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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 14.02.2007
Aktenzeichen: 13 W 1/07
Rechtsgebiete: ZPO, SGB II, SGB X, BSHG


Vorschriften:

ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 3
ZPO § 567
ZPO § 569
SGB II § 33 Abs. 1
SGB II § 33 Abs. 1 Satz 1 a.F.
SGB X § 116
BSHG § 90 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

13 W 1/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Prozesskostenhilfeverfahren

hat der 13. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch den Richter am Oberlandesgericht Hänisch als Einzelrichter am 14. Februar 2007 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Neuruppin vom 21. November 2006 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... zur vorläufig unentgeltlichen Wahrnehmung ihrer Rechte gewährt.

Gründe:

Die gemäß §§ 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, 567, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet. Der Antragstellerin ist die beantragte Prozesskostenhilfe zu gewähren.

1.

Anders als es das Landgericht gesehen hat, verspricht die beabsichtigte Klage auf Zahlung der Versicherungsleistung aus der Wohngebäudeversicherung die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 zweiter Halbsatz ZPO).

Die Aktivlegitimation der Klägerin ist nicht wegen Anspruchsüberleitung auf den Landkreis O... als Träger von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (§ 33 Abs. 1 SGB II i.d.F. vom 30.07.1004, gültig bis zum 31.07.2006) zu verneinen. Die Überleitungsanzeige des Amtes für Arbeitsmarkt des Landkreises O... vom 20.09.2005 hat einen Anspruchsübergang in Bezug auf die mit der Klage verfolgte Forderung (Versicherungsleistung wegen Brandschadens) nicht bewirkt.

Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Landgericht vom wirksamen Bestand der Überleitungsanzeige ausgegangen. Sie stellt einen Verwaltungsakt dar, der mit Bekanntgabe an den Drittschuldner Wirksamkeit erlangt hat (§ 39 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Ein Verwaltungsakt ist - abgesehen vom Fall der Nichtigkeit - für die Zivilgerichte bindend, solange er nicht durch die zuständige Behörde oder durch gerichtliche Entscheidung aufgehoben ist (vgl. BGHZ 94, 141 ff = NJW 1985, 778, 779 m.w.N.). Letzteres ist hier nicht der Fall. Über den Widerspruch gegen die Überleitungsanzeige vom 20.09.2005 hat der Landkreis O... bisher nicht entschieden. Die Bindungswirkung enthebt das Zivilgericht indes nicht von der Prüfung, ob die Überleitung den im Zivilprozess zu beurteilenden Anspruch erfasst und ob dieser Anspruch insgesamt oder nur zum Teil übergegangen ist.

Auf der Grundlage des Tatsachenvorbringens der Parteien ist der Klageanspruch auf Zahlung von 197.875,- € aus der Wohngebäudeversicherung nicht auf den Sozialhilfeträger übergegangen.

Eine Überleitungsanzeige hat zur Folge, dass der Sozialhilfeträger mit unmittelbarer Wirkung in die Rechtsstellung des Inhabers des übergeleiteten Anspruchs rückt (vgl. BGHZ 94 a.a.O). Diese Folge tritt gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II a.F. bis zur Höhe der erbrachten Sozialleistung ein. Dabei erfasst die Überleitungsanzeige auch künftige Leistungen in der Weise, dass die Rechtswirkung des Übergangs in dem Augenblick stattfindet, in dem die Aufwendung tatsächlich geleistet wird (vgl. BGH NJW 1982, 232, 233 zu § 90 BSHG; OLGR Köln 1999, 157, 158 zu § 91 BSHG; Zöller/Stöber ZPO, 26. Aufl. § 727 Rn. 8 m.w.N.). Für die seit dem 01.08.2006 ausbezahlten Leistungen tritt der Forderungsübergang kraft Gesetzes ebenfalls fortlaufend bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen ein, wenn bei rechtzeitiger Leistung des anderen (Drittschuldners) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht erbracht worden wären (§ 33 Abs. 1 Satz 1 SGB 2 n.F.).

Für die Frage, ob oder bis zu welchem Teilbetrag die Forderung der Klägerin gegen die beklagte Versicherungsgesellschaft auf den Landkreis O... übergegangen ist, kommt es also darauf an, in welcher Höhe Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erbracht worden sind. Nach unwidersprochener Darstellung der Klägerin hat sie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht empfangen. Wie die von ihr eingereichten Urkunden ergeben, erhält ihr Ehemann solche Leistungen vom Landkreis O..., und zwar derzeit in Höhe von 170,73 € monatlich. Da die Klägerin mithin nicht Leistungsempfängerin ist, hat ein Forderungsübergang nicht stattgefunden. Der Forderungsübergang nach § 33 Abs. 1 SGB 2 (a.F. wie n.F.) setzt - ebenso wie etwa § 116 SGB X und im Unterschied zu § 90 Abs. 1 BSHG - die Identität von Anspruchsinhaber und Leistungsempfänger voraus. Fehlt die Identität, scheidet ein Forderungsübergang schon im Ansatz aus (vgl. BGH NJW 2004, 3176, 3177).

Bei dieser Sachlage ist der Umstand, dass die Überleitungsanzeige vom 20.09.2005 mangels Angabe von Zeitraum und Höhe der Sozialleistung eine für den Forderungsübergang wegen bereits gewährter Leistungen hinreichende inhaltliche Bestimmtheit vermissen lässt (vgl. dazu BSG, Urteil vom 24.08.1988, Az.: 7 RAr 74/86, BSG-Intern RegNr 18106, zitiert nach jurisweb) nicht mehr von entscheidender Bedeutung.

2.

Die Antragstellerin ist nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen (§ 114 erster Halbsatz ZPO). Ihr ist deshalb Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

3.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die dafür in § 574 ZPO aufgestellten Voraussetzungen nicht vorliegen.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

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