Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 21.02.2001
Aktenzeichen: 13 U 151/99
Rechtsgebiete: GenG, BGB, ZPO


Vorschriften:

GenG § 34 Abs. 1
GenG § 34 Abs. 3 Nr. 4 a. F.
GenG § 41
GenG § 99 Abs. 2 Satz 1
GenG § 99
GenG § 34 Abs. 4
GenG § 99 Abs. 2 Satz 2
GenG § 99 Abs. 1
BGB § 242
BGB § 284 Abs. 1 Satz 2
BGB § 288 Abs. 1 Satz 1 a. F.
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 108
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

13 U 151/99 Brandenburgisches Oberlandesgericht 5 O 149/98 Landgericht Neuruppin

Anlage zum Protokoll vom 21.02.2001

verkündet am 21.02.2001

Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

hat der 13. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 21. Februar 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kahl, den Richter am Oberlandesgericht Boiczenko und den Richter am Landgericht Dr. Gerschner

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 3. Juni 1999 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Neuruppin teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

1. Die Beklagten zu 1., 2., 3. und 6. werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 600.013,87 DM nebst 4 % Zinsen

a) auf 144.945,77 DM seit dem 15. Oktober 1998 und

b) auf 455.068,10 DM seit dem 11. Dezember 1998 zu zahlen.

2. Die Beklagten zu 1., 2. und 3. werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger weitere 1.318.895,43 DM nebst 4 % Zinsen

a) auf 545.388,00 DM seit dem 2. September 1998,

b) auf 625.677,68 DM seit dem 6. September 1998 und

c) auf 147.829,22 DM seit dem 17. Oktober 1998

zu zahlen.

Die Berufung des Klägers gegen die Beklagte zu 5. wird als unzulässig verworfen.

Von den Kosten des Rechtsstreits I. Instanz tragen

a) der Kläger die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 5. sowie 15 % der Gerichtskosten und der eigenen außergerichtlichen Kosten,

b) die Beklagten zu 1., 2., 3. und 6. als Gesamtschuldner 5 % der außergerichtlichen Kosten des Klägers und 5 % der Gerichtskosten,

c) die Beklagten zu 1., 2. und 3. als Gesamtschuldner 60 % der außergerichtlichen Kosten des Klägers und 60 % der Gerichtskosten.

Von den Kosten des Berufungsrechtszuges tragen

a) der Kläger die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 5. sowie 1 % der Gerichtskosten und der eigenen außergerichtlichen Kosten,

b) die Beklagten zu 1., 2., 3. und 6. als Gesamtschuldner 9 % der außergerichtlichen Kosten des Klägers und 9 % der Gerichtskosten,

c) die Beklagten zu 1., 2. und 3. als Gesamtschuldner 90 % der außergerichtlichen Kosten des Klägers und 90 % der Gerichtskosten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte zu 5. vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Beklagten zu 1., 2. und 3. dürfen die Vollstreckung jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 2.200.000,00 DM abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Beklagte zu 6. darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 700.000,00 DM abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Den Parteien wird gestattet, die Sicherheiten durch Beibringung schriftlicher, selbstschuldnerischer Bürgschaften von Kreditinstituten mit dem Sitz in der Bundesrepublik Deutschland zu leisten.

Die Beschwer des Klägers überschreitet 60.000,00 DM nicht.

Die Beschwer der Beklagten zu 1., 2. und 3. beläuft sich jeweils auf 1.918.909,30 DM, die des Beklagten zu 6. auf 600.013,87 DM.

Tatbestand:

Der klagende Gesamtvollstreckungsverwalter nimmt die Beklagten zu 1. und 2. als ehemalige Vorstandsmitglieder, die Beklagten zu 3. und 6. als damalige Mitglieder des Aufsichtsrates der Schuldnerin, einer eingetragenen Genossenschaft, auf Ersatz von Zahlungen in Anspruch, die - nach seiner Behauptung bei vorliegender Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit - in den Monaten August bis Dezember 1993 zu Lasten zweier Bankkonten der Schuldnerin erfolgten.

