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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 10.01.2008
Aktenzeichen: 12 W 58/07
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, StVO


Vorschriften:

ZPO § 114 f
ZPO § 127 Abs. 2
ZPO § 127 Abs. 2 S. 3
ZPO § 567 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 2
StVO § 2 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

12 W 58/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch den Richter am Oberlandesgericht van den Bosch als Einzelrichter

am 10. Januar 2008

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 1. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Potsdam vom 7. November 2007, Az.: 1 O 161/07, teilweise abgeändert.

Der Beklagten wird zur Wahrung ihrer Rechte in erster Instanz unter Beiordnung von Rechtsanwältin A... G... Prozesskostenhilfe gewährt.

Im Hinblick auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten werden monatliche Raten á 30,00 € beginnend ab dem 05.12.2007 festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beklagte begehrt Prozesskostenhilfe zur Rechtsverteidigung gegen eine Klage, mit der die Klägerin die Zahlung eines Schmerzensgeldes von 5.000,00 € sowie materiellen Schadensersatz in Höhe von 806,64 €, die Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren von 213,31 € und die Feststellung einer Schadensersatzpflicht des Beklagten für alle weiteren (zukünftigen) Schäden aus dem Unfall zwischen den Parteien am 03.07.2006 fordert, bei dem die Klägerin, die mit ihrem Fahrrad den Gehweg der ... Straße aus Richtung S...straße kommend in Richtung B... Straße befuhr, mit der Beklagten im Bereich der Einmündung der R...straße in die S...straße zusammenstieß, wobei die Beklagte ebenfalls mit ihrem Fahrrad - in der Gegenrichtung - auf dem Gehweg unterwegs war.

Die Klägerin behauptet, die Beklagte sei auf ihrem Fahrrad gefahren und ihr mit hoher Geschwindigkeit entgegengekommen. Dass die Beklagte mit dem Fahrrad gefahren sei, ergebe sich bereits aus ihren schriftlichen Angaben im Ermittlungsverfahren. Auch habe die Beklagte gegenüber den unfallaufnehmenden Polizeibeamten angegeben, dass sie mit dem Fahrrad gefahren sei. Wegen den Ausführungen der Klägerin zur Schadenshöhe wird auf die Seiten 4 ff der Klageschrift (Bl. 4 ff d. A.) verwiesen.

Die Beklagte behauptet, sie habe ihr Fahrrad geschoben und habe im Moment der Kollision gestanden, da ihr das Überqueren der R...straße nicht möglich gewesen sei. Mit den Polizeibeamten habe sie nicht gesprochen, da sie nach dem Unfall mehrfach kollabiert sei.

Mit Beschluss vom 07.11.2007 hat das Landgericht dem Prozesskostenhilfeantrag der Beklagten unter Zurückweisung im Übrigen stattgegeben soweit die Klägerin Zahlung von mehr als 767,58 € und Freistellung von einem 78,43 € übersteigenden Betrag sowie die Feststellung einer Haftung der Beklagten für zukünftige Schäden über eine Quote von 30 % hinaus begehrt. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, zwar müsse sich die Klägerin ein erhebliches Mitverschulden anrechnen lassen, nach den vorliegenden Beweisangeboten und der eigenen Einlassung der Beklagten im Ermittlungsverfahren sei im Rahmen einer Beweisantizipation jedoch davon auszugehen, dass die Beklagte im Moment des Unfalles ebenfalls mit dem Fahrrad gefahren sei, ihr also ein Verkehrsverstoß zur Last falle. Wegen der weitergehenden Begründung wird auf die Ausführungen im angefochtenen Beschluss verwiesen.

Die Beklagte hat gegen den ihr am 21.11.2007 zugestellten Beschluss mit am gleichen Tage beim Landgericht eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt.

Die Beklagte ist der Ansicht, ihr hätte in voller Höhe Prozesskostenhilfe gewährt werden müssen. Die Auslegung ihrer schriftlichen Angaben im Ermittlungsverfahren durch das Landgericht sei fehlerhaft. Die Klägerin werde auch im Hauptverfahren nicht den Nachweis führen können, dass sie - die Beklagte - ihr Fahrrad weder geschoben habe noch gestanden sei. Es fehle mithin an einem ihr vorzuwerfenden Verkehrsverstoß. Auch habe das sich auf dem Sattel ihres Fahrrades festgestellte Blut dort nicht hingelangen können, wenn sie auf dem Fahrrad gefahren sei. Schließlich habe das Landgericht nicht beachtet, dass der Feststellungsantrag schon unzulässig sei soweit er zukünftige immaterielle Schäden abdecken solle.

Das Landgericht hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem Senat vorgelegt.

