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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 08.05.2007
Aktenzeichen: 2 U 28/06
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, EGBGB, BesitzwechselVO, LPG-G, BVerfGG


Vorschriften:

BGB § 826
BGB § 839
ZPO § 580
ZPO § 767
ZPO § 767 Abs. 2
EGBGB Art. 233 § 11
EGBGB Art. 233 § 11 Abs. 2
EGBGB Art. 233 § 11 Abs. 3
EGBGB Art. 233 § 12
BesitzwechselVO § 4
BesitzwechselVO § 4 Abs. 1
BesitzwechselVO § 4 Abs. 3
LPG-G § 45 Abs. 3 S. 3
BVerfGG § 79 Abs. 2
BVerfGG § 79 Abs. 2 S. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

2 U 28/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 08.05.2007

verkündet am 08.05.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 17.04.2007 durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Prof. Dr. Farke, den Richter am Oberlandesgericht Deller und die Richterin am Amtsgericht Odenbreit

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 05.04.2006 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 18.05.2006, Az. 13 O 406/05, wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Unterlassung der Vollstreckung aus einem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 01.12.1999 (Az. 18 O 233/99) gemäß § 826 BGB, hilfsweise im Wege der Vollstreckungsgegenklage sowie Titelherausgabe. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

In dem angegriffenen Urteil vom 05.04.2006 hat das Landgericht Frankfurt (Oder) die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Mitarbeiter des beklagten Landes, der am 12.01.2006 den Eintragungsantrag beim Grundbuchamt gestellt habe, habe, da die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches nach § 826 BGB nicht vorlägen, keine Amtspflichtverletzung infolge Missbrauchs von Vollstreckungstiteln begangen. Es sei bereits zweifelhaft, ob das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 01.12.1999 materiell unrichtig sei. Denn dem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 16.01.2004 (Az. V ZR 449/02) könne gerade nicht entnommen werden, dass es allgemein nur auf die Zuteilungsfähigkeit von Verwandten ankomme. Zudem sei nicht ersichtlich, dass der Kläger im Ausgangsverfahren daran gehindert gewesen sei, die für die Zuteilungsfähigkeit seiner Geschwister maßgeblichen Tatsachen vorzutragen. Jedenfalls fehle es an einer sittenwidrigen Ausnutzung der formellen Rechtsposition aus dem Urteil, die das Verhalten des beklagten Landes als sittenwidrig erscheinen ließen. Es sei auch nicht erkennbar, dass das beklagte Land eine von der damals herrschenden Rechtsauffassung abweichende Rechtsmeinung zur Frage des Bestehens eines Rückauflassungsanspruches gehabt und den Kläger wissentlich falsch belehrt habe. Auch die vom Kläger dargelegten körperlichen Beeinträchtigungen genügten nicht zur Darlegung der Sittenwidrigkeit. Die hilfsweise erhobene Vollstreckungsgegenklage sei bereits unzulässig, da es an einer materiellen Einwendung im Sinne des § 767 Abs. 2 ZPO fehle.

Mit der Berufung rügt der in der ersten Instanz unterlegene Kläger die Rechtsanwendung des Landgerichts. Er ist der Auffassung, das Landgericht habe seinen erstinstanzlichen Vortrag, den er mit der Berufung vertieft, nicht hinreichend oder rechtlich fehlerhaft gewürdigt. Das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 16.01.2004 ergebe zweifelsfrei, dass es nicht nur auf die Zuteilungsfähigkeit des Erben ankomme, vielmehr auch diejenige eines Verwandten ausreiche. Das erstmals in der Klageschrift erfolgte Vorbringen zur LPG-Mitgliedschaft seiner Schwester sei im Ausgangsverfahren allein deshalb nicht erfolgt, da das beklagte Land stets darauf hingewiesen und den Kläger dahingehend belehrt habe, dass es lediglich auf die Zuteilungsfähigkeit des Klägers selbst ankomme. Auch die entscheidenden Gerichte seien ihrer diesbezüglichen Hinweispflicht nicht nachgekommen. Vor diesem Hintergrund sei das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 01.12.1999 (Az. 18 O 233/99) materiell unrichtig.

