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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 30.10.2002
Aktenzeichen: 13 U 18/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 826
ZPO § 543 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

13 U 18/01 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 30.10.2002

verkündet am 30.10.2002

In dem Rechtsstreit

hat der 13. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 25. September 2002 durch den Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Landgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 01.12.2000 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam - Az. 1 O 742/98 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 18.000,00 € abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheitsleistungen können auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer großen deutschen Bank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse erbracht werden.

Die Revision zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.

Das Urteil beschwert den Kläger in Höhe von 11.167,83 €; dies ist auch der Streitwert für das Berufungsverfahren.

Tatbestand:

Der Kläger nimmt den Beklagten, der als Sachverständiger für Wertgutachten im Grundstücksverkehr tätig ist, auf Schadensersatz wegen der unrichtigen Erstellung eines Wertgutachtens für ein Grundstück in Anspruch. Dem liegt im einzelnen folgender Sachverhalt zugrunde:

Die E...GmbH beauftragte den Beklagten mit der Ermittlung des Verkehrswertes des im Eigentum der N... e. G. stehenden, in E... gelegenen Grundstücks, Flur ..., Flurstück ... mit einer Größe von 27.462 m². Der Inhalt des Gutachtenauftrages im einzelnen ist streitig. In dem Wertgutachten vom 02.04.1994 gab der Beklagte den Verkehrswert des Grundstückes zum 02.04.1994 mit gerundet 11.700.000,00 DM an (Gebäudesachwert: 3,56 Mio DM; Grundstückswert: 8,17 Mio DM). Wegen des weiteren Inhaltes des Gutachtens wird auf Bl. 23 ff. der Gerichtsakte Bezug genommen. Unter "Allgemeine Angaben" steht folgendes: "Zweck: Das Wertgutachten wird für Planungs- und Finanzierungszwecke benötigt". Ferner wird in dem Gutachten darauf hingewiesen, daß das Gutachten nur für den Auftraggeber und für den angegebenen Zweck bestimmt ist. Unter Ziffer 5.1 des Gutachtens ist ausgeführt, daß der Bodenwert anhand des mutmaßlichen Ertrages ermittelt worden ist.

Gemäß Bewilligung vom 09.04.1994 (Urkundennummer 148/94 des ehemaligen Notars S... in B...) wurde zugunsten der E...GmbH in U...in dem Grundbuch auf obigem Grundstück am 19.01.1995 an zweiter Rangstelle eine Grundschuld in Höhe von 10 Mio DM eingetragen. Diese Grundschuld ist laut Eintragung vom 14. März 1995 an die Zeugin T... M... (geb. C...), die Notarsgehilfin des ehemaligen Notars S... abgetreten.

Der Kläger erwarb am 20.10.1994 EU...-Obligationsscheine der E...GmbH mit einem Nennwert in Höhe von insgesamt 30.000 DM. Auf die Kopie des Zeichnungsscheins Bl. 18 der Gerichtsakte wird Bezug genommen. Die Obligationsscheine waren mit einer jährlichen Verzinsung von 9 % bei einer Laufzeit von 2 Jahren ausgestattet. Gleichzeitig schloß der Kläger einen Treuhandvertrag mit dem Zeugen Ü... S... , in welchem er diesem die Vollmacht für die Abwicklung des Geschäftes erteilte. Der Treuhänder sollte 10 % des Betrages auf ein mündelsicheres Rücklagenkonto, weitere 10 % auf ein Verwaltungs- und Infostellenkonto für die Verwaltungs- und Vertriebskosten und schließlich 80 % auf ein E... -Investkonto zur Investition von Grundstücks- und Bauprojekten im EWR zahlen.

Da die E...GmbH keine Bankerlaubnis hatte, untersagte das Bundesaufsichtsamt für Kreditwesen dieser in der Folgezeit den Verkauf von Anleihen. Die E...GmbH verpflichtete sich sodann dem Kläger gegenüber, das eingezahlte Kapital nebst 9 % Zinsen ab dem 01.03.1994 zurückzuzahlen.

