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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 01.11.2006
Aktenzeichen: 15 UF 74/05
Rechtsgebiete: FGG, ZPO, BGB, BarwertVO, VAÜG, VAHRG


Vorschriften:

FGG § 53 b Abs. 1
ZPO § 621 e
BGB § 1587 Abs. 2
BGB § 1587 a Abs. 1 Satz 1
BGB § 1587 a Abs. 1 Satz 2
BGB § 1587 a Abs. 2 Nr. 3
BGB § 1587 a Abs. 3 Nr. 1
BGB § 1587 a Abs. 3 Nr. 2
BGB § 1587 b Abs. 1
BGB § 1587 b Abs. 6
BarwertVO § 2 Abs. 2 S. 4
VAÜG § 2 Abs. 1 Nr. 1 b)
VAÜG § 3 Abs. 1 Nr. 4
VAÜG § 3 Abs. 1 Nr. 5
VAÜG § 4 Abs. 1 Ziff. 1
VAHRG § 1 Abs. 2
VAHRG § 1 Abs. 3
VAHRG § 3 b I Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

15 UF 74/05 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 3. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Gottwaldt, den Richter am Oberlandesgericht Langer und den Richter am Amtsgericht Neumann

am 1. November 2006

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Deutschen Rentenversicherung K... wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - Zossen - 6 F 480/03 - hinsichtlich seines Ausspruchs zum Versorgungsausgleich (Ziff. 2. des Tenors) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Von dem Versicherungskonto Nr. ... der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund werden, bezogen auf das Ende der Ehezeit am 30.09.2003, angleichungsdynamische Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 92,21 € auf das Versicherungskonto Nr. ... des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung K... übertragen.

Zu Lasten der Versorgung der Antragstellerin bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder zur Versicherungsnummer ... werden, bezogen auf das Ende der Ehezeit am 30.09.2003, nichtangleichungsdynamische Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 24,17 € auf dem Versicherungskonto Nr. ... des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung K... begründet.

Der Monatsbetrag der zu übertragenden Anwartschaften ist in Entgeltpunkte (Ost), derjenige der zu begründenden Anwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Gründe:

Der Senat entscheidet ohne die in § 53 b Abs. 1 FGG vorgesehene mündliche Verhandlung. Den Beteiligten ist rechtliches Gehör gewährt worden und der Sachverhalt ist hinreichend aufgeklärt, so dass von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden kann (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler/Weber, FGG, 15. Aufl., 2003, § 53 b, Rz. 5).

Die gemäß § 621 e ZPO zulässige Beschwerde der Deutschen Rentenversicherung K... ist begründet. Der Versorgungsträger rügt zu Recht, dass das Amtsgericht bei dem Versorgungsausgleich den Anteil der knappschaftlichen Anwartschaften bei der Durchführung des Versorgungsausgleichs unberücksichtigt gelassen hat. Darüber hinaus hat das Amtsgericht auch zu Unrecht die Anwartschaften der Antragstellerin bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder sowie die aus dem privaten Lebensversicherungsvertrag bei der A... LebensversicherungsAktiengesellschaft (Vers.-Nr.: 271052934) im Wege des Splittings in den Ausgleich einbezogen und zudem unrichtig bewertet.

Nach den Auskünften der beteiligten Versorgungsträger haben die Parteien während der für den Versorgungsausgleich maßgeblichen Ehezeit vom 01.11.1975 bis zum 30.09.2003 folgende Anwartschaften erworben:

Antragstellerin:

Wie sich aus der Auskunft der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 22.06.2004 ergibt, hat die Antragstellerin in der versorgungsausgleichsrechtlichen Ehezeit vom 01.11.1975 bis 30.09.2003 angleichungsdynamische Rentenanwartschaften (Ost) in Höhe von monatlich 797,70 € erworben.

Darüber hinaus hat sie ausweislich der Auskunft der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder vom 07.11.2003 eine Anwartschaft auf Leistungen aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes erlangt, deren Ehezeitanteil sich auf jährlich 1006,08 € (83,84 € x 12 Monate) beläuft.

