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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 26.09.2007
Aktenzeichen: 13 U 37/07
Rechtsgebiete: BGB, EGBGB


Vorschriften:

BGB §§ 293 ff.
BGB §§ 346 ff.
BGB § 347
BGB § 459
BGB § 465
BGB § 467
BGB § 469
BGB § 469 Abs. 2
BGB § 469 Satz 2 a.F.
BGB § 651
BGB §§ 812 ff.
EGBGB Art. 229 § 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

13 U 37/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 26.09.2007

Verkündet am 26.09.2007

in dem Rechtsstreit

hat der 13. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 5. September 2007 durch die Richterin am Oberlandesgericht Rieger als Einzelrichterin

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 13.02.2007 verkündete Urteil des Landgerichts Cottbus, Az.: 2 O 219/05, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Aufgrund Vertrages vom 19.01.2001 erwarben die Kläger von der Beklagten eine Einbauküche "Rügen" 336 Birke, bestehend aus Korpus und Sockel: Birke, Arbeitsplatte und WAP: 060 grün, Arbeitsplatten-Höhe: 86 cm, Kranzleiste: GS61Z meeresgrün, Lichtleiste: BL61Z meeresgrün, Vollauszüge, Griff: GE 021, Handtuchhalter, Halogenstrahler-Set, bestehend aus 3 Strahlern und einen Trafo, Achsrohr, Stellring, Mischbatterie Nr. 470 beige mit Schlauchbrause, Granitfeld 112204 grün 25 x 25, Hitzeschutzplatte, Unterbauradio (Siemens), Gerätefarbe: Edelstahl, Kühl-Gefrierkombi KIV 2474, Lüfterbaustein DHL 755 K, Herd/KochfeldSet HND 2329, HEN 215 T Herd mit Multifunktion, NKN 625 A Cerankochfeld, Granitspüle PAPILLON PAG 654 beige, Becken rechts zum Preis von 22.568 DM ( = 11.538,84 €). Mit Schreiben vom 19.10.2004 setzte die Klägerin zu 2) die Beklagte davon in Kenntnis, dass sich von einigen Türen das Furnier von den Türblättern gelöst habe. Gleichzeitig bat sie um Klärung bzw. Lösung des Problems. In einem weiteren Schreiben vom 17.12.2004, dem eine Kopie des Schreibens vom 19.10.2004 beigefügt war, teilten die Kläger der Beklagten mit, nach mehrfachen vergeblichen Versuchen einer telefonischen Rücksprache mit der Beklagten seien sie mit Frau Z... verbunden worden. In diesem Gespräch sei ihnen eine anteilmäßige Kostenerstattung in Aussicht gestellt worden. Außerdem sei ein Ortstermin am 30.11.2004 zur Schadensaufnahme vereinbart worden. Zu diesem Termin sei niemand erschienen. Abschließend forderten sie die Beklagte letztmalig auf, bis zum 31.12.2004 der Garantiepflicht nachzukommen. Da die Beklagte auf dieses Schreiben nicht reagierte, beauftragten die Kläger ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten. Dieser teilte der Beklagten mit Schreiben vom 01.02.2005 mit, dass sich bei sämtlichen Türen der Küche das Furnier ablöse. Gleichzeitig forderte er die Beklagte auf, die genannten Mängel bis spätestens zum 15.02.2005 abzuarbeiten. Mit Schreiben vom 15.02.2005 baten die jetzigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten um Verlängerung der Frist. Nachdem diese Fristverlängerung gewährt wurde, die verlängerte Frist aber ebenfalls ergebnislos verstrichen war, setzte der Prozessbevollmächtigte der Kläger der Beklagten eine letzte Frist zur Mangelbeseitigung bis spätestens zum 05.04.2005. Gleichzeitig kündigte er für den Fall, dass bis dahin eine Mangelbeseitigung nicht erfolgt sei, an, dass der Rücktritt vom Vertrag erklärt werde. Mit Schreiben vom 06.05.2005 forderte der jetzige Prozessbevollmächtigte der Kläger die Beklagte auf, die Einbauküche "Rügen" 336 Birke, bestehend aus Korpus und Sockel: Birke, Arbeitsplatte und WAP: 060 grün, Arbeitsplatten-Höhe: 86 cm, Kranzleiste: GS61Z meeresgrün, Lichtleiste: BL61Z meeresgrün, Vollauszüge, Griff: GE 021, Handtuchhalter, Halogenstrahler-Set, bestehend aus 3 Strahlern und einen Trafo, Achsrohr, Stellring, Mischbatterie Nr. 470 beige mit Schlauchbrause, Granitfeld 112204 grün 25 x 25, Hitzeschutzplatte, Unterbauradio (Siemens), Gerätefarbe: Edelstahl, Kühl-Gefrierkombi KIV 2474, Lüfterbaustein DHL 755 K, Herd/Kochfeld-Set HND 2329, HEN 215 T Herd mit Multifunktion, NKN 625 A Cerankochfeld, Granitspüle PAPILLON PAG 654 beige, Becken rechts, bis spätestens zum 16.05.2005 abzuholen.

