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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 13.01.2004
Aktenzeichen: 2 Ws (Reha) 14/03
Rechtsgebiete: StrRehaG, StPO, GVG


Vorschriften:

StrRehaG § 13 Abs. 1
StrRehaG § 14 Abs. 4
StrRehaG § 15
StPO § 311
StPO §§ 359 ff
StPO § 359 Nr. 5
StPO § 371
StPO § 372
StPO § 467 Abs. 1
GVG § 140 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

2 Ws (Reha) 14/03 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Rehabilitierungsverfahren

hat der 2. Strafsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts als besonderer Beschwerdesenat für Rehabilitierungssachen durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ...

am 13. Januar 2004

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der Kammer für Rehabilitierungsverfahren des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 31. März 2003 aufgehoben.

Die Wiederaufnahme des Rehabilitierungsverfahrens wird angeordnet.

Die Sache wird an das Landgericht Frankfurt (Oder) zur Entscheidung über den Rehabilitierungsantrag zurückverwiesen.

Die notwendigen Auslagen des Antragstellers im Beschwerdeverfahren trägt die Staatskasse.

Gründe:

I.

Der Betroffene beantragte im Jahre 1995 seine Rehabilitierung. Er trug im Wesentlichen vor, er sei in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik in S... bei Pflegeeltern aufgewachsen. Seine Mutter sei verstorben; durch den Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes habe er erfahren, dass sein Vater in Österreich wohnhaft gewesen sei. 1964 habe er durch die österreichische Mission einen österreichischen Reisepass erhalten. Am 28. Juni 1965 sei er illegal aus der DDR ausgereist. Dabei habe er aber nicht - wie er im damaligen Notaufnahmeverfahren angegeben hatte - den vorerwähnten österreichischen Reisepass verwandt, sondern einen gefälschten polnischen Reisepass mit einem Visum für die Bundesrepublik Deutschland. Im Notaufnahmeverfahren habe er anderslautende Angaben gemacht, um seine Verwandten in Polen, die ihm den polnischen Reisepass verschafft hätten, nicht zu gefährden. Seinen österreichischen Reisepass habe er nach der Ausreise aus der DDR vernichtet. Im Jahre 1966 habe er von Minden zu seinen Verwandten nach Polen fahren wollen. Zuvor habe er vom Rat des Kreises S... ein Schreiben bekommen, wonach er jederzeit in die DDR einreisen und auch durchreisen könne. Nachdem er mit dem Zug über Hannover nach Berlin (West) und von dort mit der S-Bahn zum Ostbahnhof gefahren sei, sei er von Zivilpersonen aus dem Zug geholt worden, nachdem er seinen österreichischen Reisepass vorgezeigt habe. Er habe die Auflage erhalten, nach S... zurückzukehren. Weisungsgemäß sei er nach S... gefahren, wo er sich auf der Polizeidienststelle gemeldet habe. Er sei bei seinen Pflegeeltern geblieben, bei denen er nach 2-3 Tagen von Polizisten festgenommen worden sei. Er sei mit einem Polizeiwagen direkt nach F... gebracht worden ,wo er in einem außerhalb des Ortes befindlichen ehemaligen Schloss untergebracht worden sei. Seinen Pflegeeltern sei erklärt worden, dass seine Festnahme zur Klärung seiner Staatsangehörigkeit erfolgt sei, da er noch als DDR-Bürger gegolten habe. Bei dem fraglichen Schloss habe es sich um ein Gebäude auf einem allseits umzäunten und bewachten Gelände gehandelt, das man nicht habe verlassen dürfen. Innerhalb des Schlosses habe er sich frei bewegen können. Er sei mit anderen in einem Mehrbettzimmer untergebracht gewesen. Im Keller hätten sich Verwahrzellen mit Leuten befunden, die man nie zu Gesicht bekommen habe. Anfangs sei er jede Nacht zum Verhör in einen Seitentrakt geführt worden, wo er stundenlang bis zur Erschöpfung verhört worden sei. Man habe alles über seine Flucht im Jahre 1964 und seinen Aufenthalt in Gießen wissen wollen. Schließlich sei ihm eröffnet worden, dass er DDR-Bürger sei und kein Österreicher und dass man ihn wegen Republikflucht und Propaganda anklagen werde. Er sei dann nach F... zum Gericht gebracht und nach kurzer Verhandlung wegen Republikflucht zu drei Jahren Freiheitsentzug verurteilt worden. Dann sei er in das Schloss zurückgebracht und weiter verhört worden. Plötzlich habe er seine Sachen packen müssen und sei mit dem Auto zu einem Bahnhof an der Grenze gebracht und in den Zug nach Hannover gesetzt worden. Vorher habe er die Weisung erhalten, die DDR nicht mehr zu betreten; andernfalls werde die verhängte Strafe vollstreckt. Sein Aufenthalt im Schloss habe von Juli bis September 1966 drei Monate gedauert; nähere Angaben könne er nicht mehr machen.

