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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 22.09.2006
Aktenzeichen: 15 WF 410/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 124 Nr. 2
ZPO § 124 Ziff. 2
ZPO § 127 Abs. 2
ZPO § 127 Abs. 4
ZPO § 567
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

15 WF 410/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Prozesskostenhilfe-Überprüfungsverfahren gemäß § 124 Ziff. 2 ZPO betreffend den Familienrechtsstreit

hat der 3. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Gottwaldt, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Wendtland und den Richter am Amtsgericht Neumann

am 22. September 2006

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Luckenwalde vom 05. Mai 2006 - 31 F 308/05 - wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet, § 127 Abs. 4 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

Die gemäß §§ 127 Abs. 2, 567 ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Antragsgegners hat in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat zu Recht gem. § 124 Ziff. 2 ZPO die zunächst mit Beschluss vom 09.01.2006 festgesetzten Monatsraten erhöht und zugleich eine Einmalzahlung von 500,- € auf die Prozesskosten angeordnet.

Der Antragsgegner hat in der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 27.10.2005 bewusst wahrheitswidrig angegeben, er habe kein Kraftfahrzeug. Erst nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe hat er auf eine gerichtliche Anfrage zu einer Versicherungsprämie eingeräumt, dass diese seinen Pkw betrifft.

Der Senat ist davon überzeugt, dass die ausdrückliche Verneinung der Frage nach dem Pkw, auf den der Antragsgegner nach seinem Beschwerdevorbringen auch regelmäßig angewiesen ist, zumindest auf grober Nachlässigkeit beruht.

Die Entscheidungskorrektur nach § 124 Nr. 2 ZPO wegen unrichtiger Angaben der Partei ist nicht nur kostenrechtlicher Natur, sondern hat in erster Linie Straf- bzw. Sanktionscharakter (vgl. Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 124 ZPO Rn. 13; MünchKommZPO/Wax, § 124 ZPO Rn. 10 jeweils m. weit. Nachw.; OLG Frankfurt, FamRZ 1983, 1046; OLG Köln, Rpfleger 1984, 200, 201 und Rpfleger 1987, 432 = FamRZ 1987, 1169; OLG Köln RPfl. 1984, 200 (201), FamRZ 87, 1189,FamRZ 1983,1046, FamRZ 1988, 740; OLG Frankfurt FamRZ 83,1046; OLG Hamm Rpfleger 1986, 238; OLG München, OLGR München 1993, 271). Dafür spricht, dass nach dem Gesetzeswortlaut die bereits bewilligte Prozesskostenhilfe aufgehoben werden kann, "wenn" und nicht nur "soweit" die Tatbestände Nrn. 1- 4 erfüllt sind. Würden auch die Nrn. 1 und 2 nur eine objektiv-kostenrechtliche Korrektur ermöglichen, entfiele (bis auf die Vier-Jahres-Frist) ein relevanter Unterschied zwischen § 124 Nr. 2 und § 124 Nr. 3 ZPO.

Im Regierungsentwurf zu dem Gesetz v. 13.6.1980 (BGBl I 677), durch den das Rechtsinstitut der Prozesskostenhilfe statt des früheren Armenrechts in die ZPO eingefügt worden ist, heißt es in der Begründung zu § 122 ZPO, der als der heutige § 124 ZPO in die Gesetzesberatungen eingegangen ist: "Ob das Gericht bei Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes I die Bewilligung der PKH aufhebt, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Bei weniger gravierenden Verstößen gegen die Verpflichtung, zutreffende Angaben über die maßgebenden Verhältnisse zu machen ..., kann eine rückwirkende Änderung der Bestimmungen über die Zahlungsverpflichtungen der Partei ... die angemessenere Reaktion des Gerichts sein." (BT-Drucks. 8/3068).

Angesichts des sowohl in subjektiver als auch in objektiver Hinsicht festzustellenden groben Verstoßes des Antragsgegners gegen die Verpflichtung, sich wahrheitsgemäß über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu erklären, kommt es nicht darauf an, ob die Offenbarung der tatsächlichen Verhältnisse auch zur Versagung der Prozesskostenhilfe geführt oder eine Zahlungsverpflichtung gem. § 115 Abs. 1 S. 2 ZPO zur Folge gehabt hätte. Es entspricht dem Sanktionscharakter der Bestimmung des § 124 Ziff. 2 ZPO, dass im Falle der in diesem Sinne vorwerfbaren unrichtigen Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eine Versagung bzw. Einschränkung der Prozesskostenhilfe auch dann eintreten kann, wenn bei wahrheitsgemäßer Offenbarung eine abweichende Entscheidung nicht geboten gewesen wäre (vgl. hierzu auch OLG Köln FamRZ 87, 1169; 88, 740; OLG Hamm Rpfleger 86, 238; OLG Braunschweig OLGR 05, 373; a.A. OLG Köln, FamRZ 98, 1523; OLG Brandenburg, RPfl. 2001, 503). Da das Amtsgericht es bei der Anordnung einer Einmalzahlung und einer Erhöhung der Monatsraten um 50 % bewenden ließ, ist die Sanktion jedenfalls in Anbetracht der Schwere der Pflichtverletzung des Antragsgegners angemessen und nicht zu beanstanden.

Der Senat lässt nach § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1, 2 ZPO die Rechtsbeschwerde zu, da dies angesichts der oben genannten unterschiedlichen Entscheidungen zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

Die Rechtssache hat auch grundsätzliche Bedeutung, weil von einer Vielzahl von gleichartigen Fällen auszugehen ist.

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