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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 18.12.2001
Aktenzeichen: 2 U 7/01
Rechtsgebiete: ZPO, BbgStrG, BGB


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 91
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
ZPO § 546 Abs. 2
BbgStrG § 9 Abs. 1
BbgStrG § 4 Satz 3
BbgStrG § 10 Abs. 1
BbgStrG § 2 Abs. 2 Ziff. 1
BGB § 839
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

2 U 7/01 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 18.12.2001

verkündet am 18. Dezember 2001

In dem Rechtsstreit

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird unter Abänderung des am 1. Dezember 2000 verkündeten Urteils des Landgerichts Cottbus - 3 O 177/00 - die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Wert der Beschwer der Klägerin: 7.704,55 DM.

Ohne Tatbestand gemäß § 543 Abs. 1 ZPO.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist in vollem Umfang begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Schadensersatz aus Art 34 GG i.V.m. §§ 839 BGB, 9 Abs. 1, 4 Satz 3, 10 Abs. 1 BbgStrG zu.

Eine Verpflichtung zur Verkehrssicherung im Hinblick auf den Randstreifen besteht nicht in dem vom Landgericht angenommenen Umfang. Zwar gehören Seiten- und Randstreifen gemäß § 2 Abs. 2 Ziff. 1 BbgStrG zu den öffentlichen Straßen, wenn auch nicht zur Fahrbahn (§ 2 Abs. 1 Satz 2 StVO). Deshalb gilt zunächst der Grundsatz, daß ein Verkehrsteilnehmer den Zustand einer Straße so hinnehmen muß, wie sie sich ihm darbietet. Der Verkehrssicherungspflichtige ist lediglich verpflichtet, in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise alle Gefahren auszuräumen und erforderlichenfalls vor ihnen zu warnen, die für einen sorgfältigen Benutzer nicht erkennbar sind und auf die er sich nicht einzurichten vermag (vgl. nur: BGHZ 108, S. 273 f.; BGH VersR 1995, S. 812; ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats, zuletzt Urteile vom 01.02.2000 - 2 U 37/99 -, 21.03.2000 - 2 U 57/99 -, 23.01.2001 - 2 U 28/00 - und vom 22.05.2001 - 2 U 38/00). Gefährlich sind solche Stellen, an denen wegen der nicht ohne weiteres oder nicht rechtzeitig erkennbaren Beschaffenheit der Straße die Möglichkeit eines Unfalles auch dann naheliegt, wenn der jeweilige Straßenbenutzer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt walten läßt (Senat, OLGR 1995, S. 172). Der Seitenstreifen neben einer Fahrbahn hat verkehrstechnisch den Zweck, die volle Ausnutzung der Fahrbahnbreite zu ermöglichen, den Lichtraum zwischen Fahrbahnrand und Leiteinrichtung freizuhalten und gegebenenfalls von der Fahrbahn abirrende Fahrzeuge zu sichern. Allgemein dienen Seitenstreifen jedoch nicht der Aufnahme des fließenden Verkehrs und müssen daher auch nicht entsprechend der Fahrbahn selbst ausgebaut sein (Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 35. Aufl., § 2 StVO Rz. 25). Zwar kann ein Kraftfahrer im Hinblick auf die Funktion des Seitenstreifens auch zur Sicherung von Fahrzeugen, die von der Fahrbahn seitlich abkommen, grundsätzlich damit rechnen, daß er mit seinem Fahrzeug gefahrlos hierhin ausweichen kann, doch gilt dies nur für ein vorsichtiges Befahren mit einer der Situation entsprechend angepaßten geringen Geschwindigkeit, nicht aber für ein zügiges Befahren mit einer Geschwindigkeit, die nur die Fahrbahn selbst zuläßt (BGH NJW 1957, S. 1396; VersR 1962, S. 574/576; 1969, S. 280/281; OLG Karlsruhe VersR 1978, S. 573/574; Senat, Urteils vom 22.05.2001 - 2 U 38/00). Bei einem erkennbar unbefestigten oder mit Hindernissen versehenen Seitenstreifen und bei im übrigen für den Begegnungsverkehr ausreichend breiter Straße kann ein Kraftfahrer allerdings schon nicht mehr ohne weiteres davon ausgehen, den Seitenstreifen, und sei es auch nur vorsichtig und langsam, gefahrlos an jeder Stelle nutzen zu können (BGH VersR 1962 a.a.O.; 1969, a.a.O.). Nach ständiger Rechtsprechung des Senats muß vor unvermuteten Gefahren, die von einem Bankett ausgehen, gewarnt werden, es sei denn, daß sich die Gefahr schon aus der äußeren Beschaffenheit des Banketts ergibt oder aus Anlage, Breite und Verlauf der Straße zu erkennen ist. Dabei spielt auch die Verkehrsbedeutung eine Rolle und die Tatsache, inwieweit aufgrund besonderer Umstände mit dem Befahren des Banketts seitens des Verkehrssicherungspflichtigen gerechnet werden muß (Urteile vom 09.04.1996 - 2 U 134/95, vom 04.06.1996 - 2 U 147/95 - und vom 16.06.1998 - 2 U 226/97).

Im vorliegenden Fall gab es keinen Anlaß für die verkehrssicherungspflichtige Beklagte, davon auszugehen, daß gerade an der Schadensstelle für Verkehrsteilnehmer die Notwendigkeit bestehen könnte, den Seitenstreifen für ein Ausweichen zu nutzen. Es handelt sich um eine innerörtliche Straße, die in dem fraglichen Abschnitt völlig gerade verläuft, die eine ausreichende Breite für Begegnungsverkehr hat und die eine verhältnismäßig, ebene Straßenoberfläche aufweist. Es sind keinerlei Gefahrenpotentiale vorhanden, die dazu führen könnten, daß gerade an dieser Stelle eine Ausweichmöglichkeit zur Verfügung stehen müßte. Dies gilt umso mehr, als unmittelbar vor und hinter der fraglichen Stelle aus Ausweichen auf den Seitenstreifen ohne weiteres möglich erscheint.

Besteht schon grundsätzlich kein Anlaß, den Seitenstreifen im Schadensbereich für den Kraftfahrzeugverkehr in Anspruch zu nehmen, so fehlt es überdies an einer Gefährlichkeit der - von wem auch immer - aufgestellten Pfähle. Diese sind immerhin 20 cm hoch und weiß gestrichen. Sie ragen aus einer kurzgeschnittenen Rasenfläche. Sie sind bei der Annäherung an die Stelle sowohl bei Tag als auch bei Nacht im Scheinwerferlicht ohne weiteres zu erkennen. Läßt ein Kraftfahrer auch nur die mindeste Aufmerksamkeit walten, so sieht er diese Pfähle schon von weitem. Auch die Fahrerin des klägerischen Fahrzeuges hätte die Pfähle bei der Annäherung wahrnehmen müssen und deshalb nicht an dieser Stelle ausweichen dürfen. Ob sie die Pfähle auch genau im Moment des Ausweichens sehen konnte, ist unerheblich. Wer mit der erforderlichen Aufmerksamkeit fahrt, beobachtet auch die Straße und den unmittelbar angrenzenden Bereich aus einiger Entfernung, so daß er jederzeit wissen kann, ob sich Hindernisse neben seinem Fahrzeug befinden, die er momentan nicht sehen kann. Wie die Klägerin selbst noch in ihrer Berufungserwiderung ausführt, sah sich die Fahrerin "genötigt, von einem Moment auf den anderen nach rechts aufzuweichen, als unversehens ein großer Hund ... auftauchte". Es spricht deshalb alles dafür, daß die Fahrerin eine reflexartige Ausweichbewegung machte, ohne auf den Zustand des Seitenstreifens zu achten. Damit hat sie sich den Unfall selbst zuzuschreiben, was der Klägerin zuzurechnen ist. Im übrigen kann der Hund, wenn er von links gekommen ist, wie die Klägerin ausführt, auch nicht plötzlich und unerwartet direkt vor dem Fahrzeug der Klägerin aufgetaucht sein, wenn diese lediglich mit 30 km/h unterwegs war. Sie war deshalb offensichtlich unaufmerksam.

Da die Beklagte die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt hat und überdies die Fahrerin des klägerischen Fahrzeuges den Unfallhergang ganz überwiegend selbst zu verantworten hat, war die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Festsetzung des Werts der Beschwer folgt aus § 546 Abs. 2 ZPO.

Streitwert: 7.704,55 DM

Ende der Entscheidung

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