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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 31.07.2002
Aktenzeichen: 14 U 154/01
Rechtsgebiete: SGB VII, BGB, PflVG, RVO, DÜG, EGBGB


Vorschriften:

SGB VII § 8 Abs. 1
SGB VII § 8 Abs. 2 Nr. 1
SGB VII § 8 Abs. 2 Nr. 2
SGB VII § 8 Abs. 2 Nr. 3
SGB VII § 8 Abs. 2 Nr. 4
SGB VII § 104
SGB VII § 104 Abs. 1 S. 1
SGB VII § 105
SGB VII § 105 Abs. 1
SGB VII § 106 Abs. 3
BGB § 288 a.F.
BGB § 288 Abs. 1 n.F.
BGB § 291
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 847
PflVG § 3 Nr. 1
RVO § 636
RVO § 637
RVO § 550 Abs. 1
RVO § 548 Abs. 1 Satz 1
DÜG § 1
EGBGB Art. 229 Abs. 1 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Teilurteil

14 U 154/01 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Rechtsstreit

hat der 14. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 31. Juli 2002 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Landgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 24. Oktober 2001 aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 25.000,00 € nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 9. Juli 2001 und weitere 127,52 € nebst 4 % Zinsen seit dem 16. August 2001 zu zahlen. Hinsichtlich des weitergehenden Zinsanspruchs wird die Klage abgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten ein angemessenes Schmerzensgeld für Verletzungen, die er bei einem Verkehrsunfall am 26. Mai 1997 erlitten hat, sowie - klageerweiternd - die Erstattung der Kosten für in diesem Zusammenhang eingeholte Arztberichte. Die Parteien streiten darüber, ob die Haftung der Beklagten gemäß § 104 SGB VII ausgeschlossen ist.

Der Kläger war einer von 6 Mitarbeitern der ... Hoch- Tief- und Gleisbau GmbH mit Sitz in B..., denen von ihrem Arbeitgeber für die Fahrten vom gemeinsamen Wohnort W... zur Arbeitsstelle und zurück ein Fiat ... zur Verfügung gestellt worden war. Die Betriebskosten des Fahrzeugs übernahm die ... Hoch- Tief- und Gleisbau GmbH, die Fahrten organisierten die Mitarbeiter selbst. Üblicherweise stellte ein Mitarbeiter das Fahrzeug über Nacht bei sich ab und holte die übrigen Kollegen am nächsten Morgen ab.

Am 26. Mai 1997 steuerte der Mitarbeiter ... R... den bei der Beklagten haftpflichtversicherten Kleintransporter auf der Rückfahrt von einer Baustelle in B... nach W... und verursachte schuldhaft einen Verkehrsunfall, indem er frontal mit einem auf der Gegenfahrspur entgegenkommenden Lkw kollidierte. Dessen Fahrer konnte die Kollision nicht verhindern. Sämtliche Fahrzeuginsassen wurden schwer verletzt, ein Insasse des Kleintransporters verstarb.

Der Kläger erlitt infolge des Verkehrsunfalles ein Schädel-Hirn-Trauma ersten Grades, eine Thoraxkontusion mit Rißwunde über der ventralen linken Thoraxwand, eine drittgradig offene Ellenbogengelenks-Luxationstrümmerfraktur links, eine Fraktur der proximalen Ulna, eine Abrißfraktur des Trochanter major links, eine anteroposteromediale Komplexinstabilität des linken Kniegelenks mit Zerreißung des vorderen Kreuzbandes, des inneren Seitenbandes und der hinteren medialen Gelenkkapsel, eine Knorpelfraktur am inneren Oberschenkelknochen sowie multiple Prellungen und Schürfungen. Er befand sich bis einschließlich 21. Juni 1997 in stationärer Behandlung im Klinikum F..., wo er sich zunächst auf der Intensivstation befand und wo anschließend die primäre Rekonstruktion des Ellbogengelenks mittels Verschraubung und Zuggurtungen sowie die Verschraubung der Abrißfraktur des Trochanter major erfolgte. Darüber hinaus mußte er sich einer Arthroskopie des linken Kniegelenks mit Gelenklavage und physiotherapeutischen Übungsbehandlungen unterziehen. Dem Krankenhausaufenthalt schloss sich eine ambulante Behandlung an, bevor der Kläger sich am 1. September 1997 einer weiteren Arthroskopie unterziehen mußte. Wegen eines KG-Empyems (Eiteransammlung) mußte sich der Kläger vom 7. bis 18. September 1997 erneut in stationäre Behandlung in das Krankenhaus W... begeben, wo mehrfach arthroskopische Gelenkspülungen durchgeführt wurden. Eine letzte stationäre Behandlung zur Metallentfernung aus dem Ellbogenglenk erfolgte in der Zeit vom 16. bis 20. Dezember 1997; die ambulante Weiterbehandlung dauerte bis zum 3. April 1998 an. Bis zum 9. April 1998 war der Kläger arbeitsunfähig.

Der Kläger hat behauptet,

durch den Unfall seien zahlreiche Spätfolgen wie Funktionseinbußen im Bereich des linken Ellenbogengelenks sowie des linken Hüft- und Kniegelenks und Taubheitsgefühle in den Händen verursacht. Die Verletzungen und Verletzungsfolgen rechtfertigten ein Schmerzensgeld von etwa 60.000,00 DM.

Er hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 26. Mai 1997 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 249,40 DM nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit, das ist der 9. Juli 2001, zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, ihre Haftung sei nach § 104 SGB VII ausgeschlossen.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass sich der Unfall auf einem Betriebsweg ereignet habe, so dass für den Arbeitgeber das Haftungsprivileg eingreife. Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, der mit der Berufung sein Klagebegehren, umgerechnet auf Euro, weiterverfolgt.

Er vertritt die Auffassung, der Umstand, dass das Fahrzeug im Eigentum des Arbeitgebers stand und von diesem unterhalten wurde, genüge nicht, den Verkehrsunfall als Unfall auf dem Betriebsweg zu qualifizieren. Im Unterschied zu den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 12. Oktober 2000 und des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 12. September 2001 hätten im vorliegenden Fall die Mitarbeiter selbst die Rückfahrt mit dem Kleinbus ihres Arbeitgebers organisiert und durchgeführt.

Er wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen zu den verbleibenden Unfallfolgen und trägt des weiteren vor, er leide unter dauerhaften Funktionseinbußen im Bereich des linken Ellenbogen-, Hüft- und Kniegelenks, zudem seien als unfallbedingte Folge eine Schwerhörigkeit auf dem linken Ohr, Taubheitsgefühle in den Händen, eine sichtbare Beule am rechten Oberschenkel sowie ein teilweise schmerzendes, latentes Hämatom an der Innenseite des Oberschenkels zu verzeichnen. Bei Wetterveränderungen träten zudem Schwindelgefühle auf.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil, nimmt auf ihr erstinstanzliches Vorbringen Bezug und führt zur Begründung ihres Zurückweisungsantrages des weiteren aus, der Kleinbus sei ausschließlich für Fahrten von und zu Baustellen von der Arbeitgeberin des Klägers gestellt worden. Neben dieser zweckgebundenen Gebrauchserlaubnis und der Kostentragung seien weitere Voraussetzungen, etwa die Bestimmung der konkreten Fahrtroute, nicht erforderlich, um die Haftungsprivilegierung zu begründen.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Landgericht hat dem Begehren des Klägers auf Zahlung eines Schmerzensgeldes und Ersatz seines materiellen Schadens zu Unrecht nicht stattgegeben.

Die Beklagte haftet dem Kläger gemäß §§ 823 Abs. 1, 847 BGB, 3 Nr. 1 PflVG für den eingetretenen immateriellen Schaden. Denn der Fahrer des Kleintransporters ..., ... R..., hat den Unfall fahrlässig verursacht. Er kam infolge Unaufmerksamkeit mit dem Fahrzeug nach rechts von der Fahrbahn ab und verlor die Kontrolle über den Kleintransporter, als er versuchte, durch Gegenlenken eine Kollision mit den Alleebäumen zu verhindern. Dabei schleuderte er mit dem von ihm gelenkten Fahrzeug auf die Gegenseite und stieß mit einem in Gegenrichtung fahrenden Lastkraftwagen zusammen, wodurch die Insassen den Kleintransporters, darunter der Kläger, schwer verletzt wurden. Das Verschulden des Fahrers R... an diesem Unfall steht außer Streit; lediglich das Ausmaß der Verletzungsfolgen bestreitet die Beklagte.

Die Beklagte hat als Haftpflichtversicherung des Kleintransporters für diesen Schaden einzutreten; ihre Haftung ist entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht gemäß §§ 104 Abs. 1 S. 1, 105 Abs. 1, 106 Abs. 3 SGB VII ausgeschlossen. Denn der Unfall hat sich nicht auf einem Betriebsweg ereignet.

Nach den §§ 104, 105 SGB VII werden Unternehmer und sonstige in dem Betrieb beschäftigte Personen, die einen Versicherungsfall durch eine betriebliche Tätigkeit verursachen, von der Haftung für Personenschäden nur dann freigestellt, wenn der Versicherungsfall nicht vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nrn. 1-4 SGB VII versicherten Weg verursacht wurde. Der Fahrer R... gehörte zwar zu dem nach § 105 Abs. 1 SGB VII geschützten Personenkreis. Er löste den Versicherungsfall jedoch nicht durch eine betriebliche Tätigkeit aus, vielmehr ereignete sich der Unfall auf einem Weg, der von dem Haftungsprivileg nicht erfasst wurde.

Unter Betriebs- und Arbeitswegen, die der versicherten Tätigkeit selbst zugeordnet und somit nach § 8 Abs. 1 SGB VII versichert und damit von dem Haftungsprivileg erfasst sind, sind nur diejenigen Wege zu verstehen, die in Ausübung der versicherten Tätigkeit ausgeführt werden. Für die Abgrenzung eines Betriebsweges von einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1-4 SGB VII versicherten Weg ist dabei nicht von Bedeutung, ob der Versicherte den Weg, den er im Auftrag oder im Interesse des Betriebs ausführt, innerhalb oder außerhalb der Betriebsstätte zurücklegt (Kater/Leube aaO. § 2 Rdnr. 53). Der Versicherungsschutz knüpft vielmehr an einen rechtlich wesentlichen inneren sachlichen Zusammenhang zwischen der Tätigkeit und dem Unternehmen an (Kater/Leube aaO. Vor §§ 2-6 Rdnr. 17 m.w.N.). Demgemäß sind Dienst- und Geschäftsreisen Teil der bereits nach § 8 Abs. 1 SGB VII versicherten Tätigkeit, da sie stärker als die nach § 8 Abs. 2 Nrn. 1-4 SGB VII versicherten Wege betrieblichen Interessen dienen (Schmitt aaO. § 8 Rdnr. 41). Gleichermaßen kann es für das Vorliegen eines Betriebsweges nicht auf die zeitliche Verbindung mit der betrieblichen Tätigkeit ankommen.

Der von dem Fahrer R... verschuldete Verkehrsunfall ereignete sich nicht auf einem solchen Betriebsweg. Der Kläger und die Insassen des Kleintransporters befanden sich zum Unfallzeitpunkt mit dem Betriebsfahrzeug nicht auf dem Rückweg von der Tagesarbeitsstätte zum Sitz des Unternehmens, sondern auf dem Heimweg. Darin unterscheidet sich der vorliegende Fall von der Sache 14 U 44/00, in der der Senat seiner Entscheidung das Haftungsprivileg (§ 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII) zugrunde gelegt hat. In jenem Fall hatten die Mitarbeiter des Betriebes zwar ihre eigentliche betriebliche Tätigkeit auf der Tagesarbeitsstätte beendet, befanden sich aber noch nicht auf dem Heimweg. Denn beabsichtigt war nicht die direkte Fahrt von der Tagesarbeitsstätte nach Hause, sondern der Rücktransport der Mitarbeiter zum Betriebssitz. Das Zurücklegen dieses Weges von einer externen Baustelle, bei der der Versicherte eingesetzt ist, zum Sitz des Unternehmens unterliegt als Betriebsweg aber der Regelung in § 8 Abs. 1 SGB VII (Schmitt aaO. § 8 Rdnr. 138; vgl. auch Rolfs, Die Neuregelung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerhaftung bei Arbeitsunfällen durch das SGB VII NJW 1996, 3177, 3179; Waltermann, Änderungen im Schadensrecht durch das neue SGB VII NJW 1997, 3401, 3402).

Im Gegensatz zu jenem Fall befanden sich der Kläger und die Insassen des Kleintransporters auf dem Heimweg. Hat der Arbeitnehmer die Arbeitsstätte verlassen und unmittelbar die Rückfahrt nach Hause angetreten, besteht in der Regel keine unmittelbare äußere und innere Beziehung mehr zu seiner versicherten Tätigkeit. Schon unter der Geltung der Reichsversicherungsordnung (RVO) und der zu ihr ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung, die hinsichtlich der Abgrenzungskriterien zwischen Wege- und Betriebswegeunfall auch nach der gesetzlichen Neuregelung heranzuziehen ist (BGHZ 145, 311, 315), wäre die Beklagte nicht von der Haftung aus dem Verkehrsunfall für Personenschäden befreit gewesen. Nach den §§ 636, 637 RVO war in Fällen dieser Art zu entscheiden, ob der Versicherungsfall während der "Teilnahme am allgemeinen Verkehr" eintrat, oder ob es sich um einen innerbetrieblichen Vorgang handelte. Dabei genügte allerdings allein der Umstand, dass der Unfall im Straßenverkehr erfolgte, als Voraussetzung für die Entsperrung des Haftungsausschlusses nicht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH VersR 1959, 52, 53; BGHZ 116, 30, 34) kam es vielmehr darauf an, ob sich der Unfall im Verhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem als innerbetrieblicher bzw. innerdienstlicher Vorgang darstellte. Entscheidend war, ob sich in dem Unfall das betriebliche Verhältnis zwischen Schädiger und dem Geschädigten manifestiert oder ob insoweit zur dienstlichen bzw. betrieblichen Beziehung zwischen beiden kein oder nur ein loser Zusammenhang bestanden hatte (BGHZ 116, 30, 34). So stellte beispielsweise die Mitnahme von Arbeitskollegen im Privatfahrzeug zur Arbeitsstelle und zurück eine Teilnahme am allgemeinen Verkehr dar, weil die Fahrt zur Arbeitsstelle grundsätzlich als Privatsache anzusehen war. Demgegenüber war eine Teilnahme am allgemeinen Verkehr insbesondere dann zu verneinen, wenn die Fahrt durch die Organisation als innerbetrieblicher Vorgang gekennzeichnet war, wie bei Werksfahrten, Fahrten auf dem Werksgelände, aber auch bei Einsatz eines betriebseigenen Fahrzeuges bei der Fahrt von einer Betriebs- bzw. Arbeitsstelle zu einer anderen.

Angesichts dieser Beispiele kann kein Zweifel bestehen, dass der Unfall auf dem Heimweg "bei Teilnahme am allgemeinen Verkehr" im Sinne des Unfallversicherungsrechts nach der RVO erfolgte. Die streitgegenständliche Fahrt weist keine typischen Merkmale für einen innerbetrieblichen Vorgang auf. Der Fahrer und seine Arbeitskollegen waren auf der Heimfahrt von jeder Direktionsgewalt des Arbeitgebers frei; sie entschieden die Fahrtroute, die Ankunftszeit und darüber, wann und wo jeder der Insassen das Fahrzeug verließ. Die Tatsache, dass sie mit einem betriebseigenen Fahrzeug unterwegs waren und das Fahrzeug nicht zu anderen Zwecken nutzen durften, steht dieser Annahme nicht entgegen; sie gibt der Heimfahrt nicht das Gepräge als "Dienstfahrt". Zwar mag dieses von dem Unternehmen angeschaffte und unterhaltene Fahrzeug den auswärtigen Betriebsangehörigen gerade zu dem Zweck zur Verfügung gestellt worden sein, gemeinsame Fahrten von W... zu den jeweiligen Baustellen und zurück durchzuführen. Sie unterlagen jedoch nicht den Weisungen ihrer Vorgesetzten, soweit es um den Weg und die weiteren Einzelheiten des Transportes ging. So bestimmten die Betriebsangehörigen selbst den Fahrer, bei dem dann das Fahrzeug über Nacht verblieb. Das Unternehmen stellte also keinen Fahrer zur Verfügung, sondern überließ es den Mitarbeitern, die den Transport eigenverantwortlich organisierten. So wurden weder die Fahrtroute noch die Reihenfolge, in der die Betriebsangehörigen nach Hause gebracht werden sollten, von der Unternehmensleitung bestimmt. Die Heimfahrten waren somit nicht durch die innerbetriebliche Organisation geprägt. Die Beförderung der Arbeitnehmer mag zwar im Interesse des Arbeitgebers gelegen haben, weshalb er auch das Fahrzeug zur Verfügung stellte, doch wurde sie dadurch nicht zum integrierten Bestandteil der Betriebsorganisation.

