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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 21.02.2007
Aktenzeichen: 3 U 102/06
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 141
BGB § 119 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

3 U 102/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 21.02.2007

verkündet am 21.02.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin am Oberlandesgericht Bunge sowie der Richter am Oberlandesgericht Jalaß und Hüsgen auf die mündliche Verhandlung vom 17. Januar 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Beklagten gegen das am 24. Mai 2006 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam - 8 O 548/05 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Zinsen erst ab 11. November 2004 zu zahlen sind.

II. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet. Als Sicherheit genügt die schriftliche unbedingte, unbefristete, unwiderrufliche und selbstschuldnerische Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Prozessparteien streiten darum, ob der Beklagte der Klägerin Zahlungen aus einer selbstschuldnerischen Höchstbetragsbürgschaft schuldet, die er ihr gegenüber gemäß Erklärung vom 05. Mai 1997 (Kopie Anlage K5 = GA I 26) für Kreditverbindlichkeiten der P...P...G... & E... GmbH (Hauptschuldnerin) übernommen hat. Diese Gesellschaft ist inzwischen aufgelöst; am 14. Januar 2003 wurde ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen mangels Masse abgewiesen. Der Beklagte war Geschäftsführer der Hauptschuldnerin und hielt als deren Gesellschafter - neben den Mitbürgen U... J... und W... K... - ein Drittel der Geschäftsanteile. Umstritten ist zwischen den Parteien vor allem, ob die Bürgschaftserklärung des Beklagten lediglich einen Kontokorrentkredit zur Vorfinanzierung eines ERP-Darlehens oder auch dieses selbst sichern sollte. Zur näheren Darstellung des Tatbestandes und der erstinstanzlichen Prozessgeschichte wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat der Zahlungsklage ganz überwiegend stattgegeben. Das im ersten Rechtszug ergangene Urteil, auf das auch wegen der Entscheidungsgründe verwiesen wird, ist dem Beklagten - zu Händen seines erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten - am 31. Mai 2006 zugestellt worden. Er hat am 29. Juni 2006 mit anwaltlichem Schriftsatz Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel - nach antragsgemäßer Verlängerung der Begründungsfrist, zuletzt bis einschließlich 29. September 2006 - durch einen am 21. September 2006 bei dem Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangen Anwaltsschriftsatz begründet.

Der Beklagte ficht das landgerichtliche Urteil - sein bisheriges Vorbringen wiederholend und vertiefend - in vollem Umfange seiner Beschwer an. Dazu trägt er insbesondere Folgendes vor:

Die Eingangsinstanz habe zu Unrecht angenommen, dass zwischen den Parteien ein rechtsgültiger Bürgschaftsvertrag bestehe; eine eindeutige Auslegung der Bürgschaftsurkunde sei - vom objektiven Empfängerhorizont aus betrachtet - nicht möglich. Das Landgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass in dem Abschnitt, der zur Bezeichnung der verbürgten Forderungen vorgesehen sei, eine Nachklammer fehle und die Urkunde mit "Bürgschaft für Einzelforderungen" überschrieben sei. Darin zwei - nicht näher spezifizierte - Hauptforderungen aufzuführen, stelle sich als offensichtlicher Widerspruch dar. Bereits die Frage, ob der Urkundeninhalt eindeutig sei, könne nur unter Berücksichtigung aller Umstände beantwortet werden. Hierzu sei die Vernehmung der von ihm - dem Beklagten - benannten Zeugen K... B..., U... J... und W... K.... erforderlich. Sie hätte ergeben, dass die Bürgschaft vom 05. Mai 1997 nur den - später im Juli 1997 vollständig getilgten -Kontokorrentkredit zur Vorfinanzierung des KfW-Darlehens sichern sollte. Zu diesem zutreffenden Ergebnis sei auch das Landgericht Kiel nach Beweisaufnahme im Parallelverfahren betreffend den Mitbürgen W... K... gekommen (Urt. v. 08.09. 2006 - 6 O 383/05, Kopie GA I 165 ff.). Keineswegs hätte es sich als wirtschaftlich unsinnig erwiesen, allein die Zwischenfinanzierung abzusichern. Das ERP-Darlehen sei zum ganz überwiegenden Teil - durch die KfW selbst - abgesichert gewesen, wobei die Gesellschafter der Hauptschuldnerin den genauen Umfang und Sinn dieser Ausfallsicherung nicht kannten und die Klägerin andere - so genannte harte - Sicherheiten abgelehnt hatte. Die verbleibenden Unklarheiten gingen nunmehr zu ihren Lasten. Dies gelte ebenfalls hinsichtlich der Forderungshöhe; sofern sich die Klägerin - bis zur Höhe von 80 % der Klageforderung - bei der KfW schadlos gehalten habe, sei ihr ohnehin kein wirtschaftlicher Nachteil entstanden.