Am vereinbarten Fälligkeitstag zahlte der Notar S...dem Kläger den mündelsicher zu 10 % des Nominalbetrages angelegten Teil von 3.257,62 DM aus; weitere Zahlungen erfolgten indes nicht. Nachdem die E...GmbH entgegen der Vereinbarung den Nettoanlagebetrag nicht auszahlte, erwirkte der Kläger vor dem Landgericht München I einen Zahlungstitel über 30.000,00 DM nebst Zinsen (Bl. 19 d. GA). Die E...GmbH stellte im Januar 1996 einen Vergleichsantrag, der mit Beschluß des Amtsgerichts München vom 18.03.1996 unter gleichzeitiger Eröffnung des Anschlußkonkursverfahrens abgelehnt wurde (Az.: 152 VN 7/96 und 152 N 376/96). Auch über das Vermögen der Grundstückseigentümerin wurde das Konkursverfahren eröffnet. Dem Zwangsversteigerungsverfahren sind die Anleger - unter anderem auch der Kläger - beigetreten. Der gerichtliche Sachverständige hat den Verkehrswert des Grundstückes zum Stichtag 02.12.1997 auf 2.260.000,00 DM festgestellt. Vorrang gegenüber der Grundschuld zugunsten der E...GmbH haben zwei Grundschulden im Wert von insgesamt 1,5 Mio DM.

Der Kläger hat behauptet, den Preis für den Erwerb der Obligationen in Höhe von 32.100,00 DM am 20.10.1994 an den Treuhänder geleistet zu haben. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, er sei als Dritter in den Schutzbereich des Gutachtenvertrages zwischen der E...GmbH und dem Beklagten einbezogen. Er hat hierzu behauptet, der Beklagte habe gewußt, daß sein Gutachten für mögliche Kreditgeber und im Interesse möglicher Anleger erstellt werde und deren Absicherung habe dienen sollen. Der Beklagte habe damit rechnen müssen, daß auf der Grundlage des von ihm erstellten Gutachtens Darlehen bis zu einem Betrag von gerundet 11,74 Mio DM hätten gewährt werden können. Weiterhin hat er behauptet, er habe das Gutachten vor Zeichnung der Obligationsscheine in München selbst eingesehen; ihm habe auch der Prospekt der E...vorgelegen. Wegen des Inhalts wird auf die Kopien Bl. 126 f d. GA Bezug genommen. Sein Anlagevermittler habe ihm unter Bezugnahme auf das vorgelegte Gutachten des Beklagten auf die Risikolosigkeit der Anlage hingewiesen. Auch sein Vermittler selbst habe das Gutachten zuvor eingesehen und geprüft. Die Ermittlung des Grundstückswertes durch den Beklagten sei jedoch grob falsch und hierdurch sei er geschädigt worden. Der Wertgutachter Dipl.-Ing. H... habe - dies ist unstreitig - den Wert des Grundstücks zum 25.05.1995 mit 3,2 Mio DM ermittelt. Wäre die Wertermittlung durch den Beklagten zutreffend erfolgt, so wäre der Rückzahlungsanspruch der Anleger und auch sein eigener hinreichend abgesichert. Zudem hätte der Treuhänder bei Kenntnis des wahren Wertes des Grundstücks die Zahlung des Klägers nur in gesicherter Höhe weitergeleitet.

Ursprünglich hat der Kläger beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 29.100,00 DM nebst Zinsen zu verurteilen. Nachdem der Kläger am 05.01.2000 von dem Zeugen S...auf die Hauptsache der Klageforderung einen Betrag in Höhe von 7.000,00 DM erhalten hat, haben die Parteien den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt.