Die Neuregelung des Rechtes der gesetzlichen Unfallversicherung zum 1. Januar 1997 brachte zwar einige relevante Änderungen mit sich (vgl. hierzu nur Waltermann aaO. 3401), die sich indes nicht in einer für den Kläger ungünstigeren Rechtsposition auswirken. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen die Wegeunfälle vom Haftungsprivileg nicht erfasst werden, weil die betrieblichen Risiken dort keine Rolle spielen. Von der Entsperrung des Haftungsprivilegs ausgenommen sind nach der Gesetzesbegründung deshalb ausdrücklich diejenigen Betriebswege, die nach dem bisher geltenden Recht als Teilnahme am öffentlichen Verkehr behandelt wurden (BT-Drucksache 13/2204 S. 100). Der Gesetzgeber knüpft hiermit an die Unterscheidung zwischen Wegeunfällen, d.h. Unfällen auf Wegen gemäß § 550 Abs. 1 RVO, und Unfällen auf sogenannten Betriebswegen an. Unter einem Weg im Sinne des § 550 Abs. 1 RVO war das Sichfortbewegen des Versicherten zum erstmalig aufgesuchten Ort der Tätigkeit oder sein Verlassen zu verstehen. Begab sich der Versicherte nach Aufsuchen des Betriebes im Rahmen seiner betrieblichen Arbeitstätigkeit an einen weiteren Ort, z.B. vom Betriebshof des Unternehmens zur Baustelle, so handelte es sich nunmehr um einen Betriebsweg, der nicht unter § 550 Abs. 1 RVO, sondern § 548 Abs. 1 Satz 1 RVO fiel (Schulin: Handbuch des Sozialversicherungsrechts Bd. 2 1996, § 33 Rdnr. 41). Auch nach dieser Definition befanden sich die Insassen nicht auf einem Betriebsweg, nämlich dem Weg von der Tagesarbeitsstätte zurück zur Betriebsstätte, sondern vielmehr auf einem Weg, der als Heimfahrt nur eine lose Verbindung zur Tätigkeit aufwies.

Soweit die Beklagte sich für ihre gegenteilige Ansicht auf Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGHZ 145, 311 ff) und des OLG Stuttgart vom 15. August 2001 (4 U 258/00) bezieht, verkennt sie, dass diesen Entscheidungen andere Sachverhalte zugrunde lagen. Der Bundesgerichtshof verneinte einen Wegeunfall, weil der Unfall sich bei einem in den Schulbetrieb eingegliederten Schülertransport, bei dem ein in der auswärtigen Schulstätte während der Woche untergebrachter Schüler verletzt wurde, ereignet hatte. Im vorliegenden Fall aber handelt es sich um die Rückfahrt des Klägers von seinem betrieblichen Einsatzort nach Hause, die ebenso wie die Fahrt zur Arbeitsstelle oder zum auswärtigen Beschäftigungsort grundsätzlich Privatsache und damit von der Haftungsbeschränkung nicht erfasst ist (vgl. BGHZ 116, 30, 34). Das Oberlandesgericht Stuttgart schließlich nahm einen Betriebsunfall deshalb an, weil sich der Verkehrsunfall von der Rückfahrt von einer auswärtigen Baustelle in Richtung Firmensitz des Anstellungsunternehmens ereignete und die Fahrt auf Anordnung des Arbeitgebers erfolgte. Davon kann hier keine Rede sein. Nicht ein betriebliches Risiko hat sich hier verwirklicht, sondern das "normale" Risiko, das jeder Verkehrsteilnehmer eingeht.

Das angefochtene Urteil war daher abzuändern.

Soweit es um die Höhe des Schmerzensgeldes geht, sind die dafür maßgeblichen Tatsachen nur zum Teil streitig. Deshalb hat der Senat ein Teilurteil erlassen und dabei nur die nachfolgend aufgeführten Verletzungen und sonstigen Schadensfolgen berücksichtigt, die der Kläger durch den Unfall unstreitig erlitten hat. Insoweit kann der Kläger zum Ausgleich der erlittenen immateriellen Beeinträchtigungen von der Beklagten ein Schmerzensgeld von 25.000,00 € verlangen.

Die Höhe des dem Klägerin danach zustehenden Schmerzensgeldes hat dessen Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion Rechnung zu tragen, wobei namentlich bei Verkehrsunfällen die Genugtuungsfunktion gegenüber der Ausgleichsfunktion in den Hintergrund tritt. Maßgeblich für die Bemessung des Schmerzensgeldes sind insbesondere Ausmaß und Schwere der Verletzungen sowie die Dauer der stationären Behandlung und der Arbeitsunfähigkeit des Geschädigten. Die verschiedenen Gesichtspunkte sind im Rahmen einer Ermessensentscheidung zu werten. Einen groben Orientierungsrahmen bilden dabei Urteile, die in vergleichbaren Fällen ergangen und insbesondere in sog. Schmerzensgeldtabellen zusammengefasst sind. Bei der vergleichenden Betrachtung mit früheren Erkenntnissen sind freilich stets die inzwischen eingetretene wirtschaftliche Entwicklung, die geänderten allgemeinen Wertvorstellungen zum Schmerzensgeld sowie die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls zu berücksichtigen.

