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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 17.01.2005
Aktenzeichen: 13 W 77/04
Rechtsgebiete: ZPO, BRAGO, GKG


Vorschriften:

ZPO §§ 485 ff.
ZPO § 494 a
ZPO § 574 Abs. 2
BRAGO § 9 Abs. 2
GKG § 25 Abs. 3
GKG § 25 Abs. 3 S. 3 a.F.
GKG § 25 Abs. 4 a.F.
GKG § 68
GKG § 68 Abs. 1 S. 3 n.F.
GKG § 68 Abs. 3 n.F.
GKG § 72
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

13 W 77/04 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Beweissicherungsverfahren

hat der 13. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht K., den Richter am Oberlandesgericht G. und den Richter am Landgericht N.

am 17.01.2005

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde vom 1. September 2004 gegen den Streitwertbeschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 30. Oktober 2003 - Az. 8 OH 6/01 - wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I. Mit Schreiben vom 9. August 2001 hat der Beschwerdeführer als Verfahrensbevollmächtigter des Antragstellers einen Antrag auf Beweissicherung gemäß §§ 485 ff. ZPO gestellt. Das Landgericht Potsdam hat daraufhin mit Beschluss vom 19. November 2001 die selbständige Beweiserhebung angeordnet und ein Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. L. eingeholt. Das Gutachten wurde den Verfahrensbeteiligten durch Verfügung vom 4. Juni 2003 übersandt und eine Frist zur Stellungnahme binnen vier Wochen eingeräumt. Das Gutachten ging bei den Beteiligten am 10. Juni 2003 ein. Nachdem weder Stellungnahmen zum Gutachten abgegeben noch eine Anhörung des Sachverständigen beantragt wurden, stellte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 17. September 2003 den Antrag, den Streitwert des Verfahrens festzusetzen. Das Landgericht teilte den Parteivertretern daraufhin mit, dass es beabsichtige, den Streitwert auf 71.560 festzusetzen. Nach Eingang der Stellungnahmen hat das Landgericht Potsdam mit Beschluss vom 30. Oktober 2003 den Streitwert auf 25.564,59 € festgesetzt. Der Beschluss wurde am 5. November 2003 dem Antragsgegner zu 1. und der Antragsgegnervertreterin zu 2. sowie der Rechtsanwaltskanzlei B., die sich zwischenzeitlich als Vertreter des Antragstellers angezeigt hatten, zugestellt. Eine Zustellung an den Beschwerdeführer erfolgte nicht.

Mit Schreiben vom 26. August 2004 bat der Beschwerdeführer, den Streitwert nunmehr festzusetzen, worauf das Landgericht dem Beschwerdeführer den Streitwertbeschluss vom 30. Oktober 2003 übermittelte. Mit Schreiben vom 1. September 2004 hat der Beschwerdeführer sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung führt er aus, das eigene Beschwerderecht ergebe sich aus § 9 Abs. 2 BRAGO. Die Streitwertbeschwerde sei auch begründet, da es bei der Streitwertfestsetzung auf den objektiven Charakter ankomme. Daher wären die vom Sachverständigen ermittelten Mangelbeseitigungs- und Ersatzvornahmekosten in Höhe von 71.560 € anzusetzen.

II. Die Beschwerde ist gemäß §§ 72, 68 GKG in der Fassung vom 5. Mai 2004, als auch gemäß § 25 Abs. 3 GKG vom 15. Dezember 1975 statthaft. Der Beschwerdeführer ist berechtigt, die Beschwerde in eigenem Namen nach § 9 Abs. 2 BRAGO einzulegen. Dabei geht der Senat bei sachgerechter Bewertung des Verfahrensziels davon aus, dass der Beschwerdeführer aus eigenem Recht vorgehen will, obgleich dies der Beschwerdeschrift nicht eindeutig zu entnehmen ist. Eine Höherbewertung des Gegenstandswertes liegt in erster Linie im Interesse der Verfahrensbevollmächtigten der Parteien und weniger im Interesse der Parteien selbst. Im Übrigen ergibt sich dies aus der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 4. Januar 2005.

Die Beschwerde ist jedoch nicht zulässig. Sowohl nach § 25 Abs. 3 S. 3 GKG a.F. als auch nach § 68 Abs. 1 S. 3 GKG n.F. ist eine Änderung der Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren und damit auch des für die Anwaltsgebühren maßgebenden Streitwertes nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat. Dieser Zeitpunkt ist spätestens auf den 8. Juli 2003 zu bestimmen.

Das selbständige Beweissicherungsverfahren stellt kein Hauptsacheverfahren dar. Vielmehr soll es der Beweissicherung dienen und ein Hauptsacheverfahren vorbereiten. Die Feststellungen werden regelmäßig im Rahmen eines nachfolgenden Hauptsacheverfahrens an die Stelle eines Beweises gesetzt. Damit kommt dem selbständigen Beweisverfahren bei nachfolgendem Hauptprozess nur der Charakter eines Nebenverfahrens zu. Folgerichtig kann in diesem Fall die Änderung der Wertfestsetzung erst sechs Monate nach Abschluss des Hauptprozesses ausgeschlossen sein. So liegt der Fall hier jedoch nicht. Ein Hauptsacheverfahren wurde hier gerade nicht angestrengt. Auch ein Antrag nach § 494 a ZPO lag nicht vor. Damit fand das selbständige Beweisverfahren seinen Abschluss, ohne dass weitere gerichtliche Maßnahmen erfolgten. Daher ist für den Beginn der Frist des § 25 Abs. 3 Satz 3 GKG a.F.; § 68 Abs. 1 Satz 3 GKG n.F. auf den Zeitpunkt abzustellen, an dem das selbständige Beweisverfahren beendet wurde (vgl. Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 11. Aufl., Rn. 48). Das selbständige Beweisverfahren ist mit Zustellung des schriftlichen Gutachtens beendet, wenn eine mündliche Erläuterung nicht stattfindet (vgl. Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 492, Rn. 4). Das Landgericht hat den Verfahrensbeteiligten mit Verfügung vom 4. Juni 2003 das Gutachten übersandt und den Beteiligten eine Stellungnahmefrist von vier Wochen eingeräumt. Da innerhalb der Frist eine Stellungnahme bzw. weitere Anträge bei Gericht nicht eingegangen waren, ist jedenfalls mit Ablauf der Stellungnahmefrist das selbständige Beweisverfahren beendet. Eine Streitwertfestsetzung verliert ihren vorläufigen Charakter und wird zur endgültigen. Daraus folgt auch, dass die Sechsmonatsfrist zur Änderung der Wertfestsetzung am 8. Januar 2004 abgelaufen ist. Die Beschwerde ist jedoch erst am 1. September 2004 bei Gericht eingegangen.

Der Beschwerdeführer kann sich nicht darauf berufen, dass die Streitwertfestsetzung nicht an ihn zugestellt wurde. Die Sechsmonatsfrist richtet sich nicht an die Verfahrensbeteiligten, sondern bindet allein das Gericht und verbietet diesem, die Streitwertabänderung ab einem bestimmten Zeitpunkt vorzunehmen. Für den Lauf der Frist maßgebend ist daher allein, ob ein Streitwertbeschluss existent geworden ist und damit eine erstmalige Festsetzung vorliegt, nicht jedoch, ob dieser den Verfahrensbeteiligten auch ordnungsgemäß bekannt gegeben wurde. Der Beschluss wird jedoch bereits mit dem ersten Zugang bei einem der Verfahrensbevollmächtigten wirksam (BGH Report 2001, 218). Die Streitwertfestsetzung erfolgte auch innerhalb der Sechsmonatsfrist, so dass eine ausfüllungsbedürftige Lücke in der gesetzlichen Regelung, die darin bestehen kann, dass die Frist für eine Anfechtung zwischen Festsetzung des Streitwertes und Ablauf der Sechsmonatsfrist zu kurz bemessen wäre (vgl. BGH NJW 1964, 2062), hier nicht zum Tragen kommt.