Die seit 1991 bestehende R e. G. befand sich im Jahre 1993 in einer angespannten wirtschaftlichen Lage, worüber dem Vorstand und dem Aufsichtsrat am 10. Juni 1993 durch den Prüfverband (G e.V.) berichtet wurde. Daraufhin wurde für den 29. Juni 1993 eine Generalversammlung der Genossenschaft einberufen, laut deren Protokoll (Bl. 18) der Zeuge K - als Wirtschaftsprüfer - die vorläufigen Ergebnisse per 31. Dezember 1992 und 31. Mai 1993. bekannt gab, wobei er eine wesentliche Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage feststellte, und weitere erhebliche Verluste für das laufende Geschäftsjahr erwartete. Im Ergebnis stellte er - so der Protokolltext - fest, "daß die Vermögenswerte nicht mehr ausreichen, die Schulden zu decken." Im Ergebnis der weiteren Erörterung beschloß die Generalversammlung einen "außergerichtlichen Vergleich" und wählte "als Vergleichsverwalter" eine Anwaltskanzlei; Vorstand und Aufsichtsrat sollten danach im Amt verbleiben (Bl. 20).

Im Lagebericht des Vorstandes vom 28. Juli 1993 (Bl. 87), den der Aufsichtsrat befürwortete, heißt es u.a.:

"Die wirtschaftliche Lage des Unternehmens hat sich seit dem Geschäftsjahr 1992 erheblich verschlechtert. Die Liquiditätslage ist äußerst angespannt. Das Eigenkapital ist am 31.12.1992 nahezu verbraucht."

und weiter:

"Ausweislich des Status vom 30.06.1993 ergab sich eine bilanzielle Überschuldung."

Die Genossenschaft unterhielt je ein Bankkonto bei der V bank U e. G. und der D AG. Die vorgelegten Kontoauszüge (D Bank: Bl. 562 f.; V bank: Bl. 587 f.) dokumentieren für die Monate August bis Dezember 1993 Zahlungsabflüsse in Höhe der Klagforderung.

Das "außergerichtliche Vergleichsverfahren" wurde bis in den Herbst 1996 fortgesetzt, blieb aber insofern erfolglos, als schließlich doch mit Beschluß des Amtsgerichts Neuruppin vom 30. Oktober 1996 (Bl. 14) die Gesamtvollstreckung über das Vermögen der Genossenschaft eröffnet und der Kläger zum Verwalter bestellt wurde.

Der Prüfverband legte seinen Prüfungsbericht (§ 53 GenG) für das Geschäftsjahr 1992 erst im Jahre 1994 vor (Bl. 23 f.). In diesem umfangreichen Bericht, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, heißt es u. a., daß Vorstand und Aufsichtsrat im Juni 1993 darüber informiert wurden, daß die Genossenschaft "zum 30.06.1993 überschuldet ist" (Bl. 26) und - bezogen auf diesen Stichtag - ein bilanziell durch Eigenkapital nicht gedeckter Fehlbetrag von TDM 1.083 bestehe (Bl. 46), was sich auch aus der beigefügten Rohbilanz (Bl. 51) ergibt.

Der Kläger hat behauptet, die Genossenschaft sei spätestens im Sommer des Jahres 1993 zahlungsunfähig geworden und seitdem auch überschuldet, wie sich aus dem Prüfbericht ergebe. Da gleichwohl noch die erwähnten Zahlungen erfolgt seien, bestehe insoweit eine Haftung der damaligen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder, die über jene Lage der Genossenschaft im Juni 1993 informiert worden seien, aber schuldhaft keinen Antrag auf Eröffnung der Gesamtvollstreckung gestellt hätten. Der Kläger hat zunächst die Beklagten zu 1. bis 5. wegen der Zahlungen aus August 1993 in Anspruch genommen (Bl. 1 f.) und anschließend auch Ersatz wegen der Folgemonate verlangt (Bl. 91, 140, 168), wobei er einerseits die gegen die Beklagte zu 5. gerichtete Klage - über 1.463.841,20 DM - mit dem Schriftsatz vom 14. Oktober 1998 (Bl. 144) zurückgenommen, sie andererseits - wegen letztlich 600.013,87 DM - auf den Beklagten zu 6. erweitert hat (Bl. 144, 168).

