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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 23.11.2006
Aktenzeichen: 12 U 90/06
Rechtsgebiete: ZPO, EGBGB, ZGB, FGB, BGB


Vorschriften:

ZPO § 156
ZPO § 287
ZPO § 531 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 511
ZPO § 513
ZPO § 517
ZPO § 519
ZPO § 520
ZPO § 524
EGBGB Art. 229 § 5
EGBGB Art. 231 § 6
EGBGB Art. 232 § 10
ZGB § 339 Abs. 2
ZGB § 345
ZGB § 345 Abs. 1
ZGB § 345 Abs. 2
ZGB § 474 Abs. 1 Nr. 3
ZGB § 475 Nr. 2
FGB § 12
BGB § 208 a. F.
BGB § 212
BGB § 242
BGB § 288 Abs. 1
BGB § 291
BGB § 844 Abs. 2
BGB § 852 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

12 U 90/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 23.11.2006

Verkündet am 23.11.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26.10.2006 durch

den Richter am Oberlandesgericht Beckmann, den Richter am Oberlandesgericht van den Bosch und die Richterin am Landgericht Dr. Scheiper

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 04.05.2006 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Potsdam, Az.: 2 O 26/06, teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.149,54 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.956,28 EUR seit dem 18.02.2006 sowie aus 1.193,26 EUR seit dem 22.03.2006 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin beginnend mit dem 31.03.2006 und endend mit dem 22.08.2026 eine monatliche Geldrente in Höhe von 1.096,63 EUR zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung und die Anschlussberufung werden zurückgewiesen.

Von den Kosten der ersten Instanz haben die Klägerin 3/10 und die Beklagte 7/10 zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin zu 1/4 und die Beklagte zu 3/4 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die gegen sie gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen entgangenen Unterhalts in Anspruch. Sie ist die Witwe des Herrn R... S..., der im Juli 1983 als Fahrgast bei einem Zugunglück zu Tode kam. Die Beklagte ist Rechtsnachfolgerin der D... .... In den Jahren 1983 bis Februar 2006 zahlten die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgänger einen Unterhaltsschadensersatz an die Klägerin in Form einer monatlichen Rente. Nachdem zwischen den Parteien Differenzen über die Höhe des der Klägerin entgangenen Unterhalts entstanden waren, die Klägerin neben laufender Rente Nachzahlung von Differenzbeträgen seit Januar 2005 eingefordert hatte, und die entsprechende Klage der Beklagten im Februar 2006 zugestellt worden ist, stellte die Beklagte im März 2006 die Zahlungen zunächst ein. Seit April 2006 zahlt die Beklagte aufgrund einer vom LG Potsdam erlassenen einstweiligen Verfügung monatlich 776,94 EUR an die Klägerin.

Auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen. Ergänzend ist auszuführen:

Herr R... S... hinterließ neben der Klägerin eine im März 1982 geborene Tochter, Frau J... S.... Im Verfahren 2 O 7/03 des Landgerichts Potsdam nahm Frau J... S... die Beklagte auf Zahlung entgangenen Unterhalts für die Zeit bis einschließlich November 2004 in Anspruch. Am 06.12.2004 verglichen sich Frau J... S... und die Beklagte auf einen Zahlbetrag von 10.000,00 EUR zur Abgeltung rückständigen und zukünftigen entgangenen Unterhalts. Frau J... S... hatte im Wintersemester 2003 erstmals ein Studium aufgenommen. Sie studierte jedenfalls bis Mai 2006.

Die Klägerin hat gemeint, aufgrund des Vergleichs zwischen Frau J... S... und der Beklagten sei eine Leistungspflicht der Beklagten gegenüber Frau J... S... entfallen, weshalb der ihr zustehende entgangene Unterhalt ab Januar 2005 neu berechnet werden müsse und richtiger Weise für die Zeit seit Januar 2005 monatlich 1.522,89 EUR betrage.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsschadens von 1.157,51 EUR verpflichtet gesehen und auf dieser Grundlage rückständige und laufende Unterhaltsforderungen der Klägerin zuerkannt. Es hat dabei unter anderem ausgeführt:

Die Einwendung der Beklagten, der Klägerin habe kein Unterhaltsanspruch gegen Herrn R... S... zugestanden, sei mangels Darlegung einer Tatsachengrundlage unzureichend. Angesichts der von der Klägerin in Kopie vorgelegten Eheurkunde und der jahrelangen Zahlungen könne die Beklagte nicht mit Nichtwissen bestreiten, dass die Klägerin mit Herrn S... verheiratet gewesen sei. Infolge der über fast 23 Jahre vorgenommenen Zahlungen könne sich die Beklagte ebenso wenig darauf berufen, dass die Lebenserwartung des Herrn S... aufgrund seiner Krebserkrankung niedriger gewesen sei als die eines gesunden Erwachsenen seines Alters, Herr S... wegen der Krebserkrankung zumindest heute berufsunfähig wäre, und es nicht nachgewiesen sei, dass Herr S... in den öffentlichen Dienst übernommen worden wäre, weil eine Negativ-Bescheinigung des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR nicht vorliegt.

Die geltend gemachte Schadensersatzforderung sei schon infolge der bis einschließlich Februar 2006 erfolgten kontinuierlichen Rentenzahlungen der Beklagten nicht verjährt, denn die Zahlungen seien als Anerkenntnis zu werten.

Ebenso müsse sich die Beklagte an den Berechnungsgrundlagen des Unterhaltsanspruchs, wie sie über Jahre der gezahlten Rente zu Grunde gelegt wurden, festhalten lassen. Es sei deshalb von einem Arbeitseinkommen des Herrn S... bei der Charité in Höhe von 2.549,36 EUR auszugehen. Hiervon seien Aufwendungen für die Vermögensbildung abzuziehen. Diese hat das Landgericht auf der Grundlage der für das Einfamilienhaus anfallenden Darlehensraten abzüglich eines hälftigen ersparten fiktiven Mietanteils berechnet.

In die Fixkostenberechnung müsse angesichts der von der Beklagten vorgenommenen früheren Berechnungsweise u.a. eine fiktive Miete für das von der Klägerin bewohnte Einfamilienhaus von 766,94 EUR (1.500,- DM) eingestellt werden.