Der Beklagte beantragt sinngemäß,

das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt - ihre erstinstanzlichen Darlegungen ebenfalls wiederholend und vertiefend -das angefochtene Urteil, soweit es ihr günstig ist; im Übrigen nimmt sie es hin. Die Klägerin trägt insbesondere Folgendes vor:

Der Sicherungszweck der Bürgschaftserklärung ergebe sich bereits aus ihrem eindeutigen Wortlaut; danach erstrecke sie sich sowohl auf den zur Vorfinanzierung der KfW-Mittel bestimmten Kontokorrentkredit als auch auf das anschließende Darlehen aus dem KfW-Investitionsprogramm. Da die Bürgschaft ein einseitig verpflichtender Vertrag sei, komme es bei der Auslegung auf den objektiven Erklärungswert der Bürgschaftserklärung aus der Sicht des Gläubigers an; Letzterer sei im Streitfall sie, die Klägerin. Sie habe indes keinerlei Zweifel daran, dass die Sicherungszweckerklärung das ERP-Darlehen einschließe. Eine Bürgschaft könne ohne Weiteres mehrere Einzelforderungen sichern. Die vom Beklagten anhand der Zeichensetzung vorgenommene Auslegung ergebe keinen Sinn. Für ihr - der Klägerin - Verständnis des Sicherungszwecks sprächen im Übrigen alle äußeren Umstände, die das Landgericht zutreffend berücksichtigt habe. Eine Beweisaufnahme sei nicht erforderlich; der Beklagte habe keine konkreten Tatsachen vorgetragen und in das Wissen der Zeugen gestellt, die seine Ansicht von der Unwirksamkeit der Bürgschaft mit Blick auf das ERP-Darlehen stützen können. Die Zeugenaussage des Beklagten im Parallelverfahren vor dem Landgericht Kiel, dürfe hier - wo er selbst Prozesspartei sei - nicht verwertet werden; dies würde zu einer unzulässigen Parteivernehmung führen. Zu Gunsten der Hauptschuldnerin gebe es keine Haftungsfreistellung der KfW-Bankengruppe; diese gelte allein für die Rückzahlungsverpflichtung, die sie - die Klägerin - als ausreichendes Kreditinstitut seinerseits gegenüber der jeweiligen öffentlichen Förderbank habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der bisherigen Prozessgeschichte wird ergänzend auf die Schriftsätze beider Parteien nebst Anlagen, auf sämtliche Terminsprotokolle und auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen. Der Senat hat den Beklagten nach § 141 ZPO persönlich gehört und gemäß Beschluss vom 17. Januar 2007 (GA II 280, 282) Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin K.... B...; das Ergebnis ist im Protokoll der mündlichen Verhandlung vom selben Tage festgehalten, auf das Bezug genommen wird (GA II 280, 281 ff.).

II.