Der Kläger hat sodann beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 21.842,38 DM nebst 3 % Zinsen aus 28.842,38 DM vom 21.10.1994 bis 26.11.1998, sowie 7 % Zinsen aus 28.842,38 DM vom 27.11.1998 bis zum 05.01.2000, sowie 7 % Zinsen aus 21.842,38 DM vom 06.01.2000 sowie weitere 30,00 DM vorgerichtliche Mahnkosten - Zug um Zug gegen Abtretung der Forderung des Klägers gegen die E...Gesellschaft für Liegenschaften mbH, ... Straße ..., ... U... , von dem Kläger erworben über die Einzahlung auf den Zeichnungsschein der E...Gesellschaft für Liegenschaften mbH am 20.10.1994 über 32.100,00 DM auf den Beklagten - zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat behauptet, der Gutachtenauftrag sei ihm gegenüber wie folgt begründet worden: Die E...GmbH stehe zur Zeit mit der Grundstückseigentümerin wegen des Erwerbs des Grundstücks in Verhandlungen. Die GmbH plane - im Falle eines Kaufes - die gesamte Fläche neu mit Wohn- und Geschäftshäusern bebauen zu lassen. Mit der Ermittlung eines konkreten Kaufpreises sei er nicht beauftragt worden; sondern er habe den Wert des Grundstücks unter Berücksichtigung der Vorstellungen der E...GmbH ermitteln sollen. Die Zeugen L...und H...hätten ihm bei der Beauftragung erklärt, sie wollten Aufschluß über die zu erwarteten Erträge auf der Grundlage ihrer Pläne erlangen. Das Gutachten habe allein als planerische Grundlage für die Auftraggeberin dienen sollen. Beteiligungen Dritter oder die konkrete Gewährung von besichernden Krediten seien nicht Gesprächsinhalt gewesen. Er habe - mangels anderer Anhaltspunkte - davon ausgehen können, daß das Gutachten lediglich für interne Zwecke bestimmt gewesen sei. Darüber hinaus hat er behauptet, der von ihm ermittelte Bodenwert für das Jahr 1994 sei nicht zu beanstanden. Er habe - entsprechend dem Auftrag - den marktgerechten Wert des Grundstücks auf der Grundlage eines anerkannten Wertermittlungsverfahrens durch die Bewertung des mutmaßlichen Ertrages ermittelt. Auf die Ausführungen des Beklagte auf Bl. 153 ff d. GA wird Bezug genommen.

Durch am 01.12.2000 verkündetes Urteil hat das Landgericht Potsdam die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Gericht im wesentlichen ausgeführt, es sei weder ein Anspruch in Höhe des geltend gemachten Betrages aufgrund einer Vertragsverletzung eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten des Klägers noch ein Anspruch wegen sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB gegeben. Der Vertrag entfalte keine Schutzwirkung für die Anleger, weil der Kreis der in diesen einbezogenen Personen zu groß und das Risiko deshalb nicht kalkulierbar sei. Darüber hinaus sei der Kläger nicht schutzwürdig, da er einen inhaltsgleichen Anspruch gegen den Treuhänder habe. Zudem fehle es an einem adäquaten Schadenseintritt. Die Voraussetzungen des § 826 BGB seien nicht dargelegt worden. Wegen der weiteren umfangreichen Begründung wird im übrigen auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses, dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 18.12.2000 zugestellte Urteil, hat er mit am 18.01.2000 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 19.02.2000 (Montag), bei Gericht am selben Tage eingegangen, begründet.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger weiterhin sein erstinstanzliches Begehren. Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Er ist weiterhin der Meinung, die Voraussetzungen für eine Haftung des Beklagten seien gegeben. Er behauptet, der Beklagte habe Kenntnis davon gehabt, daß sein Gutachten als Sicherungsmittel für Kapitalanlegergeschäfte genutzt werden sollte. Der von dem Beklagten in seinem Gutachten ermittelte Wert des Grundstücks sei grob fehlerhaft. Er habe hierdurch einen Schaden erlitten, weil die Sicherheit zur Befriedigung seiner Ansprüche nicht ausreichend gewesen sei. Er vertritt die Ansicht, daß - entgegen der Meinung des Landgerichts - die Zahl der Anleger begrenzbar sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Potsdam, verkündet am 01.12.2000 - Az. 1 O 742/98 - abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an ihn 21.842,38 DM nebst 3 % Zinsen aus DM 28.842,38 seit 21.10.1994 bis 26.11.1998, sowie 7 % Zinsen aus DM 28.842,38 seit 27.11.1998 bis 05.01.2000, sowie 7 % Zinsen aus 21.842,38 DM seit 06.01.2000 bis 30.04.2000, sowie 8,42 % Zinsen hieraus seit 01.05.2000 bis 31.08.2000, sowie 9,26 % hieraus seit 01.09.2000, sowie 30,00 DM vorgerichtliche Mahnkosten zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung wiederholt auch der Beklagte seinen erstinstanzlichen Vortrag. Als er Ende März 1994 von den Geschäftsführern der E...GmbH mit der Erstellung des Gutachtens beauftragt worden sei, sei ihm lediglich mitgeteilt worden, daß die E...GmbH mit der Grundstückseigentümerin in Verhandlungen zum Erwerb des Grundstückes stehe. Die E...GmbH habe eine neue Bebauung des gesamten Areals geplant. Es sei für ihn auch nicht erkennbar gewesen, daß ein Anleger einer Kapitalanlage der E...GmbH mit seinem Gutachten überhaupt in Verbindung kommen würde. Er vertritt die Ansicht, daß darüber hinaus der kausale Zusammenhang zwischen einem möglicherweise falschen Gutachten und dem eingetretenen Schaden fehle.

Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 07.10.2002 hat der Kläger ergänzend folgendes ausgeführt: Er meint, es sei unerheblich, ob der Beklagte bei Erstellung des Gutachtens Kenntnis von dessen Verwendungszweck gehabt habe. Nach außen sei die Art der Verwendung des Gutachtens für Finanzierungszwecke klar gewesen.Es sei durch die Beweisaufnahme bestätigt worden, daß das Gutachten zu Finanzierungszwecken erstellt werden sollte. Ob diese Finanzierung dann über Kreditinstitute oder private Kapitalgeber, also die geschädigten Anleger, durchgeführt werde, sei unerheblich. Ausreichend für eine Haftung des beklagten Sachverständigen sei, daß das von ihm erstellte Gutachten tatsächlich Dritten vorgelegt worden sei und diese auf die Richtigkeit vertraut hätten.

Der Senat hat gemäß Beweisbeschluß vom 27.06.2001 am 14.11.2001 die Zeugen H... , Mü..., K... , am 27.03.2002 die Zeugen M... , S...und am 25.09.2002 den Zeugen L...vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die jeweiligen Sitzungsniederschriften Bl. 635, 658, 699 Bezug genommen. Auf eine Vernehmung des ursprünglich benannten Zeugen S...haben beide Parteien verzichtet.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers ist in der Sache selbst unbegründet. Ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 21.842,38 DM nebst Zinsen besteht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt.

I.

1. Ein Schadensersatzanspruch aufgrund der Verletzung eines von den Parteien stillschweigend geschlossenen Auskunftvertrages (vgl. hierzu BGH NJW 1992, S. 2080 m.w.N.) ist nicht gegeben. Unmittelbare vertragliche Beziehungen zwischen den Parteien bestehen nicht.

2. Ein Schadensersatzanspruch des Klägers gegen den Beklagten nach den Grundsätzen der positiven Forderungsverletzung (PVV) aufgrund einer Verletzung des von dem Beklagten mit der E...GmbH geschlossenen Vertrages über die Erstellung eines Verkehrswertgutachtens besteht ebenfalls nicht.