Die Vollstreckung aus diesem Urteil verletze das Rechtsgefühl aller billig und gerecht Denkenden in schlechthin unerträglicher Weise, dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Kläger, der seit dem 29.03.1990 berufsunfähig sei, den Verlust seiner Anstellung als Platzwart bei dem Pächter des streitgegenständlichen Grundstücks, das seinen einzigen Vermögenswert darstelle, zu befürchten habe. Diese Angst habe bei ihm über die Jahre zu schwersten Herzleiden, Bluthochdruck und psychischen Störungen geführt, wodurch er schwerbehindert geworden sei. Zudem seien die Pachteinnahmen für den am Rande des Existenzminimums lebenden Kläger, der eine vorgezogene Altersrente von 933,94 € erziele, unverzichtbar. Des Weiteren habe das Landgericht verkannt, dass der vorliegende Sachverhalt zu einer Enteignung des Klägers führte, die zu DDR-Zeiten nicht vorgenommen worden wäre. Insofern bestrafe das beklagte Land, als dem Rechtsstaat unterworfen, den Kläger bei Vollstreckung aus dem Urteil nachträglich diskriminierend und exempelstatuierend für die Deutsche Einheit. Schließlich seien im Rahmen der Sittenwidrigkeit die Besonderheiten des Zusammenbruchs der DDR, die daraus resultierenden ungeklärten Grundstücksverhältnisse sowie die mehrfach nachgebesserte Gesetzgebung und Rechtsprechung in Bezug auf die Bodenreform zu berücksichtigen.

Der Kläger beantragt,

1. das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 05.04.2006 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 18.05.2006, Az. 13 O 406/05, aufzuheben und das beklagte Land zu verurteilen, die Zwangsvollstreckung aus dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 01.12.1999, Az. 18 O 233/99, zu unterlassen und die vollstreckbare Ausfertigung dieses Urteils an den Kläger herauszugeben,

2. hilfsweise, das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 05.04.2006 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 18.05.2006, Az. 13 O 406/05, aufzuheben und das beklagte Land zu verurteilen, es zu unterlassen, von dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 01.12.1999, Az. 18 O 233/99, Gebrauch zu machen und die vollstreckbare Ausfertigung dieses Urteils an den Kläger herauszugeben,

3. hilfsweise, das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 05.04.2006 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 18.05.2006, Az. 13 O 406/05, aufzuheben und die Vollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 01.12.1999, Az. 18 O 233/99, für unzulässig zu erklären sowie das beklagte Land zu verurteilen, die vollstreckbare Ausfertigung dieses Urteils an den Kläger herauszugeben,

4. hilfsweise, das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 05.04.2006 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 18.05.2006, Az. 13 O 406/05, aufzuheben und das Gebrauchmachen von dem Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 01.12.1999, Az. 18 O 233/99, für unzulässig zu erklären sowie das beklagte Land zu verurteilen, die vollstreckbare Ausfertigung dieses Urteils an den Kläger herauszugeben.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es verteidigt das erstinstanzliche Urteil, hält die Rechtsanwendung des Landgerichts für fehlerfrei und tritt den klägerischen Rechtsausführungen in der Berufungsbegründung entgegen.

Die Akten des Landgerichts Frankfurt (Oder) zum Aktenzeichen 18 O 233/99 lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II.

Die Berufung ist statthaft, insbesondere form- und fristgerecht eingereicht und begründet worden (§§ 511 Abs. 1 und 2, 513, 514, 519, 520 ZPO). Im Ergebnis hat sie jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 01.12.1999 aus § 826 BGB oder aus § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG noch ist die Vollstreckung aus diesem im Hinblick auf § 767 ZPO unzulässig.