Weiterhin hat die Antragstellerin eine Anwartschaft auf eine Leibrente aus einem privaten Lebensversicherungsvertrag erworben. Nach der Auskunft des Versicherers, der A... Lebensversicherungs-AG, vom 22.12.2003 beträgt das Deckungskapital für die beitragsfreie Differenzrente am Ende der Ehezeit 1.188,83 €.

Antragsgegner:

Der Antragsgegner hingegen hat nach der Auskunft der Deutschen Rentenversicherung K... vom 10.07.2006, ebenfalls bezogen auf die Ehezeit, angleichungsdynamische Rentenanwartschaften (Ost) in Höhe von monatlich insgesamt 613,29 € erworben, von denen 388,38 € aus der knappschaftlichen Rentenversicherung herrühren.

Bei dem Ausgleich der Versorgungen ist zu beachten, dass der Wert der Anwartschaft der Antragstellerin auf Leistungen aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes vor seiner Einbeziehung in den Versorgungsausgleich in eine regeldynamische Rente umzurechnen ist, da er nur im Leistungsstadium, nicht aber im Anwartschaftsstadium in gleicher Weise wie derjenige einer Anwartschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung steigt (BGH NJW 2004, 2676). Sie kann deshalb nicht mit den von dem Antragsgegner in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Rentenanwartschaften saldiert werden, denn hierdurch würde der Halbteilungsgrundsatz des § 1587 a Abs. 1 Satz 2 BGB verletzt. Für die Erstellung der Ausgleichsbilanz aller in den Versorgungsausgleich einzustellenden Anrechte ist daher eine Umrechnung des Anrechts in eine (fiktive) Rentenanwartschaft erforderlich, deren Dynamik derjenigen der in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Rentenanwartschaften entspricht und die deshalb mit diesen vergleichbar ist. Die Umrechnung richtet sich angesichts dessen, dass die aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes zu erbringenden Leistungen nicht aus einem Deckungskapital gewährt werden, nach § 1587 a Abs. 3 Nr. 2 BGB. Danach ist die Regelaltersrente zugrunde zu legen, die sich ergäbe, wenn für den auf die Ehezeit entfallenden Teil der Versorgung ein Barwert ermittelt und als Beitrag in die gesetzliche Rentenversicherung entrichtet würde. Hierdurch wird die Vergleichbarkeit der Anwartschaft mit den dynamischen Anrechten in der gesetzlichen Rentenversicherung hergestellt.

Der für die Ermittlung des Barwerts maßgebliche Kapitalisierungsfaktor ist der Tabelle 1 zur BarwertVO in der Fassung der 3. VO zur Änderung der BarwertVO vom 03.05.2006 (BGBl. I, Nr. 23, S. 1144) zu entnehmen; er beträgt bei einem Lebensalter der Antragstellerin von 51 Jahren zum Ehezeitende und einem Rentenbeginn mit Vollendung des 65. Lebensjahres 6,2.

Da die in Rede stehende Versorgung im Leistungsstadium volldynamisch ist (BGH, a.a.O.), ist der Faktor jedoch gemäß § 2 Abs. 2 Satz 4 BarwertVO in der Fassung der 3. VO zur Änderung der BarwertVO vom 03.05.2006 (BGBl. I, Nr. 23, S. 1144) um 50 % zu erhöhen. Das hat das Amtsgericht bei seiner Bewertung nicht berücksichtigt. Der maßgebliche Faktor beträgt mithin 9,3. Mit diesem Faktor ist der Jahresbetrag der Rente zu multiplizieren, § 2 Abs. 2 S. 4 BarwertVO. Dies führt zu einem Barwert von 9.356,54 € (1.006,08 x 9,3).

Dieser Barwert ist fiktiv als Beitrag in die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen, indem er mit Hilfe des für das Ehezeitende am 30.09.2003 maßgeblichen Umrechnungsfaktors (0,0001754432) in Entgeltpunkte umgerechnet (= 1,6415) und die Entgeltpunkte sodann mit dem für das Ehezeitende maßgeblichen Rentenwert (26,13 €) multipliziert werden. Auch diesbezüglich geht die Umrechnung, die das Amtsgericht vorgenommen hat, von einem falschen Ansatz aus, indem ein unzutreffender Umrechnungsfaktor zu Grunde gelegt worden ist.

