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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 01.10.2009
Aktenzeichen: 12 W 29/09
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 127 Abs. 2
ZPO § 574 Abs. 1
ZPO § 574 Abs. 2
ZPO § 767 Abs. 2
ZPO § 796 Abs. 2
BGB § 138 Abs. 1
BGB § 242
BGB § 826
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss der 12. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam, Az.: 12 O 151/09, aufgehoben und die Sache wird zur erneuten Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch der Antragstellerin an das Landgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Eine Kostenerstattung findet nicht statt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin beantragt Prozesskostenhilfe und beabsichtigt die Erhebung einer Klage, die die Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Potsdam vom 31.12.1999 zum Gegenstand hat. Dieser basiert auf einem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag, mit dem die Antragstellerin die Antragsgegner beauftragt hat, ihren Ehemann in einem Verbraucher-Insolvenzverfahren zu vertreten und zu beraten. Für die Tätigkeit der Antragsgegner wurde ein Pauschalhonorar von 15.000,00 DM zzgl. Mehrwertsteuer vereinbart, ausgehend von einer angenommenen Stundenzahl von 100 Stunden, wobei es aber auch dann bei dem Pauschalhonorar verbleiben sollte, wenn die angenommene Stundenzahl aus unterschiedlichen Gründen nicht erreicht wird. Zur Absicherung der Honorarforderung sollten die Antragsgegner berechtigt sein, einen Mahn- und sodann einen Vollstreckungsbescheid zu erwirken unter Verzicht der Antragstellerin auf Rechtsmittel. Gleichzeitig wurde eine Ratenzahlung in Höhe von monatlich 200,00 DM beginnend ab dem 15.12.1999 vereinbart. Zahlungen leistete die Antragstellerin in der Folge auf den Vollstreckungsbescheid nicht und hierzu wurde sie entsprechend ihren Angaben auch zunächst nicht mehr aufgefordert. Im Februar 2009 erfolgte nunmehr eine Vollstreckungsankündigung durch die zuständige Gerichtsvollzieherin.

Die Antragstellerin beruft sich auf eine Sittenwidrigkeit des Vertrages wegen krasser Überforderung und auf eine Unwirksamkeit des Vertrages nach dem AGBG und erhebt den Einwand des nicht erfüllten Vertrages. Schließlich ist sie der Auffassung, der Anspruch sei verwirkt aufgrund des inzwischen vergangenen Zeitraumes von 9 Jahren vom Erlass des Vollstreckungsbescheides bis zur Ankündigung der Vollstreckung.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 03.04.2009 den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe sowie den damit verbundenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hinsichtlich der Einstellung der Zwangsvollstreckung zurückgewiesen mit der Begründung, die Vollstreckungsabwehrklage biete keine Aussicht auf Erfolg. Mit den von der Antragstellerin geltend gemachten Einwendungen sei sie weitgehend gem. § 796 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Soweit sie sich auf eine Verwirkung des Anspruchs berufe, fehle es insoweit jedenfalls an dem hierfür erforderlichen Umstandsmoment.

Gegen den der Antragstellerin am 24.04.2009 zugestellten Beschluss hat sie mit einem am 13.05.2009 beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz "Beschwerde" eingelegt, verbunden mit dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das beabsichtigte Klageverfahren. Sie meint, die Präklusionsvorschriften seien nicht zuletzt auch unter dem Gesichtspunkt des § 242 BGB nicht anwendbar und hält im Übrigen auch an dem Einwand der Verwirkung fest.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 29.05.2009 nicht abgeholfen und die Sache dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt und hält an der Auffassung fest, dass die Antragstellerin mit ihren Einwendungen nach § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert sei und auch ein Anspruch aus § 826 BGB auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung nicht bestehe, da Umstände, die eine Erwirkung oder Ausnutzung des Titels als in hohem Maße unbillig und geradezu unerträglich erscheinen lassen würden, nicht dargetan seien. Hinsichtlich des Verwirkungseinwandes könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin mit einer Vollstreckung aus dem Titel nicht mehr habe rechnen müssen.

II.

Die als sofortige Beschwerde gem. § 127 Abs. 2 ZPO zulässige Beschwerde hat in der Sache vorerst insoweit Erfolg, als die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch an das Landgericht zurückzuverweisen war. Letzteres folgt daraus, dass entgegen der Auffassung des Landgerichts die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage (§ 114 ZPO) nicht verneint werden können, die Sache aber deshalb nicht entscheidungsreif ist, weil es hinsichtlich der Frage der Bedürftigkeit der Antragstellerin noch weiterer Aufklärung bedarf.