Mit Beschluss vom 26. Oktober 1998 verwarf die Kammer für Rehabilitierungsverfahren des Landgerichts Frankfurt (Oder) - ... - den Rehabilitierungsantrag des Betroffenen, weil dessen Angaben nicht glaubhaft seien. Die von Amts wegen angestellten Ermittlungen hatten ergeben, dass bei keiner amtlichen Stelle Unterlagen zu der vom Betroffenen behaupteten Inhaftierung und Verurteilung vorhanden waren. Zudem meinte die Rehabilitierungskammer, in den Angaben des Betroffenen Widersprüche entdecken zu können.

Mit Beschluss vom 24. Februar 2000 - 2 Ws (Reha) 8/00 - verwarf der Senat die dagegen eingelegte Beschwerde des Betroffenen als unbegründet.

Mit Schreiben vom 18. Februar 2001 verlangte der Betroffene erneut "Schadensersatz für (s)eine Verhaftung". Diesem Schreiben legte er die Ablichtung eines Ermittlungsberichts der Kreisdienststelle S... des Ministeriums für Staatssicherheit der ehemaligen DDR vom 17. Dezember 1965 bei, wonach der Betroffene am 29. Juni 1965 illegal mit einem gefälschten Pass von der Volksrepublik Polen die DDR verlassen haben soll. Das Schreiben des Betroffenen wurde von der Rehabilitierungskammer des Landgerichts als Antrag auf Wiederaufnahme des Rehabilitierungsverfahrens behandelt.

Mit Beschluss vom 31. März 2003 hat das Landgericht den Wiederaufnahmeantrag des Betroffenen als unzulässig verworfen, weil die vom Betroffenen vorgelegten Unterlagen nicht geeignet seien, in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen seine Rehabilitierung zu begründen; aus ihnen ergebe sich nichts zu der vom Betroffenen behaupteten Inhaftierung und Verurteilung. Dieser Beschluss ist dem Betroffenen am 11. April 2003 zugestellt worden. Mit Schreiben vom 15. April 2003, eingegangen beim Landgericht am 17. April 2003, hat der Betroffene dagegen Beschwerde eingelegt und vorgetragen, ihm sei am 14. April 2003 von der Familie Sch... in Berlin ein Brief ausgehändigt worden, den er am 23. August 1966 an M... Sch... geschrieben habe und der aus der Haftanstalt herausgeschmuggelt worden sei. Der Senat hat den vorgenannten Brief zwischenzeitlich im Original in Augenschein genommen und festgestellt, dass dieser sowohl vom Äußeren als auch vom Inhalt zum Vorbringen des Betroffenen passt. Er wurde am 23. August 1966 in F... /DDR abgestempelt, ist in der Handschrift des Betroffenen verfasst und enthält unter anderem die folgende Textpassage:

"Bin nun so lange schon hier und habe immer noch keinen Bescheid, was eigentlich los ist. Von meiner Mutter bekomme ich auch schon wochenlang keine Post, ich habe Briefe und Telegramme geschickt, aber keine Antwort. Nun bin ich sicher, dass mir die Post vorenthalten wird. Wenn Du den Brief erhältst, dann gehe bitte sofort zu meiner Mutter und sage ihr, sie solle sofort nach F... kommen."

Auf Nachfrage des Senats bei dem von dem Betroffenen als Zeugen benannten M... Sch..., dem Empfänger des vorstehenden Briefes, hat dieser schriftlich mitgeteilt, er und der Betroffene seien Jugendfreunde. Der Betroffene habe 1965 die DDR illegal verlassen und im Frühjahr 1966 seine Pflegeeltern in S... besucht. Bei diesem Besuch sei er verhaftet worden; das wisse er, der Zeuge, von seiner Mutter, die mit der Pflegemutter des Betroffenen zusammengearbeitet habe. Monatelang habe niemand gewusst, wo der Betroffene abgeblieben sei, als er, der Zeuge, unerwartet den Brief vom 23. August 1966 aus F... erhalten habe. Nachdem er den Brief erhalten habe, habe er der Mutter des Betroffenen Bescheid gegeben, die dann ihren Pflegesohn in der Haftanstalt in F... besucht habe.

