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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 24.08.2009
Aktenzeichen: 12 W 30/09
Rechtsgebiete: ZPO, HGB, BGB


Vorschriften:

ZPO § 127 Abs. 2
ZPO § 567 Abs. 1
ZPO § 127 Abs. 2 S. 3
ZPO § 569 Abs. 2
ZPO § 571 Abs. 1
ZPO § 114
ZPO § 571 Abs. 2
HGB § 350
BGB § 780
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 12. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Potsdam vom 07.04.2009,

Az.: 12 O 492/08, abgeändert.

Der Antragstellerin wird zur Wahrung ihrer Rechte in erster Instanz unter Beiordnung von Rechtsanwalt G... G..., Würzburg, zu den Bedingungen eines am Ort des Landgerichts ansässigen Rechtsanwaltes Prozesskostenhilfe gewährt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Übernahme der Kosten für eine Schönheitsoperation in Höhe von 31.178,00 € zur Beseitigung eines Gewebeüberhangs an Oberarmen, Brust, Oberschenkeln und Bauch, der durch eine erhebliche Gewichtsreduzierung verursacht wurde. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die erstinstanzliche Sachverhaltsdarstellung im angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

Das Landgericht hat den Prozesskostenhilfeantrag der Antragstellerin mit Beschluss vom 07.04.2009 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Antragstellerin könne bereits nicht Zahlung an sich, sondern allenfalls die Übernahme der Operationskosten verlangen. Ungeachtet dessen bestünde ein Anspruch nicht. Eine vertragliche Vereinbarung sei nicht hinreichend dargetan. Die behauptete Zusage im Rahmen der Sendeaufzeichnung sei lediglich als Schenkungsversprechen zu werten, für das es jedoch an der Form mangele. Auch ein Vertrag zugunsten Dritter zwischen der Antragsgegnerin und Dr. W... sei mangels hinreichender Angaben nicht anzunehmen. Ansprüche aus einem vertragsähnlichen Gefälligkeitsverhältnis seien ebenfalls nicht schlüssig dargetan, da nicht ersichtlich sei, dass sich die Antragsgegnerin zu einer über die bloße Vermittlung des Kontakts zu einem Spezialisten hinausgehenden Gefälligkeit habe verpflichten wollen. Letztlich sei auch ein deliktsrechtlicher Anspruch zu verneinen, da die Antragstellerin jedenfalls in die konkrete Aufzeichnung eingewilligt habe, wodurch die Rechtswidrigkeit einer etwaigen Pflichtverletzung entfallen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss verwiesen.

Die Antragstellerin hat gegen den ihr am 27.04.2009 zugestellten Beschluss mit am 14.05.2009 eingegangenen Schriftsatz "Beschwerde" eingelegt. In der Rechtsmittelschrift hat sie das beabsichtigte Klagebegehren angesichts der Ausführungen des Landgerichts dahingehend umgestellt, dass sie nicht mehr Zahlung an sich verlangt, sondern nunmehr die Übernahme der entsprechend dem Kostenvoranschlag vom 04.10.2006 für die geplante Schönheitsoperation entstehenden Kosten. Sie ist der Auffassung, angesichts der Äußerungen der Moderatorin, wonach eine verbindliche Kostenübernahme erklärt worden sei, sei von einem rechtsverbindlichen Schuldversprechen bzw. Schuldanerkenntnis auszugehen. Zudem liege ein vertragsähnliches Gefälligkeitsverhältnis vor. Bereits im Vorfeld der Sendeaufzeichnung sei zwischen den Parteien abgesprochen worden, dass die Antragstellerin für die gezielte Darstellung ihres Körpers in heiklen Situationen vor den Fernsehzuschauern die Kosten für eine Schönheitsoperation erhalte. Dies und die durch die Ausstrahlung der Sendung erwirtschafteten Einnahmen der Antragsgegnerin führten zu einem vertragsähnlichen Gefälligkeitsverhältnis der Parteien. Auch müsse von einer vorsätzlichen Täuschung der Antragstellerin ausgegangen werden, um diese zu veranlassen, in der Sendung der Antragsgegnerin mitzuwirken. Darin liege eine Persönlichkeitsverletzung der Antragstellerin.

Das Landgericht hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem Senat vorgelegt.

II.

Das Rechtsmittel der Antragstellerin ist als sofortige Beschwerde nach § 127 Abs. 2, § 567 Abs. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere innerhalb der Monatsfrist des § 127 Abs. 2 S. 3 ZPO eingelegt worden; die nach Fristablauf eingegangene Begründung hat im Hinblick auf § 569 Abs. 2, § 571 Abs. 1 ZPO auf die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde keinen Einfluss.