Somit errechnet sich eine fiktive nichtangleichungsdynamische Anwartschaft von 42,89 €.

Auch die Anwartschaft der Antragstellerin auf die Leibrente aus dem privaten Lebensversicherungsvertrag ist statisch und kann wegen ihrer fehlenden Dynamik ebenfalls nicht mit den von dem Antragsgegner in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Rentenanwartschaften saldiert werden. Auch hier ist daher zunächst eine Umrechnung des Anrechts in eine fiktive Rentenanwartschaft erforderlich, deren Dynamik derjenigen der in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Rentenanwartschaften entspricht und die deshalb mit diesen vergleichbar ist. Da die Versicherungsleistungen aus einem Deckungskapital gewährt werden, richtet sich die Umrechnung nach § 1587 a Abs. 3 Nr. 1 BGB. Danach ist die Regelaltersrente zugrunde zu legen, die sich ergäbe, wenn das während der Ehe gebildete (versorgungsausgleichsrechtliche) Deckungskapital als Beitrag in die gesetzliche Rentenversicherung entrichtet würde. Auch diese Umrechnung führt zwingend zu der Ermittlung einer entsprechenden nichtangleichungsdynamischen Rentenanwartschaft (West), denn auch der Wert der Anwartschaft auf die Leibrente ändert sich in der Angleichungsphase bis zur Herstellung einheitlicher Einkommensverhältnisse im gesamten Bundesgebiet nicht mehr.

Die Umrechnung erfolgt, indem das Deckungskapital mit Hilfe des für das Ehezeitende am 30.09.2003 maßgeblichen Umrechnungsfaktors (0,0001754432) in Entgeltpunkte umgerechnet und die Entgeltpunkte sodann mit dem für das Ehezeitende maßgeblichen Rentenwert (26,13 €) multipliziert werden. Auf dieser Grundlage ergibt sich eine fiktive nichtangleichungsdynamische Rentenanwartschaft für die Ehezeit in Höhe von 5,45 € (1.188,83 x 0,0001754432 x 26,13).

Für die Gesamtbilanz folgt daraus, dass die Antragstellerin während der Ehe neben ihren angleichungsdynamischen Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 797,70 € den im Wege der Umrechnung ihrer Anwartschaft auf Leistungen aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes und ihrer Anwartschaft auf die Leibrente ermittelten Gegenwert weiterer nichtangleichungsdynamischer Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 42,89 € (VBL) bzw. 5,45 € (Allianz) erlangt hat. Damit hat die Antragstellerin insgesamt die höheren Anrechte erworben, so dass sie gemäß § 1587 a Abs. 1 Satz 1 BGB ausgleichsverpflichtet ist. Dem ausgleichsberechtigten Antragsgegner steht gemäß § 1587 a Abs. 1 Satz 2 BGB die Hälfte des Wertunterschiedes zu.

Da die Antragstellerin sowohl die höheren angleichungsdynamischen als auch die höheren nichtangleichungsdynamischen Anrechte erlangt hat, ist der Versorgungsausgleich gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 b) VAÜG schon vor der Einkommensangleichung durchzuführen.

Mithin sind zunächst, im Wege des Splittings gemäß § 1587 b Abs. 1 BGB, § 3 Abs. 1 Nr. 4 VAÜG angleichungsdynamische Rentenanwartschaften der Antragstellerin in der gesetzlichen Rentenversicherung wie folgt auf das Versicherungskonto des Antragsgegners zu übertragen:

 angleichungsdynamische Anwartschaften Antragstellerin: 797,70 €
./. angleichungsdynamische Anwartschaften Antragsgegner: ./. 613,29 €
Differenz: 184,41 € : 2 = 92,21 €

