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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 08.08.2007
Aktenzeichen: 13 U 51/07
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 426 Abs. 1 Satz 1
BGB § 426 Abs. 1 Satz 1, 2. HS
ZPO § 543 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

13 U 51/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 8.8.2007

Verkündet am 8.8.2007

in dem Rechtsstreit

hat der 13. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Trimbach, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Gerschner und die Richterin am Oberlandesgericht Rieger

auf die mündliche Verhandlung vom 18. Juli 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 8.3.2007 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 12. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Parteien, mittlerweile geschiedene Eheleute, streiten um die Ausgleichspflicht für vom Kläger im Außenverhältnis geleistete Mietzins- und Betriebskostenzahlungen für die frühere, gemeinschaftlich angemietete Ehewohnung.

Im Januar 2002 zog der Kläger aus der früheren Ehewohnung aus. Das Mietverhältnis über die von der Beklagten mit der am ...2001 geborenen gemeinsamen Tochter zunächst beibehaltenen Ehewohnung endete aufgrund Kündigung zum 30.4.2003. Bis zu diesem Zeitpunkt zahlte der Kläger wie während des Bestehens der Ehe sowohl den vertraglich vereinbarten Mietzins wie auch die Betriebskosten. In einem Schreiben vom 6.1.2003 an die spätere Prozessbevollmächtigte der Beklagten zum Scheidungsverfahren forderte der Kläger unter anderem eine möglichst zügige Mitteilung, wie mit dem Mietvertrag "umgegangen" werde. Gleichzeitig machte er einen Anspruch auf Ersatz der Hälfte der von ihm allein getragenen Mietkosten geltend. Seine vorprozessuale Aufforderung, ihm die geleisteten Miet- und Betriebskostenzahlungen zu erstatten, wies die Beklagte unter Hinweis darauf, dass der Kläger während der Trennung keinen Trennungsunterhalt gezahlt habe, zurück. Mit seiner Klage hat der Kläger die Beklagte auf Zahlung von 11.40146 € in Anspruch genommen. Die Beklagte ist seinem Begehren mit der Behauptung entgegen getreten, der Kläger habe gelegentlich eines Besuchs seiner Tochter Ende Januar/Anfang Februar 2003 geäußert, dass er nicht möchte, dass die Beklagte sich eine neue Wohnung suche. Die Tochter solle in einem ordentlichen Umfeld aufwachsen. Entsprechende Erklärungen habe er auch schon früher im Sommer 2002 abgegeben. Dabei habe er auch geäußert, für die Zahlung der Miete zu sorgen.

Das Landgericht hat der Klage nach Vernehmung der Schwiegereltern des Klägers und der Schwester der Beklagten in vollem Umfang stattgegeben. Es hat für die Zeit bis zum Ende der ordentlichen Kündigungsfrist eine hälftige, für die Zeit danach, d.h. ab Mai 2002 bis April 2003 eine volle Ausgleichspflicht der Beklagten gemäß § 426 Abs. 1 Satz 1, 2. HS BGB bejaht. Wegen der Feststellungen und Gründe im Einzelnen wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Gegen die Verurteilung wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie rügt Rechtsfehler bei der Tatsachenfeststellung. Dazu führt sie aus, das Landgericht habe aus den Bekundungen der Zeugen die falschen Konsequenzen gezogen. Außerdem hält sie das Recht des Klägers, im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs Erstattung der geleisteten Miet- und Betriebskosten zu verlangen, für verwirkt.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger verteidigt das Urteil und beantragt Zurückweisung der Berufung.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze und die Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten (§§ 511, 517, 519, 520 ZPO) bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Das Landgericht hat die Beklagte zu Recht zur Zahlung der vom Kläger verauslagten Miet- und Betriebskosten für die nach seinem Auszug allein bewohnte Ehewohnung im Innenverhältnis verurteilt.

Nach Scheitern der Ehe, d. h. nach endgültiger Trennung oder Stellung des Scheidungsantrags, gilt in Ermangelung einer diesbezüglichen Absprache zwischen den Ehegatten für gesamtschuldnerische Verbindlichkeiten im Innenverhältnis die Grundregel des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB (OLG München, FamRZ 1996, 291; OLG Köln, FamRZ 2003, 1664 f.; OLG Dresden MDR 2002, 1318; MüKo- Bydlinski, BGB, 5. Aufl., § 426, Rdnr. 17 ff, § 519). Die danach vorgesehene hälftige Ausgleichspflicht besteht allerdings nicht zeitlich unbefristet und unabhängig von den Umständen des Einzelfalls. Vorrangig gegenüber der gesetzlichen Ausgleichsregelung sind vielmehr ausdrückliche oder konkludente Vereinbarungen oder eine besondere Gestaltung der Lebensverhältnisse zu berücksichtigen (BGH NJW 2006, 2623, 2624). Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, dass es an einer ausdrücklichen Absprache über eine Benutzung der früheren Ehewohnung und die Tragung der damit verbundenen Kosten durch die Parteien fehlt. In diesem Punkt greift die Beklagte die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils nicht an.

