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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 08.06.2005
Aktenzeichen: 3 U 167/04
Rechtsgebiete: BauGB, BGB, AVBEltV


Vorschriften:

BauGB § 76
BGB § 571 a. F.
BGB § 1004
AVBEltV § 1 Abs. 1 S. 1
AVBEltV § 8
AVBEltV § 8 Abs. 1 S. 1
AVBEltV § 8 Abs. 1 S. 3
AVBEltV § 8 Abs. 3
AVBEltV § 8 Abs. 4
AVBEltV § 11
AVBEltV § 11 Abs. 1
AVBEltV § 11 Abs. 1 S. 1
AVBEltV § 11 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

3 U 167/04 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 08.06.2005

Verkündet am 08.06.2005

in dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ... und die Richter am Oberlandesgericht ... und ...

auf die mündliche Verhandlung vom 18. Mai 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 9. Juli 2004 - 1 O 558/02 - wird zurückgewiesen.

Die Kläger haben die weiteren Kosten des Rechtsstreits je zur Hälfte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Kläger verlangen als Grundstückseigentümer die Beseitigung eines auf ihrem Grundstück stehenden Transformators der Beklagten.

Die Rechtsvorgängerin der Kläger errichtete ein Wohngebiet mit 52 Doppelhaushälften und gestattete der Rechtsvorgängerin der Beklagten gemäß Anschlussvertrag vom 06.09.1995 auf dem damals noch ungeteilten baubetroffenen Grundstück die Errichtung einer Trafostation zur Umwandlung von Mittelspannung und Niederspannung für die örtliche Stromversorgung (vgl. Anlage B 1, Bl. 36 ff d. GA). Nach Abschluss eines Umlegungsverfahrens nach § 76 BauGB wurde den Klägern, die von ihrer Rechtsvorgängerin, einer Grundstücksentwicklungsgesellschaft, am 28.11.1996 ein Grundstück erworben hatten, dasjenige zugeteilt, auf dem sich die Transformatorenstation befindet (vgl. zu den örtlichen Gegebenheiten die Ablichtungen der einschlägigen Umlegungskarte, Bl. 18, 19 d. GA).

Die Kläger haben die Ansicht vertreten, der Anschlussvertrag vom 06.09.1995 binde sie nicht und die Inanspruchnahme des Grundstücks für die Trafoanlage sei für sie unzumutbar, da das Grundstück klein sei, durch die Trafoanlage wertgemindert und sie überdies eine erhebliche Belastung durch Elektrosmog befürchteten.

Die Beklagte hat die Kläger zur Duldung der Trafostation für verpflichtet gehalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands verweist der Senat auf das angefochtene Urteil, mit dem das Landgericht die Klage abgewiesen hat. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, der Anschlussvertrag vom 19.10.1995 zwischen den Rechtsvorgängern der Parteien binde die Kläger gem. § 571 BGB a. F. Überdies folge deren Duldungspflicht aus § 8 AVBEltV, denn die streitgegenständliche Trafostation stelle eine "sonstige Einrichtung" im Sinne dieser Bestimmung dar. Die Voraussetzungen eines Umlegungsanspruchs ließen sich nicht feststellen, da die Kläger insoweit Verlegungsalternativen nicht dargetan hätten.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung verfolgen die Kläger ihr erstinstanzliches Beseitigungsbegehren uneingeschränkt weiter. Sie beanstanden eine rechtsfehlerhafte Anwendung des § 571 BGB a. F. und meinen, § 8 AVBEltV erfasse keine Transformatorenanlagen.

Sie beantragen,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 09.07.2004 - 1 O 558/02 - die Beklagte zu verurteilen, die auf ihrem - der Kläger - Grundstück ..., eingetragen im Grundbuch beim Amtsgericht K..., Gemarkung ..., Bl. 1520 ON 1, Flurstück 609, mit einer Größe von 301 m², aufgestellte Transformatorenstation zu beseitigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze sowie auf sein Terminsprotokoll vom 18.05.2005.

II.

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg.

Die Kläger haben gegen die Beklagte keinen Beseitigungsanspruch aus § 1004 BGB, der hier allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage.

Eine Beeinträchtigung ihres Eigentums i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 1 der eben genannten Bestimmung liegt zwar vor; indessen ist der Anspruch vorliegend gem. Abs. 2 ausgeschlossen, denn die Kläger sind zur Duldung verpflichtet. Ihre Duldungspflicht ergibt sich aus den §§ 8 Abs. 1 S. 1, 11 Abs. 1 S. 1 AVBEltV. § 8 dieser Verordnung regelt den allgemeinen Fall, dass Transformatoren und sonstige Einrichtungen für die örtliche Stromversorgung zweckmäßig, § 11 den Spezialfall, dass sie zur Versorgung mindestens des betroffenen Grundstücks unverzichtbar sind. Dass Transformatorenanlagen unter die Regelung des § 8 fallen, folgt schon aus der Gesetzesbegründung, die als Beispiel für "sonstige Einrichtungen" allein auf Transformatoren verweist (BR-Drucksache 76/79, S. 46) und ist höchstrichterlich seit jeher anerkannt (vgl. BGH MDR 1981, 751). Während § 8 Abs. 1 S. 3 der AVBEltV die Duldungspflicht bereits an einer Unzumutbarkeit scheitern lässt, begünstigt § 11 Abs. 1 bei einem engeren Tatbestand das Versorgungsunternehmen in der Rechtsfolge, indem er ihm eine ermessensgebundene Anspruchsgrundlage verschafft und hierbei Unzumutbarkeitsaspekte zunächst unter Ermessensgesichtspunkten einfließen lässt und erst in Abs. 3 zur Voraussetzung einer Verlegung erhebt.

