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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 25.04.2002
Aktenzeichen: 2 W 1/02
Rechtsgebiete: ZPO, EGZPO, BGB, AGBGB


Vorschriften:

ZPO § 148
ZPO § 569
ZPO § 127 Abs. 2
ZPO § 138 Abs. 3
ZPO § 567 ff a.F.
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
EGZPO § 26 Nr. 10
BGB § 839
BGB § 839 Abs. 2
BGB § 839 Abs. 1
BGB § 839 Abs. 2 Satz 1
AGBG § 9
AGBG § 24
AGBG § 11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluß

In dem Prozeßkostenhilfeprüfungsverfahren

2 W 1/02 Brandenburgisches Oberlandesgericht

hat der 2. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Farke, die Richterin am Oberlandesgericht Rohrbach-Rödding und den Richter am Oberlandesgericht Clavée am 25. April 2002

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Prozeßkostenhilfe versagenden Beschluß des Landgerichts Neuruppin vom 10. Oktober 2001 - 3 O 365/01 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt Prozeßkostenhilfe für die Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs aus dem Gesichtspunkt der Amtshaftung wegen der Zurückweisung seines Prozeßkostenhilfe-Gesuchs für ein Berufungsverfahren durch die 5. (Berufungs-) Zivilkammer des Landgerichts Neuruppin.

Der Antragsteller war von der Firma E vor dem Amtsgericht P auf Zahlung eines Kaufpreises in Höhe von 9.330,25 DM nebst Zinsen in Anspruch genommen worden. Er erklärte u. a. die Aufrechnung mit einem vermeintlichen Schadensersatzanspruch gegenüber der Verkäuferin. Er hat vorgetragen, er sei aufgrund von nicht fristgerecht erfolgten Leistungen der Firma E seinerseits gegenüber einem dritten Auftraggeber (dem Amt M. in Verzug geraten, woraufhin ihm der Auftrag gekündigt worden sei. Ihm sei dadurch ein Schaden in Höhe von ca. 90.000,00 DM entstanden. Der Antragsteller hatte gleichzeitig zur Klärung der Höhe seiner Schadensersatzforderung gegen die Firma E ein selbständiges Beweisverfahren vor dem Landgericht Potsdam eingeleitet. Das Amtsgericht P hat mit Urteil vom 16. Februar 1999 - 1 C 832/98 - der Klage der Firma E stattgegeben und die Aufrechnung für unzulässig erklärt, da der genaue Schadensumfang vom Antragsteller nicht habe konkret dargelegt werden können. Gegen dieses Urteil beabsichtigte der Antragsteller Berufung einzulegen. Er beantragte für deren Durchführung Prozeßkostenhilfe und machte zu den behaupteten Verzögerungen bzw. Nichtlieferungen der Firma E sowie zu seinem behaupteten Schaden weitere Ausführungen. Außerdem rügte er, daß das Amtsgericht den Rechtsstreit nicht bis zur Beendigung des schwebenden selbständigen Beweisverfahrens ausgesetzt hatte. Mit Beschluß vom 7. Mai 1999 - 5 S 17/99 - wies die Berufungszivilkammer des Landgerichts Neuruppin den Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe für die beabsichtigte Berufung zurück. Sie führte aus, die Voraussetzungen einer Aussetzung nach § 148 ZPO hätten nicht vorgelegen, da die Parteien des selbständigen Beweisverfahrens und des beabsichtigten Berufungsverfahrens nicht identisch seien. Außerdem sei aufgrund der allgemeinen Geschäftsbedingungen der Firma E die Bestandteil des Vertragsverhältnisses zum Kläger geworden seien, die Aufrechnung ausgeschlossen.

Nunmehr macht der Antragsteller Schadensersatzansprüche wegen der angeblich fehlerhaften Entscheidung der Berufungszivilkammer des Landgerichts Neuruppin geltend. Er beantragte für die Durchführung eines Klageverfahrens wegen Amtshaftung gegen das Land Brandenburg auf Schadensersatz in Höhe von 9.330,25 DM nebst Zinsen die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe. Zur Begründung führte er im wesentlichen aus, die Berufungszivilkammer habe bei ihrer Entscheidung massiv gegen Gesetze und Grundrechte verstoßen, fehlerhaft die Aussetzung des Verfahrens abgelehnt und die Vereinbarung von allgemeinen Geschäftsbedingungen unterstellt. Mit Beschluß vom 10. Oktober 2001 - 3 O 365/01 - hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Neuruppin diesen Antrag auf Prozeßkostenhilfe zurückgewiesen und ausgeführt, die Ermessensentscheidung über die Nichtaussetzung des Vorprozesses sei nicht zu beanstanden. Außerdem sei zutreffend festgestellt worden, daß die Aufrechnung des Antragstellers gegenüber der Firma E nicht durchgreife. Schließlich habe der Antragsteller auch immer noch nicht die Entstehung eines Schadens in Höhe der beabsichtigten Klageforderung schlüssig dargelegt. Im übrigen wird auf den Inhalt des Beschlusses Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Antragstellers vom 2. Dezember 2001, mit der er rügt, die Begründung des angefochtenen Beschlusses sei falsch, nicht nachvollziehbar bzw. nicht begründet und willkürlich. Ein Schaden sei schon deshalb entstanden, weil die Firma E die Vollstreckung gegen ihn betreibe. Im übrigen wird auf die schriftsätzlichen Ausführungen des Antragstellers Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers ist gemäß §§ 127 Abs. 2 Satz 2, 567, 569 ZPO a. F. i.V.m. § 26 Nr. 10 EGZPO zulässig. Sie ist jedoch unbegründet.

Der Senat hält es bereits für äußerst zweifelhaft, ob ein Anspruch auf Schadensersatz aus dem Gesichtspunkt der Amtshaftung (§ 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG) hier überhaupt geltend gemacht werden kann. Es spricht viel dafür, daß der Ausschlußgrund des § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB (sogenanntes Richterspruchprivileg) eingreift. Nach dieser Vorschrift ist die Haftung ausgeschlossen, soweit eine Amtspflicht "bei einem Urteil in einer Rechtssache" verletzt worden sein soll, es sei denn, es liege eine Straftat vor, was hier jedoch nicht der Fall ist. In Rechtsprechung und Schrifttum herrscht Einigkeit darüber, daß § 839 Abs. 2 BGB nicht nur Urteile im formellen Sinn erfaßt, sondern auch urteilsvertretende Erkenntnisse sowie Maßnahmen, die darauf gerichtet sind, die Grundlagen für diese Entscheidungen zu gewinnen (BGHZ 10, 55/59 f.; 36, 379/382 ff.; 46, 106; BGH, JZ 1968, 463; BGHZ 51, 326/327 ff.; 64, 347/349; KG, KGR 2001, 93; RGRK/Kreft, BGB, 12. Aufl., § 839 Rz. 523; Staudinger/Schäfer, BGB, 12. Aufl., § 839 Rz. 429 ff.; Soergel/Vinke, BGB, 12. Aufl., § 839, Rz. 224 ff.). Ob der Beschluß über die Ablehnung der Prozeßkostenhilfe mit der Begründung mangelnder Erfolgsaussicht in diesem Sinne als "Urteil in einer Rechtssache" anzusehen ist, ist fraglich. So hat der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung zur Versagung von "Armenrecht" (Vorläufer der Prozeßkostenhilfe) wegen Verneinung der Bedürftigkeit des damaligen Antragstellers im Jahr 1983 entschieden, dieser Beschluß unterfalle nicht § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB (VersR 1984, S. 77 f.; vgl. auch die frühere Entscheidung aus 1959, in der ohne nähere Erörterung von einer Amtspflichtverletzung wegen Versagung des Armenrechts aus sachlichen Gründen ausgegangen wird: VersR 1960, 62 ff.). Dabei hat der Bundesgerichtshof ein Anspruchshindernis aus § 839 Abs. 2 BGB deshalb verneint, weil die Entscheidung zum Armenrecht nicht der Rechtskraft fähig sei. Dem liegt die vielfach vertretene Ansicht zugrunde, der Sinn und Zweck des § 839 Abs. 2 BGB diene jedenfalls nicht primär dem Schutz der richterlichen Unabhängigkeit, sondern dem Schutz der materiellen Rechtskraft richterlicher Entscheidungen. Um ein "Urteil in einer Rechtssache" im Sinne des § 839 Abs. 2 handele es sich dann, wenn es um eine richterliche Entscheidung gehe, die unter den für ein Urteil wesentlichen Voraussetzungen erlassen und durch die ein Prozeßverhältnis für die Instanz - ganz oder teilweise - beendet werde (so schon: BGHZ 10, 55/60; 36, 379/383; 46, 106). Aus der Beendigungswirkung für die Instanz wird sodann seit der Entscheidung BGHZ 51, 326/327 gefolgert, der Haftungsbeschränkung liege der Gedanke zugrunde, daß es mit dem Wesen der Rechtskraft unverträglich wäre, wenn jede Entscheidung des Spruchrichters allein schon wegen angeblicher Unrichtigkeit, die den Tatbestand einer strafbaren Handlung nicht erfüllt, zur Grundlage von Ersatzansprüchen gemacht und damit über die von der Prozeßordnung eingeräumten Rechtsbehelfe hinaus auf dem Weg über das materielle Recht zur Nachprüfung durch andere Richter gestellt werden könnte (BGHZ 64, 347/349; MünchKomm./ Papier, BGB, 3. Aufl., § 839 Rz. 321; RGRK, a.a.O. Rz. 514). Als unter § 839 Abs. 2 BGB fallend werden dabei von den Vertretern dieser Ansicht - wie ausgeführt - jedoch auch alle diejenigen Maßnahmen gewertet, die darauf gerichtet sind, die Grundlagen für der materiellen Rechtskraft fähige Entscheidungen zu gewinnen, und zwar unabhängig davon, ob die rechtskraftfähige Entscheidung später tatsächlich noch ergeht oder nicht und ob Rechtskraft im weiteren Verlauf des Rechtsstreits tatsächlich eintritt (BGH, JZ 68, 463 f.; BGHZ 50, 14/16; Soergel/Vinke, a.a.O. Rz. 227). Dies zeigt, daß auch die Vertreter der Ansicht, wonach Schutzbereich des Richterspruchprivilegs allein die materielle Rechtskraft ist, im konkreten Fall den von ihnen benannten Schutzbereich bereits überschreiten. Nach Auffassung des Senats liegt es nahe, daß § 839 BGB nicht nur die eigentliche Rechtskraft schützen soll, sondern den Kernbereich der richterlichen Tätigkeit, wie es auch dem Verfassungsgrundsatz der richterlichen Unabhängigkeit entspricht. So verstanden, soll das sogenannte Richterspruchprivileg die Entscheidung eines Rechtsstreits und die damit eng zusammenhängenden Maßnahmen einer Überprüfung im Rahmen eines Amtshaftungsprozesses entziehen, weil dieser außerhalb des gesetzlich vorgesehenen Instanzenzuges und der anerkannten außerordentlichen Rechtsbehelfe gegen die angegriffene richterliche Entscheidung oder Maßnahme stattfindet. § 839 Abs. 2 BGB dürfte vor allem der Gewährleistung des in sich geschlossenen gesetzlichen Systems der Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen im Instanzenzug und der Vermeidung von systemfremden Inzidentkontrollen, und damit der Sicherung des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit dienen(so: Soergel/Vinke, a.a.O. Rz. 222; ähnlich auch: Köndgen, JZ 1979, 246/248; Smid, Jura 1990,225 ff. vgl. auch Tombrink, Anmerkung zur Entscheidung des OLG Frankfurt/Main vom 29.3.2001, zur Veröffentlichung vorgesehen in NJW, Heft 18).

Stellt man diesen Schutzgedanken in den Vordergrund, so dürfte er auch Anwendung finden auf Entscheidungen im Prozeßkostenhilfeverfahren. Die Entscheidung über die Gewährung von Prozeßkostenhilfe wird durch den für das Hauptverfahren zuständigen Richter in einem Verfahren getroffen, das sich nach prozessualen Regeln richtet, die auch für ein Urteilsverfahren gelten; insbesondere ist rechtliches Gehör zu gewähren und die Entscheidung zu begründen. Jedenfalls bei Ablehnung der Prozeßkostenhilfe aus sachlichen Gründen wegen mangelnder Erfolgsaussicht wird unter Anwendung materiell-rechtlicher Normen sachlich über einen Rechtsstreit entschieden. Der die Prozeßkostenhilfe versagende Beschluß ist grundsätzlich nur nach Maßgabe der §§ 127 Abs. 2, 567 ff ZPO a.F. anfechtbar. Damit besteht auch für das Prozeßkostenhilfeverfahren ein gesetzliches System der Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen im Instanzenzug. Der Beschluß entfaltet allerdings keine Rechtskraft, da das Gericht berechtigt ist, seine Entscheidung auf Gegenvorstellung - auch nach weiteren Darlegungen des Antragstellers - abzuändern. Auch ein erneutes Gesuch auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe bleibt zulässig. Desweiteren wird durch den Beschluß über die Zurückweisung des Prozeßkostenhilfegesuchs ein Rechtsstreit zwischen zwei Parteien nicht rechtskräftig beendet. In aller Regel bedeutet die Nichtgewährung von Prozeßkostenhilfe jedoch rein tatsächlich die Beendigung eines Rechtsstreits zwischen zwei Parteien. Der wegen mangelnder Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage oder des beabsichtigten Rechtsmittels abgewiesene Antragsteller verzichtet in aller Regel auf die Klageerhebung oder Einlegung des Rechtsmittels, sei es, weil er dazu wirtschaftlich nicht imstande ist, sei es, weil er den Mißerfolg wegen der ihm bekanntgewordenen Bewertung des zuständigen Gerichts absehen kann. Ist ein Prozeßrechtsverhältnis bereits anhängig, wird in vielen Fällen der Antragsteller, dem Prozeßkostenhilfe nicht gewährt wird, entweder die Klage bzw. das Rechtsmittel zurücknehmen oder die kostengünstige Möglichkeit des Anerkenntnisses wählen.

Überdies ist auch nicht verständlich, warum ein Schadensersatzanspruch aus dem Gesichtspunkt der Amtspflichtverletzung ohne weiteres ausscheiden würde, wenn dieselbe Kammer durch Zurückweisung der Berufung entscheidet, nicht aber bei Zurückweisung des Antrags auf Prozeßkostenhilfe. Dabei ist auch der Fall in Betracht zu ziehen, daß Urteil und Beschluß gleichzeitig ergehen, wie dies in der Praxis durchaus vorkommt.

Schließlich bleibt noch zu bedenken, daß nach ganz herrschender Rechtsansicht der allgemeine Grundsatz gelten soll, daß einen Amtsträger in der Regel kein Verschulden trifft, wenn ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht die Amtstätigkeit als objektiv rechtmäßig angesehen hat (vgl. nur: BGHZ 97, 97/107; Palandt/Thomas, BGB, 61. Aufl., § 839 Rz. 53). Diese Richtlinie gilt auch zugunsten eines Richters, dessen Entscheidung durch das Berufungsgericht als Kollegialgericht gebilligt worden ist (BGH, NJW-RR 1992, 919/920). Hieraus könnte ohne weiteres gefolgert werden, daß die Entscheidung eines Kollegialgerichts ebenfalls aus sich heraus der Anfechtung im Wege der Amtshaftung entzogen ist, zumal, wenn es sich um Richter eines Rechtsmittelgerichts handelt, liegt doch in der angeblich unrichtigen Rechtsanwendung selbst zugleich die Billigung dieser Rechtsanwendung durch ein Kollegialgericht.

Die sich danach aufdrängende Frage, ob eine schuldhafte Amtspflichtverletzung hier überhaupt in Betracht kommt oder ob nicht vielmehr die Haftung gemäß § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB ausgeschlossen ist, kann der Senat jedoch letztlich offenlassen. Jedenfalls ist der Beschluß der 3. Zivilkammer des Landgerichts Neuruppin vom 10. Oktober 2001 im Ergebnis zutreffend.

Hält man die Haftung wegen einer Amtspflichtverletzung überhaupt für denkbar, so kommt es, wie das Landgericht richtig dargestellt hat, darauf an, ob die Berufungszivilkammer des Landgerichts Neuruppin bei ihrer Entscheidung vom 7. Mai 1999 gegen eine eindeutige gesetzliche Vorschrift verstoßen hat, wobei der Verfassungsgrundsatz der richterlichen Unabhängigkeit zu beachten ist. Danach kann einem Richter in diesem Bereich ein Schuldvorwurf nur bei besonders groben Verstößen gemacht werden (BGH, NJW-RR 1992, 919 m.w.Nw.).

Ein Verstoß bei der Rechtsanwendung ist nicht gegeben, solange die beteiligten Richter die Gesetzes- und Rechtslage unter Zuhilfenahme der ihnen zu Gebote stehenden Hilfsmittel sorgfältig und gewissenhaft geprüft und, fußend auf vernünftigen Überlegungen, sich eine vertretbare Rechtsmeinung gebildet haben (BGHZ 36, 144/150, RGRK/Kreft, a.a.O. Rz. 291). Eine unrichtige Gesetzesauslegung oder Rechtsanwendung ist vorwerfbar, wenn sie gegen den klaren, bestimmten und unzweideutigen Wortlaut einer Vorschrift oder gegen höchstrichterliche Rechtsprechung verstößt oder keine vertretbare Begründung enthält (RGRK, a.a.O. Rz. 291; Palandt/Thomas, a.a.O. Rz. 53). Ein solcher Vorwurf kann der Berufungskammer des Landgerichts Neuruppin nicht gemacht werden. Insoweit kann es nur darauf ankommen, ob das Landgericht den Vortrag der Parteien vor dem Amtsgericht P bzw. im Prozeßkostenhilfeverfahren zum Az.: 5 S 17/99 zur Kenntnis genommen und ausreichend gewürdigt hat und ob es daraufhin mit vertretbarer Begründung in einem prozessual ordnungsgemäßen Verfahren zu der Auffassung gelangen konnte, die Aufrechnung des Antragstellers sei unzulässig. Das ist der Fall. Zur Ablehnung einer Aussetzung des Verfahrens gemäß § 148 ZPO wird auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluß vom 10. Oktober 2001 Bezug genommen. Was die Aufrechnung des Antragstellers angeht, so läßt die Entscheidung der Berufungskammer des Landgerichts Potsdam ebenfalls keinen schuldhaften Rechtsverstoß zu Lasten des Antragstellers erkennen. Zum einen konnte das Landgericht den unbestritten gebliebenen Vortrag der dortigen Klägerin aus dem Schriftsatz vom 19. August 1998, den Verträgen mit dem Antragsteller lägen die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin zugrunde und beide Vertragsparteien seien Vollkaufleute, als unstreitig gemäß § 138 Abs. 3 ZPO ansehen und seiner Entscheidung zugrundelegen. Es durfte deshalb davon ausgehen, daß dem Antragsteller gemäß § 24 AGBG nur ein verminderter Schutz zugute kam. Aus dem Inhalt der dem Schriftsatz beigefügten allgemeinen Geschäftsbedingungen der damaligen Klägerin ergibt sich unter Ziff. III eine entsprechende Regelung zur Aufrechnung, deren Voraussetzungen der Antragsteller nicht dargelegt hat. Das Landgericht brauchte die Bestimmung unter Ziff. III der allgemeinen Geschäftsbedingungen der Firma E auch nicht als unwirksam anzusehen, da sie § 11 Ziff. 3 und § 9 AGBG entspricht (so auch Rechtsprechung und Literatur im Zeitpunkt der Entscheidung des Landgerichts; vgl. nur Palandt/Heinrichs, BGB, 58. Aufl., § 11 AGBG Rz. 15 ff. m.w.Nw; Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 4. A., § 11 Rz. 1 ff.).

Das Landgericht mußte ohne schuldhaften Rechtsverstoß auch nicht auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes eingehen, wonach trotz einer entsprechenden Regelung in den allgemeinen Geschäftsbedingungen die Aufrechnung auch dann zulässig ist, wenn zwar weder die Gegenforderung rechtskräftig festgestellt noch unbestritten ist, jedoch Forderung und Gegenforderung in untrennbarem Zusammenhang stehen und Entscheidungsreife eingetreten ist (BGH, WM 1978, 620). Diese Ausnahme gilt nämlich nur für den Fall, daß die Aufrechnungsforderung nicht bestreitbar ist und damit die Gegenforderung zugleich mit der Entscheidung über die Klageforderung nach Grund und Höhe feststeht. Nur in einem derartigen Fall werden die schützenswerten Interessen des Verwenders der allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht verletzt, wenn ausnahmsweise eine weitere Aufrechnungsmöglichkeit zugestanden wird (BGH, NJW 1986, 1757 f.). So lag der Fall jedoch hier nicht. Der damalige Beklagte und jetzige Antragsteller hatte vor dem Amtsgericht P zu seiner angeblichen Schadensersatzforderung aufgrund Kündigung eines Vertrages durch das Amt M nicht ausreichend nachvollziehbar vorgetragen. Dies gilt insbesondere für den behaupteten Schadensumfang und die Schadenskausalität, wie das Amtsgericht in seinem Urteil ausgeführt hat. Auch in seiner Begründung des Prozeßkostenhilfeantrags zur Durchführung einer Berufung hat der Antragsteller es nicht vermocht, zu den von ihm behaupteten Schäden näher vorzutragen. Statt dessen hat er sich auf das vor dem Landgericht Potsdam anhängige selbständige Beweisverfahren zum Aktenzeichen 33 OH 1/98 bezogen, nach dessen Beendigung er die Schäden näher werde beziffern können. Dieser Vortrag reicht nicht aus, um die angeblichen Ansprüche des damaligen Beklagten hinreichend zu substantiieren und sie als zeitgleich mit den Gegenansprüchen der damaligen Klägerin feststehend zu behandeln. Das Landgericht hat damit im Ergebnis zu Recht keine ausnahmsweise Aufrechnung trotz entgegenstehender allgemeiner Geschäftsbedingungen der Klägerin angenommen. Es hat hierzu Ausführungen in seinem Beschluß vom 7. Mai 1999 zwar nicht gemacht, dies war jedoch auch nicht erforderlich. Da es im Ergebnis die Ausnahmeregelung als nicht durchgreifend erachtet hat, konnte es sich darauf beschränken, die tragenden Gründe der Zurückweisung der beantragten Prozeßkostenhilfe niederzulegen. Ein schuldhafter Verstoß gegen Amtspflichten liegt darin nicht begründet.

Somit steht dem Antragsteller aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch gegen das beklagte Land auf Schadensersatz wegen einer Amtspflichtverletzung der an dem Beschluß vom 7. Mai 1999 - 5 S 17/99 - beteiligten Richter des Landgerichts Neuruppin zu. Deshalb hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Neuruppin zu Recht den Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe für ein entsprechendes Klageverfahren zurückgewiesen. Die gegen diesen Beschluß gerichtete Beschwerde bleibt somit ohne Erfolg.

Ende der Entscheidung

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