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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 17.07.2001
Aktenzeichen: 2 U 99/00
Rechtsgebiete: ZPO, BbgStrG, StVG


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 539
ZPO § 540
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
ZPO § 546 Abs. 2
BbgStrG § 9 Abs. 4
BbgStrG § 10 Abs. 1
StVG § 7 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

Anlage zum Protokoll vom 17. Juli 2001

verkündet am 17. Juli 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. Juni 2001 durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. F sowie die Richterinnen am Oberlandesgericht R-R und K

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 20. November 2000 verkündete Urteil des Landgerichts Cottbus - 3 O 124/00 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.635,16 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 23. Dezember 1998 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 37 % und der Beklagte 63 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer wird wie folgt festgesetzt: für den Beklauten auf 2.635,16 DM; für den Kläger 1.543.38 DM.

Ohne Tatbestand gemäß § 543 Abs. 1 ZPO.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers hat teilweise Erfolg. Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz im tenorierten Umfang wegen Verletzung einer dem Beklagten als Amtspflicht obliegenden Verkehrssichercngspflicht zu (§§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG, §§ 9 Abs. 4 S. 2, 10 Abs. 1 BbgStrG).

Das angefochtene Urteil leidet an erheblichen Verfahrensfehlern. Es handelt sich um ein "Überraschungsurteil", das unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG zustande gekommen ist. Es widerspricht dem Gebot der fairen Verfahrensgestaltung, dem Prozeß eine Wendung in der rechtlichen Beurteilung durch das Gericht zugeben, von der die Parteien erst durch das Urteil erfahren. Auf diese Weise ist jedoch das Urteil des Landgerichts Cottbus zustande gekommen: Aufgrund des Beweisbeschlusses vom 10. Juli 2000 mußten die Prozeßbeteiligten davon ausgehen, daß der Einzelrichter eine rechtliche Bewertung zugrunde legte, wonach die von dem Beklagten vorgetragene Baumschau rechtlich gesehen nicht ausreichend war, denn sonst wäre eine Beweisaufnahme über Unfallhergang und Schadenshöhe nicht notwendig gewesen. Im Falle der späteren Änderung einer rechtlichen Bewertung durch das Gericht, sei es aufgrund neuerer Erkenntnisse oder wegen Wechsels des zuständigen Einzelrichters, müssen die Parteien auf die geänderte rechtliche Sichtweise des Gerichts hingewiesen werden, damit sie sich in ihrem Vortrag darauf einstellen können. Hier hat jedoch der später zuständige Einzelrichter den ersten Teil des Beweisbeschlusses seines Vorgängers kommentarlos ausgeführt, was für die Parteien nur den Schluß zuließ, daß er sich der früher zu erkennen gegebenen rechtlichen Würdigung seines Vorgängers anschloß. Erst im Urteil hat der Einzelrichter zu erkennen gegeben, daß es nach seiner Einschätzung auf die Fragen des Beweisbeschlusses gar nicht ankam; sondern auf die rechtliche Bewertung, welche Anforderungen an eine Baumschau durch den Verkehrssicherungspflichtigen zu stellen sind. Hierin liegt eine Überraschungsentscheidung für beide Parteien, die sich zum Nachteil des Klägers ausgewirkt hat, weil dieser keinen Anlaß hatte, auf rechtliche Gesichtspunkte im Zusammenhang mit Anforderungen einer Baumschau vertieft Stellung zu nehmen.

