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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 08.11.2001
Aktenzeichen: 15 UF 124/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, FGG


Vorschriften:

ZPO § 621 Abs. 1 Ziff. 1
ZPO § 621 a Abs. 1
ZPO § 621 e
BGB § 1629 Abs. 1 Satz 4
BGB § 1671 Abs. 1
BGB § 1671 Abs. 2 Ziff. 2
BGB § 1687 Abs. 1 Satz 2
BGB § 1687 Abs. 1 Satz 3
BGB § 1687 Abs. 1 Satz 4
FGG § 13 a Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

15 UF 124/01 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 08.11.2001

Verkündet am 08.11.2001

In der Familiensache

betreffend das Sorgerecht für das Kind

hat der 3. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 18. Oktober 2001

durch den Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Landgericht ...

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Mutter und die Anschlussbeschwerde des Vaters gegen das am 13. Juni 2001 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Zossen - 6 F 30/00 - werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Gründe:

I.

Wegen des Sachverhalts nimmt der Senat zunächst Bezug auf Ziff. I der Gründe seines am 08.02.2001 verkündeten Beschlusses in dem auf Erlass einer vorläufigen Anordnung gerichteten Beschwerdeverfahren 15 WF 212/00.

Seit dem 11.02.2001 hat A..., entsprechend den Bestimmungen dieses Beschlusses, ihren Lebensmittelpunkt beim Vater und wird von diesem gepflegt und erzogen. Zugunsten der Mutter wurde bis September 2001 im wesentlichen die ebenfalls in dem Beschluss durch den Senat getroffene Umgangsregelung praktiziert; in der Sitzung vom 27.09.2001 im Scheidungsverfahren 6 F 127/00 Amtsgericht Zossen haben sich die Eltern einvernehmlich auf eine neue Umgangsregelung verständigt, die seitdem zwischen ihnen Geltung beansprucht.

Der Vater hat im Hauptsacheverfahren beantragt,

das Sorgerecht für A... auf ihn zu übertragen.

Die Mutter hat sich darauf beschränkt zu beantragen,

das Aufenthaltsbestimmungsrecht für A... auf sie zu übertragen, und will im übrigen am gemeinsamen Sorgerecht beider Eltern festhalten.

Das Amtsgericht hat durch das angefochtene Urteil das Aufenthaltsbestimmungsrecht für A... auf den Vater übertragen und es im übrigen beim gemeinsamen Sorgerecht der Eltern belassen. In den Entscheidungsgründen hat es sich im wesentlichen die Ausführungen des Senats in dem erwähnten Beschluss vom 08.02.2001 zu eigen gemacht.

Gegen dieses Urteil haben beide Eltern Beschwerde eingelegt, mit der sie jeweils ihren erstinstanzlichen Hauptsacheantrag weiterverfolgen, soweit ihm nicht stattgegeben worden ist.

Der Senat hat in der Sitzung vom 18.10.2001 die beteiligten Eltern erneut ausführlich angehört; auf eine erneute Anhörung von A... ist einvernehmlich verzichtet worden. Die beteiligten Jugendämter haben unter dem 11.10.2001 und unter dem 15.10.2001 schriftlich Stellung genommen; auf den Inhalt ihrer Stellungnahmen - Bl. 713 ff., 718 ff. d.A. - wird Bezug genommen.

II.

1. Die Beschwerde der Mutter und die (selbständige) Anschlussbeschwerde des Vaters sind gemäß § 621 e ZPO statthaft und auch im übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Der Umstand, dass das Amtsgericht in dieser Sache durch Urteil entschieden hat, ändert an der Statthaftigkeit der Beschwerden nichts. Richtigerweise hätte das Amtsgericht nämlich nicht durch Urteil, sondern durch Beschluss entscheiden müssen. Die beteiligten Eltern streiten in der Hauptsache um das Sorgerecht, insbesondere um das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihr gemeinsames Kind, ein Begehren, das gemäß §§ 621 a Abs. 1, 621 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu behandeln ist. In Fällen dieser Art ist nach dem "Meistbegünstigungsgrundsatz" sowohl der "richtige" Rechtsbehelf als auch der Rechtsbehelf, den die äußere Form der Entscheidung nahelegt, statthaft (Zöller/Gummer, ZPO, 22. Aufl., 2001, Rdnr. 29 vor § 511). In jedem Fall kann der Senat ohne weiteres in das "richtige" Verfahren übergehen also im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit durch Beschluss entscheiden; das Rechtsmittelgericht braucht dem Untergericht nicht auf dem eingeschlagenen falschen Weg zu folgen, sondern kann das Verfahren selbst in die richtige Richtung lenken (Zöller/Gummer, a.a.O., Rdnr. 31 vor § 511, jeweils m.w.N.).