Die Kläger haben beantragt,

wie erkannt. Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Kläger zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt seien. Die Einbauküche habe an einem Mangel gelitten. Eine Nacherfüllung sei den Klägern nicht zumutbar gewesen. Allerdings müssten sie sich auf ihren Rückgewähranspruch in Bezug auf den Kaufpreis eine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie wendet sich gegen die Höhe der Nutzungsentschädigung. Außerdem meint sie, sich nicht im Annahmeverzug befunden zu haben, weil die Kläger Nachbesserungsversuche vereitelt hätten.

Sie beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen. Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

Wegen der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze und der Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung (§§ 511, 517, 519, 520 ZPO) hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages aufgrund wirksam erklärten Rücktritts. Der Anspruch der Kläger folgt entweder aus §§ 651 i.V.m. 467, 469, 346 ff. oder aus §§ 459, 462, 467, 469, 346 ff. BGB, 812 ff. BGB in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung, Art 229 § 5 EGBGB. Die Küche ist mit einem Mangel i.S.d. § 459 BGB a.F. behaftet. Dies steht aufgrund der Feststellungen des Sachverständigen B... in seinem Gutachten vom 5.6.2006 fest. Er hat das Vorbringen der Kläger, wonach sich die Dekorfolienbeschichtung von den Türen lost, bestätigt. Zudem wird das klägerische Vorbringen durch die dem schriftlichen Gutachten beigefügten Fotos dokumentiert. Das Bestreiten eines Mangels durch die Beklagte ist vor diesem Hintergrund unbeachtlich. Zwar führt die Ablösung der Dekorfolienbeschichtung von den Furnieren nicht zu einer Funktionsbeeinträchtigung der Küche insgesamt - die mitgelieferten Elektrogeräte wie Herd und Kühlschrank sind weiterhin und unabhängig von ihrem äußeren Erscheinungsbild zu dem vertraglich vorgesehen Gebrauch geeignet. Gleichwohl folgt der Senat der Einschätzung des Landgerichts, wonach in dem hier gegebenen Fall schon die bloße optische Beeinträchtigung der Küchenmöbel und Verkleidungen der Elektrogeräte einen Mangel der Einbauküche insgesamt darstellt. Ein Sachmangel i.S.d. § 459 BGB a.F. liegt nicht nur bei einer Gebrauchsbeeinträchtigung, sondern schon dann vor, wenn die Kaufsache infolge des Vorliegens des Fehlers in ihrem Wert gemindert ist. Maßgeblich für den Wert ist, als was die Sache verkauft worden ist (BGH NJW 83, 2242). Anders als eine aus Einzelküchengeräten und Möbeln zusammengesetzte Küche wird eine Einbauküche in der Regel als Einheit erworben. Es entspricht ihrem Wesen, dass sie nicht nur den vorhandenen räumlichen Gegebenheiten angepasst wird, sondern darüber hinaus Elektrogeräte und Küchenmöbel, wie Unter-, Ober- und Hängeschränke, ein einheitliches Design aufweisen. Wenn sich dann - wie vorliegend - die Türverkleidungen ablösen, stört dies die Optik der als Einheit erworbenen Einbauküche in einem solchen Maße, dass der Wert der Gesamtküche gemindert ist.

Dies gilt erst Recht mit Blick auf den hohen Anschaffungspreis der Küche. Wer eine Einbauküche zum Preis von über 20.000 DM erwirbt, darf erwarten, dass nicht nur die Elektroküchengeräte funktionieren, sondern auch die Möbel und die die Elektrogeräte verkleidenden Fronten optisch einwandfrei sind, insbesondere, dass der Gesamteindruck nicht durch Mängel an der Verkleidung einzelner Möbel bzw. Geräte gestört wird.

