.

1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO. Die Berufungsbegründung genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO. Die Klägerin stützt ihr Rechtsmittel unter anderem darauf, das Landgericht habe bei der Auslegung der Vereinbarung vom 08.03.2005 zu Unrecht den Vortrag aus dem nachgereichten Schriftsatz vom 06.02.2007 nicht berücksichtigt. Hinsichtlich der für zu unbestimmt gehaltenen Vertragsstrafenklausel sei das Landgericht unzutreffend davon ausgegangen, dass eine Abgrenzung zwischen einer direkten und einer indirekten Abwerbung von Kunden nicht möglich sei, und habe sich im Übrigen lediglich auf den hier nicht einschlägigen Fall einer indirekten Kundenabwerbung, den es fälschlich als nicht bestimmt genug geregelt angesehen habe, gestützt. Die Klägerin macht damit Rechtsfehler geltend, auf denen das Urteil beruhen kann, §§ 513, 546 ZPO.

2. In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg.

a) Ein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Erstattung der nach Behauptung der Klägerin von ihr geleisteten Rückzahlungen an die G... Lebensversicherungs AG aus der von den Parteien getroffenen Vereinbarung vom 08.03.2005 besteht nicht.

Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass die Vereinbarung Rückforderungen der Lebensversicherung gem. § 87 a Abs. 2 Hs. 2 HGB wegen von den Versicherungsnehmern nicht erfüllter Versicherungsverträge nicht erfasst. Der Vertrag ist dahingehend auszulegen, dass diese Ansprüche vom Beklagten nicht übernommen werden sollten.

Nicht zu berücksichtigen waren im Rahmen der Auslegungen die Ausführungen der Klägerin im nachgereichten Schriftsatz vom 06.02.2007, die dahin gehen, dass eine Haftung des Beklagten für etwaige Provisionsrückzahlungsansprüche aufgrund von Stornierungen durch Versicherungsnehmer ausdrücklich Gegenstand der Gespräche zwischen den Parteien vor Abschluss der Vereinbarung gewesen sind. Das Landgericht hat diesen Vortrag zutreffend nach § 296 a ZPO nicht berücksichtigt und zu Recht eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 ZPO nicht vorgenommen. Der Vortrag ist daher in der Berufungsinstanz als neues Vorbringen zu behandeln, ohne dass die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO für eine Berücksichtigung vorliegen. Entgegen den Ausführungen der Klägerin in der Rechtsmittelbegründung hat das Landgericht seine vorläufige Rechtsauffassung zur für die Klägerin nachteiligen Vertragsauslegung nicht erstmals in der mündlichen Verhandlung geäußert. Das Landgericht hat vielmehr einen entsprechenden Hinweis schon mit der Ladungsverfügung vom 05.10.2006 erteilt. Von daher wäre Vortrag zu anderslautenden Absprachen der Parteien schon in Vorbereitung des Termins veranlasst gewesen. Die Klägerin hat sich jedoch darauf beschränkt gegen das Verständnis des Gerichts betreffend den Vertragsinhalt zu argumentieren. Obwohl das Landgericht im Termin nochmals seine Rechtsansicht wiederholt hat, ist eine Schriftsatzfrist nur zur ergänzenden Stellungnahme auf den vom Gericht angesprochenen - in der Berufungsinstanz nicht wieder aufgegriffenen - Schadensersatzanspruch wegen eines zur Kündigung von Verträgen führenden Verhaltens des Beklagten beantragt und gewährt worden. Bei dieser Sachlage war auch eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht geboten, zumal die Klägerin die Verspätung des Vortrages in keiner Weise erklärt hat.