Das errechnete für den Haushalt verfügbare fiktive Nettoeinkommen abzüglich Fixkosten hat das Landgericht auf der Grundlage einer Alleinverdienerehe ohne unterhaltsberechtigte Kinder nach einer Quote von 52,5 % (Herr S...) zu 47,5 % (Klägerin) verteilt. Eine Unterhaltsverpflichtung für J... S... sei wegen des Abfindungsvergleichs in die Quote nicht einzubeziehen. Dass die Klägerin im Jahr 1989 ihre Arbeitsstelle aufgab, könne die Beklagte ihr nicht entgegenhalten, nachdem sie dies vor 2005 niemals berücksichtigt hatte.

Gegen das ihr am 08.05.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 15.05.2006 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 08.08.2006 - mit einem an diesem Tag eingegangenen Schriftsatz begründet. Sie rügt im Wesentlichen, das Landgericht habe die mutmaßliche Lebenserwartung sowie die erzielbaren Einkünfte des Herrn S... unzutreffend bemessen, ein etwaiger Anspruch sei verjährt, der Klägerin falle eine Erwerbsobliegenheit zur Last, die Abzüge für Vermögensbildung seien unzutreffend bemessen und das Landgericht habe diverse Fixkostenpositionen nicht ansetzen dürfen. Im Übrigen wiederholt und vertieft die Beklagte ihren erstinstanzlichen Sachvortrag.

Sie beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Wege der nach Fristsetzung zur Berufungserwiderung bis zum 21.09.2006 an diesem Tag eingegangenen Anschlussberufung rügt sie, das Landgericht habe ihr monatlich 204,04 EUR zu wenig zugesprochen. Der Abzug der fiktiven Vorsorgeaufwendungen für Herrn S... sei zu hoch, es dürften lediglich die Tilgungsleistungen für den zwecks Hausbau in E... aufgenommenen Kredit von rund 200,00 EUR berücksichtigt werden. Bei verschiedenen Fixkostenpositionen seien vom Landgericht vorgenommene Kürzungen nicht gerechtfertigt.

Sie beantragt insoweit,

die Beklagte zu verurteilen, ihr über die vom Landgericht zuerkannten Beträge hinaus weitere 2.448,48 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 18.02.2006 zu zahlen, sowie weitere 408,08 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 22.03.2006, sowie eine weitere monatliche Geldrente in Höhe von 204,04 EUR, beginnend mit dem 31.03.2006 und endend mit dem 22.08.2026.

Die Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Soweit das Landgericht die Klage abgewiesen hat, verteidigt die Beklagte das angefochtene Urteil.

II.

Die gemäß §§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO statthafte und zulässige Berufung hat teilweise Erfolg; dementsprechend hat die gemäß § 524 ZPO ebenfalls zulässige Anschlussberufung keinen Erfolg.

Auf das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien ist, da es seine Grundlage in einer im Jahr 1983 im Gebiet der ehemaligen DDR erfolgten unerlaubten Handlung findet, das ZGB anzuwenden, Art. 230, 232 § 10 EGBGB.

1)

Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Rechtsvorgängerin der Beklagten ist infolge der Tötung des Ehemanns der Klägerin beim Zugunglück vom 05.07.1983 gemäß § 345 Abs. 1, Abs. 2 ZGB entstanden. Da diese Rechtsnorm eine Gefährdungshaftung für den Betrieb von Bahnen regelt, kommt es auf den Hergang des Zugunglücks im Einzelnen und ein Verschulden des Zugführers nicht an. Näherer Darlegungen der Klägerin zum Unfallgeschehen bedurfte es dementsprechend nicht.

Der Schadensersatz ist bei Tötung eines Menschen gemäß § 339 Abs. 2 ZGB gegenüber unterhaltsberechtigten Hinterbliebenen durch Ausgleich des durch den Verlust des Unterhaltsanspruchs entstandenen Schadens zu leisten. Zu Recht ist das Landgericht von einer Unterhaltspflicht des Herrn R... S... gegenüber der Klägerin gemäß § 12 FGB der DDR ausgegangen. Soweit die Beklagte das Bestehen einer Ehe zwischen Herrn S... und der Klägerin bestreiten will, ist dieser Vortrag widersprüchlich und damit unbeachtlich. Es ist schon nicht von der Beklagten dargetan, dass oder weshalb die von der Klägerin in Kopie zur Akte gereichte Eheurkunde unrichtig sein sollte. Darüber hinaus gab bereits die D... durch ihr an die Klägerin gerichtetes Schreiben vom 05.07.1983 zu erkennen, für die finanziellen Folgen des Unfalls gegenüber der Klägerin einstehen zu wollen. Sodann erbrachte sowohl die D... als auch in der Folgezeit die Beklagte selbst Schadensersatzleistungen gegenüber der Klägerin, wobei sie die Zahlbeträge nach dem entgangenen (Ehegatten-) Unterhalt berechneten. Waren somit sowohl die Beklagte als auch zuvor ihre Rechtsvorgängerin vorprozessual stets von einer bestehenden Ehe zwischen Herrn S... und der Klägerin ausgegangen, so hätte die Beklagte für ein erhebliches Bestreiten zumindest darzulegen gehabt, weshalb die Eheurkunde inhaltlich unzutreffend sein und weshalb ihr eigenes früheres Verhalten nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprochen haben sollte.

2)

Der von der Beklagten erhobene Einwand der Verjährung greift nicht durch.

Die Verjährung des Anspruchs der Klägerin begann gemäß § 475 Nr. 2 ZGB in dem Zeitpunkt, in dem diese vom Entstehen des Anspruchs und von der Person des Verpflichteten Kenntnis erlangte, was spätestens mit Erhalt des Schreibens der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 05.07.1983 der Fall war. Die Verjährungsfrist für den Anspruch aus §§ 345, 339 Abs. 2 ZGB betrug zunächst 4 Jahre, § 474 Abs. 1 Nr. 3 ZGB. Dabei wurde der Fristenlauf allerdings jeweils monatlich durch die von der Rechtsvorgängerin der Beklagten vorbehaltslos geleisteten Zahlungen unterbrochen, § 476 Abs. 1 Nr. 3 ZGB, so dass bis zum Inkrafttreten des BGB im Beitrittsgebiet keine Verjährung eintreten konnte.