Es kann dahinstehen, ob die Antragstellerin mit etwaigen gegen den Vollstreckungsbescheid gerichteten Einwendungen gem. § 796 Abs. 2 ZPO bereits deshalb ausgeschlossen ist, weil sie diese Einwendungen bereits vor Erlass des Vollstreckungsbescheides durch das Einlegen von Rechtsbehelfen hätte geltend machen müssen, da die Tatsachen, auf denen die Einwendungen beruhen, bereits zum damaligen Zeitpunkt gegeben waren. Ein Anspruch der Antragstellerin kann sich jedenfalls aus § 826 BGB ergeben, den das Landgericht in seiner Nichtabhilfeentscheidung zu Recht erwogen, jedoch zu Unrecht ohne nähere Begründung als nicht gegeben erachtet hat. Der auf Unterlassung der Vollstreckung gerichtete Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB wird von dem Klagebegehren mit umfasst. Voraussetzung ist, dass der erwirkte Titel objektiv unrichtig ist. Ausgehend von dem bisher unerwidert gebliebenen Vorbringen der Antragstellerin ist dies hier der Fall, da sich der Vertrag unter Berücksichtigung des Antragstellervorbringens als sittenwidrig gem. § 138 Abs. 1 BGB erweist. Die Antragstellerin hat schlüssig vorgetragen, dass die hier vereinbarte Mithaftung neben ihrem damaligen Ehemann, dem die Tätigkeit der Beklagten in erster Linie zugute kam, eine krasse Überforderung darstellte. Vor dem Hintergrund des gegen den damaligen Ehemann geführten Verbraucher-Insolvenzverfahrens bestand die Gefahr, dass die Antragsgegner etwaige Honoraransprüche für eine Tätigkeit für den damaligen Ehemann gegenüber diesem nicht würden realisieren können. Ausgehend davon wurde eine Mithaftung der Antragstellerin als Ehefrau begründet und damit die besondere emotionale Verbundenheit unter den Ehegatten ausgenutzt. Das in der Vereinbarung erwähnte Eigeninteresse der Antragstellerin wegen einer möglichen Verbesserung der finanziellen Situation der Familie insgesamt stellt unter den hier gegebenen Umständen keinen ins Gewicht fallenden geldwerten Vorteil dar, der für eine freie Entscheidung der Antragstellerin losgelöst von der bestehenden emotionalen Verbundenheit spricht.

In diesem Zusammenhang ist ergänzend zu berücksichtigen, dass nach dem Inhalt des Vertrages jedenfalls die Möglichkeit bestand, dass das vereinbarte Honorar von immerhin 15.000,00 DM zzgl. Mehrwertsteuer einhergehend mit einer Verzinsung von 5 % bei monatlicher Ratenzahlung von 200,00 € nahezu ohne jede Gegenleistung erbracht wurde. In dem Vertrag ist davon die Rede, dass von einer Tätigkeit von ca. 100 Stunden ausgegangen wird, wobei 10 Stunden bereits geleistet worden seien. Bei Nichterreichen der angenommenen Stundenzahl sollte nicht etwa eine (teilweise) Erstattung bzw. ein teilweiser Erlass der Forderung erfolgen, sondern das vereinbarte Pauschalhonorar sollte auch dann zu zahlen sein, wenn sich die Angelegenheit aus welchen Gründen auch immer erledigt. Demgegenüber sollte für den Fall einer Überschreitung der veranschlagten 100 Stunden das Pauschalhonorar keinen Bestand mehr haben, sondern es sollten sogleich weitere 50 Stunden zu je 150,00 DM zzgl. Mehrwertsteuer beauftragt werden. Eine Nachweisführung hinsichtlich der geleisteten Stunden war nicht vorgesehen. Daraus folgt ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung unter Ausnutzung der schwächeren Lage der Antragstellerin zum eigenen Vorteil. Sowohl die Mithaftung der Antragstellerin als solche als auch die inhaltliche Ausgestaltung des Vertrages führten zu einer einseitigen Benachteiligung der Antragstellerin mit erheblichen Risiken, während für die Antragsgegner keine Risiken bestanden und selbst für den Fall der Nichterbringung der Leistung die Vergütung zu zahlen war. Das Vorliegen einer krassen Überforderung der Antragstellerin hat diese ebenfalls schlüssig vorgetragen.