Gemessen an den vorgenannten Anforderungen erscheint ein Schmerzensgeld von 25.000,00 € als angemessen.

Maßgeblich für die Höhe des dem Kläger zuzusprechenden Schmerzensgeldes sind zunächst die von ihm erlittenen Verletzungen, der Behandlungsverlauf und die verbliebenen Unfallfolgen. Die erlittenen Verletzungen waren schwerwiegend. Neben einem Schädel-Hirn-Trauma ersten Grades erlitt der Kläger infolge des Verkehrsunfalles eine Prellung des Brustkorbes mit Rißwunde über der ventralen linken Thoraxwand, eine drittgradig offene Ellenbogengelenks-Luxationstrümmerfraktur links, eine Fraktur der proximalen Ulna, eine Abrißfraktur am großen Rollügel des Oberschenkelknochens links, eine anteroposteromediale Komplexinstabilität des linken Kniegelenks mit Zerreißung des vorderen Kreuzbandes, des inneren Seitenbandes und der hinteren medialen Gelenkkapsel, eine Knorpelfraktur am inneren Oberschenkelknochen sowie multiple Prellungen und Schürfungen.

Der Behandlungsverlauf war langwierig und, soweit es die Knieverletzung betrifft, nicht komplikationslos. Der Kläger befand sich dreimal, insgesamt etwa eineinhalb Monate, in stationärer Behandlung im Krankenhaus und mußte sich mehrfachen Operationen unterziehen. Der Trochanter major mußte mit einer Zugschraube fixiert werden. Das Ellbogengelenk wurde mittels Zuggurtungen und Verschraubung rekonstruiert, die später operativ entfernt werden mußte. Darüber hinaus mußte sich der Kläger zweimal einer Arthroskopie des linken Kniegelenks unterziehen und ihm wurde am 1. September 1997 eine Kreuzbandersatzplastik eingesetzt. Nachdem eine Eiteransammlung und eine Infektion mit Staphylococcen festgestellt worden waren, wurden im September 1997 weitere Arthroskpien mit Gelenkspülungen erforderlich. Den Krankenhausaufenthalten schlossen sich jeweils physiotherapeutische Behandlungen an, die bis zum 3. April 1998 andauerten. Der Kläger konnte zunächst nur mit Hilfe von zwei Achselstützen gehen. Zur Kräftigung der Oberschenkelmuskulatur wurden ihm Bewegungsübungen verordnet; für das Ellenbogengelenk mußte er Bewegungsübungen mit der Motorschiene durchführen. Die Arbeitsunfähigkeit des Klägers dauerte bis zum 9. April 1998, mithin etwa zehneinhalb Monate nach dem Unfallgeschehen, an.

Bereits aufgrund dieser erheblichen Verletzungen und Unfallfolgen, die für den seinerzeit etwa 25jährigen Kläger mit einer hohen Einbuße an Lebensqualität verbunden waren, steht dem Kläger eine billige Entschädigung in Geld von mindestens 25.000,00 € zu. Wegen der weiteren Unfallfolgen hat der Senat die Einholung eines Gutachtens eines medizinischen Sachverständigen angeordnet.

2.

Der Kläger kann auch die der Höhe nach nicht bestrittenen Kosten der Arztberichte des Dr. med. Z... in Höhe von 98,36 DM und des Klinikums F... in Höhe von 151,04 DM, insgesamt umgerechnet 127,52 €, gemäß § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 3 Nr. 1 PflVG erstattet verlangen.

3.

Der Zinsanspruch resultiert aus §§ 288 a.F., 291 BGB. Zinsen stehen dem Kläger mangels Verzuges erst ab Rechtshängigkeit und nur in der gesetzlichen Höhe von 4 % zu, da der gesetzliche Zinssatz von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontüberleitungsgesetzes vom 9. Juni 1998 gemäß § 288 Abs. 1 n.F. BGB nach Art. 229 Abs. 1 Satz 3 EGBGB nur Forderungen erfasst, die ab dem 1. Mai 2000 fällig werden.

II.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

III.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 30.127,52 € festgesetzt (Schmerzensgeld: 30.000,00 €; materieller Schaden: 127,52 €).

IV.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 II Nr. 1 ZPO n.F.) und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert (§ 543 II Nr. 2 ZPO n.F.).

Ende der Entscheidung

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