Der Gutachtenvertrag entfaltet keine Schutzwirkung zugunsten des Klägers. Ein Vertrag entfaltet grundsätzlich dann Schutzwirkung zugunsten Dritter, wenn diese bestimmungsgemäß mit der Leistung in Berührung kommen und diese deshalb - für den Schuldner erkennbar - den Gefahren von Schutzpflichtverletzungen ebenso ausgesetzt sind, wie der Gläubiger des Vertrages selbst (Palandt/Heinrichs, BGB 60. Aufl., § 328 Rdnr. 16). Bei der Beauftragung von Gutachtern und Sachverständigen ist ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter dann bejaht worden, wenn und soweit sich aus den Umständen des Falles hinreichende Anhaltspunkte für einen auf den Schutz Dritter gerichteten Parteiwillen ergeben, insbesondere dann, wenn das Gutachten erkennbar für eine Verwertung gegenüber Dritten bestimmt ist (vgl. OLG Brandenburg, Entscheidung vom 14.10.1998 - Az.: 1 O 38/98 -; OLG Brandenburg, Entscheidung vom 19.04.2000 - Az.: 13 O 190/99 -). In die Schutzwirkung eines Vertrages über die Erstattung eines Gutachtens durch einen öffentlich bestellten Sachverständigen zum Wert eines Grundstücks sind diejenigen einbezogen, denen das Gutachten nach seinem erkennbaren Zweck für Entscheidungen über Vermögensdispositionen vorgelegt werden soll (BGH NJW 98, S. 1059, 1060; BGH NJW 1995, S. 392). Die Frage, wer in den Schutz eines Vertrages einbezogen wird, beurteilt sich nicht allein nach den Kenntnissen der Vertragsparteien über die Personen, die möglicherweise mit der vertragsgemäßen Leistung in Berührung kommen können. Auch wenn die Ausgestaltung des Drittschutzes durch die Vertragsparteien grundsätzlich deren Gestaltungsfreiheit unterliegt, kann aus der Unkenntnis der Personen, die in den Schutzbereich des Vertrages fallen, nicht deren Nichteinbeziehung in den Schutzbereich abgeleitet werden (BGH NJW 1998, S. 1059). Für die Einbeziehung ist es ausreichend, wenn die Ausarbeitung eines Gutachtens für einen Käufer oder einen Kreditgeber bestimmt war. Das bedeutet allerdings nicht, daß der Kreis der unter die Schutzpflicht fallenden Personen uferlos ausgeweitet werden dürfte; es ist vielmehr erforderlich, daß die Schutzpflicht auf eine überschaubare klar abgrenzbare Personengruppe beschränkt wird. Kommen mehrere Darlehensgeber in Betracht, besteht kein rechtliches Hindernis, sie alle in den Schutzbereich einzubeziehen (BGH NJW-RR 1993, S. 944). Gleiches gilt grundsätzlich auch dann, wenn es sich um komplexere Darlehens- oder Finanzierungsvorgänge handelt, bei denen etwa im Rahmen einer einheitlichen Finanzierungsmaßnahme ein Teil des Darlehens nur gegen weitere Sicherheiten gewährt wird. Allerdings muß auch dabei der Kreis der geschützten Dritten überschaubar bleiben (BGH NJW 1998, S. 1059). Es fehlt hier an der Einbeziehung des Klägers in den Schutzbereich des Vertrages zwischen dem Beklagten und der E...GmbH über die Erstattung eines Gutachtens.

a) Einem Vertrag mit Schutzwirkung steht allerdings - entgegen der Auffassung des Beklagten - nicht entgegen, daß der Beklagte kein öffentlich bestellter und vereidigter Gutachter ist. Nur dann, wenn beispielsweise zwischen Verkäufer und Käufer einer Immobilie gegenläufige Interessen bestehen, läßt sich ein auf eine solche Schutzwirkung hinweisender Wille der Vertragsparteien begründen, wenn die Person, die das Gutachten erstellt hat, über eine besondere vom Staat anerkannte Sachkunde verfügt (BGH NJW 1995, 392). Wo dies - wie hier - nicht der Fall ist, die Interessen der Anleger und der E...GmbH sind nicht gegenläufig, kann eine Haftung nicht bereits deshalb verneint werden, weil das Gutachten nicht von einem öffentlich bestellten und vereidigten Gutachter erstellt worden ist.

b) Der Kläger ist jedoch nicht in den Schutzbereich des Gutachtenvertrages der E...GmbH mit dem Beklagten einbezogen, weil davon auszugehen ist, daß der Beklagte keine Kenntnis davon hatte, daß sein Gutachten als Grundlage für ein Anlagegeschäft der E...GmbH dienen sollte. Dem Kläger ist es nicht gelungen, seinen Vortrag,daß das Gutachten nach seinem Zweck erkennbar Dritten, insbesondere den letztlich geschädigten Anlegern vorgelegt werden sollte und daß es sich bei diesen Dritten um einen abgrenzbaren Personenkreis gehandelt hatte, zu beweisen.