A. Das Rechtsmittel des Beklagten ist zulässig; es wurde von ihm insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 517 ff. ZPO). In der Sache selbst bleibt die Berufung jedoch im Ergebnis nahezu in vollem Umfange erfolglos. Das Landgericht hat der Klage - in dem aus der angefochtenen Entscheidung ersichtlichen Umfange - bezüglich der Hauptforderung zu Recht stattgegeben. Insoweit kann die Klägerin vom Beklagten aus der selbstschuldnerischen Höchstbetragsbürgschaft, die er ihr gegenüber mit Erklärung vom 05. Mai 1997 (Kopie Anlage K5 = GA I 26) für Kreditverbindlichkeiten der P.... P.... G.... & E.... GmbH (Hauptschuldnerin) übernommen hat, Zahlung verlangen (§ 765 Abs. 1 BGB). Denn diese Bürgschaft diente nicht nur als Sicherheit für die Rückerstattung des Kontokorrentkredits zur Vorfinanzierung der KfW-Mittel, dessen Gewährung die Klägerin der Hauptschuldnerin mit Schreiben vom 07. Mai 1997 (Kopie Anlage B5 = GA I 47) bestätigt hat, sondern erstreckt sich auch auf das Darlehen aus Mitteln des ERP-Investitionsprogramms PT I selbst, das gemäß Vertrag vom 21./29. Mai 1997 (Kopie Anlage K1 = GA I 13 ff.) ausgereicht wurde. Dass die Prozessparteien übereinstimmend ein von der objektiven Bedeutung des erklärten Sicherungszwecks abweichendes Vertragsverständnis hatten, das stets vorrangig wäre, konnte der Beklagte nicht nachweisen. Ob er sich in einem Irrtum über den Erklärungsinhalt befand, wovon der Senat im Ergebnis der Parteianhörung und Beweisaufnahme nicht überzeugt ist, kann letztlich dahinstehen; die Anfechtung gemäß § 119 Abs. 1 BGB ist nicht erfolgt. Einer geringfügigen Abänderung bedarf indes der Zinsausspruch; Zahlungsverzug trat erst mit der Zustellung des Mahnbescheids am 11. November 2004 ein (§ 286 Abs. 1 Satz 2 BGB). Im Einzelnen gilt Folgendes:

1. Der maschinenschriftlich in die formularmäßige Bürgschaftserklärung vom 05. Mai 1997 (Kopie Anlage K5 = GA I 26) eingefügte Sicherungszweck hat, wie von der Eingangsinstanz zutreffend angenommen wurde (LGU 6), trotz der Unvollkommenheit seiner Angabe objektiv einen eindeutigen Sinn.

a) Ein Bürge muss seine Erklärung grundsätzlich so gegen sich gelten lassen, wie sie - aus der Sicht des Gläubigers als Adressat - mit Rücksicht auf die ihm erkennbaren Umstände aufzufassen ist; für diesen objektiven Erklärungswert erweist sich in erster Linie der Wortlaut der Bürgschaftsurkunde als maßgeblich, wobei Begleitumstände in die Auslegung einbezogen werden können, soweit sie für den Gläubiger einen Schluss auf den Sinngehalt der Bürgschaftserklärung zulassen (vgl. BGH, Urt. v. 18.02.1993 - IX ZR 108/92, WM 1993, 1141 = NJW-RR 1993, 945; Urt. v. 16.10.1997 -IX ZR 164/96, WM 1997, 2305 = NJW-RR 1998, 259; ferner Nobbe, Bankrecht - Aktuelle höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung, Rdn. 966 f.; Reinicke/Tiedtke, Bürgschaftsrecht, 2. Aufl., Rdn. 58 f.; jeweils m.w.N.). Handelt es sich indes um einen Formularvertrag, so sind dessen Bedingungen nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden (vgl. BGH, Urt. v. 25.06.1992 - IX ZR 24/92, WM 1992, 1444 = NJW 1992, 2629, m.w.N.). Auch vorgedruckte Klauseln, die ausfüllungsbedürftige Leerräume enthalten, können allgemeine Geschäftsbedingungen im Rechtssinne sein, wenn es nur um das Einfügen von unselbstständigen Ergänzungen geht oder wenn der Verwender beziehungsweise dessen Mitarbeiter die Lücke nach seinen Wünschen schließt (vgl. Palandt/ Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 305 Rdn. 12, m.w.N.). Allerdings ist die Inhaltskontrolle - jedenfalls nach dem hier noch maßgeblichen AGB-Gesetz - auf Bestimmungen beschränkt, die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen beinhalten (§ 8 AGB-Gesetz).

