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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 15.06.2005
Aktenzeichen: 3 U 179/04
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, InsO


Vorschriften:

BGB § 151
BGB § 765
BGB § 766 Satz 1
BGB § 767
ZPO § 531
InsO § 80
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

3 U 179/04 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 15.06.2005

verkündet am 15.06.2005

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ... und die Richter am Oberlandesgericht ... und ... auf die mündliche Verhandlung vom 25.05.2005

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 18.08.2004 - 12 O 189/04 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger als Insolvenzverwalter einer Bank nimmt den Beklagten im Wege einer Teilklage als Bürgen in Anspruch für Verbindlichkeiten eines Hauptschuldners aus Geschäftsverbindungen mit der nunmehr insolventen Bank.

Das Amtsgericht Charlottenburg hat durch Beschluss vom 31.08.2002 - 101 IN 2398/02 -(vgl. Anlage K 1, Bl. 8 d. GA) das Insolvenzverfahren über das Vermögen der ... Bank AG (fortan: B...) eröffnet und den Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Beklagte unterzeichnete am 04.11.1998 eine Bürgschaftsurkunde zur Sicherung aller bestehenden, künftigen und bedingten Ansprüche "der Bank" gegen den Hauptschuldner R... I... aus dessen Geschäftsverbindung mit der Bank, mit der er - der Beklagte - eine selbstschuldnerische Bürgschaft bis zum Betrag von 150.000,00 DM übernahm. Ein Mitarbeiter der B... unterzeichnete den Vertrag am 05.11.1998.

Die B... hat gegenüber dem Hauptschuldner aus einem gekündigten Kontokorrentverhältnis und mehreren gekündigten Darlehensverhältnissen offene Forderungen von insgesamt 2.223.962,47 € und will den Beklagten im Wege einer Teilklage über 6.000,00 € aufgrund seiner Bürgschaft in Anspruch nehmen.

Sie hat den Bürgschaftsvertrag für wirksam gehalten.

Der Beklagte hat sich gegen die Wirksamkeit des Bürgschaftsvertrages gewandt.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme mit dem angefochtenen Urteil, auf das der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands verweist, der Klage stattgegeben. Die Teilklage sei hinreichend bestimmt. Der Bürgschaftsvertrag sei wirksam zustande gekommen, indem die B... das vom Beklagten am 04.11.1998 unterschriebene Bürgschaftsangebot gemäß § 151 BGB angenommen habe. Der Vertrag wahre die Schriftform. Die Hauptforderung bestehe jedenfalls im Umfang der Klageforderung.

Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Beklagte sein erstinstanzliches Klageabweisungsbegehren uneingeschränkt weiter. Er macht geltend, nicht gewusst zu haben, für Forderungen des Hauptschuldners haften zu sollen. Das Landgericht habe den von ihm benannten Zeugen I... zum Beweis seiner Behauptung, die Bürgschaftsurkunde blanko unterschrieben zu haben, rechtsfehlerhaft nicht vernommen. Das Landgericht habe überdies die Annahme des Bürgschaftsvertrags zu Unrecht bejaht.

Er beantragt,

die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen. Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstands verweist der Senat auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze sowie auf sein Terminsprotokoll vom 25.05.2005.

II.

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg.

A.

Die Klage ist, nachdem der Kläger sie im Termin vor dem Senat auf den erstrangigen Teilbetrag der Forderung der Schuldnerin aus dem Kontokorrentverhältnis mit dem Hauptschuldner zum Kontokorrentkonto 01012710005 konkretisiert hat, hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der Mangel einer unbestimmten Klageforderung kann durch Nachholung der Zuordnung geheilt werden, auch in der Rechtsmittelinstanz und ohne Rücksicht auf § 531 ZPO (vgl. Foerster/Musielak, ZPO, 4. Aufl., § 253 Rn. 28 m.w.N.).

B.

Der Kläger hat in ausgeurteilter Höhe einen Anspruch gegen den Beklagten aus den §§ 765, 767 BGB, 80 InsO. Der Bürgschaftsvertrag ist zustande gekommen (nachfolgend 1), hat einen für das Klagebegehren hinreichenden Inhalt (nachfolgend 2) und wahrt die erforderliche Form (nachfolgend 3).

1.

Die vom Beklagten am 04.11.1998 unterschriebene Bürgschaftsurkunde stellt einen Antrag (§ 145 BGB) auf Abschluss eines Bürgschaftsvertrags (§§ 765 ff. BGB) des Beklagten an die B... dar. Es handelt sich um eine empfangsbedürftige Willenserklärung, durch die ein Vertragsschluss einem anderen so angetragen wird, dass nur von dessen Einverständnis das Zustandekommen des Vertrags abhängt.