Der Senat folgt im Ergebnis einer am Wortlaut der Vereinbarung sowie an deren Sinn und Zweck orientierten Auslegung dem Landgericht. Zwar ist nach dem Wortlaut der Vereinbarung zunächst ein umfassender Übergang sämtlicher Rechte und Pflichten vorgesehen ("mit allen Rechten und Pflichten"), eine Einschränkung ergibt sich jedoch bereits aus dem Zusatz "zur weiteren Betreuung", aus der folgt, dass bereits abgeschlossene Vorgänge von der Vereinbarung nicht erfasst werden sollten. Dementsprechend hat die Klägerin auch weder die vor Abschluss der Vereinbarung vereinnahmten Provisionen an den Beklagten ausgekehrt noch Rückstellungen für erfahrungsgemäß anfallende Rückzahlungsansprüche auf den Beklagten übertragen. Weiterhin spricht gerade der von der Klägerin behauptete Hintergrund der Vereinbarung, dem Beklagten habe etwas Gutes getan werden sollen, für einen Ausschluss der Rückzahlungsansprüche vom Forderungsübergang. Die Übernahme der Rückzahlungsansprüche würde nämlich ein erhebliches Risiko für den Beklagten beinhalten, während andererseits die Klägerin bzw. ihr Rechtsvorgänger sich sämtlicher Risiken entledigt hätten, da sämtliche von ihr vereinnahmten Provisionen endgültig bei ihr bzw. ihrem Rechtsvorgänger verbleiben würden. Diese Auswirkung der Vereinbarung - auf die der Beklagte noch nicht einmal hingewiesen worden ist - ist jedoch mit dem von der Klägerin behaupteten Zweck des Vertrages nicht in Einklang zu bringen, umso mehr als gerade im Bereich der Lebensversicherungen - wie vom Landgericht ausgeführt - nur geringe Bestandsprovisionen gezahlt werden.

Eine andere Anspruchsgrundlage, aus der das Begehren der Klägerin gerechtfertigt sein könnte, ist nicht ersichtlich.

b) Die Klägerin kann auch die Zahlung einer Vertragsstrafe vom Beklagten nicht verlangen. Die entsprechende vertragliche Vereinbarung zwischen den Parteien ist unwirksam. Im Verhältnis zwischen Geschäftsherrn und Handlungsgehilfen im Sinne von § 59 ff HGB richtet sich die Wirksamkeit eines vertraglichen Wettbewerbsverbots sowie einer hierzu vereinbarten Vertragsstrafe nach §§ 74 ff HGB. Eine wirksame Vertragsstrafenvereinbarung nach § 75 c HGB setzt dabei neben den dort aufgeführten Formvorschriften voraus, dass die Wettbewerbsvereinbarung selbst wirksam und verbindlich ist (von Hoyningen-Huene in Münchener Kommentar, HGB, 2. Aufl., § 75 c, Rn. 2). Eine verbindliche Wettbewerbsabrede ist nur dann gegeben, wenn gleichzeitig eine Karenzentschädigungsabrede für die Laufzeit des Vertrages getroffen wird, § 74 Abs. 2 HGB (von Hoyningen-Huene, a. a. O., § 74, Rn. 41). Ohne Vereinbarung über eine Karenzentschädigung ist die Wettbewerbsabrede nicht verbindlich und der Arbeitnehmer in seiner Konkurrenztätigkeit frei (von Hoyningen-Huene, a. a. O., § 74, Rn. 49). So liegt der Fall auch hier. In der Vereinbarung vom 08.03.2005 ist eine Karenzentschädigung nicht enthalten. Dabei steht der - entsprechenden - Anwendung der §§ 74 ff HGB nicht entgegen, dass zwischen Klägerin und Beklagtem ein Arbeitsverhältnis nicht bestanden hat. Unstreitig ist der Beklagte nämlich für den damaligen Geschäftsführer der Klägerin J... als angestellter Versicherungsmakler, mithin als Handlungsgehilfe tätig gewesen. Auch hat die Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag nur deshalb die Vereinbarung vom 08.03.2005 anstelle ihres damaligen Geschäftsführers geschlossen, weil sie die Versicherungsbestände mittlerweile von diesem übernommen hatte. Die vorliegende Konstellation entspricht daher der Situation, dass die Klägerin auch hinsichtlich des Arbeitsverhältnisses des Beklagten die Rechtsnachfolge angetreten hätte, mithin die §§ 74 ff HGB unmittelbar anwendbar wären.

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 Satz 1, 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück