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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 11.11.2009
Aktenzeichen: 13 U 73/07
Rechtsgebiete: AMG, ZPO, EGBGB


Vorschriften:

AMG § 84
AMG § 84 Abs. 1
AMG § 84a
AMG § 84a Abs. 1
ZPO § 141
ZPO § 286
ZPO § 301
ZPO § 529
ZPO § 533
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
EGBGB Art. 229 § 8 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft gemäß § 84 a AMG zu erteilen über sämtliche ihr bekannten Wirkungen, Nebenwirkungen, Wechselwirkungen und diesbezügliche Verdachtsfälle hinsichtlich des von Seiten der Beklagten in Deutschland bis zum 30. September 2004 vertriebenen Medikaments V... und den davon ausgehenden schädlichen Wirkungen, soweit sie Herzinfarkte und thrombische Ereignisse betreffen, sowie über sämtliche Erkenntnisse, die für die Bewertung der Vertretbarkeit solcher schädlicher Wirkungen des Medikaments von Bedeutung sein können, insbesondere sämtliche Schadensmeldungen seit 1999.

2. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,- € abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt als Erbe seiner am 9. November 2004 verstorbenen Ehefrau E... K... die Beklagte, die in Deutschland das Schmerzmittel V... vertrieb, das sie im September 2004 nach dem Bekanntwerden möglicher erheblicher Gesundheitsrisiken freiwillig vom Markt nahm, unter dem Gesichtspunkt der Arzneimittelhaftung auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens sowie auf Auskunft über bekannte Nebenwirkungen und Wechselwirkungen in Anspruch.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen der tatsächlichen Feststellungen sowie der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf das angefochtene Urteil des Landgericht Neuruppin vom 27. April 2007 - Az: 3 O 72/06 - Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Gegen dieses Urteil hat der Kläger form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese auch fristgemäß begründet.

In der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2009 hat der Kläger, wie bereits mit Schriftsatz vom 20. Januar 2009 angekündigt, erklärt, den bis dahin lediglich hilfsweise gestellten Auskunftsanspruch zurückzunehmen und diesen nunmehr als Hauptantrag gestellt.

Der Senat hat Beweis erhoben zu der Frage, ob die verstorbene Ehefrau des Klägers Frau E... K... das Arzneimittel V... kontinuierlich von März 2000 bis August 2004 eingenommen hat, durch Vernehmung der Zeugen Dr. A... N..., Dr. B... Ki... und Frau S... H... (Schwester der Verstorbenen). Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsprotokolle vom 20. Mai 2009 sowie vom 30. September 2009 verwiesen.

Der Kläger ist hinsichtlich des Auskunftsanspruchs der Ansicht, dass dieser auch im laufenden Haftungsprozess geltend gemacht werden könne und begründet sei, weil er darauf ziele, ihm diejenigen Informationen zu verschaffen, die er benötige, um seinen Vortrag im Haftungsprozess - insbesondere zum Risiko-Nutzen-Verhältnis des Arzneimittels - zu substantiieren. Die Beklagte verfüge über die entsprechenden Informationen, weil sie im Rahmen des Zulassungsverfahrens und der Nachbeobachtungsphase des Medikaments verpflichtet sei, entsprechende Schadensmeldungen zu sammeln und zu registrieren.

Der Kläger beantragt zuletzt unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Neuruppin:

1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft gemäß § 84a AMG zu erteilen über sämtliche ihr bekannten Wirkungen, Nebenwirkungen, Wechselwirkungen und diesbezügliche Verdachtsfälle hinsichtlich des von Seiten der Beklagten in Deutschland bis zum 30. September 2004 vertriebenen Medikaments V... und den davon ausgehenden schädlichen Wirkungen, soweit sie Herzinfarkte und thrombische Ereignisse betreffen, sowie über sämtliche Erkenntnisse, die für die Bewertung der Vertretbarkeit solcher schädlicher Wirkungen des Medikaments von Bedeutung sein können, insbesondere sämtliche Schadensmeldungen seit 1999.

2. Für den Fall der nicht richtigen oder nicht vollständigen Auskunftserteilung wird die Beklagte verurteilt, die Richtigkeit und Vollständigkeit durch Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung zu erklären.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger beginnend mit dem 9. November 2004 und endend mit dem 9. Mai 2026 eine monatliche Geldrente in Höhe von 1.340,86 € zu zahlen.

4 a. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die Beerdigungskosten für seine Ehefrau in Höhe von 3.531,91 € zu erstatten. Dieser Betrag ist mit 5%-Punkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 1. Dezember 2004 zu verzinsen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die Klage hinsichtlich des Auskunftsantrags abzuweisen.

Die Beklagte hält den Übergang von dem hilfsweisen zu dem unbedingt gestellten Auskunftsantrag für unzulässig und stimmt weder der Klageänderung, noch der ihrer Ansicht nach hierin liegenden teilweisen Klagerücknahme zu. Sie ist hinsichtlich der Begründetheit des Auskunftsanspruchs der Ansicht, dass der Kläger bereits die bestimmungsgemäße und regelmäßige Einnahme von V... über einen Zeitraum von mindestens 18 Monaten nicht dargetan und belegt habe. Außerdem habe er nicht plausibel gemacht, dass der Tod der Ehefrau des Klägers Frau E... K... auf der Medikamenteneinnahme von V... beruhe. Die Verstorbene habe neben V... weitere Medikamente eingenommen, die ebenfalls zu einem Herzinfarkt führen konnten. Letztlich sei der Auskunftsanspruch nicht "erforderlich", weil ohnehin ein Schadensersatzanspruch nach § 84 AMG n.F. nicht bestehe. Der Auskunftsanspruch stelle in diesem Fall eine unzulässige Ausforschung dar.

II.

Die Klage ist, soweit der Rechtsstreit bereits zur Endentscheidung reif ist, begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Auskunft in dem geltend gemachten Umfang aus § 84 a Abs. 1 AMG.

1. Da der Auskunftsanspruch als einer von mehreren - nunmehr - kumulativ mit der Klage geltend gemachten Ansprüchen (allein) zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat über diesen durch Teilurteil entschieden, § 301 ZPO. Der Auskunftsanspruch nach § 84a AMG ist, da er gegenüber dem Anspruch aus § 84 AMG an unterschiedliche tatbestandliche Voraussetzungen geknüpft ist, auch von der Entscheidung über den Rest des Rechtsstreits unabhängig, so dass die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen nicht besteht.

2. Der Kläger konnte zulässigerweise von dem hilfsweise geltend gemachten Auskunftsanspruch dazu übergehen, diesen kumulativ neben die Ansprüche auf materiellen und immateriellen Schadensersatz zu stellen. Es handelt sich bei dem Übergang des Hilfs- zum Hauptantrag um eine Klageänderung (vgl. BGH, NJW 2007, 913; KG Berlin 10 U 262/06 Teilurteil vom 8. Juni 2009). Diese ist nach § 533 ZPO nur zulässig, wenn der Gegner einwilligt oder das Gericht sie für sachdienlich erachtet und sie auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat. Die Beklagte hat der Klageänderung widersprochen. Sie ist jedoch sachdienlich. Das bisherige Prozessergebnis ist, weil der bisherige Tatsachenvortrag auch jeweils den zunächst hilfsweise geltend gemachten Auskunftsanspruch betraf, zu verwerten. Auch hätte der Auskunftsanspruch ohnehin vorweg im Wege der Stufenklage dem Haftungsprozess vorgeschaltet werden können.

Sachdienlichkeit ist auch insoweit zu bejahen, als der Kläger den Auskunftsanspruch nunmehr dahingehend stellt, dass er Auskunft nur noch über Wirkungen, Nebenwirkungen, Wechselwirkungen und diesbezügliche Verdachtsfälle hinsichtlich des von Seiten der Beklagten in Deutschland bis zum 30. September 2004 vertriebenen Medikaments V... ausgehenden schädlichen Wirkungen, soweit sie Herzinfarkte und thrombische Ereignisse betreffen, verlangt. Damit trägt er dem Umstand Rechnung, dass der Anspruch aus § 84a AMG nicht der allgemeinen Ausforschung dienen darf (vgl. Ufer/Metzmacher, JR 2009, 95, 97) und daher auf solche Verdachtsfälle beschränkt ist, die in ihrem Schadensbild mit dem vom Kläger bei seiner verstorbenen Ehefrau vorgetragenen Gesundheitsbeeinträchtigungen vergleichbar sind.

3. Die Voraussetzungen des § 84a Abs. 1 AMG sind gegeben. Danach kann der Geschädigte, wenn Tatsachen vorliegen, die die Annahme begründen, dass ein Arzneimittel den Schaden verursacht hat, von dem pharmazeutischen Unternehmer Auskunft verlangen, es sei denn, dies ist zur Feststellung, ob ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 84 AMG n.F. besteht, nicht erforderlich.

a. Entgegen der Auffassung der Beklagten findet vorliegend § 84 AMG in der durch das Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 geänderten Fassung - mit seinen entsprechenden Beweiserleichterungen für den Verbraucher - Anwendung. Gemäß Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB sind die geänderten Vorschriften anzuwenden, wenn das schädigende Ereignis nach dem 31. Juli 2002 eingetreten ist. Das schädigende Ereignis, auf das Absatz 1 der vorgenannten Vorschrift abstellt, ist die Vornahme der zum Schadensersatz verpflichtenden Handlung, nicht etwa der Eintritt des Schadens (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl., Art 229 § 8 EGBGB Rdnr. 2; Wagner, Das Zweite Schadensersatzrechtsänderungsgesetz, NJW 2002, 2049, 2064). Dieser Grundsatz kann im Rahmen der Gefährdungshaftung jedoch nur eingeschränkt gelten, weil die Haftung die Risiken aus dem Betrieb einer Gefahrenquelle abdecken soll. Das Kammergericht hat in seiner Entscheidung vom 5. November 2007 - AZ: 10 U 262/06 - daher zu Recht auf den Zeitpunkt der Rechtsgutsverletzung abgestellt. Der Bundesgerichtshof hat diese Entscheidung des Kammergerichts im Ergebnis mit Beschluss vom 1. Juli 2008 - IV ZR 287/07 - aufgehoben und zurückverwiesen, hat aber inhaltlich ebenfalls - ohne weitere Begründung - auf § 84 AMG n.F. abgestellt. Der Senat folgt dieser Auslegung des Kammergerichts. Anderenfalls würde dem Geschädigten die Anwendung des § 84 AMG derart erschwert, dass eine Anwendung des § 84 AMG n.F. mit seinen Erleichterungen kaum zum Zuge käme. Denn den Nachweis, aus welcher Charge ein verwendetes Medikament stammt und wann es an die jeweilige Apotheke ausgeliefert wurde, ist dem Durchschnittsverbraucher kaum möglich.

b. Der Kläger hat dargetan, dass seine Ehefrau einen für eine Schadenersatzpflicht nach § 84 Abs. 1 AMG relevanten Schaden erlitten hat; sie ist gestorben.

c. Der Kläger hat auch Tatsachen vorgetragen, die die Annahme begründen, dass V... als konkret von seiner verstorbenen Ehefrau angewendetes Arzneimittel den Tod verursacht haben könnte. Die Anforderungen an die schlüssige Darlegung zur Schadensverursachung dürfen vorliegend nicht überspannt werden (vgl. Rehmann, AMG, 3. Aufl., § 84a Rdnr. 1). Da es Zweck des Auskunftsanspruches ist, dem Geschädigten die erforderlichen Erkenntnisse zu verschaffen, dürfen für die Begründetheit des Auskunftserteilungsanspruches keine Tatsachen verlangt werden, die erst umfängliche sachverständige Stellungnahmen oder Sachverständigenbeweis erfordern (vgl. Rehmann, a.a.O.; Karczwewski, VersR 2201, 1077). Ein schlüssiger Sachvortrag zu einem begründeten Schadensverdacht, die dem Richter eine Plausibilitätsprüfung ermöglicht, wird im Regelfall genügen (vgl. Rehmann a.a.O. mit umfangr. Nachw.). Die Schwierigkeiten der Sachverhaltsaufklärung für den Geschädigten sind dabei angemessen zu berücksichtigen (vgl. BT-Drs. 14/7552, S. 20). Ausreichend ist daher, dass insoweit die "begründete Annahme" bzw. "ernsthafte Möglichkeit" eines Zusammenhangs besteht (vgl. Teilurteil des KG Berlin vom 8. Juni 2009 -Az: 10 U 262/06-, S. 7, mit weiteren umfangr. Nachw.).

aa. Davon, dass die Ehefrau des Klägers das Medikament V... eingenommen hat, ist der Senat nach der Vernehmung der Zeugen S... H... und Dr. A... N... sowie der persönlichen Anhörung des Klägers überzeugt, § 286 ZPO. Darauf, ob bezüglich der Einnahme als eines der in die Plausibilitätsprüfung einzustellenden Indizien ebenfalls eine bloße Plausibilitätsprüfung ausreicht oder der Anwendungsnachweis im Rahmen des Auskunftsanspruchs voll bewiesen werden muss (so Hieke PharmR, 2005, 35; Krüger PharmR 2007, 232, 235) kommt es daher nicht an. Im Einzelnen ist wie folgt auszuführen:

Dass V... verordnet worden ist, ergibt sich aus den Angaben des Zeugen Dr. A... N... in der mündlichen Verhandlung vom 30. September 2009 sowie den eingereichten Krankenunterlagen, in denen eine Vielzahl von Verschreibungsdaten aufgeführt ist. Weiteres Indiz sind auch die Angaben der Zeugin Dr. B... Ki... in der mündlichen Verhandlung vom 20. Mai 2009. Demnach war die verstorbene Ehefrau des Klägers bei ihrer Einweisung in die Rheumaklinik E... in B... bereits auf Medikamente eingestellt. Die Zeugin hat wie folgt weiter ausgeführt: "Es waren insgesamt sechs Medikamente, die sie uns angegeben hat, darunter war auch V... bei Bedarf. Wir haben die Verordnung unverändert fortgesetzt, das hieß V... 25mg bei Bedarf." Zwar hat der Kläger nicht nachweisen können, dass die von dem Zeugen Dr. A... N... ausgestellten Rezepte tatsächlich auch eingelöst wurden. Davon ist jedoch bei einem Patienten, der - wie die verstorbene Ehefrau des Klägers - an einer chronischen Erkrankung leidet, für deren Behandlung das verschriebene Medikament geeignet ist, auszugehen.

Schließlich hat der Kläger, persönlich angehört nach § 141 ZPO, angegeben, dass seine Ehefrau das Medikament in Tablettenform in der angegebenen Zeit eingenommen habe. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger insoweit die Unwahrheit gesagt hätte, sieht der Senat nach dem Eindruck, den er in der mündlichen Verhandlung von ihm gewonnen hat, nicht. Es ist im Übrigen nicht vorstellbar, dass sich die verstorbene Ehefrau des Klägers das Medikament über mehrere Jahre hinweg vielfach verschreiben lässt, das Mittel anschließend aber nicht einnimmt.

Unerheblich für den Auskunftsanspruch ist nach Ansicht des Senats, ob die Ehefrau des Klägers das Mittel auch "bestimmungsgemäß" angewendet hat. § 84 a AMG nennt dies selbst nicht als Anspruchsvoraussetzung. Teilweise wird allerdings aus der "Vorschaltung" des Auskunftsanspruchs vor den Anspruch aus § 84 AMG - der eine bestimmungsgemäße Anwendung voraussetzt - geschlossen, dass bereits im Rahmen des Auskunftsanspruchs die Bestimmungsmäßigkeit der Anwendung dargelegt und gegebenenfalls bewiesen werden müsse (vgl. Krüger, PharmR 2007, 232, 233). Diese Ansicht ist nicht überzeugend (so auch: Teilurteil des KG Berlin vom 8. Juni 2009 -Az: 10 U 262/06-, S. 8). Die Frage der "bestimmungsgemäßen Anwendung" wird sich oftmals erst durch Sachverständigenbeweis klären lassen. Das gilt nicht nur für die Frage der richtigen Dosierung, sondern gerade auch in dem Fall, dass bereits die Indikation zwischen den Parteien streitig ist. Aus den bereits oben ausgeführten Gründen soll der Anspruchsberechtigte nicht gezwungen sein, schon im Rahmen des Auskunftsanspruchs sachverständige Stellungnahmen einzureichen.