b) Es spricht bereits Vieles dafür, dass sich die Zweckerklärung in Fällen der streitgegenständlichen Art - ähnlich wie eine Leistungsbeschreibung (vgl. dazu Jauernig/Teichmann, BGB, 10. Aufl., § 307 Rdn. 13; Palandt/Heinrichs aaO, § 307 Rdn. 57) - der AGB-rechtlichen Betrachtungsweise entzieht; gesetzliche Vorgaben, die modifiziert worden sein könnten, bestehen insoweit nicht. Unabhängig davon ist jedoch stets vom objektiven Wortlaut des Erklärten auszugehen, der sich hier als eindeutig erweist. Danach umfasst die Bürgschaftserklärung den Kontokorrentkredit zur Vorfinanzierung der KfW-Mittel und das Darlehen aus dem KfW-Innovationsprogramm.

aa) Beide Verträge sind - nacheinander - als Schuldgrund in der Urkunde angegeben. Der unvollendet gebliebene Klammerzusatz sollte ganz offensichtlich noch in der zweiten Zeile nach der - zu ergänzenden - Datumsangabe des Kontokorrentkreditvertrages enden und die dritte Zeile nicht einschließen. Letzteres ergäbe keinen Sinn. Sonst wäre das Datum des Darlehensvertrages - innerhalb eines Klammerzusatzes - zweimal genannt und kein durchgehender Gedankenfluss mehr vorhanden. Stellt man auf den objektiven Empfängerhorizont ab, den der Beklagte selbst - unter Hinweis auf die Entscheidung des Landgerichts Kiel, Urt. v. 08.09.2006 - 6 O 383/05 (Kopie GA I 165 ff.) im Parallelverfahren betreffend den Mitbürgen Wo... K... - für einschlägig hält, so ist die Bürgschaftserklärung im Streitfall allein aus der Sicht der Klägerin als Gläubigerin zu betrachten; Letztere durfte ohne Weiteres davon ausgehen, dass die Rückerstattung beider Kreditengagements verbürgt werden soll. In diesem - typischen - Sinne würden allerdings auch verständige und redliche Vertragspartner den objektiven Wortlaut der Zweckerklärung unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstehen.

bb) Die Argumentation, es sei ein offensichtlicher Widerspruch, in einer mit "Bürgschaft für Einzelforderungen" überschriebenen Urkunde zwei Hauptforderungen aufzuführen, geht fehl. Denn eine solche Bürgschaft kann sich - wie hier - ohne Weiteres auf mehrere Einzelforderungen beziehen. Ihr Gegenstück ist nicht etwa die Bürgschaft für zwei, drei oder eine sonstige Anzahl von Forderungen, sondern die Globalbürgschaft, bei der die gesicherten Ansprüche beziehungsweise deren Schuldgründe nicht im Einzelnen in der Urkunde aufgeführt werden. Hierzu zählt beispielsweise eine Bürgschaft zur Absicherung aller Forderungen eines Kreditinstituts gegen den Hauptschuldner aus einer bankmäßigen Geschäftsverbindung; mit deren formularmäßiger Erteilung hatte sich der Bundesgerichtshof in den vergangenen Jahren wiederholt zu befassen, wobei die so genannte Anlasskredit-Rechtsprechung entwickelt worden ist (vgl. dazu Nobbe aaO, Rdn. 1147 ff., m.w.N.). Im Streitfall sieht schon das verwendete Bürgschaftsformular selbst - unter anderem durch den Gebrauch des Plurals in den Ausfüllhinweisen - ausdrücklich vor, dass es sich bei den "zu sichernden Forderungen" (Unterstreichung durch den Senat), die - nach Schuldgrund und Höhe genau bezeichnet - in den entsprechenden Abschnitt eingetragen werden sollen, um mehrere handeln kann.

2. Unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen, insbesondere der persönlichen Anhörung des Beklagten und der Beweisaufnahme, ist der Senat nicht davon überzeugt, dass die Parteien die Zweckerklärung übereinstimmend - abweichend von ihrem objektiven Sinngehalt - so verstanden haben, dass allein der zur Vorfinanzierung der KfW-Mittel bestimmte Kontokorrentkredit gesichert sein sollte.

a) Schon der Beklagte selbst vermochte keine plausible Erklärung dafür zu geben, warum - worauf bereits die Zivilkammer zutreffend hingewiesen hat (LGU 6) - noch der durch ihn persönlich als Geschäftsführer der Hauptschuldnerin unterzeichnete Darlehensvertrag vom 21./29. Mai 1997 (Kopie Anlage K1 = GA I 13, 14 f.) eine Sicherungsabrede enthält, wonach die drei Gesellschafter selbstschuldnerische Höchstbetragsbürgschaften im Umfange von jeweils DM 144.000,00 zu erbringen haben. Wenn Bürgschaften für ERP-Kredite sogar "verboten" waren, wovon der Beklagte nach seinen Bekundungen damals ausging (GA II 280, 281), bestand - für beide Seiten - aller Anlass, die entsprechende Klausel zu streichen. Dass eine kreditvertragliche Sicherungsabrede - selbstverständlich - nicht die Bürgschaftserklärungen von Gesellschaftern ersetzt und diese nicht unmittelbar verpflichtet, ändert nichts daran, dass fehlende Sicherheiten oder unzulässige Vereinbarungen darüber geeignet waren, die Auskehr der Valuta zu gefährden, wodurch es bei der P... P... G... & E.... GmbH zu Liquiditätsengpässen kommen konnte; insbesondere dies hatte der Beklagte als deren Geschäftsführer zu vermeiden. Dass die Mitgesellschafter U... J... und W... K... tatsächlich bereit und in der Lage waren, ein - weitere - Höchstbetragsbürgschaft von DM 144.000,00 zu übernehmen, ist im Vorfeld der Unterzeichnung des Kreditvertrages vom Beklagten offensichtlich nicht geklärt worden. Andererseits hat die Klägerin die Auszahlungsvoraussetzungen, zu denen der Abschluss der Sicherungsverträge gehörte, ersichtlich als erfüllt angesehen; sonst wäre das ERP-Darlehen nicht ausgereicht worden. Es erscheint zudem sehr unwahrscheinlich, dass eine Geschäftsbank wie die Klägerin in ihrem Rechnersystem Vertragsformulare für ERP-Darlehen vorhält und im Geschäftsverkehr verwendet, die Sicherungsabreden enthält, von denen sie positiv weiß, dass diese nach den Richtlinien der öffentlichen Förderbank "verboten" sind.

b) Dass der Beklagte von der Klägerin durch deren seinerzeit zuständige Mitarbeiterin K...B... vor Unterzeichnung der Bürgschaftsurkunden telefonisch darüber informiert wurde, Gesellschafterbürgschaften für ERP-Darlehen seien unzulässig, hat die Beweisaufnahme nicht ergeben. Von der Zeugin B... wurde bei ihrer Vernehmung vielmehr das Gegenteil bekundet (GA II 280, 282 ff.). Danach sei - jedenfalls aus Sicht der Zeugin - stets unbestritten gewesen, dass das Erfordernis von Höchstbetragsbürgschaften der Gesellschafter auch für das KfW-Darlehen bestehe. Nur die Hereinnahme von so genannten harten beziehungsweise werthaltigen Sicherheiten wie Grundschulden oder Wertpapierdepots, auf die von der Klägerin sofort hätte zugegriffen werden können, sei nach den Förderrichtlinien unzulässig gewesen. Dass die Gesellschafterbürgschaften entfallen sollten, habe sie - so die Zeugin - nicht erklärt. Schon danach lässt sich ein übereinstimmendes - vom objektiven Wortlaut der Sicherungszweckerklärung abweichendes -Vertragsverständnis nicht feststellen. Durch die Zeugin wurde jedoch ferner nachvollziehbar erläutert, welche Gründe die Unvollkommenheit der Angaben betreffend den Sicherungszweck hat, dass sie tatsächlich entsprechend dem objektiven Wortsinn gemeint waren und wie sie hätten vervollständigt werden müssen. Auch die im Darlehensvertrag vom 21./29. Mai 1997 (Kopie Anlage K1 = GA I 13, 14 f.) enthaltene Sicherungsabrede habe sich - so die Zeugin weiter - auf die schon vorliegenden Gesellschafterbürgschaften vom 05. Mai 1997 bezogen; zusätzliche seien nicht vorgesehen gewesen. Den Eindruck, dass die Zeugin B...insgesamt dazu neigt, sich unklar auszudrücken und bei ihren Ausführungen vom Thema abzukommen, hat der Senat - anders als das Landgericht Kiel (GA I 165, 173 f.) - nicht gewonnen. Der Vernehmung der Zeugen U... J... und W... K... bedurfte es im Streitfall nicht; die persönliche Anhörung des Beklagten hat ergeben, dass bei der Unterzeichnung der Bürgschaftsurkunden am 05. Mai 1997 über die Zweckerklärung nicht mehr gesprochen wurde; weitere Kontakte zwischen diesen beiden Zeugen und der Bankmitarbeiterin K... B..., bei denen es um die Bürgschaftserklärungen ging, hat der Beklagte nicht behauptet.

