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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 25.07.2009
Aktenzeichen: 2 Ausl (A) 30/08
Rechtsgebiete: RVG, IRG, Str-RehaG


Vorschriften:

RVG § 56 Abs. 1 Satz 1
IRG § 28
IRG § 30 Abs. 3
IRG § 31
Str-RehaG § 13
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Erinnerung des Beistands gegen den Beschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 28. Januar 2009 wird als unbegründet verworfen.

Das Verfahren über die Erinnerung ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Rechtsanwalt F... wurde dem Verfolgten im Auslieferungsverfahren durch Beschluss der Vorsitzenden des Senats vom 19. August 2008 zum Beistand bestellt. Er nahm an der Vernehmung des Verfolgten vor dem Amtsgericht Cottbus am 3. September 2008 teil. Mit Kostenrechnung vom 16. Dezember 2008 machte er Gebühren und Auslagen in Höhe von 925,27 € gegen die Staatskasse geltend, unter anderem eine Terminsgebühr nach Nr. 6101 VV-RVG in Höhe von 356,00 €.

Mit Beschluss vom 28. Januar 2009 hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle bei dem Brandenburgischen Oberlandesgericht die dem Beistand aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 485,03 € festgesetzt und dabei u. a. die vorgenannte Terminsgebühr in Abzug gebracht, weil eine mündliche Verhandlung vor dem Senat nicht stattgefunden hatte. Mit seinem als sofortige Beschwerde bezeichneten Rechtsmittel, dem der Urkundsbeamte mit Verfügung vom 16. Juni 2009 nicht abgeholfen hat, wendet sich der Beistand gegen die Absetzung der Terminsgebühr.

Mit Beschluss vom heutigen Tage hat der Einzelrichter die Rechtssache wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.

II.

Das Rechtsmittel des Beistands hat keinen Erfolg. Es ist als Erinnerung gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 RVG statthaft, jedoch unbegründet.

Das Vergütungsverzeichnis zum RVG enthält Regelungen zur Vergütung des Beistands im Auslieferungsverfahren in Teil 6, Abschnitt 1. Dort sind lediglich zwei Gebührentatbestände aufgeführt; neben der "Verfahrensgebühr" nach Nr. 6100 VV-RVG die hier in Rede stehende "Terminsgebühr je Verhandlungstag" nach Nr. 6101 VV-RVG. Die Höhe der "Terminsgebühr je Verhandlungstag" beträgt für den Wahlbeistand 110,00 bis 780,00 €, für den gerichtlich bestellten Beistand 356,00 €. In der Vorbemerkung 6, die für alle Abschnitte des Teils 6 des Vergütungsverzeichnisses gilt, ist in Abs. 3 Satz 1 bestimmt, dass die Terminsgebühr für die Teilnahme an gerichtlichen Terminen entsteht, soweit nichts anderes bestimmt ist.

Das Gesetz über die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) verwendet den Begriff der "Verhandlung" in §§ 30 Abs. 3, 31 IRG, die eine mündliche Verhandlung vor dem Oberlandesgericht zur Vorbereitung der Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung regeln. Die Vernehmung des Verfolgten gemäß § 28 IRG vor dem Amtsgericht wird vom Gesetz nicht als Verhandlung bezeichnet.

Vor diesem gesetzlichen Hintergrund lehnt es die ganz überwiegende obergerichtliche Rechtsprechung ab, dem Beistand für die Teilnahme an der Vernehmung des Verfolgten gemäß § 28 IRG vor dem Amtsgericht eine Terminsgebühr nach Nr. 6101 VV-RVG zuzubilligen (OLG Bremen vom 28.06.2005 - Ausl 8/04 -; OLG Hamburg vom 21.02.2006 - Ausl 24/05; OLG Köln vom 14.03.2006 - 2 ARs 35/06 -; OLG Hamm vom 30.03.2006 - 2(s)Sbd IX 43/06 -; OLG Dresden vom 06.02.2007 - OLG 33 Ausl 84/06 -; KG Berlin vom 13.08.2007 - 1 Ws 109/07 -; OLG Stuttgart vom 28.09.2007 - 3 Ausl 55/07 -; OLG Koblenz vom 29.02.2008 - (1) Ausl-III-20/07 -; OLG Rostock vom 12.03.2009 - Ausl 14/08 I 7/08 -; OLG Oldenburg vom 16.03.2009 - Ausl 56/08 -; alle zitiert nach Juris). Dem schließt sich auch der Senat an.