In der Rechtsfolge können die Kläger wegen des vorhandenen Mangels Rückgängigmachung des Vertrages verlangen, §§ 462, 465, 467, 469, 346 BGB. An das Vorliegen weiterer Voraussetzungen, insbesondere Nachbesserungsverlangen, ist die Ausübung des Wandlungsrechts nach dem bis zum 1.1.2002 geltenden Gewährleistungsrecht nicht geknüpft gewesen. Nach dem Schuldrecht in der bis zum 01.01.2002 geltenden Fassung war ein Nachbesserungsrecht des Verkäufers nicht von Gesetzes wegen vorgesehen. Dass ein entsprechendes Nachbesserungsrecht zwischen den Parteien vereinbart worden sei, ist nicht dargelegt. Dabei ist das Recht zur Wandelung nicht auf die konkret geschädigten Türen bzw. Verkleidungen beschränkt, § 469 BGB. Nach § 469 Satz 2 BGB a.F. kann die Wandelung dann, wenn mehrere Sachen als zusammengehörend verkauft sind - wie hier die Einbauküche - auf alle Sachen erstreckt werden, wenn die mangelhaften Sachen nicht ohne Nachteil von den übrigen getrennt werden können. Der Nachteil i.S.d. § 469 Abs. 2 BGB ist zur Vermeidung unwirtschaftlicher, wertmindernder Zerteilung von Sachgesamtheiten weit auszulegen. Er ist schon gegeben, wenn passende Ersatzstücke nicht oder nur schwer zu beschaffen sind. So liegt der Fall hier. Infolge der Insolvenz des Herstellers ist die Ersatzbeschaffung mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Davon ist sogar nach dem Vorbringen der Beklagten auszugehen. Die nach alledem wirksam erklärte Wandlung des Kaufvertrages hat die Wirkung, dass gemäß § 346 BGB die beiderseits empfangenen Leistungen zurück zu gewähren sind. Auf dieser Grundlage ist die Beklagte zur Erstattung des von den Klägern gezahlten Kaufpreises verpflichtet. Gleichzeitig haben die Kläger der Beklagten gem. §§ 346, 347 BGB Ersatz für die während der Dauer des Gebrauchs der Küche gezogene Nutzungen zu leisten. Dabei ist der Wert der Nutzung durch Schätzung der zeitanteiligen linearen Wertminderung im Vergleich zwischen tatsächlichem Gebrauch und voraussichtlicher Gesamtnutzungsdauer zu ermitteln (BGHZ 115, 54). Den Wert der Nutzungen hat das Landgericht unter Beachtung der vorgegebenen Maßgaben zutreffend ermittelt. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist für den Vergleich zwischen tatsächlicher und voraussichtlicher Gesamtnutzungsdauer nicht zwischen Elektrogeräten und Küchenmöbeln bzw. Verkleidungen für die gelieferten Einbauelektrogeräte zu differenzieren. Die mit identischen Türen bzw. Verkleidungen wie die Elektrogeräte versehenen übrigen Möbel sind bei einer Einbauküche einheitlich zu beurteilen. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, aufgrund welcher Kenntnisse bzw. Umstände die Beklagte annimmt, dass die Gesamtnutzungsdauer der Küchenmöbel geringer sei als die der Elektrogeräte. Ihre schlichte Behauptung ist schon nicht geeignet, darüber erneut Beweis zu erheben. Dies gilt umso mehr, als der Sachverständige in erster Instanz in Übereinstimmung mit der Auffassung des Senats eine einheitliche Betrachtung von Möbeln und Elektrogeräten vorgenommen hat.

Der Feststellungsantrag der Kläger ist ebenfalls begründet.

Mit Erklärung des Rücktritts und der Aufforderung, die Küche Zug um Zug gegen Erstattung des Kaufpreises zurückzunehmen, ist die Beklagte in Annahmeverzug geraten, §§ 293 ff.. Die von Seiten der Kläger geschuldete Leistung, nämlich Herausgabe der Einbauküche, ist der Beklagten so, wie sie zu bewirken ist, tatsächlich angeboten worden. Die Beklagte ist darauf nicht eingegangen. Dem kann sie nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass die Kläger auf ihre Nachbesserungsvorschläge nicht nur nicht eingegangen seien, sondern Nachbesserungen sogar vereitelt haben. Zum einen ist nach dem Schuldrecht in der bis zum 01.01.2002 geltenden Fassung ein Nachbesserungsrecht des Verkäufers nicht von Gesetzes wegen vorgesehen. Dass ein entsprechendes Nachbesserungsrecht in den AGB vereinbart worden sei, ist nicht dargelegt. Zum anderen ist angesichts der Zeitspanne zwischen der ersten Mitteilung von Mängeln und dem endgültigen Lossagen vom Vertrag von etwa sieben Monaten die Annahme der Vereitelung von Nachbesserungsversuchen schlichtweg unhaltbar. Nicht die Kläger haben, unabhängig davon, ob eine Nachbesserung vorgesehen war oder nicht, eine solche vereitelt. Vielmehr war es die Beklagte, die die Kläger durch ihre mangelnde Reaktion und durch das mehrfache Vertrösten von Schadensbeseitigungsvorschlägen auf einen späteren Zeitpunkt veranlasst hat, sich vom Vertrag zu lösen. Dies gilt selbst dann, wenn zugunsten der Beklagten unterstellt wird, dass sie aufgrund der wenig präzisen Mängelanzeige der Kläger vom 19.10.2004 keine hinreichende Kenntnis von Art und Umfang des Mangels und des Verlangens der Kläger hatte. Spätestens seit Januar 2005 war sie darüber klar ins Bild gesetzt und hätte auf die Kläger zugehen können und müssen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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