Mit Inkrafttreten des BGB im Beitrittsgebiet unterlag der Anspruch aus § 339 Abs. 2 ZGB gemäß Art. 231 § 6 EGBGB, der insoweit als speziellere Vorschrift der Regelung des Art. 232 § 10 EGBGB vorgeht, der dreijährigen Verjährungsfrist des § 852 Abs. 1 BGB. Der Fristenlauf wurde wiederum durch die monatlichen Zahlungen jeweils unterbrochen, § 208 BGB a. F., bzw. begann - nach Inkrafttreten des Gesetztes zur Schuldrechtsmodernisierung - die Verjährung jeweils nach erbrachter Zahlung neu, § 212 BGB.

Der verjährungsunterbrechenden Wirkung der von der Beklagten bzw. von ihrer Rechtsvorgängerin geleisteten Zahlungen standen keine bei Zahlung erklärten Vorbehalte in dem Sinne, dass die Zahlungen ohne Anerkennung einer entsprechenden Verpflichtung erfolgt wären, entgegen. Zunächst wurden sämtliche Zahlungen bis in das Jahr 1999 hinein ohne jeden Vorbehalt erbracht. Soweit die Beklagte seit 1999 im Schriftverkehr die von ihr vorgenommenen Zahlungen als Abschlagszahlungen bezeichnete, lag darin ebenfalls kein der verjährungsunterbrechenden Wirkung der Zahlungen entgegenstehender Vorbehalt. Der seit diesem Zeitpunkt vorgenommenen Bezeichnung der Zahlungen als Abschlagszahlung ging nämlich voraus, dass die Beklagte im Jahr 1999 Unterlagen und Nachweise von der Klägerin verlangt hatte, ausweislich des ausdrücklichen Inhalts z.B. des Schreibens vom 17.06.1999 "zwecks Neuberechnung Ihrer Haftpflichtausgleichsrente". Nachdem die Klägerin die begehrten Nachweise und Unterlagen vorgelegt hatte, schrieb die Beklagte unter dem 17.12.1999 "ist es nicht möglich, eine allumfassende, kurzfristige Prüfung dieser Unterlagen ... durchzuführen" und kam in der Folgezeit auf die von ihr beabsichtigte Neuberechnung insoweit nicht mehr zurück, als dass eine abschließende Neuberechnung eben nicht erfolgte. Die gleichwohl erbrachten weiteren Zahlungen stellten damit ein Verhalten dar, aus dem sich das Bewusstsein der Beklagten vom Bestehen des Anspruchs unzweideutig ergab; dies genügt für eine verjährungsunterbrechende Wirkung einer Zahlung (Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Auflage, § 212 Rn. 2).

3)

Der Geltendmachung des Unterhaltsschadens für die Zeit ab 2005 kann die Beklagte nicht entgegenhalten, dass Herr S... aufgrund seiner in 1983 diagnostizierten und behandelten Krebserkrankung ohnehin bereits gestorben wäre, er - ebenfalls in Folge dieser Erkrankung -berufsunfähig geworden wäre, oder er aufgrund einer hypothetischen Tätigkeit für die Staatssicherheit der DDR gehindert wäre, Arbeitseinkommen aus einer Tätigkeit in der Charité zu erzielen. Bei allen diesen zum Einwand der überholenden Kausalität gehörenden Erwägungen obliegt die Darlegungslast für diejenigen Umstände, aus denen die Beklagte das zwischenzeitliche Erlöschen der Schadensersatzverpflichtung herleiten will, der Beklagten (vgl. BGH NJW 1972, 1515 für den Einwand des Versterbens des Unterhaltspflichtigen aufgrund einer akuten Erkrankung; Palandt/Sprau, a.a.O., § 844 Rn. 12). Deren Tatsachenvortrag lassen sich jedoch keine Fakten entnehmen, weshalb Herr S... nicht, wenn er nicht bei dem Unfall gestorben wäre, auch heute noch bei der Charité sein Einkommen erzielen würde.

Anhaltspunkte für eine Tätigkeit des Herrn S... für die Staatssicherheit der DDR hat die Beklagte nicht vorgetragen. Allein der Umstand, dass für Herrn S... keine Negativ-Bescheinigung des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR ausgestellt wurde, lässt auch nicht auf dessen Tätigkeit für die Staatssicherheit der DDR schließen.

Ebenso führt der Einwand der Beklagten, Herr S... wäre infolge seiner Krebserkrankung als Röntgentechniker zumindest berufsunfähig geworden, nicht zu einem Ausschluss oder einer Kürzung der Ansprüche der Klägerin. Wie die Charité in ihrem Schreiben vom 01.12.2004 bestätigt hat - dieses Schreiben hat Frau J... S... als Anlage zum Schriftsatz vom 05.12.2004 in der vom Senat beigezogenen Verfahrensakte 2 O 7/03 des Landgerichts Potsdam vorgelegt - wäre nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge Herr S... heutzutage als Klinikingenieur bei der Charité tätig. Weshalb eine Person, die früher einmal an einer Krebserkrankung litt, zu einer Tätigkeit als Klinikingenieur nicht in der Lage sein sollte, erschließt sich nicht. Insbesondere ist nicht ersichtlich, wieso Herr S... bei einer solchen Tätigkeit zwingend Röntgenstrahlung ausgesetzt wäre.

Soweit die Beklagte mit ihrem Vorbringen geltend machen will, die bei Herrn S... im Jahr 1983 diagnostizierte und behandelte Krebserkrankung wäre nicht folgenlos ausgeheilt, sondern Herr S... wäre an dieser Erkrankung alsbald verstorben, ist sie mit diesem Vortrag nach den Grundsätzen des widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) ausgeschlossen. Der aus § 242 BGB hergeleitete Grundsatz des Verbots widersprüchlichen Verhaltens ist auch auf Schuldverhältnisse, die nach ZGB zu beurteilen sind, anzuwenden (Palandt/Weidenkaff, a.a.O., Art. 232 § 1 Rn. 10). Danach ist eine Rechtsausübung dann unzulässig, wenn sich die Person, die Rechte - hier den Einwand überholender Kausalität - geltend machen will, damit in Widerspruch zu ihrem früheren Verhalten setzt, obgleich sie ein berechtigtes und schutzwürdiges Vertrauen der Gegenpartei hervorgerufen hat. Ein solches schutzwürdiges Vertrauen der Gegenpartei besteht insbesondere dann, wenn die Gegenpartei im Vertrauen auf das Verhalten des Gegners Vermögensdispositionen getroffen hat (vgl. Staudinger/Looschelders/Olzen, BGB, Bearbeitung 2005, § 242 Rn. 286 ff.). Ein solcher Fall liegt hier vor.