Entgegen der vom Amtsgericht vorgenommenen Verfahrensweise ist die Anwartschaft auf Leistungen aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes nicht in das Splitting einzubeziehen. Da es sich bei diesen Anwartschaften um eine betriebliche Altersversorgung i.S.d. § 1587 a II Nr. 3 BGB handelt, der Versorgungsträger, die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder, öffentlich-rechtlich organisiert ist, und der Versorgungsträger eine Realteilung nicht zulässt, hat der Ausgleich durch analoges Quasi-Splitting gemäß § 1 Abs. 3 VAHRG, § 3 Abs. 1 Nr. 4 VAÜG in entsprechender Anwendung des § 1587 Abs. 2 BGB in der Weise zu erfolgen, dass zu Lasten dieser Anwartschaft Rentenanwartschaften in Höhe der Hälfte ihres fiktiven Wertes auf dem Versicherungskonto des Antragsgegners begründet werden: fiktive nichtangleichungsdynamische

 Versorgungsanwartschaft Antragstellerin 42,89 €
: 2 = 21,45 €

Schließlich ist die Anwartschaft der Antragstellerin auf die Leibrente auszugleichen. Da der Versicherungsträger nicht öffentlich-rechtlich organisiert ist und sein Geschäftsplan eine Realteilung von Versorgungsanrechten im Falle der Ehescheidung nicht vorsieht, kann der Ausgleich nicht im Wege der Realteilung gemäß § 1 Abs. 2 VAHRG oder im Wege des analogen Quasi-Splittings gemäß § 1 Abs. 3 VAHRG stattfinden.

Vielmehr ist der Ausgleich durch erweitertes Quasiplitting gem. § 3 b I Nr. 1 VAHRG in der Weise vorzunehmen, dass anstelle des schuldrechtlich auszugleichenden Anrechts ein seinem (fiktiven) Wert entsprechendes anderes Anrecht, das seiner Art nach durch Übertragung oder Begründung von Anrechten ausgeglichen werden kann und vor oder in der Ehezeit erworben worden ist, herangezogen wird. Ausweislich der Ehezeitauskunft der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 22.06.2004 hat die Antragstellerin sowohl vor als auch in der Ehezeit keine nichtangleichungsdynamischen Anrechte erworben, die zum Ausgleich herangezogen werden könnten. Die Heranziehung angleichungsdynamischer Anrechte scheidet jedoch gem. § 4 Abs. 1 Ziff. 1 VAÜG aus.

Allerdings verfügt die Antragstellerin über fiktive nichtangleichungsdynamische Anrechte im Wert von insgesamt 42,89 € aus der betrieblichen Altersversorgung bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder. Nach Durchführung des analogen Quasisplittings verbleiben hiervon noch 21,44 €, die für ein erweitertes Quasisplitting gem. § 3 b I Nr. 1 VAHRG zur Verfügung stehen.

Durch erweitertes Quasisplitting ist die Hälfte der fiktiven nichtangleichungsdynamischen Anrechte der Antragstellerin auf Grund der privaten Leibrentenversicherung, mithin 2,72 € (5,45 € : 2) auszugleichen. Dieser Betrag übersteigt auch nicht 2 % des auf einen Monat entfallenden Teils der am Ende der Ehezeit maßgeblichen Bezugsgröße (§ 3 b I Ziff. 1. VAHRG).

Mithin ist der Betrag i.H.v. 2,72 € als monatliche nichtangleichungsdynamische Anwartschaft im Wege des erweiterten Quasisplitting zu Lasten der Versorgung der Antragstellerin bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder auf dem Versicherungskonto des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung K... zu begründen, so dass sich insgesamt zu begründende nichtangleichungsdynamische Anwartschaften i.H.v. 24,17 € (21,45 + 2,72 €) ergeben.

Gemäß § 1587 b Abs. 6 BGB, § 3 Abs. 1 Nr. 5 VAÜG ist anzuordnen, dass der Monatsbetrag der zu übertragenden und der zu begründenden Rentenanwartschaften in Entgeltpunkte bzw. in Entgeltpunkte (Ost) umzurechnen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 93 a ZPO.

Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens gem. § 49 Ziff. 3 GKG: 2.000,- €

Ende der Entscheidung

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