1. Die Anwendung von § 826 BGB ist auf besonders schwerwiegende, eng begrenzte Ausnahmefälle beschränkt, da andernfalls die Rechtskraft ausgehöhlt, die Rechtssicherheit beeinträchtigt und der Rechtsfriede in untragbarer Weise in Frage gestellt würde (BGH NJW 1987, 3256; 2005, 2991, 2994). Ein solcher, von § 826 BGB erfasster Ausnahmefall liegt indes nicht vor.

a) Zwar dürfte der klägerischen Auffassung zur Zuteilungsfähigkeit von Erben zuzustimmen sein, dies mit der Folge, dass das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 01.12.1999 materiell unrichtig sein könnte.

Der Kläger beruft sich hierzu auf das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 16.01.2004 (VIZ 2004, 233 f.). Die dortige Beklagte machte eine Besserberechtigung im Sinne von Art. 233 § 12 EGBGB als Erbin einer Bodenreformeigentümerin, die am 24.02.1990 verstorben war, geltend. Sie war zum Stichtag am 15.03.1990 weder 10 Jahre in der Landwirtschaft tätig noch Mitglied einer LPG. Ihre landwirtschaftliche Tätigkeit hatte sie im Jahre 1985 aufgrund Kündigung aufgeben müssen; seit Dezember 1985 war sie krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Die LPG-Mitgliedschaft war ihr trotz mehrmaligen Antrags verwehrt worden, weil sie im Hinblick auf die Einbringung der Grundstücke in die LPG durch ihre Eltern über kein Land verfügte. Zum Stichtag waren indes ihr Sohn und ihr Ehemann in der Landwirtschaft tätig.

Der Bundesgerichtshof hat hierzu ausgeführt, die dort streitgegenständlichen Grundstücke seien mit Ablauf des 15.03.1990 nicht in den Bodenfonds zurückzuführen gewesen, sodass für einen Auflassungsanspruch des Fiskus kein Raum sei. Zwar habe der Übertragung der Grundstücke auf die Beklagte gemäß § 4 Abs. 1 BesitzwechselVO nach dem Tod der Erblasserin entgegengestanden, dass die Beklagte zu ihrer Bewirtschaftung nicht mehr in der Lage gewesen sei. Die Nutzflächen seien jedoch nicht aus dem Nachlass in den Bodenfonds zurückzuführen, weil die Beklagte als Erbin der Erblasserin gemäß § 4 Abs. 1, 3 BesitzwechselVO die Übertragung der Grundstücke auf ihren Sohn habe verlangen können, der die Voraussetzungen der zweckentsprechenden Nutzung der Grundstücke erfüllt habe. Dass der Sohn bis zum Ablauf des 15.03.1990 keinen Antrag auf Aufnahme in die LPG gestellt habe, sei ohne Bedeutung. Einen solchen Antrag hätte er frühestens nach der Eröffnung des Testaments am 06.03.1990 stellen können. An diesem Tag sei jedoch das Landwirtschaftsanpassungsgesetz beschlossen worden; ein Antrag auf Aufnahme in eine LPG sei seit diesem Zeitpunkt nicht mehr in Betracht gekommen.

Mit dieser Entscheidung dürfte der Bundesgerichtshof den Anwendungsbereich des Art. 233 § 12 EGBGB erweitert haben. Bis dahin wurde stets auf die Zuteilungsfähigkeit der Erben selbst abgestellt, mithin nicht auf Verwandte der Erben. Zwar hat der Bundesgerichtshof nicht ausdrücklich erklärt, von seiner bisherigen Rechtsprechung abzurücken und eine Grundsatzentscheidung zur Erweiterung des Art. 233 § 12 EGBGB zu treffen. Auch der amtliche Leitsatz, der lediglich auf den Zeitpunkt bzw. die Erforderlichkeit der Antragstellung auf die Mitgliedschaft in einer LPG nach dem 06.03.1990 abstellt, lässt nicht auf eine Grundsatzentscheidung zur Zuteilungsfähigkeit schließen. Demgegenüber ist festzustellen, dass der Bundesgerichtshof in Kenntnis der namentlich nur auf den Erben abstellenden Entscheidung des Berufungsgerichts eindeutig die Zuteilungsfähigkeit des Sohnes der Erbin, mithin eines Verwandten (§ 4 Abs. 1 BesitzwechselVO vom 07.01.1988), hat ausreichen lassen. Hinzu kommt, dass er nochmals auf die von dem Bundesgesetzgeber mit Art. 233 §§ 11, 12 EGBGB gewählte Nachzeichnungslösung hinsichtlich der Zuteilungs- und Übertragungsgrundsätze der BesitzwechselVO (s. hierzu ausführlich das Grundsatzurteil vom 18.07.1997 (BGHZ 136, 283 ff.)) hingewiesen hat. In § 4 Abs. 1 BesitzwechselVO in der Fassung vom 07.01.1988 war die Übertragung der Bewirtschaftung auf einen Verwandten ausdrücklich vorgesehen, sodass dies im Zuge der Nachzeichnung auch bei Auslegung des Art. 233 § 12 EGBGB Berücksichtigung finden muss. Zwar war der Erbfall hier bereits 1983 eingetreten. Zu diesem Zeitpunkt galt jedoch § 45 Abs. 3 S. 3 LPG-G vom 02.07.1982, worin ebenfalls die Übertragung des Eigentumsrechts an genossenschaftlich genutztem Boden auf Familienangehörige des Erben vorgesehen war. Demgemäß wäre der Kläger bei Unterstellung der von ihm vorgetragenen Tatsachen, zuteilungsfähig im Sinne des Art. 233 § 12 EGBGB gewesen. Im Ergebnis kann dies jedoch dahinstehen.

b) Denn auch, wenn das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 01.12.1999 materiell unrichtig sein sollte, wäre ein Anspruch aus § 826 BGB zu verneinen:

aa) Die Unrichtigkeit des Titels ist im Rahmen des § 826 BGB nicht ausreichend, wenn die Unrichtigkeit auf nachlässige Prozessführung des Betroffenen zurückzuführen ist (BGH NJW-RR 1988, 957). Dies könnte vorliegend möglicherweise zu bejahen sein. Denn dem Kläger war der Vortrag zur LPG-Mitgliedschaft seiner Schwester bereits im Ausgangsverfahren grundsätzlich möglich. Zum einen verfügte er mangels entgegenstehenden Vortrags bereits damals über alle Informationen, die er nunmehr erstmals im Rahmen des hiesigen Verfahrens vorgebracht hat. Zum anderen hat bereits das Landgericht in seinem Urteil vom 01.12.1999 auf § 4 der BesitzwechselVO und damit indirekt auf die Möglichkeit der Übertragung des Grundstücks auf Verwandte hingewiesen; auch in dem Urteil des Oberlandesgerichts vom 29.09.2000 ist ausdrücklich auf die Vorschrift des § 4 BesitzwechselVO Bezug genommen worden. In diesem Zusammenhang wurde ausgeführt, dass die vom Bundesgesetzgeber in Art. 233 § 12 EGBGB gewählte Nachzeichnungslösung Ungerechtigkeiten vermeiden sollte und nicht der "zufällig entfaltete oder auch nicht entfaltete Eifer der früher in der DDR zuständigen Stellen bei Anwendung der Besitzwechselvorschriften darüber entscheidet, welche Familie ein Bodenreformgrundstück behalten oder nicht behalten darf." In § 4 Abs. 1 der BesitzwechselVO in der Fassung vom 07.01.1988 konnte das vererbte Bodenreformgrundstück "auf Verlangen des Erben ihm oder einem seiner von ihm benannten Verwandten" übertragen werden, "wenn er oder der Verwandte das Bodenreformgrundstück als Genossenschaftsmitglied oder Arbeiter zweckentsprechend nutzen wird". Ob die Prozessführung des Klägers insoweit jedoch bereits als nachlässig bezeichnet werden kann, ist indes zweifelhaft. Letztlich kann jedoch auch dies offen bleiben.

bb) Denn die Klage scheitert - wie das Landgericht im Ergebnis zutreffend festgestellt hat - nach Auffassung des Senats jedenfalls an der fehlenden Sittenwidrigkeit der Vollstreckung aus dem Urteil.

(1) Die Vollstreckung aus einem Urteil kann sittenwidrig sein, wenn eine Partei das Urteil oder seine Rechtskraft erschlichen, das heißt durch eine rechts- oder sittenwidrige Handlung im Bewusstsein der Unrichtigkeit herbeigeführt hat (Palandt/Sprau, BGB, 66. Aufl., § 826 Rn. 52). Dies ist vorliegend zu verneinen; das beklagte Land hat den Vollstreckungstitel nicht erschlichen. Der Vortrag des damals klagenden Landes entsprach den - zudem unstreitigen - tatsächlichen Gegebenheiten. Die Rechtsauffassung, die seitens des Landgerichts und des Oberlandesgerichts bestätigt wurde, stimmte überein mit der bis dahin ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (s. hier nur BGHZ 136, 283 ff. sowie auch dem Urteil der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 30.09.2005). Bis zum Urteil des Bundesgerichtshofes vom 16.01.2004 existierte zudem keine Rechtsprechung zu der hier nunmehr vorgetragenen Zuteilungsfähigkeit eines Verwandten. Ein Bewusstsein der Unrichtigkeit im Ausgangsverfahren seitens des beklagten Landes behauptet auch der Kläger selbst nicht. Den an ihn gerichteten Schreiben des beklagten Landes ist auch nicht zu entnehmen, dass es erklärt hätte, es käme gerade nicht auf Verwandte, sondern allein auf den Kläger, an. Vielmehr hat es ohne die von dem Kläger vorgenommenen Hervorhebungen und wohl auch mangels Kenntnis anderer Umstände Nachweise für die Zuteilungsfähigkeit des Klägers als Erben erbeten.

(2) Sittenwidrigkeit kann auch zu bejahen sein, wenn die Ausnutzung des zwar nicht erschlichenen, aber (auch nachträglich) als unrichtig erkannten Urteils in hohem Maße unbillig und geradezu unerträglich ist (BGHZ 26, 396; 112, 54). Die Rechtskraft muss dabei nur dann zurücktreten, wenn es mit dem Gerechtigkeitsgedanken schlechthin unvereinbar wäre, dass der Gläubiger seine formale Rechtsstellung unter Missachtung der materiellen Rechtslage zu Lasten des Schuldners ausnutzt (BGH NJW 1987, 3256; 2002, 2940, 2943; 2005, 2991, 2994). Solche Umstände, die von der Rechtsprechung bislang in erster Linie bei sittenwidrigen Verträgen oder bewusster Ausnutzung des Mahnverfahrens angenommen wurden, sind vorliegend nicht ersichtlich. Allein der Umstand, dass der Gläubiger mehr erhält, als ihm bei zutreffender Beurteilung der Rechtslage zustünde, genügt nicht (BGHZ 112, 54).

(a) Unbeachtet bleiben kann hierbei zunächst der klägerische Vortrag zu seiner faktischen Enteignung und zum Übersehen der Vererblichkeit des Bodenreformeigentums durch das Landgericht. Die Zulässigkeit der entschädigungslosen Enteignung ist sowohl durch das Bundesverfassungsgericht (Beschlüsse vom 06.10.2000 und 10.10.2000, Az. 1 BvR 1637/99 und 1 BvR 2062/99) als letztlich auch seitens des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (Große Kammer; Urteil vom 30.09.2005) bestätigt worden.

(b) Auch die Annahme der Vererblichkeit des Bodenreformeigentums (s. hierzu BGH, Urteil vom 17.12.1998, Az. V ZR 200/97, BGHZ 140, 223) hat vorliegend keine Auswirkungen. Zwar bedurfte es der Eigentumszuweisung nach Art. 233 § 11 Abs. 2 EGBGB aufgrund der anzunehmenden Vererblichkeit von Bodenreformeigentum nicht (s. hierzu auch Brandenburgisches OLG, Urteil vom 12.12.2002, 5 U 244/01). Da das Bodenreformeigentum jedoch von öffentlich-rechtlichen Zuteilungs-, Rückführungs- und Übertragungsvorschriften überlagert war, hatte es gemäß Art. 233 § 11 Abs. 3 in Verbindung mit § 12 EGBGB nur dann Bestand, wenn kein Anspruch eines nach dieser Vorschrift Besserberechtigten bestand (BGH, a.a.O.; Brandenburgisches OLG, a.a.O.). Dies war indes Prüfung des Ausgangsverfahrens. Die Rechtsprechung zur Vererblichkeit des Bodenreformeigentums hatte sich zum Zeitpunkt des Erlasses des Urteils vom 01.12.1999 auch bereits gewandelt.

(c) Die wirtschaftlichen Verhältnisse gebieten ebenfalls keine besondere Betrachtung. Der Kläger erzielt eine vorgezogene Rente von monatlich 933,94 €. Seine Frau erzielt Arbeitseinkommen in Höhe von 834,38 €. Die Miete der bewohnten Wohnung beträgt 321,32 € (brutto/warm). Das Familieneinkommen ist - auch ohne Hinzurechnung der dem Gericht nicht bekannten Pachteinnahmen für das streitgegenständliche Grundstück - daher nicht so gering, dass die wirtschaftliche Lage im Rahmen der Sittenwidrigkeit Berücksichtigung finden müsste. Die für die Rechtsverfolgungskosten aufgenommenen Kredite sind hier außer Acht zu lassen; denn hier hätte sich der Kläger auf die Durchführung eines Prozesskostenhilfeverfahrens im Ausgangsverfahren beschränken können.

(d) Auch die vorgetragene Krankheit kann weder für sich genommen noch im Zusammenspiel mit den sonstigen Umständen zur Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung führen. Hierbei ist zunächst zu verzeichnen, dass der Kläger seit Oktober 1990 arbeitsunfähig ist. Aus der Arbeitsunfähigkeit seit 1990 folgt, dass er bereits zu diesem Zeitpunkt, zu dem Rechtsstreitigkeiten nicht ohne weiteres zu erwarten waren, gesundheitlich angeschlagen gewesen sein muss. Er hat auch nicht vorgetragen, welche Krankheiten seit der erstmaligen Inanspruchnahme durch das beklagte Land hinzugekommen sind oder sich verschlimmert haben. Hierauf kommt es jedoch letztlich nicht an. Denn auch der Grad der Behinderung beträgt im Hinblick auf die von dem Kläger dargelegten Krankheiten ausweislich des Bescheides des Landesamtes für Soziales und Versorgung vom 30.05.2005 "lediglich" 50 %. Ungeachtet des Umstands, dass Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule und der Kniegelenke, Knorpelschäden, Bandscheibenbeschwerden etc. sowie Bluthochdruck auch alters- und konstitutionsbedingt sein können, verstieße eine Vollstreckung aus dem Ausgangsurteil auch unter Berücksichtigung der Behinderung des Klägers nicht gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden.

(e) Der Kläger kann im Rahmen der Sittenwidrigkeit auch nicht für sich in Anspruch nehmen, der Zusammenbruch des sozialistischen Systems, die in der Folge ergangene Gesetzgebung und die sich mehrfach ändernde Rechtsprechung benachteilige gerade ihn und ließe die oben dargestellte Nachzeichnungslösung der Besitzwechselvorschriften außer Betracht. Denn eine Zuteilung nach § 45 Abs. 3 S. 3 LPG-G respektive § 4 Abs. 1 BesitzwechselVO durch Übertragung des Eigentumsrechts an genossenschaftlich genutztem Boden wäre nicht zu Gunsten des Klägers, sondern zu Gunsten seiner zuteilungsfähigen Schwester erfolgt. Dass der Kläger seine Schwester nach deren Tod im Jahre 2002 beerbt hätte, ist nicht ersichtlich. Mithin wäre der Kläger gerade bei Nachzeichnung der zu DDR-Zeiten geltenden Gesetzeslage nicht Inhaber des Eigentumsrechts. Darüber hinaus war nach dem Bodenreformvermerk eine Verpachtung des Grundstücks zu DDR-Zeiten untersagt. Auch vor diesem Hintergrund ist eine sittenwidrige Schlechterstellung des Klägers nicht zu verzeichnen. Zudem hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 22.01.2004 zutreffend ausgeführt, dass die Erben von Bodenreformeigentümern nach dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 06.03.1990 nicht in schützenswerter Weise darauf vertrauen durften, ihr auf der unterbliebenen Umsetzung der Besitzwechselvorschriften der DDR beruhendes Eigentum behalten zu dürfen.

(f) Schließlich verstieße die Vollstreckung auch unter dem Gesichtspunkt, dass das beklagte Land dem Rechtsstaat unterworfen ist und daher im besonderen Maße Vertrauen in Anspruch nimmt, nicht in schlechthin unvereinbarer Weise gegen den Gerechtigkeitsgedanken. Anderenfalls müssten bei Beteiligung des Staates materiell unrichtige Urteile stets einem Vollstreckungsverbot unterliegen. Dies wäre jedoch deutlich zu weitgehend. Denn dadurch würde die Rechtskraft von Titeln ausgehöhlt und die Rechtssicherheit beeinträchtigt (vgl. BGH NJW 2002, 2940, 2943). Hierbei ist auch der Rechtsgedanke des § 580 ZPO zu berücksichtigen. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens käme jedoch im Falle der Änderung der Rechtsprechung nicht in Betracht.

2. Auch ein Anspruch aus § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG gerichtet auf die Unterlassung der Zwangsvollstreckung ist zu verneinen. Es mangelt bereits an einer Amtspflichtverletzung. Denn die seitens des beklagten Landes erteilten Auskünfte und von ihm geteilten Rechtsauffassungen standen jeweils mit dem Gesetz und der Rechtsprechung in Einklang. Die ausgegebenen Merkblätter beruhten auf der Kommentierung und höchstrichterlichen Rechtsprechung. Auch der Kläger selbst macht nicht geltend, dass es vor der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 16.01.2004 zu der Zuteilungsfähigkeit eines Verwandten Rechtsprechung dazu gegeben hätte, die ausdrücklich nicht allein auf die Zuteilungsfähigkeit des Erben abgestellt hat.

3. Die hilfsweise erhobene Vollstreckungsgegenklage ist bereits unzulässig. Hierzu wird auf die zutreffenden Ausführungen in dem landgerichtlichen Urteil Bezug genommen.

Aus dem von dem Kläger zitierten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 (1 BvR 1905/02) ergibt sich vorliegend keine andere Wertung. Der Beschluss traf ausweislich des Leitsatzes und der Gründe eine Aussage zur analogen Anwendung des § 79 Abs. 2 S. 3 BVerfGG auf nicht mehr anfechtbare Entscheidungen, die auf einer vom Bundesverfassungsgericht im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung als verfassungswidrig verworfenen Interpretationsvariante einer Rechtsvorschrift oder auf der Auslegung und Anwendung unbestimmter Gesetzesbegriffe beruhen, die vom Bundesverfassungsgericht für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden sind. Die von dem Kläger zitierte Stelle enthält zwar eine Aussage dazu, dass gemäß § 79 Abs. 2 BVerfGG § 767 ZPO entsprechend gelte. Eine allgemeine Erklärung, wonach Änderungen in der Rechtsprechung des BGH nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung im Ausgangsverfahren eine Einwendung im Sinne des § 767 Abs. 2 ZPO darstellen, kann der Entscheidung indes gerade nicht entnommen werden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen gemäß § 543 ZPO nicht vorliegen. Grundsätzliche Bedeutung kommt der Rechtssache nicht zu. Auch ist die Zulassung nicht zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die Entscheidung beruht allein auf der Würdigung der Umstände des Einzelfalles.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 37.743,06 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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