Charakteristisches Merkmal einer Krebserkrankung ist, dass die Krankheit - sofern sie tödlich verläuft - innerhalb einiger Jahre zum Tod führt, hingegen - wenn sie erfolgreich behandelt wird - bei einem Fehlen von Metastasen über einen Zeitraum von zumeist fünf Jahren nach Behandlung der Patient als geheilt gilt. Die Beklagte handelte über einen Zeitraum von fast 23 Jahren so, als wäre die Krebserkrankung des Herrn S... seinerzeit - ohne seinen Unfalltod -folgenlos ausgeheilt, indem sie der Klägerin den entgangenen Unterhalt als Schadensersatz zahlte. Obwohl sie bzw. ihre Rechtsvorgängerin von der Erkrankung Kenntnis hatte, zog sie ihre Unterhaltspflicht wegen der Krebserkrankung des Herrn S... niemals in Zweifel. Sie hat vielmehr diesen Einwand erstmalig im Verlauf dieses Prozesses geltend gemacht. Deshalb durfte die Klägerin annehmen, die Beklagte werde einen Einwand, Herr S... wäre ohnehin alsbald an der Krebserkrankung gestorben, nicht geltend machen. Ihr darauf gerichtetes Vertrauen ist umso mehr schutzwürdig, als dass die Klägerin unter Einbeziehung des ihr zustehenden Schadensersatzanspruchs im Jahr 2001, also nach einer über rund 18 Jahre dauernden Schadensersatzleistung, mit dem Bau ihres Wohnhauses in E... eine Vermögensdispositionen vornahm, die sie in Anbetracht ihrer sonstigen wirtschaftlichen Verhältnisse nicht hätte tätigen können, und für die sie in erheblichem Maße Kredite aufnahm, aus denen sie nunmehr gegenüber den Banken verpflichtet ist.

Sollte das Vorbringen der Beklagten dahin aufzufassen sein, dass Herr S..., wenn er nicht schon wenige Jahre nach Vorliegen seiner Krebserkrankung gestorben wäre, zumindest jetzt oder zeitnah zur Einstellung der Zahlungen seitens der Beklagten im Jahr 2006 verstorben wäre, so fehlt diesem Vorbringen jede Tatsachengrundlage. Ist ausgehend von den langjährigen Schadensersatzleistungen der Beklagten die Klägerin so zu stellen, als wäre die Krebserkrankung seinerzeit folgenlos ausgeheilt, so fehlt es an Anhaltspunkten für eine erneute Krebserkrankung.

4)

Der Höhe nach beläuft sich der monatliche Unterhaltsschaden der Klägerin auf 1.096,63 EUR. Obgleich wegen der vor dem 03.10.1990 erfolgten Tötung des Herrn S... auch hinsichtlich der Rechtsfolgen der zum Schadensersatz verpflichtenden Norm auf die Regelungen des ZGB abzustellen ist (vgl. Palandt/Weidenkaff, a.a.O., § 232 § 10 Rn. 2), kann, da die Regelungen der § 339 Abs. 2 ZGB und § 844 Abs. 2 BGB nach Voraussetzungen und Rechtsfolge inhaltsgleich sind, auf die zu § 844 Abs. 2 BGB entwickelte Rechtsprechung zurückgegriffen werden, zumal - wie bereits ausgeführt - auch in diesen Altfällen die Wertungen des § 242 BGB einzubeziehen sind.

a) Bei der Berechnung des entgangenen Unterhalts ist somit als Ausgangspunkt anzusetzen das tatsächliche Einkommen des Getöteten, das dieser wahrscheinlich ohne den Tod erzielt hätte (Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschäden, 9. Auflage, Rn. 329). Das somit maßgebliche "Hätte-Netto-Einkommen" des R... S... hat das Landgericht zu Recht auf der Grundlage des mutmaßlichen Verdienstes bei der Charité als Klinikingenieur bemessen.

Bei Anwendung des dem Gericht durch § 287 ZPO eingeräumten Schätzungsermessen sind Tatsachengrundlagen erforderlich, die eine einigermaßen sichere Prognose ermöglichen, wie sich der Verdienst des Getöteten mutmaßlich entwickelt hätte (BGH VersR 1986, 264 (265)).

Derartige Tatsachengrundlagen hat die Klägerin durch Vorlage des Schreibens der Charité vom 15.09.2004 (Anlage K7/8) vorgetragen. In diesem Schreiben hatte die Charité bestätigt, dass Herr S... im Jahr 2004 unter Zugrundelegung des im Schreiben benannten Tarifs netto 30.750,66 EUR jährliches Einkommen erzielt hätte. Darüber hinaus ergibt sich aus dem in der beigezogenen Akte Landgericht Potsdam 2 O 7/03 vorliegenden weiteren Schreiben der Charité vom 01.12.2004 (Anlage zum Schriftsatz vom 05.12.2004), dass Herr S... bei gewöhnlichem Verlauf der Dinge in der Charité weiterhin als Klinikingenieur seine Beschäftigung gefunden hätte, und er mit dem im Schreiben vom 15.09.2004 benannten Tarif vergütet worden wäre.

Rechnerisch ergibt sich bei einem jährlichen Nettoeinkommen von 30.750,66 EUR ein monatliches Einkommen von 2.562,56 EUR. Entgegen der Angabe der Klägerin, der monatliche entgangene Verdienst belaufe sich auf 2.549,36 EUR, ist das sich bei richtiger Berechnung ergebende monatliche Einkommen zu berücksichtigen. Bei einem Schadensersatzanspruch handelt es sich um einen einheitlichen Anspruch, in dessen Berechnung verschiedene Rechnungspositionen einzustellen sind; in einem solchen Fall darf das Gericht die Einzelposten verschieben, solange nur die Endsumme nicht überschritten wird (Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Auflage, § 308 Rn. 4).

b) Von dem Hätte-Netto-Einkommen sind vorab Vorsorgeaufwendungen des Verpflichteten abzuziehen, da dem Unterhaltsverpflichteten die Berechtigung zusteht, von seinem Einkommen Rücklagen für seine Altersvorsorge zu bilden (BGH NJW 2004, 2894 m.w.N; Küppersbusch aaO Rn. 332). Im hier vorliegenden Ausnahmefall kann nicht, wie es regelmäßig erfolgt, ausschließlich auf die tatsächlichen, konkret vom Verstorbenen erbrachten Vorsorgeaufwendungen abgestellt werden (vgl. dazu BGH VersR 1987, 156), denn Herr S... verstarb zu einer Zeit, in der es nach der Gesellschaftsordnung der DDR nicht von Bedeutung war, Rücklagen für die Altersvorsorge zu bilden. Dementsprechend sind auch beide Parteien einverständlich der Auffassung, dass Herr S..., wäre er nicht verstorben, zum heutigen Zeitpunkt derartige Vorsorge nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge innerhalb eines bestimmten Umfangs treffen würde; der Streit der Parteien betrifft lediglich die Höhe der angemessenen Vorsorgeaufwendungen.