Allein aufgrund der in dem Gutachten selbst enthaltenen Angabe, dieses werde für Planungs- und Finanzierungszwecke benötigt, folgt nicht bereits die Einbeziehung des Klägers in den Schutzbereich des Gutachtenvertrag. Der Inhalt des Vertrags ist nicht "objektiv" oder aus der Sicht der Dritten, die das Gutachten einsehen zu beurteilen; sondern entscheidend ist zunächst der Wille der den Vertrag schließenden Parteien. Daß der übereinstimmende Wille der Par-teien war, das Gutachten Anlegern vorzulegen, haben die von dem hierfür beweisbelastete Kläger benannten Zeugen nicht bestätigt.

Der Aussage der zu diesem Komplex benannten Zeugen H... , Mü...und L... kommt nicht der für ein positives Beweisergebnis erforderliche Beweiswert zu. Die Aussagen der Zeugen H...und Mü...waren bereits nicht ergiebig. Der Zeuge H...hat bei seiner Vernehmung durch den Senat am 14. November 2001 nämlich bekundet, daß er den eigentlichen Gutachterauftrag überhaupt nicht erteilt habe. Er konnte zu den Einzelheiten des Gespräches mit dem Beklagten keine Auskunft erteilen. Der Zeuge Mü...hat dem Beklagten lediglich die Besichtigung des zu begutachtenden Grundstücks ermöglicht. Aber auch der Zeuge L...hat den Sachvortrag des Klägers nicht bestätigt. Er hat vielmehr bekundet, daß dem beklagten Sachverständigen zu der Frage der EU...-Anleihe nichts gesagt worden ist. Es sei mit dem Sachverständigen im wesentlichen über die Bebauungsabsicht der Gesellschaft gesprochen worden. Es sei lediglich, so hat er bekundet, möglicherweise die Finanzierung durch die Beleihung des Grundstückes für die beabsichtigte Bebauung besprochen worden.

Allein auf der Grundlage dieser Informationen war für den Gutachter nicht erkennbar, daß das Gutachten einer Vielzahl von Dritten zugänglich gemacht wird und daß es als Werbung für ein Anlagemodell eingesetzt werden soll. Die Anleger, zu denen auch der Kläger gehörte, waren auch gerade keine üblichen Darlehensgeber für einen möglichen Erwerb des Grundstückes. Möglichen Kreditgebern für die Durchführung eines Bauvorhabens wäre es entscheidend darauf angekommen, welcher Gewinn zukünftig - nach Durchführung der Baumaßnahmen - zu erwarten gewesen wäre. Allenfalls Anleger, die bewußt eine Investition in bezug auf das Bauvorhaben vornehmen wollten unter Berücksichtigung zu erwartender Erträge, wären in den Schutzbereich des Gutachtenvertrages einbezogen worden, wenn der Gewinn nach dem Erwerb des Grundstücks und der Durchführung der Investitionen nicht hätten erzielt werden können. Um solche Darlehensgeber handelte es sich bei den Anlegern, wie auch dem Kläger, nicht. Diese Anleger - wie auch der Kläger - wollten durch die Grundschuld vielmehr eine ausreichende Sicherheit für die der GmbH gewährten Anleihen. Hiermit mußte der Beklagte nicht rechnen.