Die vom Senat erneut an die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik ( BStU ) gerichteten Anfragen sind wiederum ergebnislos geblieben.

II.

Der Senat ordnet die Wiederaufnahme des Rehabilitierungsverfahrens an und verweist die Sache zu dessen Durchführung an das Landgericht zurück, weil das Rechtsmittel des Betroffenen zulässig und begründet ist.

1. Zu Recht hat das Landgericht das Schreiben des Betroffenen vom 18. Februar 2001 als Antrag auf Wiederaufnahme des Rehabilitierungsverfahrens behandelt. Nach § 15 StrRehaG gelten im Rehabilitierungsverfahren - soweit im strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz nichts anderes bestimmt ist - die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Strafprozessordnung entsprechend. Daraus folgt, dass im Rehabilitierungsverfahren grundsätzlich auch die strafprozesseuallen Vorschriften der §§ 359 ff StPO über die Wiederaufnahme "eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens" entsprechende Anwendung finden können.

Nach dem Beschluss vom 20. November 1996 - 1 Ws (Reha) 61/96 - des 1. Strafsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, VIZ 97,256, ist auf Antrag die Überprüfung einer unanfechtbaren Rehabilitierungsentscheidung jedenfalls dann zuzulassen, wenn neue Tatsachen und Beweismittel im Sinne von § 359 Nr. 5 StPO vorgebracht werden und wenn die Tatsachen glaubhaft sind (§ 10 Abs. 2 Satz 1 StrRehaG) oder doch eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass sie glaubhaft gemacht werden können (vgl. § 370 Abs. 1 StPO). Dabei entscheidet über einen entsprechenden Antrag das Rehabilitierungsgericht, das im ersten Rechtszug tätig geworden ist, und zwar auch dann, wenn das Verfahren durch eine Beschwerdeentscheidung abgeschlossen wurde. Dies entspricht der Struktur des Rehabilitierungsverfahrens, das für die Überprüfung tatsächlicher, für die Entscheidung erheblicher Behauptungen grundsätzlich zwei Rechtszüge zur Verfügung stellen will. § 140 a GVG, der für das strafprozessuale Wiederaufnahmeverfahren die Zuständigkeit eines anderen Landgerichts vorsieht, ist nicht entsprechend anwendbar, weil eine derart einschneidende Änderung des im Rehabilitierungsverfahren vorgesehenen Verfahrensablaufs durch den Gesetzgeber deutlicher als durch die in § 15 StrRehaG enthaltene allgemeine Bezugnahme geregelt worden wäre.

Der vorgenannten Entscheidung hat sich das Thüringische Oberlandesgericht mit seinem Beschluss vom 28. September 1999 - 2 Ws Reha 19/99 -, abgedruckt in OLG-NL 2000, 144, angeschlossen ( die Zulässigkeit eines Wiederaufnahmeantrags im Rehabiltierungsverfahren bejahend auch die - allerdings ältere - Literatur : Rehabilitierung, Potsdamer Kommentar, 2. Auflage,1997, StrRehaG § 15, Rn 16 ff; Pfister in VIZ 94,264; Bruns/Schröder/Tappert, StrRehaG, 1993, § 13 Rn 51 ff ).

Auch dieser Senat schließt sich der vorstehenden Rechtsprechung an, wobei es allerdings der Klarstellung einer sprachlichen Missverständlichkeit bedarf:

Die Zulässigkeit eines Antrags auf Wiederaufnahme im Rehabilitierungsverfahren hängt nicht davon ab, dass in kumulativer Weise neue Tatsachen und Beweismittel vorgetragen werden; ausreichend ist es, wenn alternativ neue Tatsachen oder neue Beweismittel beigebracht werden, die allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen die Rehabilitierung des Antragstellers zu begründen geeignet sind. Dies ergibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut des § 359 Nr. 5 StPO.

Ein Bedürfnis für die Anwendung der strafprozessualen Vorschriften über die Wiederaufnahme im Rehabilitierungsverfahren ergibt sich bereits daraus, dass die Aufarbeitung insbesondere der Unterlagen der BStU immer noch nicht abgeschlossen ist, so dass sich von dieser Seite jederzeit für Rehabilitierungsverfahren relevante neue Erkenntnisse ergeben können.