bb. Danach ist von einer Einnahme des Medikaments auszugehen. Der Kläger hat auch hinreichend plausibel dargelegt, dass V... den geltend gemachten Schaden verursacht haben kann. Umfang und erforderliche Details der zu nennenden Tatsachen sind einzelfallbezogen zu beurteilen, wobei auch hier gilt, dass nicht solche Tatsachen abverlangt werden können, die umfangreiche sachverständige Stellungnahmen erfordern (vgl. BT-Drs. 14/7752, Seite 20). Im Rahmen des Auskunftsanspruchs ist für den Senat das Vorliegen von Parallelerkrankungen anderer Verbraucher ausschlaggebend (vgl. Hieke, PharmR 2005, 35, 36; Krüger, PharmR 2007, 232, 235). Dies kann insbesondere durch die Bezugnahme auf bereits veröffentlichte Studien oder Gutachten belegt werden. Bereits in der sogenannten A...-Studie wurde nachgewiesen, dass sich ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen bei Patientinnen und Patienten zeigte, die V... über einen längeren Zeitraum einnahmen. Dies genügt dem Senat zumindest als Indiz im Rahmen der Plausibilitätsprüfung. Soweit die Beklagte einwendet, dass die verstorbene Ehefrau des Klägers Frau E... K... mindestens 18 Monate jeden Tag in einer gleichmäßigen Dosierung das Medikament eingenommen haben muss, so ist auf die sog. V...-Studie zu verweisen, wonach auch bei einer zeitlich kürzeren und länger zurückliegenden Einnahme von V... schädigende kardiovaskuläre Wirkungen zu beobachten gewesen seien. Ob die eingenommenen Mengen vorliegend tatsächlich ausreichen, um den eingetretenen Schaden auszulösen und ob eine lückenlose tägliche Einnahme über einen Zeitraum von mindestens 18 Monaten notwendig ist, erfordert einer sachverständigen Stellungnahme. Auf die vorstehenden Ausführungen ist auch bezüglich des zeitlichen Zusammenhangs zwischen Schadeneintritt und Arzneimittelanwendung zu verweisen. Der Kläger muss im Rahmen der Darlegung der Voraussetzungen des Auskunftsanspruchs, sofern dies einen Sachverständigenbeweis erfordert, nicht substantiiert andere schadensgeneigte Faktoren, die gegen einen Kausalzusammenhang sprechen können (z.B. Vorerkrankungen oder weitere Risikofaktoren) als Schadenursache widerlegen (so auch: Teilurteil des KG Berlin vom 8. Juni 2009 -Az: 10 U 262/06-, S. 9).

d. Der Auskunftsanspruch ist auch erforderlich im Sinne des § 84 a AMG, denn der Kläger ist Inhaber eines potentiellen Schadensersatzanspruchs aus § 84 AMG und die verlangten Auskünfte können zur Anspruchsfeststellung dienen.

4. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Dem Antrag der Beklagten Vollstreckungsschutz nach § 712 Abs. 1 Satz 1 ZPO in der Form zu gewähren, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abzuwenden, war nicht stattzugeben. Fraglich ist bereits, ob bei der Durchführung der Vollstreckung für den Schuldner, hier die Beklagte, ein unersetzlicher Schaden eintritt. Regelmäßig gegebene Vollstreckungsnachteile reichen nicht aus (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 27. Aufl., § 719 Rdnr. 6). Insbesondere kommt grundsätzlich die Einstellung der Zwangsvollstreckung beispielsweise auf Rechnungslegung nicht in Betracht, weil die Vorwegnahme des Prozessergebnisses als Vorstufe zur Anspruchsverwirklichung kein unersetzlicher Nachteil ist (vgl. Zöller/Herget, a.a.O., m.w.Nachw.). Auch vorliegend soll die Auskunftserteilung erst zur Anspruchsverwirklichung dienen. Eine Einstellung der Zwangsvollstreckung würde den Auskunftsanspruch aus § 84a AMG vollständig entwerten und sinnlos machen. Einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die Grundrechte der Beklagten durch die zeitnahe Auskunftserteilung vermag der Senat nicht zu erkennen.

5. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 As. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Davon ist nur auszugehen, wenn eine klärungsbedürftige Frage zu entscheiden ist, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einheitlicher Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt ist (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 27. Aufl., § 543 Rdnr. 11). Bei der Frage, ob der Kläger plausibel gemacht hat, dass die Einnahme von V... einen Schaden bei seiner verstorbenen Ehefrau verursacht hat, handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung.

Die Zulassung der Revision ist auch nicht gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unter dem Gesichtspunkt einer Fortbildung des Rechts erforderlich, da es sich bei der Plausibilitätsbewertung um eine Einzelfallentscheidung handelt. Schließlich gebietet auch die Sicherung der einheitlichen Rechtsprechung nicht die Zulassung der Revision. Eine Abweichung von höchstrichterlicher Rechtsprechung liegt nicht vor.

Ende der Entscheidung

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