Der Kläger hat (zuletzt) beantragt,

1.) die Beklagten zu 1. bis 4. und 6. als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 600.013,87 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 15.10.1998 und 4 % Zinsen von 455.068,10 DM seit dem 11.12.1998 zu zahlen;

2.) die Beklagten zu 1. bis 4. als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn weitere 1.318.895,43 DM nebst 4 % Zinsen von 545.388,- DM seit dem 02.09.1998, 4 % Zinsen von 625.677,68 DM seit dem 09.09.1998 und 4 % Zinsen von 147.829,22 DM seit dem 17.10.1998 zu zahlen;

3.) die Beklagten zu 1. bis 3. als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 4 % Zinsen von 625.677,68 DM vom 6. bis 08.09.1998 zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben die Einrede der Verjährung erhoben. Sie haben eine Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit der Genossenschaft in Abrede genommen und die Einleitung des von der Generalversammlung beschlossenen "außergerichtlichen Vergleichsverfahrens" - anstelle eines Insolvenzantrages schon im Jahre 1993 - angesichts der damaligen wirtschaftlichen Lage und der Aussichten auf eine erfolgreiche Abwicklung für gerechtfertigt gehalten, zumal ihnen die eingeschalteten Fachleute hierzu geraten hätten. Geleistete Zahlungen seien in diesem Rahmen auch notwendig gewesen.

Das Landgericht hat gemäß Beschluß vom 21. Januar 1999 (Bl. 227) über den Inhalt der für Juni 1993 über die wirtschaftliche Lage der Schuldnerin geführten Gespräche Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen U K, H R, E M und K S. Wegen der Ergebnisse der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 29. April 1999 (Bl. 322 a f.) verwiesen.

Mit dem am 3. Juni 1999 verkündeten Urteil (Bl. 366 - 377), auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, hat das Landgericht - unter Vermerk, daß die Klage gegen die Beklagte zu 5. zurückgenommen ist - die Klage abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Es könne dahinstehen, ob die Genossenschaft im Sommer 1993 zahlungsunfähig und/oder überschuldet war. Die Beklagten hätten es jedenfalls nicht schuldhaft unterlassen, alsbald einen Insolvenzantrag zu stellen. Denn der von ihnen eingeschlagene Weg eines "außergerichtlichen Vergleichsverfahrens" sei nach damaligem Kenntnisstand vertretbar gewesen und damit hätten sie dem in § 34 Abs. 1 GenG definierten Sorgfaltsmaßstab genügt.

Gegen dieses ihm am 14. Juni 1999 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14. Juli 1999 Berufung eingelegt und diese am Montag, den 16. August 1999 begründet.

Der ehemalige Beklagte zu 4., G G, ist am 3. August 1999 verstorben (Sterbeurkunde Bl. 493).

Der Kläger hält das angefochtene Urteil für rechtsfehlerhaft, er wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag. Er behauptet, auch ohne Berücksichtigung der Bankschulden sei die Genossenschaft spätestens seit Sommer 1993 nicht mehr in der Lage gewesen, ihre fälligen Verbindlichkeiten abzudecken (Unterdeckung von 96 %). Außerdem habe eine bilanzielle Überschuldung vorgelegen und die Sachanlagen - namentlich in Immobilien - hätten keine stillen Reserven gehabt; insoweit wird speziell auf den Schriftsatz vom 10. April 2000 (Bl. 745 f.) Bezug genommen.

Nach Abtrennung des Verfahrens gegen den verstorbenen Beklagten zu 4. hat der Kläger, beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagten zu 1. bis 3. und 6. zur Zahlung an ihn zu verurteilen, wie vorliegend geschehen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil. Sie wenden ein, die Zahlungen seien zur Aufrechterhaltung des Betriebes erforderlich gewesen und ihr Handeln sei aufgrund des Beschlusses der Generalversammlung gerechtfertigt. Die Grundstücke hätten einen Verkehrswert von ca. 2 Mio. DM gehabt. Eine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung sei nicht schlüssig dargetan.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat das Verfahren gegen den verstorbenen Beklagten zu 4. bzw. dessen unbekannte Rechtsnachfolger mit Beschluß vom 21. Februar 2001 abgetrennt.

Entscheidungsgründe:

I.

Während die Zulässigkeit der gegen die Beklagten zu 1., 2., 3. und 6. gerichteten Berufung keinen Bedenken unterliegt, ist das Rechtsmittel bezüglich der Beklagten zu 5. unzulässig, weil das angefochtene Urteil den Kläger insoweit in der Hauptsache nicht beschwert.

Die gegen die Beklagte zu 5. gerichtete Klage ist schon vor der ersten mündlichen Verhandlung in der Vorinstanz zurückgenommen worden (Bl. 144). Diesen Umstand hat das Landgericht auch zutreffend in seinem Urteil vermerkt. Daraus folgt, daß sich die in der Urteilsformel des Landgerichts ausgesprochene Klagabweisung gar nicht auf die Beklagte zu 5. bezieht. Die gegenteilige Besorgnis des Klägers (Bl. 500) ist offensichtlich unbegründet. Die aus der Klagrücknahme resultierende Kostenfolge (§ 269 Abs.3 ZPO) ist zwingend und der Kostenausspruch des Landgerichts entspricht dem auch; sie wird vom Kläger nicht angegriffen.