Die Duldungsvoraussetzungen des § 8 Abs. 1 S. 1 AVBEltV, Anschlussnehmerstellung der Kläger, deren Grundstückseigentum und Zweckdienlichkeit der Transformatorenanlage für die örtliche Stromversorgung stehen fest und sind nicht angegriffen. Dass die Kläger seit dem 01.06.2002 Kunden eines anderen Versorgungsunternehmens sind, ist schon im Hinblick auf die Fünfjahresfrist des § 8 Abs. 4 AVBEltV unbeachtlich; abgesehen davon, dürfte auch für dieses Stromlieferungsverhältnis die AVBEltV in gleicher Weise gelten.

Die Voraussetzungen eines Wegfalls der Duldungspflicht nach § 8 Abs. 1 S. 3 AVBEltV lassen sich nicht feststellen. Die Kläger sind als Grundeigentümer darlegungspflichtig für die Umstände, aus denen sich die Unzumutbarkeit der Maßnahme gerade ihnen gegenüber ergibt (vgl. BGHZ 66, 62, 67). Dass ihr Eckgrundstück kleiner wäre als andere Hausgrundstücke, lässt sich nicht feststellen und liegt angesichts der Umlegungskarte (Ablichtungen Bl. 18, 19 d. GA) fern. Dass eine etwaige Wertminderung ihres Grundstücks ihnen auch im Interesse einer leistungsfähigen, zugleich aber auch sparsamen öffentlichen Stromversorgung nicht mehr zuzumuten wäre, lässt sich nicht feststellen. Insoweit fehlt es schon an einem klar bezifferten beweiszugänglichem Klägervortrag. Zudem ist das Grundstück durch seine Ecklage (vgl. Anlage B 5, Bl. 44 d. GA) besonders gut erreichbar und daher auch mit dieser situativen Besonderheit von vornherein belastet. Ebenso wenig lässt sich ausmachen, dass andere Grundstücke von einer geringeren Wertminderung betroffen wären.

Die Besorgnis der Kläger über "Elektrosmog" ist durch keine konkret messbare Überschreitung geltender Toleranzwerte unterlegt und insoweit unsubstanziiert.

Nach den bindenden Feststellungen des Landgerichts ist die Transformatorenanlage zudem für die Versorgung des Klägergrundstücks erforderlich, gleichermaßen wie zu der der übrigen Siedlungsgrundstücke, so dass zugleich die Duldungsvoraussetzungen des § 11 Abs. 1 AVBEltV vorliegen. Diese Bestimmung erfordert keine Einzelversorgung, beschränkt auf ein einzelnes Grundstück, wie die Befugnis des Versorgungsunternehmens zur weiteren Zweckverfolgung in Abs. 1 S. 2 zeigt (vgl. OLG Düsseldorf, OLG-Report 2004, 254 m.w.N.).

Die Voraussetzungen eines Verlegungsanspruchs nach den §§ 8 Abs. 3, 11 Abs. 3 AVBEltV liegen, abgesehen davon, dass dieser ohnehin in der Regel nur auf eine Verlegung innerhalb des Grundstücks gerichtet ist (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O., m.w.N.), nicht vor. Es ist regelmäßig Sache des Grundstückseigentümers, dem Versorgungsunternehmen unter Beachtung der vorgenannten Grundsätze eine ihn weniger belastende und kostenmäßig vertretbare Alternativlösung zu unterbreiten (BGHZ 66, 62, 67), wie bereits das Landgericht zutreffend und von der Berufung im Übrigen auch nicht weiter angegriffen, ausgeführt hat.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, da ihre Entscheidung von keiner Beantwortung einer höchstrichterlich bisher noch unentschiedenen Frage abhängt. Entgegen der Ansicht der Kläger folgt aus dem Urteil des BGH vom 06.02.2004 - ZR 196/03 - = WM 2004, 2171 keineswegs die generelle Unanwendbarkeit des § 8 AVBEltV auf Transformatoren. Die Rechtssache gibt auch keine Veranlassung, in den berührten Rechtsgebieten neue Leitsätze aufzustellen, Gesetzeslücken zu füllen oder von höchst- oder obergerichtlicher Rechtsprechung abzuweichen.

Der Streitwert beträgt - auch für die erste Instanz - 10.000,00 €.

Der Wert eines Beseitigungsbegehrens richtet sich gem. § 3 ZPO nach den für die Entfernung erforderlichen Kosten (vgl. BGH-Report 2004, 1102; Musielak/Heinrich, ZPO, 4. Aufl., § 3 Rn. 23, Stichwort: Beseitigung, m.w.N.). Die Beseitigungskosten haben die Parteien übereinstimmend mit nicht unter 10.000,00 € angegeben. Die abweichende Streitwertfestsetzung der ersten Instanz im dortigen Termin am 12.08.2003 ist von Amts wegen zu berichtigen (§ 63 Abs. 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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