2. In der Sache haben beide Beschwerden keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat im Ergebnis zu Recht gemäß §§ 1671 Abs. 1, Abs. 2 Ziff. 2 BGB das Aufenthaltsbestimmungsrecht für A... auf den Vater übertragen und es im übrigen bei dem gemeinsamen Sorgerecht der Eltern belassen; denn dies entspricht auch nach Auffassung des Senats jedenfalls zur Zeit und bis auf weiteres dem Kindeswohl am besten.

a) Seit nunmehr neun Monaten lebt A... beim Vater in G... und ist dort eingeschult worden. Dafür, dass der Vater seiner Erziehungs- und Förderungspflicht nicht in ausreichendem Maße nachkäme oder dies in der Zukunft zu besorgen wäre, sieht der Senat auch nach der erneuten Anhörung der Eltern keine greifbaren Anhaltspunkte. Der Umstand, dass der Vater einen anderen, möglicherweise strengeren und emotional weniger zugewandten Erziehungsstil pflegt, als die Mutter es für richtig hält, ändert daran nichts; denn eine gewisse "Einseitigkeit" der Erziehung ist, jedenfalls solange es den Eltern nicht gelingt, die zwischen ihnen bestehenden Spannungen zu überwinden und die Erziehung von A... im Interesse des Kindes einvernehmlich und gemeinsam zu gestalten, angesichts der unterschiedlichen Temperamente der Eltern eine notwendige Folge ihrer Trennung.

Bei dieser Sachlage erscheint es dem Senat, auch vor dem Hintergrund, dass A... vor allem im zweiten Jahr nach der Trennung ihrer Eltern ständig zwischen ihnen hin- und hergerissen worden ist, unter dem Gesichtspunkt der Kontinuität am sinnvollsten, die Lebenssituation, in der A... jetzt zur Ruhe gekommen ist, nicht ein weiteres Mal einschneidend zu verändern. Das gilt umso mehr, als ein Wechsel in den Haushalt der Mutter jedenfalls zur Zeit für A... zwangsläufig auch mit einem Schulwechsel verbunden wäre. Einen Schulwechsel in der jetzigen Situation hält indes offenbar nicht einmal die Mutter selbst für zumutbar; immerhin erwägt sie - jedenfalls hat sie dies im Zuge ihrer Anhörung vor dem Senat zum Ausdruck gebracht -, wieder in die Nähe des jetzigen Wohnsitzes des Kindes zu ziehen, um A..., ohne ihr einen Schulwechsel ansinnen zu müssen, ständig nahe sein zu können. Ob, wenn ein solcher Umzug zu einem späteren Zeitpunkt tatsächlich stattgefunden haben sollte, sich die Frage des Lebensmittelpunktes von A... und, damit einhergehend, die Frage des Aufenthaltsbestimmungsrechts erneut stellt und ggf. auf Grund der dann entstandenen neuen Situation anders geregelt werden muß, ist an dieser Stelle nicht zu entscheiden.

b) Im übrigen, also über die Frage des Aufenthaltsbestimmungsrechts hinaus, sieht der Senat allerdings keine hinreichende Veranlassung, abweichend vom Leitbild des Gesetzes das gemeinsame Sorgerecht der Eltern aufzuheben und es ganz auf den Vater zu übertragen. Zwar ist dem Vater zuzugeben, dass in der Tat jedenfalls zur Zeit nicht zu erkennen ist, dass die Eltern bereit und in der Lage wären, über die Belange des gemeinsamen Kindes sinnvoll miteinander zu sprechen und einvernehmliche Lösungen zu finden. Und auch der Senat missbilligt es, dass die Mutter etwa eigenmächtig und ohne Absprache mit dem Vater Lehrpersonen von A... aufsucht und mit ihnen intensive Gespräche über eine angemessene Erziehung des Kindes führt, die tendenziell geeignet sind, die Erziehungsvorstellungen und -bemühungen des Vaters zu hintertreiben, denn dies geht über das natürliche Recht eines jeden Elternteils auf Teilhabe an der Erziehung und Information über den Entwicklungsstand des Kindes hinaus. Auf der anderen Seite stehen - soweit ersichtlich - in absehbarer Zeit keine sorgerechtsrelevanten Entscheidungen für A... an, die der Vater auf der Grundlage des geltenden Rechts nicht ohnehin allein treffen kann (vgl. §§ 1629 Abs. 1 Satz 4, 1687 Abs. 1 Satz 2-4 BGB). Deshalb erscheint es vertretbar, die Mutter nicht noch weiter aus ihrer Erziehungsverantwortung herauszudrängen, als dies nach Lage der Dinge unvermeidbar ist; der Senat verbindet damit die Hoffnung, in gewisser Weise aber auch einen Appell an beide Eltern, dass sie sich in der Zukunft wieder auf ihre gemeinsame Elternverantwortung besinnen und es wieder lernen, in den Belangen, die A... betreffen, einvernehmlich zum Wohle des Kindes zusammenzuarbeiten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Abs. 1 FGG.

Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens: 5.000,00 DM.

Ende der Entscheidung

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