II.

Die Berufung hat hinsichtlich der Beklagten zu 1., 2.; 3. und 6. in der Sache Erfolg. Diese Beklagten sind gemäß § 34 Abs. 3 Nr. 4 GenG (a. F.) zum Ersatz verpflichtet, soweit - was im Umfange der Klagesumme zutrifft - noch Zahlungen geleistet wurden, nachdem sich bereits im Juni 1993 eine Überschuldung der Genossenschaft ergeben hatte.

1.) Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Ersatzanspruch gegen die Vorstandsmitglieder, die Beklagten zu 1. und 2., ist § 34 Abs. 3 Nr. 4 GenG (a. F.). Für die Aufsichtsratsmitglieder, also die Beklagten zu 3. und 6., gilt jene Norm sinngemäß auch, wie aus § 41 GenG erhellt. Danach sind jene Organmitglieder der Genossenschaft zum Ersatz verpflichtet, wenn entgegen diesem Gesetz (oder dem Statut) Zahlungen geleistet werden, nachdem die Zahlungsunfähigkeit der Genossenschaft eingetreten ist oder sich ihre Überschuldung ergeben hat (sofern letztere Insolvenzgrund ist).

Sobald Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung - für die Organmitglieder erkennbar - vorliegen, unterliegen sie dem Zahlungsverbot gemäß § 99 Abs. 2 Satz 1 GenG. Der Verstoß hiergegen ist mit besagter Ersatzpflicht bewehrt. Sinn und Zweck des Zahlungsverbotes ist es die verteilungsfähige Vermögensmasse im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger zu erhalten und eine zu ihrem Nachteil gehende, bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger zu verhindern (vgl. BGH NJW 2000, 668; WM 2000, 2158 - zu § 64 Abs. 2 GmbHG).

Die strittigen Zahlungen in den Monaten August bis Dezember 1993 wurden entgegen dem Gesetz geleistet, weil die Genossenschaft zu dieser Zeit überschuldet war. Ob auch die Zahlungsunfähigkeit eingetreten war, wie der Kläger behauptet, kann folglich dahinstehen.

2.) Aufgrund der vorgelegten Unterlagen und auch nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme steht fest, daß dem Vorstand, dem Aufsichtsrat und schließlich auch der Generalversammlung im Juni 1993 eine bilanzielle Überschuldung per 30. Juni 1993 in Höhe von rund 1 Mio. DM mitgeteilt wurde. Das hat der Zeuge K der seinerzeit maßgeblich die Prüfung (nach § 53 GenG) durchgeführt hatte, ausgesagt und durch das Protokoll der Generalversammlung wird dies dokumentiert, denn dort wird der Zeuge mit der Aussage zitiert, daß die Vermögenswerte nicht mehr ausreichen, die Schulden zu decken. Im Hause der V bank war man ebenfalls von einer Überschuldung ausgegangen; wie der Zeuge R bestätigt hat.

Daß eine Überschuldung - wie sie im späteren Prüfbericht des G e. V. wiedergegeben ist - bilanziell vorlag; wurde damals auch von niemandem in Zweifel gezogen. Im Gegenteil: Der Lagebericht des Vorstandes vom 28. Juli 1993, dem der Aufsichtsrat zugestimmt hätte, spricht explizit von dieser Überschuldung und die Generalversammlung hatte jenen Befund ihrem Beschluß, die Genossenschaft abzuwickeln, zugrundegelegt. Der Prüfbericht dokumentiert per 30. Juni 1993 einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 1,033 Mio. DM (Bl. 51).