Der Höhe nach ist gemäß § 287 ZPO lediglich der von der Klägerin zugestandene Betrag von 200,00 EUR anzusetzen. Zum einen steht dieser Betrag in einem angemessenen Verhältnis zum Hätte-Netto-Einkommen von 2.562,56 EUR und dem hypothetischen Bedürfnis des Herrn S..., neben der gesetzlichen Rentenversicherung heute private Altersvorsorge zu betreiben. Zum anderen steht der Betrag in einer realistischen Beziehung zu den Möglichkeiten, die Herr S... unter Zugrundelegung der Gegebenheiten im Todeszeitpunkt - seinerzeit bewohnte die Familie eine Neubauwohnung von ca. 102 m2 - hypothetisch zum heutigen Zeitpunkt hätte. Ausgehend von dem damals von Herrn S... zugrunde gelegten Komfort- und Wohnbedarf erscheint es auch für die heutige Zeit als nicht unwahrscheinlich, dass Herr S... eine Vermögensvorsorge durch Erwerb eines Einfamilienhauses vorgenommen hätte. In einem solchen Fall wäre die monatliche Tilgung als Vorsorgeaufwendung vom Einkommen abzuziehen (vgl. BGH VersR 1986, 264 (265)), die ebenfalls auf durchschnittlich 200,00 EUR geschätzt werden kann.

Soweit die Beklagte weitere Vorsorgeaufwendungen etwa für Lebens- private Renten-, Haftpflicht- und Berufungsunfähigkeitsversicherungen angesetzt sehen will, erscheint dies in Anbetracht des verfügbaren Hätte-Netto-Einkommens weder als angemessen, noch bestehen Anhaltspunkte, dass Herr S... in dieser Form Vermögensbildung betrieben hätte.

c) Die berücksichtigungsfähigen Fixkosten belaufen sich auf insgesamt 842,06 EUR. Es sind folgende Positionen einzustellen:

aa) Mietbedarf

Der durch Eigentum an einem Einfamilienhaus abgedeckte Wohnbedarf der Klägerin kann nicht, wie die Parteien von den zumeist vorliegenden Fällen mehrerer Hinterbliebener ausgehend (vgl. BGHZ 137, 237 (240); BGH NJW-RR 1990, 221; BGH VersR 1986, 264 (265)) übereinstimmend annehmen, mit dem angemessenen Mietwert des Hauses berücksichtigt werden. Der Bedarf eines Hinterbliebenen für die Wohnraumbeschaffung findet vielmehr eine Obergrenze im unterhaltsrechtlich geschuldeten Standard (BGH NJW-RR 1990, 221). Nachdem Frau J... S... nicht mehr bei der Klägerin wohnt, ist die Klägerin im Verhältnis zum Verstorbenen wie eine alleinstehende Witwe zu behandeln. Für eine alleinstehende Person übersteigt die Nutzung eines Einfamilienhauses indessen den unterhaltsrechtlichen Bedarf (BGH NJW-RR 1987, 538 für den Unterhaltsanspruch der seit dem Auszug des Sohnes alleinstehenden im Einfamilienhaus lebenden Witwe; Brandenburgisches OLG ZfS 1999, 330 (332) zum Auszug der unterhaltsberechtigten Kinder aus dem Haushalt). In einer solchen Konstellation hat der überlebende alleinstehende Ehegatte lediglich einen Anspruch auf Einstellung des Mietwerts für eine nach Zuschnitt und Bequemlichkeit vergleichbare Wohnung angemessener Größe. Angemessen erscheint, da ein besonderes Raumbedürfnis der Klägerin nicht dargetan ist, für ihren Ein-Personenhaushalt eine Wohnungsgröße von ca. 50 m2 (vgl. BGH NJW-RR 1987, 539; BGH, Urteil vom 03.07.1984, VI ZR 42/83). Näherer Vortrag zu einem höheren Raumbedürfnis ist auch nicht dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 08.11.2006 zu entnehmen, so dass es der Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 ZPO nicht bedarf.

Die fiktive Miete einer derartigen Wohnung kann gemäß § 287 ZPO unter Zugrundelegung der einschlägigen Mietspiegel bemessen werden (BGH VersR 1988, 954 (956); BGH NJW-RR 1987, 538 (539)). Ausweislich des seit dem 01.08.2005 geltenden Mietspiegels der Stadt E... ist für eine Neubauwohnung in E... in der Größe zwischen 49 und 75,99 m2 eine Miete in einer Spanne von 4,90 - 7,00 EUR/m2 angemessen. Da die Klägerin aufgrund der Wohnsituation während ihres Zusammenlebens mit ihrem Mann eine komfortable Wohnung beanspruchen kann, erscheint ein Ansatz oberhalb des Mittelwertes von 6,50 EUR als angemessen. Dies ergibt eine fiktive Miete von 325,00 EUR.