Die Ausgabe der Obligationsscheine diente auch nicht - für den Beklagten erkennbar - gerade dem Zweck der Finanzierung des Erwerbs oder der Bebauung des Grundstücks. Die E...GmbH hatte nie ernsthafte Anstalten gemacht, das Grundstück überhaupt zu erwerben und dies ist auch nicht gegenüber den Anlegern vorgespiegelt worden. Im Zeitpunkt der Erstattung des Gutachtens war die GmbH zudem nicht Eigentümerin des Grundstücks.Daß das Gutachten dazu verwendet werden würde, eine bestellte Grundschuld an dem Grundstück als werthaltig erscheinen zu lassen, um Dritten gegenüber vorzutäuschen, daß eine Sicherheit für ein Darlehen, das sie nie erhalten sollten, werthaltig sei, mußte der Beklagte nicht erkennen.

Weitere Zeugen sind nicht benannt worden. Auf den ursprünglich im Beweisbeschluß aufgeführten Zeugen S...haben Parteivertreter übereinstimmend verzichtet.

c) Zweifelhaft erscheint darüber hinaus auch, ob bei einer Vielzahl der Anleger noch von einer Überschaubarkeit der in den Schutzbereich einbezogenen Personen gesprochen werden kann. Das Gutachten wurde zur Werbung für ein Anlagemodell gegenüber einer unbestimmten Zahl von Anlegern verwendet, denen eine dingliche Sicherheit an dem von dem Beklagten bewerteten Grundstück, das nicht im Eigentum der GmbH stand, gar nicht eingeräumt werden sollte.

Infolge eines möglicherweise beträchtlichen Anlegerkreises dürfte jedenfalls das wirtschaftliche Risiko für den Gutachter kaum noch kalkulierbar sein.

Es konnte deshalb dahinstehen, ob das Gutachten des Beklagten tatsächlich fehlerhaft ist. Der Beweisbeschluß des Senates mußte deshalb nicht weiter ausgeführt werden. Hierauf waren die Parteivertreter in der mündlichen Verhandlung auch hingewiesen worden.

3. Auch eine Haftung des Sachverständigen gemäß § 826 BGB scheidet aus. Voraussetzung für die Haftung eines Sachverständigen aus § 826 BGB für Schäden, die daraus entstanden sind, daß ein Dritter auf die Richtigkeit eines von ihm erstellten aber tatsächlich unrichtigen Gutachtens vertraut hat, ist zunächst die Feststellung von Umständen, die das Verhalten des Sachverständigen als Verstoß gegen die guten Sitten erscheinen lassen. Daß der Sachverständige ein fehlerhaftes Gutachten erstattet hat, reicht dazu nicht aus. Erforderlich ist vielmehr, daß der Sachverständige sich etwa durch nachlässige Ermittlungen zu den Grundlagen seines Auftrages oder gar durch "ins Blaue" gemachte Angaben der Gutachtenaufgabe leichtfertig entledigt und damit eine Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Adressaten des Gutachtens und den in seinem Informationsbereich stehenden Dritten an den Tag gelegt hat, die angesichts der Bedeutung, die das Gutachten für deren Entschließungen hatte und der von ihm in Anspruch genommenen Kompetenz als gewissenlos bezeichnet werden muß (BGH NJW 91, S. 3282). Daran fehlt es hier. Selbst wenn das Gutachten, wie der Kläger vorträgt unrichtig ist, so fehlt es an der Darlegung, daß der Beklagte bei der Erstattung des Gutachtens leichtfertig und gewissenlos gehandelt hat. Es wird nicht vorgetragen, daß sich dem Beklagten Zweifel an der Richtigkeit seiner Begutachtung im Zeitpunkt der Erstattung des Gutachtens aufdrängen mußten.

II.

Die Zulassung der Revision zum Bundesgerichtshof ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO geboten, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Frage, ob die Erwerber von Obligationsscheinen in den Schutzbereich eines Gutachtenvertrages einbezogen sind mit der Folge, daß der Gutachter auch gegenüber den Anlegern haftet, weil sein Vertragspartner das Gutachten dazu verwendet hat, eine bestellte Grundschuld an einem Grundstück als werthaltig erscheinen zu lassen, ist von grundlegender Bedeutung und - soweit ersichtlich - bisher nicht höchstrichterlich entschieden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Die Nebenentscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteiles ergeben sich deshalb aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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