Der Senat verkennt nicht, daß zum näheren rechnerischen Nachweis der Überschuldung letztlich nur eine Rohbilanz vorgelegt ist, in der die einzelnen Bilanzposten kaum aufgegliedert und auch nicht im Detail erläutert sind (Bl. 51). Da der Zeuge K die dortigen Bilanzansätze aber bestätigt hat und weil die Beklagten als Organmitglieder zum damaligen Zeitpunkt eben jene Werte selber zugrundegelegt haben, ist dies als Nachweis ausreichend. Was die Beklagten hiergegen vorgebracht haben, überzeugt nicht. Soweit sie sich auf einen sogenannten "Rangrücktritt" der V Bank berufen haben, ist dies irreführend, denn einen solchen Rangrücktritt gab es zumindest im Jahre 1993 definitiv nicht. Ansonsten haben die Beklagten stille Reserven in den Immobilien vermutet (Bl. 122 f., 218), also in der Bilanzposition "Sachanlagen", die der Prüfbericht mit 2,067 Mio. BM ansetzt (Bl. 51). Hierzu hat mittlerweile aber der Kläger im einzelnen dargestellt, daß solche stillen Reserven nicht einmal ansatzweise vorhanden waren (Bl. 751 f.). Mit dieser eingehenden Darlegung zu den einzelnen Immobilien haben sich die Beklagten nicht substantiiert auseinandergesetzt. Das Vorhandensein stiller Reserven - dafür sind bei feststehender bilanzieller Überschuldung ohnehin die Beklagten darlegungspflichtig (vgl. BGH NJW 1994, 2220/2224) - ist nach alledem nicht dargetan.

Eine positive Fortführungsprognose ist seinerzeit auch nicht gestellt worden. Der "außergerichtliche Vergleich" sollte nicht der Fortführung der Genossenschaft als werbendes Unternehmen dienen, sondern lediglich eine vermeintlich "geräuschlose" Abwicklung ermöglichen.

3.) Angesichts der erkennbaren - und von den Beklagten ausweislich des Lageberichtes vom 28. Juli 1993 auch erkannten - Überschuldung wäre der Vorstand nach der klaren Gesetzeslage (§ 99 GenG) verpflichtet gewesen, unverzüglich, spätestens aber binnen 3 Wochen, den Antrag auf Eröffnung, der Gesamtvollstreckung zustellen (BGH WM 2001, 98/99). Die Erwägungen des Landgerichts; die auf eine Suspendierung von dieser Pflicht hinauslaufen, stehen mit dem Gesetz nicht in Einklang. Zwar ist gegen Sanierungsversuche in dieser kritischen Phase - natürlich - nichts einzuwenden. Das Landgericht und die Beklagten übersehen aber, daß solche Anstrengungen binnen der dreiwöchigen Frist zum Erfolg geführt, die Überschuldung also beseitigt haben müssen, um den Vorstand der Pflicht, den Insolvenzantrag stellen zu müssen, zu entheben. Davon aber kann hier nicht die Rede sein.

Die Beklagten haben auch schuldhaft gegen ihre Verpflichtung, noch vor Beginn des August 1993 den Insolvenzantrag zu stellen, verstoßen. Als Mitglieder des Vorstandes bzw. Aufsichtsrates mußten sie das in dieser Hinsicht völlig eindeutige Gesetz kennen bzw. sich davon Kenntnis verschaffen. In § 99 GenG steht nichts davon, daß ein "außergerichtliches Vergleichsverfahren" geeignet sein könnte, bei fortbestehender Überschuldung den Insolvenzantrag zu erübrigen. Selbst wenn ihnen von Dritten etwas derartiges suggeriert worden sein sollte, hätten sie sich nicht einfach darauf verlassen dürfen.

Der Beschluß der Generalversammlung vom 29. Juni 1993 kann die Beklagten auch nicht exkulpieren. § 34 Abs. 4 GenG privilegiert nur, das Handeln aufgrund gesetzmäßiger Beschlüsse. Ein Beschluß, der bezweckte den § 99 GenG zu konterkarieren, ist aber nicht gesetzmäßig, sondern offensichtlich gesetzeswidrig. Er darf vom Vorstand nicht befolgt, sondern muß von ihm notfalls angefochten werden.

4.) Daß die Genossenschaft die Zahlungen, die in der Summe den Klagebetrag ausmachen, geleistet hat, steht angesichts der mittlerweile vorgelegten Kontoauszüge fest. Die Beklagte sind folglich in dieser Höhe zum Ersatz verpflichtet und der entsprechende Anspruch kann vom Kläger als Verwalter in der Gesamtvollstreckung geltend gemacht werden (§ Abs. 2 GesO, Art. 103 EGInsO). Der Haftung können sie als Organmitglieder nur entgehen, wenn sie ihrerseits darlegen (und ggf. beweisen), daß es sich um Zahlungen handelte, die auch nach Vorliegen der Überschuldung noch mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar waren (§ 99 Abs. 2 Satz 2 und § 34 Abs. 2 Satz 2 GenG).

Eine solche schlüssige Darlegung fehlt.