Der von der Klägerin angenommene Betrag von 766,94 EUR ist auch nicht deshalb einzustellen, weil sich die Parteien im Jahr 2001 anlässlich geführter Verhandlungen über die Höhe des Anspruchs dahingehend gebunden hätten. Eine derartige Vereinbarung mit Bindungswirkung für die Zukunft lässt sich weder dem Vorbringen der Klägerin noch dem von ihr vorgelegten Schriftwechsel entnehmen. Ebenso ist die Beklagte nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, die über lange Jahre gezahlte Rente weiterhin unter Festschreibung seinerzeit angesetzter Fixkostenpositionen zu zahlen, weil sich die Klägerin auf eine Rentenzahlung in bestimmter Höhe eingerichtet hat. Soweit die Klägerin insoweit auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 94, 56) zurückgreift, verkennt sie, dass es in dem dort vorliegenden Fall um eine dem öffentlichen Recht angenäherte Rentenzahlungspflicht ging, hier dagegen der hypothetische Unterhaltsanspruch der Klägerin gegen ihren verstorbenen Ehemann die Grundlage des Anspruchs bildet. Ein Unterhaltsanspruch ist jedoch seiner Natur nach Veränderungen und Anpassungen an die Entwicklung der Lebensverhältnisse unterworfen.

bb) Grundsteuer, Gebäudeversicherung, Schornsteinfeger

Neben den Kosten der fiktiven Miete kann die Klägerin einen Ansatz für solche auf den Wohnbedarf entfallenden Fixkosten beanspruchen, die nicht schon in der angesetzten Miete enthalten sind. Da Mietspiegel regelmäßig Nettokaltmieten ausweisen (Palandt/Weidenkaff, a.a.O., § 558 c Rn. 2), sind die im Rahmen einer Bruttomiete regelmäßig von einem Mieter zu zahlenden anteiligen Kosten für Grundsteuer, Gebäudeversicherung und Schornsteinfeger berücksichtigungsfähig. Entgegen der Rüge der Beklagten handelt es sich bei diesen Positionen auch um Fixkosten, da Beträge hierfür ebenfalls erbracht werden müssten, wenn Herr S... nicht verstorben wäre; es geht gerade um Kosten, die nach dem Versterben des Unterhaltsverpflichteten "weiterlaufen". Da die von der Klägerin dargelegten Kosten in ihrer Höhe aber an ihre Wohnfläche von 104 m2 anknüpfen, der Klägerin jedoch nur ein Wohnbedarf von ca. 50 m2 zusteht, können jeweils nur die Hälfte der nachgewiesenen Kosten angesetzt werden. Deshalb ergibt sich für Grundsteuer ein Betrag von 6,56 EUR, für Gebäudeversicherung ein Betrag von 3,85 EUR und für den Schornsteinfeger ein Betrag von 1,55 EUR.

cc) Wasser, Abwasser, Strom

Auch die Kosten für Wasser, Abwasser und Strom sind als typische Fixkosten anzusetzen. Bei ihrer Bemessung sind die von der Klägerin in der Berufungsinstanz erstmals eingereichten neuen Belege zu berücksichtigen. Da die Klägerin durch das Landgericht nicht auf die Unstimmigkeiten in ihren Rechenansätzen im Verhältnis zu den erstinstanzlich eingereichten Belegen hingewiesen wurde, ist ihr die Möglichkeit neuen Vorbringens eröffnet, § 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Unter Zugrundelegung der Gebührenbescheide für Wasser und Abwasser vom 17.10.2005 und vom 21.10.2005 ergeben sich monatliche Zahlbeträge von jeweils gerundet 60,00 EUR, und aus der Rechnung für Strom vom 17.10.2005 ergibt sich ein monatlich einzustellender Betrag von 60,00 EUR. Diese Beträge unterliegen, da es vorrangig um Verbrauchskosten geht, keiner Kürzung wegen des verringerten Wohnbedarfs.

dd) Gas

Von dem sich ebenfalls aus der zu berücksichtigenden Rechnung für Gas vom 17.10.2005 ergebenden monatlichen Zahlbetrag von 75,52 EUR können hingegen nur 2/3 der Kosten angesetzt werden. Kann nämlich die Klägerin angesichts ihres angemessenen Unterhaltsbedarfs nur die Kosten einer kleineren Wohnung als fiktive Miete in die Fixkosten einstellen, so beschränkt sich auch der von der Wohnungsgröße abhängige Bedarf für Heizkosten auf den entsprechenden Teil der ihr tatsächlich entstandenen Kosten. Dieser ist angesichts der bei Gas üblicherweise von den Versorgern berechneten Grund- und Verbrauchskosten auf 2/3 der derzeitigen Kosten der Klägerin zu schätzen. Anzusetzen sind mithin monatlich 50,35 EUR.

ee) Tageszeitung und Internetzugang

Die Kosten für eine Tageszeitung (monatlich 17,20 EUR) sind berücksichtigungsfähig. Anerkanntermaßen gehört zum angemessenen Unterhalt auch die Eröffnung von Informations-, Bildungs- und Unterhaltungsmöglichkeiten durch Zeitung und Rundfunk (BGH VersR 1988, 954 (955)). Der Berücksichtigung des Zeitungsabonnements steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin das Abonnement zwischenzeitlich gekündigt hatte. Lag der Grund der Kündigung im Bestreben nach Kosteneinsparung angesichts der Einstellung der Rentenzahlung der Beklagten, so lässt die Kündigung des Zeitungsabonnements nicht auf eine Verringerung des Informationsbedürfnisses der Klägerin schließen.

Nicht berücksichtigungsfähig ist der Internetzugang über T-DSL. Zwar soll nicht verkannt werden, dass ein Informationsbedürfnis über einen Internetzugang abgedeckt werden kann, und nach entsprechenden statistischen Erhebungen mittlerweile rund 57 % der Frauen in Deutschland einen privaten Internetzugang nutzen (VG Stuttgart, Urteil vom 16.02.2006, 12 K 5442/04 unter Bezugnahme auf eine Presseinformation der Forschungsgruppe Wahlen vom 11.01.2006). Daraus ergibt sich aber nicht schon, dass die Nutzung eines Internetzugangs zum allgemeinen Standard gehört. Ebenso wenig sind besondere, in der Person der Klägerin oder ihrer Lebensführung liegende Umstände erkennbar, aufgrund derer die Klägerin auf einen Internetzugang angewiesen wäre. Nur in einem solchen Fall könnte angenommen werden, dass der private Internetzugang zum unterhaltsrechtlichen Bedarf der Klägerin gehörte (vgl. Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Urteil vom 03.09.2004, 7 B 127/04 und VG Stuttgart a.a.O.: Kosten des Internetzugangs gehören nur bei besonderen, personenabhängigen Gründen zum Lebensunterhalt nach dem BSHG).

