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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 30.06.2005
Aktenzeichen: 2 Ss (OWi) 120 Z/05
Rechtsgebiete: OWiG, StPO


Vorschriften:

OWiG § 33 Abs. 1 Nr. 1
OWiG § 79 Abs. 3
OWiG § 80 Abs. 1
OWiG § 80 Abs. 5
StPO § 354 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

2 Ss (OWi) 120 Z/05 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Bußgeldverfahren

wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit u.a.

hat der 2. Strafsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts als Senat für Bußgeldsachen durch den Richter am Oberlandesgericht ... - als Einzelrichter -

am 30. Juni 2005

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Lübben vom 22. Februar 2005 wird zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.

Das Urteil des Amtsgerichts Lübben vom 22. Februar 2005 wird aufgehoben und das Verfahren gegen den Betroffenen eingestellt.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Betroffenen fallen der Landeskasse zur Last.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen vorsätzlich verbotswidrigen Benutzens eines Mobiltelefons in Tateinheit mit fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 120 € verurteilt. Der Verstoß soll am 14.04.2004 begangen worden sein. Seinetwegen erging am 04.08.2004 ein Bußgeldbescheid. Das Amtsgericht hat im Hinblick auf eine Anordnung der Anhörung des Betroffenen am 12.05.2004 eine rechtzeitige Verjährungsunterbrechung gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG angenommen.

II.

Die gemäß § 80 Abs. 1 OWiG zulassungsbedürftige Rechtsbeschwerde war zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 OWiG). Das Amtsgericht hat - wie andere Amtsgerichte im Land Brandenburg auch, vgl. die Senatsentscheidung vom 09. Juni 2005 (2 Ss [OWi] 100 B/05) - eine Verjährungsunterbrechung infolge eines manuellen Eingriffs in die automatisierte Vorgangsverwaltung der Verwaltungsbehörde angenommen, obwohl die entsprechende Anordnung nicht hinreichend in den Akten dokumentiert ist. Im Hinblick darauf, dass eine solche Handhabung durch die Verwaltungsbehörde offenbar eher die Regel als die Ausnahme darstellt, hat die Frage und ihre Behandlung über den Einzelfall hinaus Bedeutung, was die Zulassung der Rechtsbeschwerde erfordert (vgl. Steindorf in KK-OWiG, 2. Aufl., § 80 Rn. 10), zumal die Verjährungsfrage im Hinblick auf § 80 Abs. 5 OWiG im Zulassungsverfahren selber noch nicht zur Verfahrenseinstellung führen kann.

III.

Die Frage der Verjährung betrifft eine Verfahrensvoraussetzung, die das Rechtsbeschwerdegericht auch ohne ausdrückliche Rüge jederzeit von Amts wegen im Freibeweisverfahren unter Rückgriff auf alle ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen, insbesondere den gesamten Akteninhalt, zu prüfen hat. Diese Prüfung musste zur Verfahrenseinstellung führen. Denn als der Bußgeldbescheid erging, war der Vorwurf bereits verjährt, da seit Tatbegehung mehr als drei Monate verstrichen waren (§ 26 Abs. 3 StVG).

Die Anordnung der Anhörung am 12.05.2004 vermochte nämlich die Verjährung nicht zu unterbrechen. Die Verwaltungsbehörde hatte unter Benutzung ihrer per Computer gesteuerten, automatisierten Vorgangsverwaltung zunächst die Fahrzeughalterin, die Fa. ...GmbH & Co. A... KG, angehört. Nachdem diese den Betroffenen als Fahrzeugbesitzer zum Tatzeitpunkt benannt hatte, wurde er am 12.05.2004 als Betroffener durch den Sachbearbeiter der Verwaltungsbehörde mit dem Personen-Kürzel "osb3a" in der EDV-Anlage eingetragen und die Versendung des Anhörungsbogens an ihn veranlasst.

Der Senat misst diesem Geschehen keine verjährungsunterbrechende Wirkung zu. In der Rspr. ist anerkannt, dass eine vom programmierten Ablauf einer EDV-gesteuerten Vorgangsverwaltung abweichende, durch einen Sachbearbeiter der Behörde individuell erfolgende Anordnung der Anhörung die Verjährung gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG nur unterbricht, wenn die Anordnung sich, durch Unterschrift oder Handzeichen abgezeichnet, bei den Akten befindet (OLG Köln NZW 2001, 314; OLG Zweibrücken NZV 2001, 483; OLG Dresden DAR 2004, 534; vgl. auch KG VRS 100, 134 [135]). Der Senat sieht keinen Anlass, von dieser Rspr. abzuweichen. Denn sie fordert aus gutem Grund eine Autorisierung der Anordnung durch einen individualisierbaren Sachbearbeiter. Andernfalls wäre nicht gewährleistet, dass geprüft wurde, ob die Voraussetzungen der Verfolgung des (neuen) Betroffenen vorliegen, insbesondere hinreichende Verdachtsmomente vorhanden sind und Verjährung noch nicht eingetreten ist.

So besteht diese Gewähr auch im vorliegenden Fall nicht. Bis heute ist nämlich unklar, wer sich eigentlich hinter dem Kürzel "osb3a" verbirgt und ob die fragliche Person wirklich eigenhändig die Anordnung der Anhörung nach Prüfung getroffen (oder etwa in ihrer zeitweiligen Abwesenheit vom Computerarbeitsplatz eine andere Person die betreffenden Daten eingegeben) hat. Es ist mithin nicht hinlänglich dokumentiert, dass die Fortführung des Verfahrens gegen den Betroffenen überhaupt auf einer ordnungsgemäßen Autorisierung durch die Verwaltungsbehörde beruht, geschweige denn nach Prüfung ihrer Voraussetzungen ergangen ist, weil niemand in Person die Verantwortung für sie übernommen hat.

Folglich vermag die unzureichend dokumentierte Anordnung der Anhörung die Verjährung nicht zu unterbrechen. Es ist aber auch nicht ersichtlich, dass die Anhörung den Betroffenen erreicht hat und daher als solche die Verjährung gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG hätte unterbrechen können. Der Umstand, dass er sich erst nach Erlass des Bußgeldbescheides über einen Verteidiger zu Wort gemeldet hat, spricht eher gegen als für eine vorherige Information des Betroffenen über den gegen ihn erhobenen Vorwurf.

IV.

Im Hinblick auf die eingetretene Verjährung war das Urteil des Amtsgerichts aufzuheben und das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses einzustellen. Letzteres konnte der Senat gemäß § 354 Abs. 1 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG selber tun.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.

Ende der Entscheidung

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