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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 23.02.2006
Aktenzeichen: 2 U 1/05
Rechtsgebiete: StHG, BGB, GG, AO, StBGebV, GewStG


Vorschriften:

StHG § 1
BGB § 166 Abs. 1
BGB § 254
BGB § 286
BGB § 288
BGB § 839
BGB § 839 Abs. 1 Satz 2
BGB § 839 Abs. 3
GG Art. 34
AO § 129
StBGebV § 23 Nr. 7
StBGebV § 41
GewStG § 11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

2 U 1/05 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 23.02.2006

verkündet am 23.02.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 24. Januar 2006 durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Landgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des beklagten Landes wird das am 24. November 2004 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam, Az.: 4 O 220/04 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin € 13.343,- nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. März 2004 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich des Berufungsverfahrens haben die Klägerin zu 5/6 und das beklagte Land zu 1/6 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin und das beklagte Land dürften die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn die Gegenseite nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt von dem beklagten Land Erstattung von Steuerberaterkosten für die Durchführung des Einspruchsverfahrens anlässlich der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages für 2001 durch das Finanzamt ....

In ihrer - durch ihren Steuerberater angefertigten - Steuererklärung zur Gewerbesteuer für das Kalenderjahr 2001 gab die Klägerin unter "Gewerbeertrag" DM 22.581,-, dem ein Gewerbeverlust von DM 806,- gegenübersteht, und unter "Entgelte für Steuerschulden" DM 23.598,-an. Des Weiteren wurden die Sachanlagen mit DM 384.284,- angegeben. Weitere Angaben enthielt die Steuererklärung nicht.

Auf der Grundlage dieser Steuererklärung gab der zuständige Mitarbeiter des Finanzamts die genannten Beträge in das EDV-System des Finanzamts ein, unterließ jedoch unter "Entgelte für Steuerschulden" versehentlich, den zuletzt verwendeten Betrag zu löschen, sodass die Ziffern aneinandergereiht wurden. Infolgedessen setzte das Finanzamt mit Bescheid vom 12. Februar 2003 den Gewerbesteuermessbetrag auf € 21.274.535,62 fest. Hiergegen legte der Steuerberater der Klägerin am 17. Februar 2003 in deren Namen Einspruch ein, den er allein mit dem Hinweis auf die Steuererklärung begründete. Mit Bescheid vom 3. März 2003 wurde schließlich die Festsetzung auf DM 0,- reduziert. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Für die Durchführung des Einspruchsverfahrens stellte der Steuerberater der Klägerin unter dem 28. November 2003 Kosten in Höhe der Klageforderung (netto) in Rechnung. Hierbei ging der Steuerberater unter Zugrundelegung eines Hebesatzes von 400 % von einer Gewerbesteuer in Höhe von € 85.098.142,48 als Gegenstandswert aus. Mit gleichlautenden Schreiben vom 12. Februar 2004, gerichtet an das Finanzamt ..., den Präsidenten der Oberfinanzdirektion ..., die Ministerin der Finanzen und den Ministerpräsidenten - jeweils als Vertreter des beklagten Landes - machte die Klägerin Schadensersatz wegen dieser Kosten, zahlbar bis zum 20. März 2004, geltend.

Zunächst hat die Klägerin mit ihrer Klage erstinstanzlich Freistellung von diesen Kosten durch das beklagte Land begehrt. Das Landgericht hat der Klage - mit Ausnahme des weitergehenden Zinsanspruchs - in vollem Umfang stattgegeben, da der Klägerin ein Anspruch in dieser Höhe gem. § 1 StHG zustehe. Das beklagte Land habe durch seinen Mitarbeiter seine Pflicht zur fehlerfreien Steuerfestsetzung verletzt, indem dieser versehentlich bei der Erfassung der Besteuerungsgrundlagen für die Berechnung des Messbetrages eine falsche Summe in das EDV-System eingegeben habe. Hierdurch seien der Klägerin die Steuerberaterkosten für das Einspruchsverfahren unabhängig von einer rein internen Korrektur des Bescheides durch das Finanzamt entstanden. Diese sei bis dahin weder der Klägerin noch ihrem Steuerberater bekannt gegeben worden. Die Höhe der Gebühren sei ebenfalls nicht zu beanstanden; diese habe der Steuerberater zutreffend nach der Differenz der aus dem fehlerhaft festgesetzten und dem zutreffenden Messbetrag resultierenden Gewerbesteuer nach der Mindestgebühr in Höhe von 3/10 berechnet. Demgegenüber könne sich das beklagte Land nicht auf ein Mitverschulden der Klägerin berufen, da von ihr gegenüber dem gesetzlich vorgesehenen Rechtsbehelf des Einspruchs informelle Maßnahmen nicht verlangt werden könnten. Diese stellten im Hinblick auf die drohende Bestandskraft und das dem Finanzamt eröffnete Ermessen lediglich einen weniger sicheren Weg der Rechtsverfolgung dar. Entgegen der Auffassung des beklagten Landes sei der Anspruch auch nicht verjährt. Die Klägerin habe erst mit Einlegung des Einspruchs vom 17. Februar 2003 durch ihre Steuerberater gem. § 166 Abs. 1 BGB zurechenbare Kenntnis von der Pflichtverletzung und der Entstehung des Schadens gehabt; vor Ablauf der Jahresfrist sei am 13. Februar 2004 der Antrag der Klägerin auf Schadensersatz bei der Staatskanzlei eingegangen und habe damit die Verjährung unterbrochen. Die Verjährungsfrist habe erst mit Ablehnung durch die Oberfinanzdirektion am 19. März 2004 neu begonnen und sei bei Klagerhebung am 24. Mai 2004 noch nicht abgelaufen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich das beklagte Land mit seiner am Montag, den 3. Januar 2005 eingelegten und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 1. März 2005 am 14. Februar 2005 begründeten Berufung. Zwar bestehe aufgrund des fehlerhaften Gewerbesteuermessbescheides grundsätzlich eine Schadensersatzpflicht; man wende sich jedoch gegen die Höhe der Forderung. Die Klägerin als Betreiberin eines "kleinen Handelskontors", das die Schwelle zur Gewerbesteuerpflicht nicht überschreite, sehe sich für die Abfassung eines Zweizeilers einem Anspruch des Steuerberaters in Höhe der Klageforderung ausgesetzt, der diesem im Rahmen einer Vergütungsklage wohl nicht zugesprochen würde. Obwohl der geänderte Bescheid der Klägerin noch nicht bekannt gegeben gewesen sei, habe der Steuerberater gegen den offensichtlich unrichtigen Gewerbesteuerbescheid nicht Einspruch einlegen, sondern einen für die Klägerin kostengünstigeren Weg wählen müssen. Dass es sich lediglich um einen Schreibfehler gehandelt habe, sei auch für die Klägerin selbst ohne weiteres erkennbar gewesen, weshalb eine schlichte telefonische Nachfrage oder ein Änderungsantrag gem. § 129 AO - insbesondere im Hinblick auf die noch am Beginn stehende Rechtsbehelfsfrist - genügt hätten. Die Voraussetzungen des § 129 AO hätten vorgelegen und das Finanzamt wäre - entsprechend der Reaktion auf den Hinweis der Gemeinde - auch sofort tätig geworden. Eine Erstattung der in diesem Fall entstandenen Gebühren des Steuerberaters gem. § 23 Nr. 7 StBGebV scheide allerdings gleichwohl aus, da die Klägerin wegen der Offenkundigkeit des Fehlers den Änderungsantrag habe selbst stellen können. Darüber hinaus werde mit Nichtwissen bestritten, dass der Steuerberater für einen Zweizeiler die Klageforderung ernsthaft gegen die Klägerin geltend machen bzw. überhaupt durchsetzen könnte. Sie bestreiten mit Nichtwissen, dass der Steuerberater die Klägerin über die nach Auffassung des Beklagten gegebenen Alternativen zur Korrektur des Bescheides und die hiermit verbundenen Kosten aufgeklärt und die Klägerin daraufhin diesen mit der kostenintensivsten Möglichkeit der Einlegung eines Einspruchs beauftragt hat.

Die streitgegenständlichen Steuerberaterkosten hat die Klägerin am 19. August 2005 an ihren Steuerberater gezahlt. Sie hat deshalb ihren Klageantrag geändert und begehrt nunmehr von dem beklagten Land Zahlung von € 77.038,80 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. Dezember 2003.

Das beklagte Land beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag; sie bestreitet mit Nichtwissen, dass die Fehlerhaftigkeit des Bescheides bereits behördenintern erkannt und berichtigt gewesen sei. Das Finanzamt habe ausweislich des Schreibens vom 18. Februar 2003 ausdrücklich dem Einspruch stattgegeben. Mangels Bekanntgabe sei dies im Übrigen auch unbeachtlich. Aus den vom Landgericht dargelegten Gründen sowie wegen der Regelung des § 839 Abs. 3 BGB sei die Klägerin auch nicht zur Wahl eines "informellen Weges" verpflichtet gewesen, zumal die Voraussetzungen eines Änderungsantrages nach § 129 AO nicht so eindeutig gewesen seien, wie von der Beklagtenseite nun behauptet. Auch aufgrund der nicht eindeutigen Grenzen zwischen mechanischem Vertun und bewussten Sachaufklärungs-/ Rechtsanwendungsfehlern sei der Klägerin dieser Weg nicht zumutbar gewesen. Der Klägerin wären hierdurch gleichwohl Kosten zwischen € 51.359,- bis € 256.796,- zzgl. Umsatzsteuer (= 2/10 bis 10/10 Gebühr gem. § 23 Nr. 7 StBGebV) entstanden. Schließlich sei die Einschaltung des Steuerberaters aufgrund der steuerlichen Komplexität und der offenkundig existenzbedrohenden Wirkung des Bescheides berechtigt gewesen. Auch die besondere Berechnung der Entgelte für Dauerschuldzinsen nach den Gewerbesteuerrichtlinien spreche gegen eine Erkennbarkeit des Fehlers durch die Klägerin. Schließlich dürfe der Steuerpflichtige auch in nicht besonders schwierig gelagerten Fällen rechtlichen Beistand in Anspruch nehmen. Der Schaden sei der Klägerin bereits aufgrund des Tätigwerdens der Steuerberater entstanden.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat nur teilweise Erfolg. Das Landgericht hat zutreffend eine Haftung des beklagten Landes dem Grunde nach festgestellt, weil es durch die vorwerfbar fehlerhafte Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages seine der Klägerin als Steuerpflichtiger gegenüber bestehende Amtspflicht zu rechtmäßigem Verwaltungshandeln verletzt hat (siehe unten 1.). Entweder unter dem Gesichtspunkt der anderweitigen Ersatzmöglichkeit oder infolge erheblichen Mitverschuldens der Klägerin ist die Klage jedoch nur in Höhe von € 13.343,- begründet. Hinsichtlich der weitergehenden Klageforderung steht der Klägerin entweder ein Schadensersatzanspruch gegen ihren Steuerberater aufgrund einer unterlassenen Aufklärung über die voraussichtlichen Kosten seines Tätigwerdens zu; falls sie jedoch trotz eines derartigen Hinweises diesen gleichwohl mit der Einlegung des Einspruchs beauftragt haben sollte, müsste sie sich in gleichem Umfang ein Mitverschulden anrechnen lassen (siehe unten 2.).

1. Die Klägerin hat gegen das beklagte Land dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch aus § 839 BGB/ Art. 34 GG bzw. § 1 StHG, da das beklagte Land unstreitig einen rechtswidrigen Gewerbesteuermessbescheid für 2001 erlassen und damit schuldhaft seine Pflicht zur fehlerfreien Festsetzung des Gewerbesteuermessbescheides verletzt hat, indem der zuständige Mitarbeiter des Finanzamts ... bei der Eingabe der Besteuerungsgrundlagen in das Datenverarbeitungssystem versehentlich die für das Vorjahr eingegebenen Ziffern nicht gelöscht hat, sodass die für das Jahr 2001 eingegeben Ziffern durch das Datenverarbeitungssystem an diese angehängt wurden und sich auf diese Weise ein wesentlich überhöhter Betrag ergab.

Der Klägerin ist durch dieses Versehen des Finanzamts auch ein Schaden entstanden in Form der für die Durchführung des Einspruchsverfahrens entstandenen Kosten des hiermit betrauten Steuerberaters. An der Kausalität bestehen ebenfalls keine Zweifel, da die Steuerberater ohne den Erlass des fehlerhaften Bescheides nicht tätig geworden wären. Im Hinblick auf die fehlende Bekanntgabe einer etwaigen bereits erfolgten internen Korrektur des Messbetrages kommt es - wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat - nicht darauf an, ob der Fehler dem Finanzamt bei Eingang des Einspruchs am 17. Februar 2003 bereits bekannt war, die Korrektur mithin auf der Tätigkeit der Steuerberater beruht. Die Gebührenforderung der Steuerberater gegen die Klägerin für die Durchführung des Einspruchsverfahrens und damit der von ihr geltend gemachte Schaden ist bereits mit dem Tätigwerden unabhängig vom Erfolg der Tätigkeit entstanden. Die Einspruchsgebühr gem. § 41 StBGebV entsteht unabhängig von der Ursächlichkeit des eingelegten Rechtsbehelfs für eine etwaige Änderung der angefochtenen Entscheidung der Finanzbehörde.

Soweit die Beklagtenseite nunmehr erstmals bestreitet, dass die Klägerin den Steuerberater mit der Einlegung der Einspruchs - ggf. nach ausführlicher Belehrung hinsichtlich der Alternativen - beauftragt habe, ist dieses Bestreiten jedenfalls unerheblich. Das Fehlen eines Auftrags unterstellt, hat die Klägerin die Tätigkeit ihres Steuerberaters jedenfalls nachträglich genehmigt; indem sie die Kosten gezahlt und mit der Klage deren Erstattung begehrt, hat sie zugleich ihr Einverständnis mit der Tätigkeit des Steuerberaters zu erkennen gegeben.

Entgegen der Auffassung des beklagten Landes durfte die Klägerin es auch für erforderlich halten, sogleich ihre Steuerberater in der Angelegenheit zu konsultieren. Grundsätzlich kann sich - auch unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit - jeder Steuerpflichtige gegen alle Maßnahmen der Steuerbehörde als einer mit vielfältigen Vollstreckungsbefugnissen ausgestatteten Fachbehörde der Hilfe eines fachlich vorgebildeten Steuerberaters bedienen. Entgegen der Auffassung der Beklagtenseite ist der dem Finanzamt unterlaufene - bloße - Eingabefehler nicht derart leicht nachvollziehbar, dass die Klägerin im Hinblick auf die ihr obliegende Schadensminderungspflicht selbst den Fehler erkennen und auf eine Beratung durch ihren Steuerberater verzichten musste. Ohne Heranziehung einer Abschrift der Steuererklärung sowie ggf. der Unterlagen aus der Vorjahresfestsetzung war für sie die Bestimmung der Fehlerursache nicht möglich.

Aber auch angesichts der existenzbedrohenden Steuerforderung, die bei Zugrundelegung des festgesetzten Messbetrags bei der Gewerbesteuerfestsetzung auf die Klägerin zugekommen wäre, ist der Klägerin kein Vorwurf zu machen, dass sie den gesetzlich vorgesehenen Weg der Beanstandung des Bescheides statt einer bloß fernmündlichen Anregung oder eines Berichtigungsantrages wählte. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin - entsprechend den Ausführungen in der Rechtsbehelfsbelehrung - mit einer Festsetzung der Gewerbesteuer durch die Gemeinde auf der Grundlage dieses Bescheides rechnen musste.

2. Der Ersatzanspruch der Klägerin richtet sich jedoch nicht darauf, der Klägerin die gesamten Steuerberaterkosten für die Durchführung des Einspruchsverfahrens, sondern nur in der Höhe zu erstatten, wie sie durch eine Beratung der Klägerin durch ihren Steuerberater entstanden wären. Nur in diesem Umfang durften nämlich der tätig gewordene Steuerberater bzw. nach entsprechender Belehrung die Klägerin dessen Tätigwerden für erforderlich halten.

Hinsichtlich der weiteren Kosten muss sich die Klägerin dagegen entweder auf eine anderweitige Ersatzmöglichkeit gem. § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB durch Inanspruchnahme ihres Steuerberaters auf Schadensersatz verweisen bzw. sich ein eigenes Mitverschulden anrechnen lassen. Sofern ihr Steuerberater sie vor der Annahme des Auftrags zur Einlegung des Einspruchs nicht auf die voraussichtlich hierfür entstehenden Gebühren hingewiesen haben sollte, steht ihr - ausnahmsweise - gegenüber ihrem Steuerberater ein Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung (§ 280 BGB) zu. Wenn aber die Klägerin trotz einer entsprechenden Aufklärung den Steuerberater - und dies hat sie in ihrer Stellungnahme auf den Hinweisbeschluss des Senates vorgetragen - beauftragt hat, entfällt zwar die Kausalität der unterlassenen Aufklärung und damit ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen ihren Steuerberater. Die Klägerin hätte dann indes gegen die ihr als Verletzter obliegende Schadensminderungspflicht verstoßen, sodass sich der mit der Klage verfolgte Ersatzanspruch der Klägerin infolge Mitverschuldens gem. § 254 BGB auf die Steuerberaterkosten reduziert, die auch bei einer Inanspruchnahme steuerberaterlicher Leistungen im erforderlichen Umfang entstanden wären.

In dem vorliegenden Fall war der Steuerberater der Klägerin ausnahmsweise hinsichtlich der durch seine Tätigkeit entstehenden Kosten aufklärungspflichtig. Für die Tätigkeit von Rechtsanwälten hat die Rechtsprechung eine derartige Aufklärungspflicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben in Einzelfällen angenommen. Im Hinblick auf die - wenn auch auf den Bereich des Steuerrechts beschränkte - rechtsberatende Tätigkeit der Steuerberater und die vergleichbaren Gebührenvorschriften ist diese Rechtsprechung auch auf die Tätigkeit von Steuerberatern zu übertragen.

Nach der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung ist der Rechtsanwalt im Allgemeinen zwar nicht verpflichtet, seinen Mandanten von sich aus auf die Höhe der Kosten seiner Inanspruchnahme hinzuweisen. Eine Pflicht zu einem unaufgeforderten Hinweis auf die Höhe der anfallenden Gebühren trifft den Rechtsanwalt nach Treu und Glauben (§§ 157, 242 BGB) ausnahmsweise nur dann, wenn nach den Umständen des Einzelfalls ein Aufklärungsbedürfnis des Mandanten besteht und der Rechtsanwalt dieses erkennen konnte und musste (vgl. KG NJOZ 2002, 1192 m.w.N.). Als besonderer Umstand, der eine Hinweispflicht des Anwaltes begründen kann, wird insbesondere ein drohendes Missverhältnis zwischen dem wirtschaftlichen Nutzen der Anwaltstätigkeit und den durch sie anfallenden Gebühren genannt. Muss der Rechtsanwalt angesichts der Vermögensverhältnisse und der Bedeutung der Sache damit rechnen, dass der Mandant bei Kenntnis der Höhe der anfallenden Gebühren von der Beauftragung absehen würde, hat er auf die ungefähre Höhe der Gebühren hinzuweisen. Ist der Mandant hingegen rechtskundig und verfügt er über Erfahrungen im Verkehr mit Rechtsanwälten und in Gebührenangelegenheiten, besteht eine Aufklärungspflicht des Rechtsanwalts im Regelfall nicht (KG a.a.O; ebenso OLG Frankfurt/Main DStR 2003, 1635; OLG Stuttgart AGS 2003, 68).

Nach dieser Maßgabe war der Steuerberater im vorliegenden Fall verpflichtet, seine Mandantin, die Klägerin, vor der Entgegennahme des Auftrages auf die voraussichtliche Vergütung hinzuweisen. Der Klägerseite ist zwar zuzugestehen, dass ein wirtschaftliches Missverhältnis zwischen dem Nutzen der Einspruchseinlegung und den Gebühren hierfür im Hinblick auf die bei Bestandskraft zu erwartende Gewerbesteuerfestsetzung durch die Gemeinde nicht festzustellen ist. Im Falle der Bestandskraft des Messbetrages hätte die Klägerin eine Steuerfestsetzung in Höhe mehrerer Millionen Euro gewärtigen müssen. Dies ist jedoch nicht der Maßstab für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit, da sich die Einspruchsgebühr an der Höhe der festzusetzenden Steuer orientiert und damit notwendig nur einen Bruchteil dieser erreicht.

Zu berücksichtigen ist vielmehr, dass der Steuerberater zwar die Einlegung des Einspruchs - unabhängig von der Frage der etwa bereits erfolgten Berichtigung der Eingabe durch das Finanzamt - für erforderlich halten durfte, jedoch dies aufgrund der Gesamtumstände ausnahmsweise nicht ohne weiteres selbst übernehmen, mithin sein Tätigwerden in dieser Weise nicht für erforderlich halten durfte. Zunächst musste sich ihm aufgrund der schlechterdings nicht nachvollziehbaren Höhe des mit dem Bescheid festgesetzten Gewerbesteuermessbetrages im Vergleich zu der von ihm selbst gefertigten Steuererklärung ein offensichtlicher Irrtum seitens des Finanzamtes aufdrängen. Nach der Steuererklärung der Klägerin, die Grundlage für die überhöhte Festsetzung war, überstiegen die Gewerbeerträge der Klägerin die Freibetragsgrenze gem. § 11 GewStG nicht, sodass eine Festsetzung mit € 0,- zu erwarten war. Zu dieser Auffassung war der Steuerberater der Klägerin ersichtlich bereits bei der Abfassung des Einspruchs für die Klägerin gekommen. In seinem Einspruchsschreiben vom 17. Februar 2003 beschränkte sich der Steuerberater neben der Bezeichnung des Rechtsbehelfs und der angegriffenen behördlichen Entscheidung allein auf eine Bezugnahme auf die Steuererklärung. Eine ausführliche Begründung des Rechtsbehelfs, wie sie etwa aufgrund einer abweichenden Beurteilung komplexer Sachverhalte durch das Finanzamt erforderlich gewesen wäre, hat er selbst nicht für erforderlich, sondern vielmehr den Einspruch an sich bereits für "selbst erklärend" erachtet.

Hinzu kommt das Fehlen einer Begründung des Finanzamts in dem fehlerbehafteten Bescheid, eine Tatsache, die zwar der Klägerin als juristischem Laien, wohl aber ihrem Steuerberater hätte auffallen müssen. Sofern das Finanzamt einem Antrag oder einer Erklärung des Steuerpflichtigen nicht in vollem Umfang stattgibt, ist der Entscheidung eine - wenn auch ggf. kurze - Begründung beizufügen (vgl. § 121 Abs. 1, 2 Nr. 1 AO 1977).

Schließlich musste sich dem Steuerberater im Hinblick auf die Vermögensverhältnisse der Klägerin - jedenfalls der Gewerbeerträge -, die ihm aufgrund seiner vorausgegangenen Tätigkeit bei der Erstellung der Steuererklärung für diese bekannt waren, aufdrängen, dass die Klägerin angesichts der zu erwartenden Gebühren nach einer Beratung durch ihn von einer Beauftragung absehen würde. Die Steuerberaterkosten für den Einspruch (etwa € 77.000,-) übersteigen den Gewinn der Klägerin aus dem Gewerbebetrieb (etwa DM 34.000,00) um mehr als das vierfache.

Der Hinweis der Klägerin, sie sei aufgrund der langjährigen Tätigkeit ihres Steuerberaters für sie im Umgang mit Steuerberatern erfahren, rechtfertigt einen Verzicht auf die Aufklärung hinsichtlich der voraussichtlichen Kosten nicht. Insbesondere verfängt der Hinweis auf einen durchschnittlichen Jahresumsatz in Höhe von etwa € 640.000,- nicht. Allein aus der Höhe des Umsatzes lässt sich nicht auf besondere Erfahrungen im Umgang mit Steuerberatern und der Gebührenbemessung schließen. Vielmehr gestaltete sich die vorgelegte Steuererklärung relativ schlicht; allein die Erfahrung, dass die Inanspruchnahme steuerberaterlicher Leistungen Kosten verursacht, dürfte bei jedem Laien vorliegen.

Demgegenüber verkennt der Senat nicht, dass die Klägerin eine Beratung durch ihren Steuerberater wegen des weiteren Vorgehens - insbesondere Einlegung eines Rechtsbehelfs, ggf. dessen Form und Frist - hätte in Anspruch nehmen dürfen. Hierfür wäre eine Beratungsgebühr gem. 21 Abs. 1 StBerGebV angefallen, die 1/10 bis 10/10 der Gebühr nach Tabelle A beträgt.

Wegen der Vorbefassung und des für einen Berufsträger schnell zu erfassenden Sachverhalts hält der Senat insoweit lediglich die Mindestgebühr (1/10) für angemessen, sodass sich ein Betrag von € 13.343,- ergibt. Bei dem Gegenstandswert von € 85.098.142,48 (= Messbetrag * Hebesatz (400%)) beträgt die Gebühr nach Tab. A € 133.430,-. Diese setzen sich zusammen aus € 2.730,- (Gegenstandswert bis 600.000,- €) zzgl. einer Erhöhung von € 10.560 € (bis 5 Mio. € Gegenstandswert), weiteren € 36.000,- (bis 25 Mio. € Gegenstandswert) sowie € 84.140,- (über 25 Mio. € Gegenstandswert).

Der Zinsanspruch rechtfertigt sich in dem tenorierten Umfang aus den §§ 286, 288 BGB. Einen früheren Verzugsbeginn hat die Klägerin nicht dargelegt.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO; die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts, § 543 ZPO.

Ende der Entscheidung

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