ff) Neuanschaffungen im Haushalt

Auch Kosten für Neuanschaffungen für den Haushalt können als Fixkosten berücksichtigt werden (OLG Brandenburg NZV 2001, 213 (214)). Ihre Höhe kann gemäß § 287 ZPO geschätzt werden, wobei Anschaffungskosten und Lebensdauer von Möbeln und Hausratsgegenständen in ein angemessenes Verhältnis zum zu berücksichtigenden Nettoeinkommen des Verstorbenen gestellt werden müssen. Hier erscheint ein Ansatz von monatlich 100,00 EUR als angemessen und ausreichend. Dies entspricht auch in etwa der seinerzeit von der Beklagten angesetzten Rechengröße von 200,- DM.

gg) Hausratsversicherung und Privathaftpflicht

Die Hausratsversicherung (monatlich 9,18 EUR) und die Privathaftpflicht (4,57 EUR) sind zu berücksichtigen, obwohl sie nicht schon vor dem Tod des Herrn S... abgeschlossen worden waren, ihre Kosten mithin nicht "weiterliefen", wie es regelmäßig für den Fixkostenansatz zu fordern ist. Insoweit ist wiederum die Besonderheit einer noch zu Zeiten vor dem Beitritt der neuen Bundesländer begründeten Schadensersatzpflicht zu berücksichtigen. Die durch die Wiedervereinigung veränderten Lebensverhältnisse brachten es mit sich, dass nunmehr Risiken abzusichern sind, an welche die Einwohner der DDR seinerzeit nicht denken mussten. Maßgeblich ist in dem hier vorliegenden Ausnahmefall deshalb, ob eine derartige Versicherung vom Maß des angemessenen Unterhalts abgedeckt ist und ob angenommen werden kann, dass auch der Getötete nach der Wiedervereinigung eine derartige Versicherung abgeschlossen hätte. Das ist angesichts der Üblichkeit derartiger Versicherungsverträge der Fall.

Hinsichtlich der Privathaftpflicht ist das Versicherungsbedürfnis auch nicht durch den Tod des Herrn S... ausgeschlossen. Prämien zu Versicherungen sind als fixe Kosten anzuerkennen, soweit sie den Schutz der Familie sicherstellen (OLG Brandenburg NZV 2001, 213 (215)). Privathaftpflichtversicherungen decken üblicher Weise das Risiko einer Schadenshaftung beider Ehegatten ab, es handelt sich mithin gerade nicht um eine an die Person eines der Ehegatten gebundene Ausgabe.

hh) Kfz-Steuer, -Versicherung, -Instandsetzung; ADAC- Mitgliedschaft und -Rechtsschutz Die Fixkosten für Kfz-Steuer, Kfz-Versicherung, ADAC-Mitgliedschaft und ADAC-Rechtsschutz hat das Landgericht zu Recht angesetzt. Ob Herr S... seinerzeit über ein Kraftfahrzeug verfügte oder nicht, ist dabei nicht streitentscheidend. Selbst wenn unterstellt würde, er hätte seinerzeit über keinen PKW verfügt, wäre das nach den Lebensverhältnissen der DDR nicht unüblich gewesen. Es entspricht aber nicht mehr dem heutigen Standard, in dem ein in der Familie vorhandener PKW regelmäßig ein bestimmender Faktor für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung in der Familie ist (BGH VersR 1988, 954 (956)). Deshalb gehören zum angemessenen Unterhalt der Klägerin auch in Anbetracht des hypothetisch verfügbaren Nettoeinkommens des Herrn S... die Nutzungsmöglichkeit über ein Kfz und somit die hierdurch üblicherweise verursachten Kosten.

Die Kfz-Steuer ist in Anlehnung an den bereits erstinstanzlich zum Prozesskostenhilfe-Beiheft gelangten Bescheid des Finanzamtes E... vom 30.06.2005 auf monatlich 25,17 EUR zu schätzen. Zwar fällt die Steuer ausweislich des Belegs in dieser Höhe erst seit dem 28.07.2005 an; zuvor war sie geringfügig niedriger. Angesichts des in die Zukunft gerichteten Ausspruchs der Unterhaltsrente und des Schätzungsermessens des Gerichts können die betreffenden Kosten jedoch einheitlich mit 25,17 EUR angesetzt werden. Für die Kfz-Versicherung sind in Anbetracht der eingereichten Belege 22,57 EUR, für die ADAC-Mitgliedschaft 3,66 EUR und für den ADAC-Rechtsschutz 3,14 EUR einzustellen. Die Kosten für Kfz-Instandsetzung können mit den vom Landgericht angenommenen 50,00 EUR berücksichtigt werden, nachdem weder Berufung noch Anschlussberufung den Rechenansatz der Höhe nach angreifen.

ii) Telefon, Rundfunk

In die Berechnung einzustellen sind ferner die von der Berufung nicht angegriffenen Kosten Grundgebühr Telefon (19,94 EUR) und Rundfunkgebühren (16,15 EUR).

jj) Abfall/Straßenreinigung

Auch ohne entsprechenden Angriff in der Berufung sind die angesetzten Kosten für Abfall/Straßenreinigung (9,50 EUR) um 2/3 zu kürzen, da der Kostenansatz der Klägerin in Anbetracht des von ihr eingereichten Abgabenbescheids vom 06.01.2005 nicht schlüssig ist. Aus ihm ergibt sich nämlich, dass der Versorgungsträger für drei Personen personenbezogene Gebühren berechnet. Da die Klägerin jedoch im Verhältnis zum verstorbenen Herrn S... wie eine alleinlebende Witwe zu stellen ist, verbleibt ein Kostenansatz für Abfall/Straßenreinigung von 3,17 EUR.

d) Zu Recht hat das Landgericht seiner Unterhaltsberechnung eine Alleinverdienerehe ohne unterhaltsberechtigte Kinder zu Grunde gelegt und das nach Abzug der Vorsorgeaufwendungen und der Fixkosten verfügbare Einkommen im Verhältnis 52,5 % zu 47,5 % verteilt.

Eine Einbeziehung der Kinder M... und N... kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil diese angesichts ihrer Geburtsdaten (1972 und 1975) inzwischen ein Alter erreicht haben, in dem Kinder üblicher Weise keine Unterhaltszahlungen mehr von ihren Eltern beanspruchen, und für einen Ausnahmefall von den Parteien nichts dargetan ist. Dass die weitere Tochter der Klägerin L... angesichts ihres Geburtsdatums (1986) keine Tochter des Herrn S... sein kann, liegt ebenfalls auf der Hand.