Das zwischenzeitliche Ausscheiden der Organmitglieder vermag an dieser Verteilung der Darlegungs- und Beweislast nichts zu ändern.

Allerdings muß die Genossenschaft - und an ihrer Stelle der Kläger als Verwalter - den früheren Organmitgliedern fairerweise Einblick in die einschlägigen Geschäftsunterlagen gewähren. Das folgt mindestens aus § 242 BGB. Eben dies (Einsichtnahme) hat der Kläger den Beklagten auch angeboten. Mehr kann von ihm nicht verlangt werden.

Es wäre daher Sache der Beklagten gewesen, die Zahlungen - in Gänze oder zumindest teilweise - in dem oben beschriebenen Sinne zu rechtfertigen. Daran fehlt es. Namentlich reicht der bloße Hinweis darauf, daß auch Löhne und Lohnnebenkosten ausgezahlt wurden, nicht. Für § 99 Abs. 2 Satz 2 GenG kommen nämlich nur solche Zahlungen in Betracht, die dazu dienen, die Vermögensmasse als solche zu erhalten und Gefahren von ihr abzuwenden, bei schon stattgehabter Überschreitung der dreiwöchigen Frist des § 99 Abs. 1 GenG - wie hier - also nur solche, die auch ein Insolvenzverwalter vornehmen würde, um die Masse zu erhalten (oder zu mehren). Daß dies auf die hier vorgenommenen Zahlungen zutreffen könnte, ist nicht dargelegt.

5.) Der Ersatzanspruch ist nicht verjährt.

Die Verjährungsfrist beträgt 5 Jahre (§ 34 Abs. 6 GenG). Soweit es um Zahlungen im Sinne des § 34 Abs. 3 Nr. 4 CenG geht, beginnt die Verjährung mit Vornahme derselben.

Die Verjährung ist für die hier in Rede stehenden Zeiträume jeweils durch Klageerhebung rechtzeitig unterbrochen worden (§ 209 Abs. 1 BGB): Die Zahlungen von August 1993 waren Gegenstand der am Montag, den 3. August 1998 eingereichten Klage; die den Beklagten zu 1. bis 3. "alsbald" (§ 270 Abs. 3 ZPO) zugestellt wurde, nämlich am 1. September 1998 (Bl. 99 -102). Die Zahlungen von September 1993 wurden mit der am 1. September 1998 eingereichten und jenen Beklagten am 5. September 1998 zugestellten (Bl. 106-108) Klageerweiterung (Bl. 91) geltend gemacht. Mit dem am 8. Oktober 1998 eingereichten Schriftsatz (Bl. 140) folgten die Beträge ab dem 8. Oktober 1993; Zustellung am 16. Oktober 1998 (Bl. 149). Der Beklagte zu 6. wurde mit dem am 14. Oktober 1998 eingereichten (Bl. 144) und am nächsten Tage schon zugestellten (Bl. 150) Schriftsatz für die Zahlungen ab dem 14. Oktober 1993 in Anspruch genommen. Die Klageerweiterung auf die Zahlbeträge für November und Dezember 1993 erfolgte am 30. Oktober 1998 (Bl. 168), zugestellt am 10. Dezember 1998 (Bl. 211).

Der Einwand des Beklagten zu 1., daß in der Klageschrift der Vorname seines Sohnes angegeben ist, ändert an der - rechtzeitigen - Unterbrechung der Verjährung nichts. Aus dem Inhalt der Klage ergab sich zweifelsfrei, daß niemand anderes als der Beklagte zu 1. gemeint war und das ist auch während des gesamten Verfahrens von keinem der Beteiligten anders verstanden worden. Besagter Einwand wurde erst in zweiter Instanz erhoben, nachdem sich der Beklagte zu 1. - und nicht etwa sein Sohn - schon die ganze Zeit sachlich gegen die Klage verteidigt hatte. Die versehentliche Fehlbezeichnung schadet daher nicht.

6.) Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 284 Abs. 1 Satz 2, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB (a. F.).

7.) Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Beklagten zu 5. auf § 97 Abs.1 ZPO, im übrigen auf § 91 Abs. 1 ZPO. Der Senat hat dabei berücksichtigt, daß das Verfahren gegen den verstorbenen Beklagten zu 4. abgetrennt wurde und hinsichtlich seiner (bisherigen) Beteiligung am Rechtsstreit das Obsiegen und Unterliegen noch offen ist.

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils ergeben sich aus den § 708 Nr. 10, 711 ZPO, zur Art der Sicherheitsleistung aus § 108 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück