Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 09.12.2003
Aktenzeichen: 2 U 21/03
Rechtsgebiete: BGB, GG


Vorschriften:

BGB § 836
BGB § 836 Abs. 1
BGB § 837
BGB § 839 Abs. 1
BGB § 847
GG Art. 34
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

2 U 21/03 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 09.12.2003

verkündet am 09.12.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 4. November 2003 durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts ..., den Richter am Oberlandesgericht ... sowie den Richter am Landgericht ...

für Recht erkannt

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 24.Februar 2003 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam (Az.: 4 O 452/00) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Zwar ist der Beklagten zuzugeben, daß die Klägerin im wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt. Allerdings rügt sie angebliche Widersprüche im Sachverständigengutachten, mit denen sich das Landgericht nicht hinreichend auseinandergesetzt habe. Dieser Angriff ist geeignet, die Zulässigkeit der Berufung zu bejahen.

In der Sache bleibt die Berufung jedoch ohne Erfolg, da die Klägerin wegen des umgestürzten Grabsteins keine Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche gegen die Beklagte hat.

Solche Ansprüche ergeben sich nicht aus einer Verletzung von Verkehrssicherungspflichten unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung nach §§ 839 Abs.1, 847 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG. Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, eine Haftung der verklagten Stadt ergäbe sich deshalb, weil sie darauf habe vertrauen können, daß die Beklagte Grabmale auf deren Standfestigkeit hin überprüfe. Zutreffend ist zunächst, daß die Beklagte die Verpflichtung hat, für die Verkehrssicherheit auf dem Friedhof zu sorgen. Diese Pflicht beinhaltet nicht nur, Friedhofswege und Grabpfade in einem gefahrlosen Zustand zu halten, sondern erstreckt sich darüber hinaus auch auf die Grabstellen und die Gräber selbst, denn auch auf und zwischen den Gräbern findet Verkehr statt. Der Friedhofsträger hat daher auch im Rahmen des Zumutbaren die Pflicht, Friedhofsbenutzer wie auch auf dem Friedhof Beschäftigte vor den Gefahren zu schützen, die von schadhaften oder unsicher stehenden Grabmalen ausgehen (vgl. hierzu Gaedke, Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 8. Aufl., S. 87). Die Gemeinde war aber vorliegend der Klägerin schon deshalb nicht unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflicht für die von dem Grabmal ausgehende Gefahr verantwortlich, weil die Klägerin von dem auf der Sondergrabstätte ihrer Familie stehenden Grabmal verletzt wurde. Das Nutzungsrecht an dieser Familiengrabstätte Nr. ... hatte der zwischenzeitlich verstorbene Vater der Klägerin, Herr ... B..., am 30.08.1973 vom VEB (K) Stadtwirtschaft erworben. Auf die mit der Klageschrift in Ablichtung zu den Akten gereichte Urkunde wird wegen der näheren Einzelheiten Bezug genommen (Bl. 9 GA). Wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt hat, ist sie zusammen mit ihrer Schwester Erbin nach ihrem Vater. Damit ist auch sie im Wege der Erbfolge bis zum Jahr 2013 Mitinhaberin und damit Nutzungsberechtigte der Grabstätte, in der ihre Eltern beigesetzt sind. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist Nutzungsberechtigter in diesem Zusammenhang nicht nur derjenige, dessen Bestattung auf einer Grabstelle möglich ist, sondern jeder Inhaber einer Begräbnisstätte, auch wenn diese bereits belegt ist.

Gegenüber dem Nutzungsberechtigten einer Grabstelle trifft den Friedhofsträger aber gerade keine Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich der Gefahren, die von dem auf der Grabstelle aufgestellten Grabmal ausgehen, weil der Nutzungsberechtigte durch Errichtung des Grabmals selbst eine Gefahrenquelle schafft und der Friedhofsträger dies regelmäßig dulden muß (vgl. hierzu Gaedke, Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 8. Aufl., S. 89/90; OLG Karlsruhe, Versicherungsrecht 1969 S. 1001). Das gleiche gilt im übrigen auch gegenüber Angehörigen des Nutzungsberechtigten, die dieser mit der Grabpflege beauftragt hat. Der genannte Personenkreis ist nicht in den Schutzbereich der den Friedhofsträger treffenden Verkehrssicherungspflicht mit einbezogen. Insoweit sollen nur Dritte vor den Gefahren eines nicht standsicheren Grabmals geschützt werden. Die Klägerin hat vorliegend die Gefahrenquelle entweder persönlich geschaffen oder müßte sich deren Schaffung jedenfalls zurechnen lassen: Nach dem Tode ihres Vaters wurde dessen Sterbedatum auf dem Grabmal angebracht. Wenn der Grabstein dafür von der Grabstelle entfernt worden sein sollte, hätte die Klägerin das Grabmal selbst errichten lassen bzw. müßte sich die durch die Errichtung geschaffene Gefahrenquelle deshalb zurechnen lassen, weil sie das Aufstellen des Grabmals jedenfalls geduldet hätte. Sollte der Grabstein nach der vom Vater veranlaßten Errichtung nicht wieder vom Grab entfernt worden sein, wäre die Klägerin als Miterbin für die von ihrem Vater geschaffene Gefahrenquelle verantwortlich.

Eine Haftung der Beklagten ergibt sich im übrigen auch nicht deshalb, weil die Klägerin ihre rechtlichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem Grabmal verkannt hat.

Von den vorstehenden Ausführungen abgesehen ist mit dem Landgericht davon auszugehen, daß die sog. "Druckprobe" ordnungsgemäß von den Mitarbeitern der Beklagten durchgeführt wurde. Dies hat das Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme ergeben. Zwar ist der Klägerin zuzugeben, daß der Sachverständige sein Gutachten mit einer unzutreffenden Wiedergabe der Aussage des Zeugen P... beginnt. Auf diese Passagen des Kurzgutachtens hat sich aber das Landgericht offensichtlich nicht gestützt. Es hat nur allgemeine Grundsätze, die nicht in erheblicher Weise von der Klägerin angegriffen werden, für seine Beurteilung zugrunde gelegt. Die Beweisaufnahme hat im übrigen gerade nicht ergeben, daß der Zeuge P... Lichtbilder gefertigt hat, die nunmehr von der Beklagten zurückgehalten werden.

Eine Inanspruchnahme der Beklagten scheitert im übrigen auch deshalb, weil nach dem eigenen Vortrag der Klägerin die Neigung des Grabmals nach vorne deutlich erkennbar gewesen sein soll. Da sie sich trotz dieses von ihr erkannten mangelhaften Zustandes, der ihrer Auffassung nach die Umsturzgefahr für jedermann deutlich signalisierte, in den näheren Bereich des Grabmals begeben hat, trifft sie - ausgehend vom Klagevorbringen - an dem Unfallgeschehen ein derart hohes Mitverschulden, hinter dem ein etwaiges Verschulden der Mitarbeiter der Beklagten zurückzutreten hat.

Eine Haftung der Beklagten aus § 836 BGB ist ausgeschlossen, weil grundsätzlich den Grabstelleninhaber und Nutzungsberechtigten und damit die Klägerin als (Mit-) Erbin die Haftung aus §§ 837, 836 Abs. 1 BGB trifft.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 ZPO n. F.).

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 8.761,51 € festgesetzt (Antrag zu 1.: 7.669,39 €; Antrag zu 2.:511,29 € ; Antrag zu 3.: 580,83 €).

Ende der Entscheidung

Zurück