Frau J... S... als Tochter des Verstorbenen ist bei der Unterhaltsberechnung ebenfalls nicht zu berücksichtigen. Zwar käme bei Frau J... S..., die nach den Behauptungen der Klägerin ihr Studium im Mai 2006 abbrach, dem Grunde nach eine gesetzliche Unterhaltsverpflichtung jedenfalls noch bis zum 30.05.2006 in Betracht. Auch vor diesem Zeitpunkt war indessen eine Schadensersatzpflicht der Beklagten gegenüber Frau J... S... aufgrund des im Verfahren Landgericht Potsdam 2 O 7/03 geschlossenen Vergleichs vom 06.12.2004 mit Wirkung ab dem 01.01.2005 ausgeschlossen. Die Schadensersatzpflicht der Beklagten war aber an die Stelle des Unterhaltsanspruchs getreten, den Frau J... S... gegen ihren Vater hatte. Damit ist die Beklagte für die Zeit ab Wegfall ihrer Schadensersatzpflicht gegenüber Frau J... S... so zu stellen, wie sie stünde, als wäre die Unterhaltsverpflichtung des Herrn R... S... gegenüber Frau J... S... weggefallen. Die Beendigung der Leistungspflicht der Beklagten gegenüber Frau J... S... zum 01.01.2005 führte mithin zur Veränderung ihrer Leistungspflicht gegenüber der Klägerin dahingehend, als dass das verfügbare Nettoeinkommen im Sinne einer Alleinverdienerehe ohne Kinder aufzuteilen ist.

Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte mit dem Zahlbetrag auch den Unterhaltsschaden für die Zukunft abgefunden hat. Welcher Teil rechnerisch auf den Zukunftsschaden entfiel und dass unter Zugrundelegung des tatsächlich geschuldeten Betrags überhaupt ein Unterhalt auf die Zukunft gezahlt worden ist, lässt sich dem Parteivortrag der Beklagten schon nicht entnehmen. Darüber hinaus war es die Entscheidung der Beklagten, ggf. vorweg Ansprüche der Frau J... S... zu bezahlen, oder vielleicht auch nur die Auseinandersetzungen über den Zahlbetrag zu beenden. Die Beklagte ist deshalb nicht besser zu stellen, als wenn feststünde, dass Herr S... seit Januar 2005 keinen Unterhalt mehr für seine Tochter schuldete.

Die Verteilung nach einer Quote von 52,5 % zu 47,5 % bei einer Alleinverdienerehe ohne unterhaltspflichtige Kinder ist nicht unüblich und wird von den Parteien auch nicht angegriffen.

e) Ein fiktives Einkommen der Klägerin ist nicht zu berücksichtigen. Auch wenn die Klägerin im Zeitpunkt des Unfalls ihres Ehemanns berufstätig war, so verstößt sie nicht gegen eine Erwerbsobliegenheit, wenn sie heute nicht berufstätig ist. Angesichts der Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt und der Vielzahl der von der Klägerin vorgelegten Bewerbungs- nebst Ablehnungsschreiben begegnet die Angabe der Klägerin, sie finde keine Arbeit, keinen Bedenken. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin im Jahr 1989 ihre Erwerbstätigkeit aufgegeben hat. Dass die Klägerin bis heute beim VEB E... T... oder dessen evt. vorhandenen Rechtsnachfolger arbeiten könnte, behauptet die Beklagte selbst nicht.

Der Unterhaltsschaden der Klägerin ergibt sich somit für die Zeit ab 01.01.2005 aus der folgenden Berechnung:

 Hätte-Netto-Verdienst 2.562,56 EUR
abzüglich Aufwendungen Vermögensbildung 200,00 EUR
abzüglich Fixkosten 842,06 EUR
verbleibt einzusetzendes Einkommen 1.520,50 EUR.
Davon stehen der Klägerin 47,5 % zu, mithin 722,24 EUR.
Zuzüglich Fixkosten 842,06 EUR
ergibt einen Unterhaltsschaden von monatlich 1.564,30 EUR
abzüglich Witwenrente 467,67 EUR
verbleibt ein laufender monatlicher Unterhaltsschaden von 1.096,63 EUR.

Für das Jahr 2005, in dem die Beklagte monatlich 766,94 EUR gezahlt hat, ergibt sich eine Nachforderung der Klägerin von 3.956,28 EUR. Für die Monate Januar und Februar 2006, in denen die Beklagte monatlich 500,00 EUR gezahlt hat, ergibt sich ein Nachzahlungsanspruch der Klägerin von 1.193,26 EUR.

Den von der Beklagten ab April 2006 erbrachten Zahlungen kommt - jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt - keine Tilgungswirkung zu. Zahlungen aufgrund eines im einstweiligen Rechtsschutz ergangenen Titels führen wegen der Vorläufigkeit derartiger Titel nicht schon zum teilweisen Erlöschen einer Forderung (Erman/H.P.Westermann, BGB, 10. Auflage, § 362 Rn. 14). Insoweit wird es vielmehr der Beklagten obliegen, Sorge zu tragen, dass die erbrachten Zahlungen Erfüllungswirkung erhalten.

Die Schadensersatzpflicht der Beklagten endet, wie die Parteien nicht angreifen, unter Rückgriff auf eine mutmaßliche Lebenserwartung des Herrn S... von 74 Jahren, wie sie sich aus der im Jahr 1983 geltenden Sterbetafel ergibt, und somit am 22.08.2026.

Der jeweilige Zinsanspruch hinsichtlich der Rückstände ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB. Insoweit sind die Vorschriften des BGB auf das unter der Geltung des ZGB begründete Dauerschuldverhältnis über Art. 229 § 5 EGBGB anwendbar.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe für die Zulassung gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Im Hinblick darauf, dass die vorliegende Entscheidung einen Einzelfall betrifft, hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs als Revisionsgericht.

Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf 90.551,43 EUR festgesetzt. Es entfallen auf die Berufung 75.452,47 EUR (Rückstände bis Februar 2006: 6.001,87 EUR, Leistungen ab 31.03.2006 gemäß § 42 Abs. 2 GKG: 69.450,06 EUR). Auf die Anschlussberufung entfallen 15.098,96 EUR (Zahlung 2.856,56 EUR, Rente 12.242,40 EUR).

Ende der Entscheidung

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