3. Was der Beklagte im Einzelnen gegen die Forderungshöhe einwenden will, kann seiner Berufungsbegründung nicht entnommen werden.

a) Die Bezugnahme auf das erstinstanzliche Vorbringen hilft dem Beklagten nicht weiter. In den Gründen der angefochtenen Entscheidung sind detaillierte Ausführungen zur Höhe des zuerkannten Anspruchs enthalten (LGU 8 f.). Eine Auseinandersetzung damit fehlt. Die Kreditgewährung und das Bestehen eines daraus resultierenden Sollbetrages hat der Beklagte schon in der Eingangsinstanz ausdrücklich eingeräumt (GA I 85, 86). Nachdem die Kontenentwicklung seitens der Klägerin konkret dargetan und wiederholt erläutert wurde (GA I 70 ff.), oblag es dem Beklagten, einzelne Buchungsposten anzugreifen. Soweit dies geschehen ist, hat sich das Landgericht damit auseinandergesetzt. Da das ERP-Darlehen der Hauptschuldnerin - bereits nach dem eigenen Vorbringen des Beklagten (GA I 34, 37 und Anlage B7 [49]) - am 17. Juni 1997 in Höhe von DM 120.000,00 (€ 61.355,03) zur Verfügung gestellt wurde, war es seine Sache, darzulegen und erforderlichenfalls nachzuweisen, dass die Rückerstattung zwischenzeitlich in einem größeren Umfange erfolgte, als von der Klägerin berücksichtigt wurde.

b) Ob und inwieweit die Klägerin von der KfW Mittelstandsbank inzwischen eine Haftungsfreistellung erhalten hat, spielt für ihr Verhältnis zur Hauptschuldnerin und zum Beklagten keine Rolle. Zahlungen auf die Darlehensschuld der P.... P... G... & E...GmbH oder auf die Bürgschaftsverbindlichkeit des Beklagten hat die öffentliche Förderbank - unstreitig - nicht geleistet.

Selbst wenn die KfW Mittelstandsbank gegenüber der Klägerin eine Ausfallbürgschaft übernommen haben sollte, was ungewöhnlich wäre und wofür es im Streitfall keinen konkreten Anhaltspunkt gibt, könnte der Beklagte daraus nichts Günstiges für sich herleiten; er ist selbstschuldnerischer Bürge und würde der Klägerin deshalb vorrangig haften. Warum sich letztere Angaben über die Haftungsfreistellung entgegenhalten lassen soll, die der Beklagte - nach seinem Vorbringen - in der Ausgabe 1996 einer Förderfibel des Senats von Berlin gefunden hat (Kopie Anlage B13 = GA II 276 ff.), ist nicht ersichtlich. Er selbst weist zutreffend darauf hin, dass den in Ablichtung eingereichten Unterlagen nicht zu entnehmen ist, wer - gegebenenfalls auf entsprechenden Antrag - von der Haftung freigestellt sein soll. Unabhängig davon beziehen sich die Angaben auf das ERP Existenzgründerprogramm, das DtA-Existenzgründerprogramm und das DtA-Startgeld. Hier geht es indes um ein Darlehen aus Mitteln des ERP-Innovationsprogramms; die dafür einschlägigen Förderbedingungen, die der Beklagte als Anlage B11 auszugsweise in Ablichtung eingereicht hat (GA I 54), sehen eindeutig eine Haftungsfreistellung nur für das durchleitende Kreditinstitut vor. Dies ist im Streitfall die Klägerin.