2. Das Rechtsmittel des Betroffenen ist zulässig. Es kann offen bleiben, ob gegen den die Wiederaufnahme des Rehabilitierungsverfahrens ablehnenden Beschluss des Landgerichts die Beschwerde nach § 13 Abs. 1 StrRehaG mit einer Rechtsmittelfrist von einem Monat oder in entsprechender Anwendung des § 372 StPO die sofortige Beschwerde nach § 311 StPO mit einer Rechtsmittelfrist von einer Woche statthaft ist, da im vorliegenden Fall auch die kürzere Rechtsmittelfrist der sofortigen Beschwerde durch den Betroffenen eingehalten worden ist.

Der Senat neigt aber - anders als das OLG Thüringen, a. a. O. - dazu, als statthaftes Rechtsmittel im Rehabilitierungsverfahren allein die Beschwerde nach § 13 Abs. 1 StrRehaG anzusehen, und zwar auch dann, wenn eine auf einen Wiederaufnahmeantrag ergangene landgerichtliche Entscheidung angefochten wird. Dies folgt gerade aus den Besonderheiten des Rehabilitierungsverfahrens, in dem es das durch einen Wiederaufnahmeantrag in Gang gesetzte abgestufte Entscheidungsverfahren nach den §§ 359 ff StPO nicht gibt (OLG Brandenburg, a. a. O.; OLG Thüringen a. a. O.).

Die §§ 359 ff StPO beschäftigen sich mit der Wiederaufnahme "eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens". Eine neuerliche Sachentscheidung kann im strafprozessualen Wiederaufnahmeverfahren nur ergehen, wenn der Wiederaufnahmeantrag für zulässig und begründet befunden wird (§§ 369, 370 StPO). Der Beschluss, mit dem die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Erneuerung der Hauptverhandlung angeordnet wird (§ 370 Abs. 2 StPO), enthält jedoch noch keine Sachentscheidung; diese ergeht grundsätzlich erst in einem neuen Urteil, das dann den in der StPO vorgesehenen Rechtsmitteln der Berufung und der Revision unterliegt. Dementsprechend bezieht sich das in § 372 StPO geregelte Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde nur auf die Anfechtung von Entscheidungen über die Zulässigkeit und Begründetheit des Wiederaufnahmeantrags, nicht aber - von den Ausnahmefällen des § 371 StPO abgesehen - auf die Anfechtung der neuerlichen Sachentscheidung, weil diese erst mit dem späteren Urteil getroffen wird.

Der Verfahrensgang im Rehabilitierungsverfahren ist anders. Da die Rehabilitierungskammer nicht durch Urteil, sondern durch Beschluss entscheidet, ist sie nicht gehindert, auf einen für zulässig befundenen Wiederaufnahmeantrag sogleich eine neue Sachentscheidung über die Rehabilitierung des Betroffenen zu treffen. Das Rechtsmittel gegen eine solche Sachentscheidung, mit der entweder dem Rehabilitierungsantrag des Betroffenen entsprochen oder dieser zurückgewiesen wird, einer anderen Rechtsmittelfrist zu unterstellen als im ursprünglichen Rehabilitierungsverfahren, ist sachlich nicht gerechtfertigt. Dies führt zur Statthaftigkeit der Beschwerde nach § 13 Abs. 1 StrRehaG auch gegen eine auf einen Wiederaufnahmeantrag ergangene ( Sach-)Entscheidung der Rehabilitierungskammer.

Diese Überlegung gilt allerdings nicht für den Sonderfall, dass die Rehabilitierungskammer den Wiederaufnahmeantrag nicht als unbegründet, sondern als unzulässig verworfen hat, denn in diesem Sonderfall fehlt es gerade an einer Sachentscheidung der Rehabilitierungskammer. Es scheint jedoch gänzlich unpraktikabel, die Statthaftigkeit eines Rechtsmittels mit der wichtigen Konsequenz der anzuwendenden Rechtsmittelfrist davon abhängig zu machen, ob die Rehabilitierungskammer nur über die Zulässigkeit oder auch über die Begründetheit eines Wiederaufnahmeantrags entschieden hat.

Sachgerecht, weil allein praktikabel, erscheint daher, gegen die auf einen Wiederaufnahmeantrag ergangene ablehnende Entscheidung der Rehabilitierungskammer stets die Beschwerde nach § 13 Abs. 1 StrRehaG und nicht die sofortige Beschwerde nach § 372 StPO i. V. m. § 15 StrRehaG zuzulassen.