Schließlich wird der Titel nach der Darstellung der Antragstellerin auch in sittenwidriger Weise ausgenutzt, denn der Honorarvertrag sah vor, dass zur Absicherung des Honoraranspruches ein Mahn- und sodann ein Vollstreckungsbescheid beantragt werden sollen und dass sich die Antragstellerin verpflichtet, hiergegen keine Rechtsmittel einzulegen. Überdies sollte die Antragstellerin auch die Kosten des Verfahrens zusätzlich zum Honorar übernehmen. Damit sollten ohne Erbringung von Gegenleistungen vollendete Tatsachen geschaffen werden und der Antragstellerin jegliche Möglichkeiten abgeschnitten werden, die vertraglichen Regelungen im Nachhinein in Frage zu stellen. Insoweit wurde die schlechte wirtschaftliche Situation der Familie ausgenutzt.

Den Beklagten musste als Rechtsanwälten auch klar sein, dass ein Versäumnisurteil für den Fall der Erhebung einer Klage mangels Schlüssigkeit nicht würde ergehen können, so dass mit der Durchführung des Mahnverfahrens i.V.m. der der Antragstellerin aufgegebenen Verpflichtung, gegen den Vollstreckungsbescheid keinen Einspruch einzulegen, der Titel sittenwidrig erschlichen wurde, so dass es mit dem Gerechtigkeitsgedanken unvereinbar ist, dass die Antragsgegner ihre formale Rechtsstellung unter Missachtung der materiellen Rechtslage ausnutzen.

Ob der Klage in letzter Konsequenz nach Durchführung des streitigen Verfahrens tatsächlich ein Erfolg beschieden ist, bleibt abzuwarten. Im Rahmen der im Prozesskostenhilfeverfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung stellt sich die Rechtsverfolgung der Antragstellerin vor dem Hintergrund der vorherigen Erwägungen jedenfalls nicht als von vornherein aussichtslos dar, und zwar, worauf ergänzend hinzuweisen ist, auch nicht ohne weiteres in Bezug auf den von der Antragstellerin erhobenen Verwirkungseinwand. Nach der Darstellung der Antragstellerin wurden nach Abschluss des Vertrages und Erwirken des Vollstreckungsbescheides, von dem sie keine Kenntnis erlangt haben will, keine Forderungen an sie gerichtet. Insbesondere sollen auch keine Mahnungen zur Aufnahme der vereinbarten Ratenzahlungen erfolgt sein. Es wurden also über einen Zeitraum von 9 Jahren keine Ansprüche mehr geltend gemacht und die Antragstellerin hat auch vorgetragen, aus welchen Gründen sie darauf vertraut hat, dass keine Forderungen mehr aus dem ihrer Auffassung nach unwirksamen Vertrag in Verbindung mit dem Vollstreckungsbescheid geltend gemacht werden und sie deshalb anderweitige Vermögenspositionen getroffen hat. Ihr Vorbringen kann durchaus geeignet sein, den Verwirkungseinwand begründet erscheinen zu lassen, wobei nicht verkannt werden soll, dass ein Vollstreckungstitel erst nach 30 Jahren verjährt und in dieser Zeit grundsätzlich nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden kann, dass es daraus noch zu Vollstreckungsmaßnahme kommt, solange die Forderung noch nicht erfüllt ist. Gleichwohl kann aber unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles auch deutlich vor Ablauf der Verjährungsfrist der Einwand der Verwirkung begründet sein.

Eine abschließende Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch war noch nicht möglich, da Unklarheiten in Bezug auf die Bedürftigkeit der Antragstellerin bestehen, die vom Landgericht bisher - vor dem Hintergrund der für nicht gegeben erachteten Erfolgsaussichten konsequent - nicht geprüft wurde. Der vom angegebenen Einkommen vorgenommene Abzug von 32,27 € ist nicht nachvollziehbar. Die Angaben zu vorhandenen Versicherungen sind widersprüchlich, die in Ansatz gebrachten Lebensversicherungen sind nur berücksichtigungsfähig, wenn sie einer angemessenen Altersversorgung dienen und nicht der Ansammlung von Kapital, wozu näher vorzutragen wäre. Hinsichtlich der Kosten für die Miete wurde der Betrag, der auf die Antragstellerin entfällt, nicht angegeben. Es wird deshalb derzeit davon auszugehen sein, dass vor dem Hintergrund des Bestehens eines gemeinsamen Familienhaushaltes maximal die Hälfte der Kosten auf die Antragstellerin entfällt.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. § 574 Abs. 1, 2 ZPO bestehen nicht.

Ende der Entscheidung

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