In der Sache ist das Rechtsmittel nach Umstellung des Klageantrags und nach Ergänzung des erstinstanzlichen Vortrags in der Beschwerdebegründung begründet. Die von der Antragstellerin beabsichtigte Erhebung der Klage gegen die Antragsgegnerin in der Fassung der Beschwerdebegründung vom 25.06.2009 bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg, sodass der Antragstellerin Prozesskostenhilfe zu gewähren ist, § 114 ZPO. Hinreichende Erfolgsaussichten sind zu bejahen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt der Prozesskostenhilfe begehrenden Partei auf Grund ihrer Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen mindestens für vertretbar hält und von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (BGH NJW 1994, 1161, zitiert nach Juris Rn. 5; NJW 1988, 266, 267). Es muss auf Grund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage möglich sein, dass der Antragsteller mit seinem Begehren durchdringen wird (OLG München FamRZ 1989, 199; Philippi in: Zöller, ZPO, 27. Aufl., § 114 Rn. 19 m.w.N.). Die Beweiserhebung muss ernsthaft in Betracht gezogen werden, und es dürfen keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit zu Lasten der hilfsbedürftigen Partei ausgeht (OVG Greifswald MDR 1996, 98, zitiert nach Juris Rn. 11).

Diese Grundsätze vorangestellt, könnte der Antragstellerin ein Anspruch aus Vertrag oder vertragsähnlichem Schuldverhältnis zustehen. Nach dem schlüssigen Vorbringen der Antragstellerin ist die Zusage zur Übernahme der für die Beseitigung des Gewebeüberhangs erforderlichen Operationskosten als Gegenleistung für den Auftritt der Antragstellerin in der Sendung und die zu diesem Zweck hergestellte Aufzeichnung und Fotos, in bzw. auf denen die Antragstellerin im Badeanzug bekleidet zu sehen ist, sodass auch der Gewebeüberhang deutlich zu erkennen ist, zu werten. Der Vortrag der Antragstellerin, der seitens des Landgerichts zunächst zutreffend als unzureichend gewertet worden ist, ist im Rahmen der Beschwerdebegründung - zulässig im Sinne von § 571 Abs. 2 ZPO - dahingehend konkretisiert und unter Beweis gestellt worden, dass bereits im Vorfeld der Sendeaufzeichnung zwischen den Parteien abgesprochen worden sei, dass die Antragstellerin für die gezielte Darstellung ihres Körpers in heiklen Situationen vor den Fernsehzuschauern die Kosten für eine Schönheitsoperation erhalte. Dieser Vortrag ist dahingehend auszulegen, dass die Antragsgegnerin als Gegenleistung für die Ablichtung im Badeanzug die Kosten der zur Beseitigung des Gewebeüberhangs erforderlichen Schönheitsoperation übernehmen würde. Für die Wirksamkeit der Abrede unschädlich ist, dass die Größenordnung der entstehenden Kosten nicht erörtert wurde und möglicher Weise noch gar nicht absehbar war. Denn angesichts der augenscheinlichen körperlichen Konstitution der Antragstellerin war ersichtlich, dass eine Operation an Armen, Bauch, Brust und Oberschenkeln erforderlich wäre. Das Risiko höherer Kosten als die etwa ins Auge gefassten geht dabei zu Lasten der Antragsgegnerin. Die Antragstellerin hat weiterhin behauptet und unter Beweis gestellt, dass die Antragsgegnerin auch nicht lediglich die Vermittlung des Kontaktes zu Spezialisten, sondern auch die Übernahme der Kosten für die Schönheitsoperation zugesagt habe. Angesichts des Vortrags der Antragstellerin, der seitens der Antragsgegnerin bestritten worden ist, kommt eine Beweiserhebung durch Vernehmung der Zeugin D..., die ihrerseits mit demselben Problem des Gewebeüberhangs Gast der Sendung war und sich im Badeanzug hat filmen und ablichten lassen, ernsthaft in Betracht. Auch wenn die Antragstellerin Ort und Zeitpunkt der Abrede nicht darlegt, und auch nicht erklärt, wer diese Erklärung ihr gegenüber abgegeben hat, wird der Vortrag als gerade noch ausreichend erachtet. Es ist insoweit auch nicht erkennbar, dass das Beweisergebnis mit großer Wahrscheinlichkeit zu Lasten der Antragstellerin ginge.