Soweit die Beklagte meint, das Verhalten des Klägers sei im Sinne einer konkludenten Kostenübernahmezusage zu werten, gibt ihr Vorbringen keinen Anlass, die Beweisaufnahme zu wiederholen. Die Schlüsse, die das Landgericht aus den Bekundungen der Zeugen gezogen hat, dass nämlich der Kläger lediglich Interesse an der Beibehaltung des Umfeldes, keineswegs aber an der Beibehaltung der früheren Ehewohnung bekundet habe, beruhen auf einer nachvollziehbaren Grundlage und sind in der Würdigung vertretbar. Soweit die Beklagte aus den protokollierten Bekundungen der Zeugen das gegenteilige Ergebnis ableiten zu können und müssen glaubt, beruht dies auf einer lediglich anderen denkbaren Würdigung der erhobenen Beweise. Theoretische Bedenken oder die abstrakte Möglichkeit abweichender Tatsachenfeststellungen reichen indes nicht aus, das Berufungsgericht zur Überprüfung der festgestellten Tatsachen zu veranlassen. Der bloße Wunsch, das Berufungsgericht möge die Zeugenaussagen abweichend vom Erstgericht verstehen, eröffnet die erneute Beweisaufnahme nicht (BGH NJW 2004, 2828). Dies ist vielmehr erst dann der Fall, wenn sich Zweifel bereits aus dem Protokoll ergeben, die Beweisaufnahme also nicht erschöpfend war oder die protokollierte Aussage im Widerspruch zu den Urteilsgründen steht (Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 26. Aufl., § 529, Rdnr. 7). Daran fehlt es hier. Das Landgericht hat die Zeugen umfassend zu den in ihr Wissen gestellten Tatsachen befragt. Deren protokollierte Aussagen stehen im Einklang mit den Urteilsgründen. Das Landgericht hat weder Teile der Bekundungen der Zeugen unberücksichtigt gelassen noch seinen Feststellungen nicht erfolgte Aussagen zugrunde gelegt. Dass es die Aussagen anders gewertet hat als die Beklagte sie gewertet wissen möchte, begründet noch keinen Widerspruch zwischen den protokollierten Aussagen und den Urteilsgründen. Auch wenn sich schon aus der Möglichkeit unterschiedlicher Wertung Zweifel an der Richtigkeit des Beweisergebnisses ergeben können (BVerfG NJW 2003, 2524), lässt sich allein daraus keine Pflicht zur Rekonstruktion des Sachverhalts entnehmen. Hinzutreten müssen vielmehr konkrete Anhaltspunkte. Daran fehlt es vorliegend. Selbst dann, wenn die Bekundungen der Zeugen dahin zu werten wären, dass der Kläger im Interesse der gemeinsamen Tochter nicht nur seinen Wunsch nach Beibehaltung des Wohnumfeldes, sondern nach Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses über die bisherige Ehewohnung geäußert hätte, würde im Ergebnis nichts anderes gelten. Mit der Äußerung des Wunsches, die gemeinsame Tochter möge in der früheren Ehewohnung aufwachsen, ist nicht notwendig eine Zusage über die Übernahme von deren Kosten verbunden. Dies gilt selbst vor dem Hintergrund, dass der Kläger zunächst, d. h. bis Ende des Jahres 2002, beanstandungslos die Kosten für die frühere Wohnung weiter allein getragen hat. Die Zeugen haben übereinstimmend angegeben, dass die hohen Kosten für die Ehewohnung Gesprächs- und Streitstoff der von ihnen bekundeten Unterredungen zwischen den Parteien gewesen sind. Daraus ist gerade nicht abzuleiten, dass der Kläger gleichwohl im Interesse der Tochter zu deren anteiligen oder sogar alleinigen Tragung bereit war. Spätestens sein Schreiben vom 6.1.2003, das eine Reaktion auf die Forderungen der Beklagten nach Trennungs- und Kindesunterhalt beinhaltet, zeigt, dass er bis dahin die Wohnkosten quasi als Ersatz bzw. in Anrechnung auf den Trennungs- und Kindesunterhalt geleistet hat. Gleichzeitig hat er - wie auch die Zeugen bekundet haben - mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass die Kosten für die Wohnung überhöht seien. Bei dieser Sachlage kann sein Verhalten nicht im Sinne eines konkludenten Angebots auf Übernahme der Wohnungskosten, welches die Beklagte ebenfalls konkludent angenommen hätte, gewertet werden.

Der Anspruch des Klägers ist nicht verwirkt. Er hat schon mit Schreiben vom 6.1.2003 deutlich gemacht, die Wohnkosten allenfalls anteilig und auch nur noch für einen begrenzten Zeitraum tragen zu wollen. Insofern fehlt es bereits an einem Verhalten, aufgrund dessen die Beklagte darauf vertrauen durfte, der Kläger werde einen Ausgleichsanspruch nicht geltend machen. Eine Verwirkung käme danach allenfalls in Bezug auf die Hälfte der Wohnkosten in Betracht. Dafür ist indessen schon mangels des für eine Verwirkung gem. § 242 BGB u.a. vorausgesetzten Zeitmoments ebenfalls kein Raum. Nachdem die Beklagte seinem Vorschlag aus dem Schreiben vom 6.1.2003 nicht zugestimmt und damit seinem Vergleichsvorschlag nicht gefolgt ist, hat er lange vor Ablauf der Verjährungsfrist seinen Anspruch auf Erstattung der vollen von ihm übernommenen Miet- und Betriebskostenzahlungen verlangt.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die gem. § 543 Abs. 2 ZPO dafür aufgestellten Voraussetzungen nicht vorliegen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 2 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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