Der Wortlaut des Gebührentatbestands und die Höhe der dort festgesetzten Gebühren machen deutlich, dass damit nur Verhandlungen vor dem Oberlandesgericht erfasst werden sollen. "Verhandelt" über die Zulässigkeit der Auslieferung oder die Fortdauer der Auslieferungshaft wird sowohl nach dem Wortlaut als auch nach dem sachlichen Regelungsgehalt des IRG nur vor dem Oberlandesgericht. Wegen der weitgehend ausgeschlossenen Befugnis des Amtsgerichts, eine eigene Sachentscheidung zu treffen (vgl. §§ 21 Abs. 3, 22 Abs. 3, 23 IRG), kann bei Terminen gemäß § 28 IRG über Anordnung und Fortdauer der Auslieferungshaft nicht verhandelt werden. Diese Termine dienen vielmehr der Anhörung und Belehrung des Verfolgten (§§ 21, 22, 28, 41 IRG) oder der Verkündung des Auslieferungshaftbefehls des Oberlandesgerichts. Hinzu kommt die Höhe der dort bestimmten Gebühr, die derjenigen nach Nr. 4120 VV-RVG für Verhandlungstage in erstinstanzlichen Strafsachen vor dem Oberlandesgericht, dem Schwurgericht, der Staatsschutz- oder Wirtschaftsstrafkammer entspricht.

Die Gegenansicht, die in der obergerichtlichen Rechtsprechung nur vom Thüringischen Oberlandesgericht vertreten wird (NStZ-RR 2008, S. 63 f.), vermag dagegen nicht zu überzeugen. Soweit argumentiert wird, gerichtliche Termine im Sinne der Vorbemerkung zu Teil 6 des Vergütungsverzeichnisses könnten auch solche vor dem Amtsgericht sein und die Bedeutung der Formulierung "Terminsgebühr je Verhandlungstag" erschöpfe sich in der Klarstellung, dass die Gebühren nicht nur einmal, sondern für die Teilnahme an jedem Termin erneut entstünden, wäre dies systemfremd. Im Vergleich zu dem in allgemeinen Strafsachen vergleichbaren Gebührentatbestand Nr. 4102 VV-RVG, der die Terminsgebühr für die Teilnahme an richterlichen Vernehmungen und Augenscheinseinnahmen (dort Nr. 1) oder an Terminen außerhalb der Hauptverhandlung, in denen über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft oder der einstweiligen Unterbringung verhandelt wird (dort Nr. 3), wäre dann der Beistand im Auslieferungsverfahren gegenüber dem Verteidiger in allgemeinen Strafsachen in doppelter Hinsicht besser gestellt, ohne dass es dafür einen sachlichen Grund gäbe. Die Gebühr nach Nr. 4102 VV-RVG ist nicht nur wesentlich niedriger (30,00 - 250,00 € für den Wahlanwalt und 112,00 € für den gerichtlich bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalt) als diejenige nach Nr. 6101 VV-RVG; sie entsteht im vorbereitenden Verfahren und in jedem Rechtszug für die Teilnahme an jeweils bis zu 3 Terminen auch nur einmal. Nicht nachzuvollziehen ist vor diesem Hintergrund, warum der Beistand im Auslieferungsverfahren für jede Teilnahme an einer Vernehmung des Verfolgten nach § 28 IRG die wesentlich höhere Gebühr nach Nr. 6101 VV-RVG verdienen sollte.

Soweit weiter argumentiert wird, dass das Gesetz auch in anderem Zusammenhang den Begriff "Verhandlungstag" bzw. "Hauptverhandlungstag" verwende, ohne damit ausschließlich "Verhandlungen" zu meinen, sondern Anhörungen oder Vernehmungen mit einzuschließen - insbesondere im Rehabilitierungsverfahren, in dem eine Hauptverhandlung im Sinne des Gesetzes gar nicht stattfände - ist auch dies nicht überzeugend. Nr. 4126 VV-RVG enthält den Gebührentatbestand der "Terminsgebühr je Hauptverhandlungstag in Berufungsverfahren"; im Berufungsverfahren gibt es aber unstreitig Hauptverhandlungstage. Soweit der Gebührentatbestand weiter bestimmt, dass diese Gebühr "auch für Beschwerdeverfahren nach § 13 Str-RehaG" entsteht, ist somit lediglich eine entsprechende Anwendung auf etwaige mündliche Anhörungen von Verfahrensbeteiligten im strafrechtlichen Rehabilitierungsverfahren normiert. Eine sprachliche Ausdehnung des Begriffes des Hauptverhandlungstages lässt sich dem Gesetz an dieser Stelle nicht entnehmen; im Übrigen wäre eine sprachliche Ungenauigkeit in diesem Zusammenhang kein ausreichendes Argument dafür, den in ganz anderem Zusammenhang stehenden Gebührentatbestand nach Nr. 6101 VV-RVG über dessen Wortlaut hinaus auszudehnen.

Ende der Entscheidung

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