Verfassungsrechtliche Bedenken am Rechtsmittelausschluss des Beschwerdeführers bestehen - auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des 1. Senates des Bundesverfassungsgerichtes vom 18. Januar 2000 (BVerfGE 101, 397) - nicht. Der Gesetzgeber verfolgt mit der Änderungssperre erkennbar das Ziel, innerhalb einer überschaubaren Zeit nach Abschluss eines Verfahrens Rechtssicherheit zu gewährleisten. Er hat einen zeitlichen Rahmen geschaffen, der es ermöglicht, die mit dem Verfahren entstandenen Kosten (Gerichts- und Anwaltskosten) festzusetzen und damit zwischen den Parteien des Rechtsstreites, aber auch im Verhältnis zu den Gerichten den endgültigen Abschluss des Verfahrens zu erreichen. Damit kommt der Frist eine ähnliche Wirkung zu, wie den Verjährungsvorschriften im materiellen Recht. Auch dort geht der Rechtsfrieden unter den Beteiligten dem Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit vor. Es besteht kein Grund, die Sachverhalte im Ergebnis anders zu beurteilen. Eine Ausnahme erscheint lediglich dann gerechtfertigt, wenn im Verfahren der Streitwertfestsetzung gegen elementare verfassungsrechtliche Grundsätze wie das rechtliche Gehör oder einen angemessenen Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG verstoßen wird. Dies ist hier nicht der Fall. Ein Mitglied der Kanzlei des Beschwerdeführers hatte selbst mit Schreiben vom 17.09.2003 die Streitwertfestsetzung beantragt und bereits aus diesem Grund die Möglichkeit, zum Streitwert vorzutragen. Daraus, zusammen mit dem Schreiben des Gerichts vom 19.09.2003, folgt zudem die Kenntnis des Beschwerdeführers, dass in naher Zeit mit der Festsetzung zu rechnen war und die Möglichkeit des Beschwerdeführers, durch zeitnahe Nachfrage - auch mit Blick auf die Frist des § 25 Abs. 3 GKG a.F. - von der Entscheidung des Gerichtes Kenntnis zu nehmen. Zwischen Festsetzung und Ablauf der 6-Monatsfrist lag eine Zeit von etwas mehr als 2 Monaten. Innerhalb dieser Zeit wäre es dem Beschwerdeführer - jedenfalls nach einer Nachfrage bei Gericht - möglich gewesen, eine gerichtliche Kontrolle der Entscheidung herbei zu führen.

Damit ist die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen.

Da die Beschwerde bereits unzulässig ist, kommt eine Zurückverweisung des Verfahrens wegen einer Entscheidung des Einzelrichters an Stelle der zur Entscheidung berufenen Kammer (vgl. OLG Celle, OLGR Celle 2003, 373; OLG Köln, OLGR Köln 2003, 139) nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 25 Abs. 4 GKG a.F., § 68 Abs. 3 GKG n.F.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen. Soweit ersichtlich, liegt eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes zu der Frage, wann die Frist des § 68 Abs. 1 Satz 3 GKG n.F. in einem selbständigen Beweissicherungsverfahren ohne nachfolgendem Hauptsacheverfahren abläuft, nicht vor. Ebenso wenig ist der Fall entschieden worden, dass eine Zustellung an einen Beteiligten des Verfahrens unterblieben ist, und aus diesem Grund - nach Ablauf der Frist des § 68 Abs. 1 Satz 3 GKG - ein Rechtsmittel nicht mehr möglich war. Die Entscheidung des 1. Zivilsenates des Bundesgerichtshofes (BGH NJW 1964, 2062) vom 5.03.1964 betrifft lediglich den Fall, dass die erstmalige Festsetzung des Streitwertes kurz vor Ablauf der Änderungsfrist getroffen wurde. Zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 2 ZPO erforderlich.

Ende der Entscheidung

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