4. Dass Zahlungsverzug betreffend die Klageforderung schon vor der Zustellung des Mahnbescheids an den Beklagten eingetreten ist, lässt sich dem Parteivorbringen nicht entnehmen. Die außerordentliche fristlose Kündigung der Geschäftsverbindung als solche durch das Schreiben vom 27. August 2002 (Kopie Anlage K3 = GA I 22 f.) hat - anders als offenbar die Klägerin meint (GA I 8, 12) - bereits gegenüber der Hauptschuldnerin lediglich fälligkeits- und nicht verzugsbegründend gewirkt (arg. e c. § 286 Abs. 2 BGB und Nr. 19 Abs. 5 AGB-Banken [Kopie Anlage K4 = GA I 24, 25R]). Auch das Inanspruchnahme-Schreiben vom selben Tage, das an den Beklagten persönlich adressiert war (Kopie Anlage K6 = GA I 27), beinhaltet nicht die - für eine jede Mahnung erforderliche (vgl. dazu BGH, Urt. v. 12.07.2006 - X ZR 157/05 [Tz. 10], WM 2006, 2011 = NJW 2006, 3271; Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 286 Rdn. 17) - eindeutige Leistungsaufforderung; ein konkretes Zahlungsverlangen kommt darin keineswegs zum Ausdruck. Ähnlich verhält es sich mit dem klägerischen Schreiben vom 14. November 2002 (Kopie Anlage K7 = GA I 28). Hiermit wurde dem Beklagten im Kern angeboten, die Forderung aus der Bürgschaft durch ein notarielles Schuldanerkenntnis zu titulieren, um ein gerichtliches Mahnverfahren zu vermeiden. Eines Hinweises des Senats auf diese rechtlichen Gesichtspunkte bedurfte es nicht, weil lediglich eine Nebenforderung betroffen ist (§ 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

B. Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 97 Abs. 1 und § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Danach muss der Beklagte die Kosten des - nahezu in vollem Umfange - erfolglosen Rechtsmittels tragen, weil er es eingelegt hat. Die verhältnismäßig geringfügige Zuvielforderung der Klägerin betreffend die Verzugszinsen hat keine Mehrkosten veranlasst und rechtfertig deshalb eine Beteiligung der Klägerin an den Prozesskosten weder in erster noch in zweiter Instanz.

C. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des vorliegenden Urteils folgt aus § 708 Nr. 10 sowie § 711 Satz 1 und 2 i.V.m. § 709 Satz 2 ZPO. Art und Umfang der Sicherheitsleistung bestimmt der Senat gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 ZPO unter Berücksichtigung der in § 108 Abs. 1 Satz 2 ZPO und in § 239 Abs. 2 BGB enthaltenen Rechtsgedanken. Dass die Klägerin nicht in eigener Sache bürgen kann, obwohl sie ein im Inland zum Geschäftsbetrieb befugtes Kreditinstituts ist, bedarf keines besonderen Ausspruchs; die notwendige Personenverschiedenheit zwischen Bürge und Hauptschuldner ergibt sich schon aus der Natur der Bürgschaft (vgl. dazu OLG Celle, Urt. v. 18.12.1002 - 16 U 111/01, BauR 2002, 1711; OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.04.2003 - 5 U 129/02, BauR 2003, 1582 = OLG-Rp 2004, 104; ferner Jauernig/Stadler, BGB, 10. Aufl., § 765 Rdn. 2; Palandt/Sprau, BGB, 66. Aufl., Einf v § 765 Rdn. 1).

D. Die Revision wird vom Senat nicht zugelassen, weil es an den gesetzlichen Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO i.V.m. § 133 GVG fehlt. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes als Revisionsgericht. Das Urteil zweiter Instanz beruht im Wesentlichen auf einer Würdigung der Umstände des Einzelfalles.

E. Der Gebührenstreitwert für den zweiten Rechtszug beträgt € 39.530,85 (§ 3 1. Halbs. ZPO i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 1 und § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG).

Ende der Entscheidung

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