Überdies hat der Einzelrichter bei seiner Entscheidung in einem weiteren Punkt gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs verstoßen, indem er nämlich den Vortrag des Klägers insoweit nicht zur Kenntnis genommen hat, als dieser in erster Instanz die Durchführung der Baumschau überhaupt bestritten hatte. Auch hierin liegt ein erheblicher Verfahrensmangel. Der Kläger hatte nicht nur bereits in seiner Klageschrift (dort S. 5) die Durchführung einer Baumschau bestritten. sondern dieses Bestreiten nach entsprechendem Vortrag durch den Beklagten mit Schriftsatz vom 19. Oktober ?000 (S. 1) erneuert. Selbst wenn der Einzelrichter der Auffassung gewesen sein sollte, was noch vertretbar erschiene, daß der Kläger nicht die Tatsache der Baumschau als solche bestreiten wollte, sondern nur die Geeignetheit der getroffenen Maßnahmen, so hätte er sich im Urteil entsprechend mit dem Vortrag des Klägers auseinandersetzen müssen.

Das Urteil leidet demnach an zwei schwerwiegenden Mängeln, die eine Zurückverweisung an das Landgericht gemäß § 539 ZPO ermöglichen. Der Senat hält jedoch eine eigene Sachentscheidung gemäß § 540 ZPO für angebracht, da in zweiter Instanz unstreitig gestellt wurde, daß die Baumschau - so wie vom Beklagten dargestellt - durchgeführt worden ist und deshalb keine weitere Beweisaufnahme notwendig ist. Die Parteien haben in zweiter Instanz ausreichend Gelegenheit gehabt, sich mit den rechtlichen Anforderungen an eine Baumschau auseinanderzusetzen.

Der Kläger hat, nach Bestreiten des Beklagten in zweiter Instanz, mit Schriftsatz vom 13. Juni 2001 substantiiert belegt, daß er Eigentümer des Fahrzeuges ist und deshalb Ansprüche im eigenen Namen geltend machen kann. Da der Beklagte auf den Vortrag des Klägers nicht weiter erwidert hat, geht der Senat davon aus, daß das Bestreiten des Beklagten nicht aufrechterhalten werden soll.

Dem beklagten Landkreis oblag die Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich des fraglichen Straßenbaumes, von dem der Ast herabgefallen und zu einer Schädigung des PKW's des Klägers geführt haben soll, als Amtspflicht gemäß §§ 9 Abs. 4, 10 Abs. 1 BbgStrG. Die Verkehrssicherungspflicht umfaßt den Schutz vor Gefahren, die von Straßenbäumen ausgehen, sei es durch Herabfallen von Teilen eines Baumes, sei es durch Umstürzen eines Baumes selbst (allgemeine Ansicht, vgl. nur BGH VersR 1965, S. 475; OLG Köln, VersR 1992, S. 1370/ 1371; OLG Hamm; VersR 1994, S. 347; ständige Senatsrechtsprechung, insbesondere Entscheidungen vom 12. Januar 1999 zu 2 U 40/98, vom 23. November 1999 zu 2 U 125/98 und vom 7. März 2000 zu 2 U 58/99). Von Straßenbäumen gehen für die Benutzer der Straße dann Gefahren aus, wenn die Bäume selbst nicht mehr hinreichend stand- bzw. bruchsicher sind und wenn die naheliegende Möglichkeit besteht, daß Äste oder ganze Bäume unvermutet auf die Straße stürzen können. Da eine derartige Gefahr grundsätzlich von allen Bäumen ausgehen kann, obliegt es dem jeweiligen Verkehrssicherungspflichtigen, ausreichend Vorsorge dafür zu treffen, daß bei erkrankten Bäumen rechtzeitig Maßnahmen getroffen werden, die eine Gefährdung des Verkehrs im Rahmen des Zumutbaren ausschließen. Je größer die Gefährdung ist, die von dem jeweiligen Baum ausgeht (z. B.: Standort in unmittelbarer Nähe einer stark befahrenen Straße, hohes Alter des Baumes, besonders windanfällige Lage, etc.), desto höher sind die Anforderungen, die an den Inhalt der Verkehrssicherungspflicht zu stellen sind. Wie der Senat in Übereinstimmung mit der herrschenden Rechtsprechung bereits mehrfach entschieden hat, ist es unumgänglich notwendig, daß der Verkehrssicherungspfichtige regelmäßig zweimal pro Jahr die Bäume (einmal im belaubten und einmal im unbelaubten Zustand) kontrollieren muß. Dabei kann sich die Untersuchung normalerweise auf eine Sichtprüfung vom Boden aus beschränken (vgl. die angeführten Senatsurteile; OLG Köln, VersR 1992, S. 371: OLG Hamm, VersR 1994, S. 357; OLG Düsseldorf, VersR 1992, S. 467). Die Untersuchung muß durch hinreichend qualifiziertes Personal durchgeführt werden. Dabei muß es sich zwar nicht notwendigerweise um Forstfachleute handeln, die Bediensteten des Verkehrssicherungspflichtigen müssen jedoch ausreichend dahin geschult worden sein, daß sie Krankheitszeichen an Bäumen erkennen können. Fallen bei einer visuellen Untersuchung Schäden am Baum auf, so sind entsprechende Maßnahmen je nach dem zutage tretenden Grad der Gefährdung von Verkehrsteilnehmern zu veranlassen. Als Schäden am Baum, die auf Krankheiten desselben und Gefährdungen der Verkehrsteilnehmer hindeuten, kommt in allererster Linie das Vorhandensein von Totholz, also unbelaubten Ästen, in Betracht. Sind größere Äste, die noch dazu über eine Straße oder einen Gehweg ragen, völlig unbelaubt, so ist es schon für einen Laien ohne weiteres erkennbar, daß hiervon die Gefahr eines Abbrechens unmittelbar ausgeht und Maßnahmen dringend ergriffen werden müssen.

Über die vorgenannten Grundsätze besteht in der Rechtsprechung Einigkeit. Unterschiedliche Bewertungen gibt es dagegen zu der Rechtsfrage, wie eingehend und in welcher Art und Weise die Kontrollen durchzuführen sind, ob insbesondere eine Baumschau aus einem fahrenden Fahrzeug heraus durchgeführt werden kann und ob in bestimmten Fällen eine Besichtigung von unten nicht ausreichend sein kann, sondern die Krone selbst, etwa mittels eines Hubwagens, in Augenschein genommen werden muß. So hat der Senat in seinem Urteil vom 7. März 2000 (Az.: 2 U 58/99) entschieden, eine Begutachtung vom fahrenden Fahrzeug reiche jedenfalls dann nicht aus, wenn bei einem sehr hohen Baum vom Boden aus Totholz wegen äußerst dichter Kronen keinesfalls erkennbar ist. Der Senat hat ausgeführt, eine visuelle Kontrolle könne nur dann sinnvoll sein, wenn diese auch so durchgeführt werde, daß der Baum tatsächlich in seinen Einzelheiten in Augenschein genommen werden könne. Wenn dies vom Boden aus nicht möglich sei, so müßten Hilfsmittel eingesetzt werden, um auch das Astwerk der Krone in Augenschein zu nehmen. Die Beschränkung auf die Notwendigkeit einer Kontrolle vom Boden aus führe sonst zu dem absurden Ergebnis, daß das Unterlassen der Kontrolle unbeachtlich wäre, wenn vom Boden aus ohnehin keine Feststellungen getroffen werden können. Diese Ansicht vertreten auch das OLG Koblenz (NJW-RR 1986, S. 1086/1087), und das OLG Celle (OLG Report 1996, S. 220/221). An diesen Grundsätzen hält der Senat fest. Verlangt man eine visuelle Kontrolle. um insbesondere Totholz als gravierendes Anzeichen für weitere Schäden am Baum feststellen zu können, so muß eine Kontrolle auch grundsätzlich geeignet sein, totes Astwerk überhaupt feststellen zu können. Ansonsten wäre die Verpflichtung zur Sichtkontrolle ad absurdum geführt. Aus dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit, der eine Rolle für die Begrenzung von Amtspflichten spielt, ergibt sich keine abweichende Würdigung. Der Senat hält den Verkehrssicherungspflichtigen nicht für verpflichtet, jedes kleine Ästchen aus der Nähe in Augenschein zu nehmen. Bei der ganz überwiegenden Mehrzahl der Straßenbäume dürfte das Vorhandensein größerer toter Äste vom Boden aus ohne weiteres möglich sein, insbesondere wenn die Baumkrone aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet wird. Die Verkehrssicherungspflichtigen müssen in Wahrnehmung ihrer Aufgaben in der Lage sein, jedenfalls solche Bäume, die aufgrund ihrer besonderen Situation (Standort, Alter etc.) ein besonderes Gefährdungspotential darstellen und deren Kronen ausnahmsweise so dicht sind, daß von unten kein Blick auf die höhergelegenen Äste beworfen werden kann, mittels eines Hubwagens zu untersuchen.

Den an eine ordnungsgemäße Baumschau zu stellenden Anforderungen ist der Beklagte hier nicht nachgekommen. Die Baumschau hatte wenige Tage vor dem Schadensereignis stattgefunden, wie in zweiter Instanz zwischen den Parteien unstreitig ist. Gleichwohl fiel am 20. Juni 1998 ein jedenfalls weitgehend unbelaubter Ast von ca. 4 - 5 m Länge auf die Straße. Diese Tatsachen sind erwiesen durch die in erster Instanz durchgeführte Beweisaufnahme. Die Zeugin P hat glaubhaft bekundet, ein derartiger Ast sei ganz kurz vor ihrem Fahrzeug heruntergefallen. Die Zeugin T, die auf den Unfall aufmerksam wurde, hat angegeben, ein ca. 5 m langer völlig unbelaubter Ast sei offenbar direkt am Stamm abgebrochen. Der Senat hat keinen Anlaß, an den im wesentlichen übereinstimmenden Aussagen der Zeuginnen zu zweifeln, wenn diese auch unterschiedliche Angaben dazu gemacht haben, ob der Ast nach dem Unfall vor oder hinter dem Auto gelegen hat. Es ist ausgeschlossen, daß dieser Ast zwei oder drei Tage zuvor ein anderes Erscheinungsbild aufgewiesen haben könnte. Dies macht auch der Beklagte nicht geltend. Es kann zwar aus dem Vorhandensein von Totholz nicht mit hinreichender Sicherheit darauf rückgeschlossen werden, wie der entsprechende Ast einige Monate zuvor ausgesehen haben mag. Daß aber im Verlauf von zwei bis drei Tagen kein Totholz entsteht, ist offenkundig. Demnach ergibt sich für die Durchführung der Baumschau durch den Beklagten, daß entweder der Ast trotz Erkennbarkeit übersehen wurde oder aber, daß die Krone des fraglichen Baumes derart dicht war, daß er von unten nicht erkennbar war.

In beiden Fällen läge ein Fehler bei der Durchführung der Besichtigung vor, der nach den oben dargestellten Grundsätzen zu einer Haftung des Beklagten auf Schadensersatz führt.

Der Kläger kann demnach zwar den vollen Ersatz der durch den Vorfall vom 20.06.1995 eingetretenen Schäden an seinem Fahrzeug verlangen, jedoch nicht in der vollen von ihm geltend gemachten Höhe. Welche Schäden durch das Herabfallen des Astes verursacht worden sind, hat der Kläger darzulegen und zu beweisen, da der Beklage die Verursachung von Schäden überhaupt unter Hinweis auf die Aussage der Zeugin T, die bekundet hatte, am Fahrzeug des Klägers habe sie keine Schäden erkennen können, bestreitet. Der Senat wertet die Aussage der Zeugin jedoch nicht in dieser Weise. Es ist nicht ersichtlich, ob die Zeugin dazu näher befragt worden ist, ob sie Schäden bemerkte. Auch ist unklar, ob sie sich das Fahrzeug daraufhin überhaupt angesehen hat. Aus dem folgenden Satz, der Kläger habe sofort weiterfahren können, läßt sich folgern, daß der Zeugin eben nur diese Tatsache aufgefallen ist und sie sich um das Auto nicht weiter gekümmert haben könnte. Die Zeugin P hat dagegen jedenfalls bekundet, das Fahrzeug sei trotz starker Bremsung mit dem Ast kollidiert. Der Ast sei dann noch einmal hochgekommen und am Auto zerschellt. Das Auto des Klägers sei beschädigt gewesen, und zwar im Frontbereich. Auch die Motorhaube sei verbeult gewesen. Auf Einzelheiten im Hinblick auf die Schäden habe sie in diesem Moment allerdings nicht geachtet. Später habe sie jedoch feststellen können, daß die Reifen beschädigt waren. Sie selbst habe gesehen, daß an allen vier Reifen "kahle Stellen waren". Das Auto habe sich danach auch "irgendwie komisch" gefahren. Der Senat hält die Aussage für glaubhaft. Die Zeugin schildert sehr plastisch, wie sie durch das Unfallereignis erschreckt worden ist und auch den nachfolgenden Geschehensablauf. Es ist durchaus nachvollziehbar, daß sie sich in diesem Moment nicht im einzelnen um Schäden am Fahrzeug gekümmert hat. Auch die erst nachträgliche Feststellung der Schäden an den Reifen erscheint nachvollziehbar, da es durchaus nichts besonderes ist, daß ein Fahrer nach einem solchen Ereignis erst einmal nach Hause fährt und dort sein Fahrzeug genauer in Augenschein nimmt. Der Senat hält deshalb dem Grund nach Schädigungen am Fahrzeug im Frontbereich, an der Motorhaube und an den Reifen für bewiesen, auch wenn die Zeugin diese Schäden nicht gesehen hat. Daß auch die Frontscheibe beschädigt worden ist, trägt der Kläger allerdings nicht einmal substantiiert vor. Er teilt lediglich mit, welcher Betrag notwendig sei, um die Frontscheibe auszuwechseln und daß er eine Scheibe aus eigenen Beständen zur Reparatur zur Verfügung gestellt habe. Darin wird man wohl auch die Behauptung sehen können, daß die Frontscheibe beschädigt worden sein soll. Dies haben die Zeugen allerdings nicht ausdrücklich bekundet, auch nicht die Zeugin P. Weiteren Beweis für den Schadenseintritt hat der Kläger nicht angetreten. Da er nicht einmal konkret vorgetragen hat, welcher Art die Schäden an der Scheibe gewesen sein sollen, hält der Senat den Kläger insoweit für darlegungs- und beweisfällig.

Was die Schadenshöhe angeht, so beruft sich der Kläger auf den Voranschlag vom 23. Juni 1995. Grundsätzlich ist ihm die Abrechnung auf Gutachtenbasis nicht verwehrt, auch wenn er selbst einen Reparaturbetrieb besitzt. Der Geschädigte kann grundsätzlich, wenn er selbst repariert oder auf eine Reparatur verzichtet, die üblicherweise im Reparaturgewerbe entstehenden Kosten einschließlich der Mehrwertsteuer ersetzt verlangen (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. nur BGH NJW 1989, S. 3009 und Palandt/Heinrichs, 58. Aufl., § 249 Rz. 8, jeweils m.w.N.). Hier hat der Kläger allerdings kein Gutachten eines Sachverständigen, sondern lediglich einen Kostenvoranschlag vorgelegt. Dieser bietet dem Senat jedoch eine ausreichende Schätzungsgrundlage für die tatsächlich erforderlichen Kosten, auch wenn der Beklagte die Erforderlichkeit und Angemessenheit der aufgeführten Leistungen bestreitet. Was die Erforderlichkeit angeht, so hält der Senat die Positionen "Frontklappe ersetzen, Frontklappe lackieren, Reifen für Vorder- und Hinterräder ersetzen sowie Hohlraumkonservierung Frontklappe nebst den zugehörigen Materialien" nach dem zuvor Ausgeführten zum Nachweis der Schäden für feststellbar. Was die Höhe der einzelnen Beträge des Kostenvoranschlages angeht, so hat der Beklagte diese nicht im einzelnen substantiiert angegriffen. Da die Beträge im üblichen Rahmen liegen, geht der Senat grundsätzlich von der Angemessenheit der im Kostenvoranschlag aufgeführten Beträge aus. Dies bedeutet jedoch nicht, daß sämtliche Positionen wie aufgeführt, anerkannt werden können:

Hinsichtlich der Reifen trägt der Kläger vor, diese seien erst zwei Monate vor dem Unfall komplett erneuert worden und belegt dies durch eine Rechnung vom 25. April 1998. Da die beschädigten Reifen somit neu waren, ist zwar kein Abzug "neu für alt" vorzunehmen, aus der Rechnung ergibt sich jedoch, daß die Reifen pro Stück 152,00 DM netto gekostet haben. Nunmehr macht der Kläger jedoch 194,00 DM pro Reifen geltend. Da er nichts dazu vorgetragen hat, woraus sich diese Preiserhöhung innerhalb kürzester Zeit ergeben soll, geht der Senat davon aus, daß die neu erworbenen Reifen höherwertig sind als die beschädigten. Da der Wert der beschädigten Reifen durch die Rechnung vom 25.04.1998 nachgewiesen worden ist, hat der Beklagte auch nur für die Reifen des Gesamtbetrag von 705,28 DM zu zahlen. Hinsichtlich der Lackierung der Frontklappe und der Zierrahmen ist ein Abschlag "neu für alt" vorzunehmen, da das geschädigte Fahrzeug mit einer Erstzulassung am 1. Juli 1988 bereits 10 Jahre alt war. Dies spricht mangels anderweitigen Vortrags des Klägers für eine erhebliche Abnutzung hinsichtlich Lack und Zierrahmen. Der Senat setzt wegen fehlenden Vortrages des Klägers insoweit nur 30 % des im Voranschlag angegebenen Wertes an.

Es ergibt sich danach ein zu ersetzender Betrag von 2.595,16 DM brutto = 2.23 7,21 DM netto, der sich wie folgt zusammensetzt:

Frontklappe ersetzen 207,00 DM Frontklappe lackieren 179,55 DM Reifen für Vorder- und Hinterräder ersetzen 165,00 DM Hohlraumkonservierung Frontklappe 52,50 DM Frontklappe 640,00 DM Schallisolierung 101,00 DM Zierrahmen 66,90 DM Reifen 608,00 DM Kleinteile 21,76 DM Lackmaterial 179,55 DM Hohlraumschutz 15,95 DM Gesamtsumme netto 2.237,21 DM brutto = 2.595,16 DM

Hinzuzurechnen ist eine Pauschale von 40,00 DM, so daß der zu ersetzende Betrag sich auf 2.635,16 DM beläuft.

Der Zahlungsbetrag ist nicht wegen eines Mitverschuldens des Klägers an dem Schadensereignis zu kürzen. Auch eine Betriebsgefahr ist dem Kläger nicht zuzurechnen, und zwar unabhängig davon, ob man eine solche gegenüber dem hier geltend gemachten Anspruch überhaupt für möglich hält, da jedenfalls die Unabwendbarkeit des Ereignisses gemäß § 7 Abs. 2 StVG nachgewiesen ist. Der Kläger hat sofort eine Vollbremsung eingeleitet, was jedoch die Kollision mit dem Ast nicht verhindern konnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO und die Festsetzung des Werts der Beschwer auf § 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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