3. Das Rechtsmittel des Betroffenen ist auch begründet. Die von ihm erst im Beschwerdeverfahren vorgelegten neuen Beweismittel machen seinen Vortrag jedenfalls hinsichtlich der von ihm behaupteten Inhaftierung im Zeitraum von Juli bis September 1966 in einer Hafteinrichtung in F... wegen des Vorwurfs der Republikflucht glaubhaft.

Der Inhalt des Briefes, den der Betroffene am 23. August 1966 an M... Sch... geschrieben hat, lässt erkennen, dass der Betroffene seinerzeit in F... inhaftiert war. Der Poststempel auf dem Briefumschlag belegt, dass der Brief seinerzeit am 23. August 1966 in F... zur Post gegeben wurde. Die auf Brief und Briefumschlag erkennbare Handschrift weist zur Handschrift des Betroffenen, die sich auf anderen in den Akten befindlichen Unterlagen erkennen lässt, keine signifikanten Unterschiede auf.

Die schriftliche Äußerung des M... Sch... bestätigt schließlich die vom Betroffenen geschilderte Inhaftierung in F... ausdrücklich.

Dem gegenüber sind im früheren Vorbringen des Betroffenen wesentliche Widersprüche nicht enthalten. Soweit der Betroffene seinerzeit angegeben hatte, seinen ersten österreichischen Reisepass nach der Ausreise aus der DDR vernichtet zu haben und im Jahre 1966 wiederum mit einem österreichischen Reisepass in die DDR eingereist zu sein, wird dies dadurch erklärbar, dass er am 26. Januar 1966 einen zweiten österreichischen Reisepass erhalten haben will; dieses Vorbringen hat er belegt durch die Ablichtung eines Stempelabdrucks des österreichischen Generalkonsulats Düsseldorf, wonach ihm am genannten Tage ein Reisepass mit der Nummer ... ausgestellt wurde.

Soweit der Betroffene im früheren Notaufnahmeverfahren angegeben hatte, unter Vorlage eines österreichischen Reisepasses aus der DDR ausgereist zu sein, während er im Rehabilitierungsverfahren vortrug, in Wahrheit habe er einen gefälschten polnischen Reisepass verwandt, dies aber nicht angegeben, um seine polnischen Verwandten nicht zu gefährden, scheint letzteres nach Meinung des Senats weder unglaubhaft, noch für die Rehabilitierungsentscheidung von Bedeutung zu sein. Im Übrigen findet die im Rehabilitierungsverfahren abgegebene Schilderung des Betroffenen eine Stütze in dem Ermittlungsbericht des Ministeriums für Staatssicherheit, Kreisdienststelle S... , vom 17. Dezember 1965. Wenn sich in anderen Ermittlungsberichten dieser Dienststelle auch die andere Sachverhaltsvariante wiederfindet, wonach der Betroffene unter Verwendung eines österreichischen Reisepasses ausgereist sei, ist doch allen Ermittlungsberichten einheitlich zu entnehmen, dass der Betroffene seinerzeit die DDR nach Auffassung der dortigen Staatsorgane illegal verlassen habe. Dies korrespondiert wiederum mit dem Vorbringen des Betroffenen, man habe ihn bei seiner Durchreise durch die DDR wegen des Vorwurfs der Republikflucht festgenommen und inhaftiert.

4. Der Senat ordnet danach die Wiederaufnahme des Rehabilitierungsverfahrens an und verweist die Sache zur Entscheidung über den Rehabilitierungsantrag des Betroffenen an das Landgericht Frankfurt (Oder) zurück. An einer eigenen Sachentscheidung nach Beschwerdegrundsätzen (§ 309 Abs. 2 StPO) sieht sich der Senat gehindert, weil dies dem zweistufigen Instanzenzug im Rehabilitierungsverfahren widersprechen würde. Die erste Sachentscheidung über einen Rehabilitierungsantrag ist stets vom Landgericht zu treffen (§ 8 StrRehaG); an einer solchen fehlt es bisher. Würde der Senat bei dieser Sachlage selbst entscheiden, würde entweder dem Betroffenen oder der Staatsanwaltschaft eine Instanz genommen.

Der Senat weist abschließend darauf hin, dass das Landgericht bei seiner Entscheidung über den Rehabilitierungsantrag des Betroffenen an die vom Senat getroffenen Feststellungen und Wertungen nicht gebunden sein wird. Insbesondere steht es dem Landgericht frei, weitere Sachverhaltsaufklärung zu betreiben, sofern es dies zur Wahrheitsermittlung für erforderlich erachtet.

III.

Die Auslagenentscheidung folgt aus §§ 14 Abs. 4, 15 StrRehaG i. V. m. § 467 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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