Mit am 12.12.2007 verkündetem Beschluss hat das Landgericht unter anderem die Vernehmung der unfallaufnehmenden Polizeibeamten zu den von der Klägerin behaupteten Angaben der Beklagten angeordnet.

II.

Das Rechtsmittel der Beklagten ist als sofortige Beschwerde nach §§ 127 Abs. 2, 567 Abs. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere innerhalb der Monatsfrist des § 127 Abs. 2 S. 3 ZPO eingelegt worden. Auch in der Sache hat das Rechtsmittel Erfolg, sodass der Beklagten in vollem Umfang Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten zu bewilligen war.

Die Rechtsverteidigung der Beklagten gegen den von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzanspruch aus §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB, 2 Abs. 1 StVO bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Beklagte hat den Vortrag der Klägerin betreffend ein ihr zur Last fallendes sorgfaltswidriges bzw. verkehrswidriges Verhalten bestritten, indem sie in Abrede gestellt hat im Moment des Zusammenstoßes der Parteien auf ihrem Fahrrad gefahren zu sein. Den entsprechenden Nachweis wird die Klägerin im Rechtsstreit zu führen haben. Zwar ist Prozesskostenhilfe schon dann zu versagen, wenn die Gesamtwürdigung aller bereits feststehender Umstände und Indizien eine positive Beweiswürdigung zugunsten des Hilfsbedürftigen als ausgeschlossen erscheinen lässt und eine vernünftige und wirtschaftlich denkende Partei wegen des absehbaren Misserfolges der Beweisaufnahme von einer entsprechenden Prozessführung absehen würde (BGH NJW 1994, S. 1160; Philippi in Zöller, ZPO, Kommentar, 25. Aufl., § 114, Rn. 26). Insoweit gilt der Grundsatz des Verbots der vorweggenommenen Beweiswürdigung nicht uneingeschränkt. Die Erfolgsprognose umfasst nicht nur die Schlüssigkeit bzw. Erheblichkeit des Vorbringens, sondern auch seine Beweisbarkeit (Fischer in Musielak, ZPO, Kommentar, 5. Aufl., § 114, Rn. 21). Grundsätzlich nicht vorweggenommen werden darf jedoch der Inhalt einer Zeugenaussage (BGH NJW 1988, S. 266). Etwas anderes gilt, wenn Zeugen bereits ausgesagt oder die Aussage verweigert haben; in diesem Fall können die Aussagen jedenfalls dann gewürdigt werden, wenn nicht substantiiert vorgetragen wird, dass die Zeugen über ihre früheren Angaben hinaus für den Antragsteller günstige Tatsachen bekunden können (vgl. OLG München JurBüro 1986 Sp. 606; KG VersR 1972, S. 104; Fischer, a.a.O., Rn. 22; vgl. auch OLG Hamm NJW-RR 2000, S. 1669). Vorliegend hat die Klägerin den Nachweis eines Verkehrverstoßes der Beklagten noch nicht zur Überzeugung des Landgerichtes erbracht, wie sich bereits aus dem am 12.12.2007 verkündeten Beschluss ergibt, in welchem das Landgericht unter anderem eine Beweiserhebung über die behaupteten Äußerungen der Beklagten gegenüber den Polizeibeamten, also über eine weitere Hilfstatsache angeordnet hat. Der Ausgang dieser Beweiserhebung durch Vernehmung von Zeugen kann jedoch nicht in zulässiger Weise im Prozesskostenhilfeverfahren antizipiert werden. Schon aus diesem Grunde war der Beklagten in vollem Umfang Prozesskostenhilfe zu bewilligen, obgleich die vom Landgericht aufgezeigten Indizien - Wortwahl der Beklagten in ihrer schriftlichen Einlassung im Ermittlungsverfahren, widersprüchliche Angaben der Beklagten im Ermittlungsverfahren einerseits und im Rahmen ihrer Anhörung durch das Landgericht andererseits - gegen die Richtigkeit der Darstellung der Beklagten sprechen und auch das auf dem Sattel des Fahrrades der Beklagten festgestellte Blut der Sachverhaltsschilderung der Klägerin nicht entgegensteht, da es auch nach der eigentlichen Kollision dorthin getropft sein kann.

Die Beklagte ist schließlich nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Rechtsverteidigung aufzubringen, §§ 114 f ZPO. Die vom Landgericht angeordnete Ratenzahlung ist von der Beklagten nicht angegriffen worden.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil das erstinstanzliche Verfahren ebenso wie das erfolgreiche Beschwerdeverfahren gerichtsgebührenfrei sind und außergerichtliche Kosten nicht erstattet werden, §§ 118 Abs. 1 S. 4, 127 Abs. 4 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 574 Abs. 2 ZPO genannten Gründe gegeben ist. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.

Ende der Entscheidung

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