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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 19.06.2007
Aktenzeichen: 12 W 11/07
Rechtsgebiete: StVO, StVG, ZPO, BGB, PflVG


Vorschriften:

StVO § 3 Abs. 1
StVO § 3 Abs. 1 S. 3
StVO § 25
StVO § 25 Abs. 3
StVG § 7 Abs. 1
StVG § 7 Abs. 2
StVG § 9
StVG § 11 S. 2
ZPO § 114
ZPO § 127 Abs. 2
ZPO § 567 Abs. 1 S. 1
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 253 Abs. 2
BGB § 254
PflVG § 3 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

12 W 11/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe

hat der 12. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch den Richter am Oberlandesgericht Funder als Einzelrichter am 19. Juni 2007 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Frankfurt (Oder), Az.: 11 O 448/06, wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage, mit der er die Beklagten auf Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz unter Berücksichtigung einer Haftungsquote von 50 % sowie auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall in Anspruch nehmen will, der sich am 13.10.2005 in F... auf der ...-Straße ereignet hat. Dabei beabsichtigte der Antragsteller, als Fußgänger gegen 14:45 Uhr die vierspurige ...-Straße zu überqueren. Links neben ihm beabsichtigte eine Gruppe von drei weiteren Personen ebenfalls die ...-Straße zu überqueren. Nachdem die Personengruppe die rechte Fahrspur überquert hatte, blieb sie auf dem Mittelstreifen zwischen der rechten und linken Fahrspur stehen, um den aus Richtung Stadtbrücke/ Grenzübergang herannahenden Antragsteller zu 2. mit seinem Pkw Citroen, der bei der Antragsgegnerin zu 1. haftpflichtversichert ist, passieren zu lassen. Der Antragsteller hielt nicht nach Überqueren der ersten Fahrspur an, sondern lief weiter, ohne zu bemerken, dass die sich neben ihm befindlichen Personen stehen bleiben. Dabei wurde er von dem Pkw des Antragsgegners zu 2. erfasst und erlitt einen Wadenbeinbruch am linken Bein sowie eine komplizierte Ellenbogenfraktur links.

Der Antragsteller wurde ins Klinikum ... verbracht und befand sich dort bis zum 17.11.2005 in stationärer Behandlung. Im Rahmen einer am 21.10.2005 durchgeführten Operation wurden die Frakturen an Schien- und Wadenbein sowie leichtere Verletzungen am Knie versorgt. Ein weiterer operativer Eingriff erfolgte am 03.11.2005. Im Zeitraum vom 17.11.2005 bis einschließlich 28.11.2005 wurde der Antragsteller im ... Krankenhaus L... in F... weiterbehandelt. Nach Entlassung aus dem ... Krankenhaus L... ... war der Antragsteller nach eigenen Angaben bis einschließlich Frühjahr 2006 auf einen Rollstuhl angewiesen.

Der Antragsteller begehrt mit der beabsichtigten Klage die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes, wobei er sich einen Betrag von 6.000,00 € als Mindestgrenze vorstellt. Darüber hinaus begehrt er die Feststellung der Ersatzpflicht für sämtliche künftige Schäden, wobei er sich eine Mithaftung in Höhe von 50 % anrechnen lässt. Er ist der Auffassung, die Haftung der Antragsgegner sei aus dem Grunde gegeben, weil der Antragsgegner zu 2. die Pflicht aus § 3 Abs. 1 S. 3 StVO zum Fahren auf Sicht verletzt habe, indem er nicht seine Geschwindigkeit reduziert habe, als er an der auf der Straße stehenden Personengruppe vorbeigefahren sei.

Die Antragsgegner sind dem Prozesskostenhilfegesuch des Antragstellers entgegengetreten. Sie wenden ein, eine Verpflichtung für den Antragsgegner zu 2. zur Herabsetzung der Geschwindigkeit habe nicht bestanden. Die rechts von der Fahrspur wartende Personengruppe habe das Fahrzeug des Antragsgegners zu 2. offensichtlich passieren lassen wollen. Sie behaupten, der Antragsgegner zu 2. habe seine Geschwindigkeit von 30 km/h auf 15 km/h reduziert. Sie sind der Ansicht, der Unfall sei allein auf das Verhalten des Antragstellers zurückzuführen.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die beabsichtigte Rechtsverfolgung habe keine Aussicht auf Erfolg. Zwar sei die Haftung der Antragsgegner nicht nach § 7 Abs. 2 StVG ausgeschlossen, da ein Fall von höherer Gewalt nicht gegeben sei. Der Antragsteller trage jedoch an dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall ein derartig hohes überwiegendes Mitverschulden, das demgegenüber die Betriebsgefahr des Kfz gänzlich zurücktrete. Der Antragsteller sei nach § 25 StVO verpflichtet gewesen, den Fahrzeugverkehr zu beachten, was er gänzlich unterlassen habe. Dagegen habe sich der Antragsgegner zu 2. ausreichend sorgfältig verhalten, so dass seine Betriebsgefahr zurücktrete.

Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner form- und fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde, mit der er seine Auffassung vertieft, dass eine Mithaftung der Antragsgegner jedenfalls in Höhe von 50 % aufgrund eines Verstoßes des Antragsgegners zu 2. gegen § 3 Abs. 1 S. 3 StVO bestehe, da der Antragsgegner zu 2. nicht darauf habe vertrauen dürfen, dass sämtliche auf der Fahrbahn befindlichen Personen anhalten würden.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 30.03.2007 nicht abgeholfen und die Sache dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die gem. §§ 127 Abs. 2, 567 Abs. 1 S. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers bleibt ohne Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage gem. § 114 ZPO verneint. Dem Antragsteller stehen gegenüber den Antragsgegnern keine Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld aus §§ 7 Abs. 1, 11 S. 2 StVG, § 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB, 3 Nr. 1 PflVG zu.

Dem Antragsgegner zu 2. kann nach dem Vorbringen des Antragstellers kein Verstoß gegen § 3 Abs. 1 StVO vorgeworfen werden. Grundsätzlich spricht in Fällen wie dem vorliegenden, in denen ein Fußgänger von einem von links kommenden Fahrzeug auf dessen rechter Fahrbahnseite angefahren wird, der Anscheinsbeweis gegen das alleinige Verschulden des Fußgängers (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., § 25 StVO, Rn. 54 m.w.N.). Umstände, die geeignet wären, den Anscheinsbeweis zu entkräften, hat der Antragsteller nicht vorgetragen. Ohne Erfolg beruft sich der Antragsteller darauf, der Antragsgegner zu 2. habe nicht darauf vertrauen dürfen, dass sämtliche auf der Fahrbahn befindliche Personen tatsächlich stehen blieben. Vielmehr durfte der Antragsgegner zu 2. grundsätzlich darauf vertrauen, dass die auf der von ihm aus gesehenen rechten Fahrspur stehen gebliebene Personengruppe, die ihn ersichtlich bemerkt hatte, auch vorbeifahren lassen werde, sofern keine Anzeichen dafür bestanden, dass die Gruppe abgelenkt war. Es handelte sich nicht um besonders gefährdete Verkehrsteilnehmer wie Kinder, Jugendliche oder alte oder gebrechliche Menschen. Im Übrigen war der Antragsgegner zu 2. nur verpflichtet, mit angepasster Geschwindigkeit und ausreichendem Seitenabstand an der Gruppe vorbeizufahren (vgl. KG VM 1993, 85). Unter diesen Umständen war die vom Antragsteller vorgetragene Geschwindigkeit von 30 km/h nicht unangepasst.

Die somit allenfalls aus der Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Antragsgegners zu 2. bestehende Haftung der Antragsgegner tritt im Streitfall hinter dem im Rahmen des Mitverschuldens nach §§ 9 StVG, 254 BGB zu berücksichtigenden groben Verkehrsverstoß des Antragstellers gegen die erhöhte Sorgfaltspflicht des § 25 Abs. 3 StVO in vollem Umfang zurück. Der grobe Verkehrsverstoß ergibt sich im Streitfall bereits aus dem eigenen Vortrag des Antragstellers, indem er offensichtlich weder vor dem Betreten der Fahrbahn noch als die neben ihm die Fahrbahn überquerende Personengruppe anhielt, um den Antragsgegner zu 2. vorbeifahren zu lassen, sich darüber vergewissert hat, dass kein Fahrzeug naht. Diese Verkehrssituation lässt sich durchaus mit der Situation vergleichen, in der ein Fußgänger unachtsam hinter einem parkenden Kraftfahrzeug auf die Fahrbahn tritt.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Pflicht des Antragstellers zur Tragung der Gerichtsgebühren ergibt sich aus Nr. 1811 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 GKG), ohne dass es einer Aufnahme in den Beschlusstenor bedarf. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet, § 127 Abs. 4 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen. Im Verfahren über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde beschränkt auf Verfahrensfragen oder Fragen, die die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei betreffen (vgl. BGH NJW 2003, 1126). Derartige Gründe liegen hier nicht vor.

Ende der Entscheidung

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