Die darüber hinaus von der Antragstellerin behauptete Zusage der Kosten für die Schönheitsoperation durch die Moderatorin während der Sendeaufzeichnung hat sich allerdings nach Inaugenscheinnahme der auf einen Datenträger aufgezeichneten Sendung vom 08.04.2005 durch den Senat bereits jetzt nicht bestätigt. Ein Anspruch kann dementsprechend nicht aus einem gemäß § 350 HGB formlos erklärten abstrakten Schuldversprechen der Antragsgegnerin bzw. der Moderatorin in Absprache mit der Antragsgegnerin im Sinne von § 780 BGB hergeleitet werden. Während der Sendeaufzeichnung hat die Moderatorin gegenüber der Antragstellerin und der als Zeugin benannten J... D... erklärt, für sie eine Überraschung zu haben. Es sei ein Arzt in Hamburg gefunden worden, der heute leider nicht habe kommen können, aber lieb grüßen lasse. Sie hätten mit ihm gesprochen und den Fall der Antragstellerin und ihrer Freundin vorgestellt. Er habe daraufhin erklärt, dass "die Mädels" nach Hamburg kommen sollten. Der Arzt würde eine Voruntersuchung machen wollen und wenn "alles o. k." sei, würde er umsonst eine Operation durchführen. Am Ende der Sendung erklärte die Moderatorin schließlich, dass sie ("wir") die Anwesenden begleiten und zu einem späteren Zeitpunkt ins Studio "zurück holen" würden, um die Ergebnisse zu präsentieren. Zudem dankte die Moderatorin den im Studio anwesenden "Experten", die "uns geholfen und unterstützt haben". Wenngleich hier dem Fernsehpublikum gegenüber suggeriert werden soll, dass den in der Sendung auftretenden Menschen geholfen wird, indem die von ihnen dargestellten Probleme körperlicher Art kostenlos behoben werden, liegt in dem gegenüber der Antragstellerin in der Sendung unterbreiteten Angebot keine die Antragsgegnerin rechtlich bindende Zusage zur Übernahme der Operationskosten. Denn die Moderatorin der Sendung, die zugleich (Mit-) Geschäftsführerin der Antragsgegnerin ist, hat entgegen der dahingehenden Behauptung der Antragstellerin gerade nicht erklärt, dass sie bzw. die Antragsgegnerin die Operationskosten tragen oder der Antragstellerin im Wege der finanziellen Unterstützung helfen würde. Vielmehr hat sie in der Sendung lediglich die von ihr vermittelte kostenlose Leistung eines Dritten in Aussicht gestellt. Die nach dem objektiven Empfängerhorizont zu wertende Erklärung war insoweit eindeutig. Eine solche Erklärung zu Lasten Dritter entfaltet jedoch gegenüber der Antragsgegnerin nicht die von der Antragstellerin erwünschten Rechtswirkungen. Es kann in diesem Zusammenhang auch offen bleiben, ob und inwieweit der von der Antragsgegnerin der Antragstellerin vermittelte Chirurg vor der Sendung erklärt hatte, die Operation kostenlos vorzunehmen. Etwas anderes würde - so nicht bereits nach dem Ergebnis einer etwaigen Beweisaufnahme eine vertragliche Übernahme der Kosten durch die Antragsgegnerin anzunehmen wäre - nur dann gelten, wenn die Antragstellerin sich im Schwimmbad zum Zwecke der Aufzeichnung erst präsentiert hätte, nachdem die Antragsgegnerin die von diesem zugesagte kostenlose Operation durch Dr. W... konkret in Aussicht gestellt hätte. Dann könnte ein Anspruch gegen die Antragsgegnerin aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen (§ 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 Nr. 1, § 280 Abs. 1 BGB) in Betracht kommen. Auch ein Vertrag zugunsten Dritter zwischen der Antragsgegnerin und Dr. W... kann angesichts der Behauptung der Antragstellerin, wonach Dr. W... die Operation ohne die Kostenübernahme durch die Antragsgegnerin gerade nicht durchgeführt hätte, nicht angenommen werden. Ein etwaiger "Betrug" gegenüber dem Fernsehpublikum führte schließlich nicht zu einer Schadensersatzverpflichtung gegenüber der Antragstellerin. Soweit die Antragstellerin erklärt hat, auch gegenüber den anderen Anwesenden, die in der Fernsehsendung ebenfalls mit körperlichen Problemen auftraten, sei eine Operation mehrfach zugesagt worden, ist am Rande darauf hinzuweisen, dass die Äußerungen der Moderatorin gegenüber den einzelnen Gesprächspartnern sehr unterschiedlich waren, und auch nur teilweise rechtlich bindenden Charakter gehabt haben dürften. Dies kann aber im Rahmen des hiesigen Verfahrens offen bleiben.

Hinsichtlich der weiteren in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen. Die Ausführungen in der Beschwerdebegründung, insbesondere zur Verletzung des Persönlichkeitsrechts, gebieten hierzu keine Änderung.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil eine Gerichtsgebühr weder im erstinstanzlichen Verfahren noch - infolge der Begründetheit der Beschwerde - im zweitinstanzlichen Verfahren anfällt und außergerichtliche Kosten nicht erstattet werden, §§ 118 Abs. 1 S. 4, 127 Abs. 4 ZPO.



Ende der Entscheidung

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