Der Zugang der vom Kläger unterschriebenen Bürgschaftsurkunde bei der B... ist unstreitig.

Der Vertragstext ist inhaltlich so bestimmt, dass die Annahme durch eine bloße Zustimmung der B... erfolgen konnte. Die Person des Beklagten als Bürgen, sein Verbürgungswille, die Person des Hauptschuldners sowie die abzusichernde Verbindlichkeit sind, ebenso wie ein Höchstbetrag, angegeben. Nach den Feststellungen im unstreitigen Teil des Tatbestands des angefochtenen Urteils waren die entsprechenden Angaben bereits ausgefüllt gewesen, als der Beklagte das Formular unterschrieb (vgl. S. 2/3 der UA). Jedenfalls hat das Landgericht im Ergebnis der Beweisaufnahme festgestellt, dass die vertragessentiellen Angaben durch den Zeugen H... bereits ausgefüllt waren, bevor dieser das so ausgefüllte Formular dem Beklagten hat zukommen lassen, der es sodann unterschrieben und an die B... zurückgeleitet hat.

Einen Tatbestandsberichtigungsantrag hat der Beklagte nicht gestellt. Nachvollziehbare Angriffe gegen die landgerichtliche Beweiswürdigung führt die Berufung gleichfalls nicht. Ihre Gehörsrüge zum Übergehen eines Beweisantritts hinsichtlich des Zeugen I... bleibt ohne Erfolg. In den beiden einzigen erstinstanzlichen Beklagtenschriftsätzen vor Schluss der mündlichen Verhandlung (Beklagtenschriftsätze vom 03. und 30.06.2004) finden sich derartige Beweisantritte nicht. Ebenso wenig im nicht nachgelassenen Beklagtenschriftsatz vom 03.08.2004.

Davon abgesehen ist das Beklagtenvorbringen zur abredewidrigen Ausfüllung eines Blankettantrags materiell-rechtlich ohnedies unerheblich. Wer ein Blankett mit seiner Unterschrift aus der Hand gibt, muss auch bei einer seinem Willen nicht entsprechenden Ausfüllung des Blanketts den dadurch geschaffenen Inhalt der Urkunde einem redlichen Dritten gegenüber, dem die Urkunde vorgelegt wird, als seine Willenserklärung gegen sich gelten lassen (BGH in ständige Rechtsprechung, vgl. BGHZ 40, 65; 297, 304, 305; BGH WM 1965, 578). Dass die B... ein abredewidriges Ausfüllen des Blanketts durch den Zeugen I... hätte erkennen können, lässt sich nicht feststellen.

Das Angebot des Beklagten hat dieser über den Hauptschuldner an die B... geleitet, und lässt daher schließlich auch diese als Gläubigerin, nämlich als die in Aussicht genommene Vertragspartnerin des Bürgschaftsvertrags, erkennen.

Die Bürgschaftserklärung des Beklagten ist auch erteilt im Sinne des § 766 Satz 1 BGB, nämlich mit Wissen und Wollen des Beklagten in die Verfügungsgewalt der B... als Gläubigerin gebracht. Die Feststellungen des Landgerichts zur Einschaltung des Zeugen I... als Bote des Beklagten sind mit der Berufung nicht angegriffen.

Das Angebot des Beklagten ist entgegen seiner Ansicht nicht erloschen (§ 147 Abs. 2 BGB). Schickt der Bürge seine schriftliche Bürgschaftserklärung dem abwesenden Gläubiger zu, wie hier, ist es regelmäßig als Bestätigung des Annahmewillens (§ 151 Satz 1 BGB) anzusehen, wenn der Gläubiger, der zuvor die Übernahme der Bürgschaft verlangt hatte, die Urkunde behält (BGH NJW 1997, 2232), worauf bereits das Landgericht zutreffend hingewiesen hat. Dass die B... die Bürgschaftsurkunde zu ihren Akten genommen und behalten hat, ist unstreitig.

Die Annahme eines Bürgschaftsangebots kann sogar stillschweigend erfolgen (Reinicke/Tiedtke, Bürgschaftsrecht, 2. Aufl., Rn. 79 m.w.N.), auf eine Vertretungsbefugnis des für die B... auf deren Seite ausdrücklich unterzeichnenden Mitarbeiters kommt es insoweit nicht einmal entscheidend an.

2.

Inhaltlich umfasst der Bürgschaftsvertrag jedenfalls die Ansprüche der B... aus dem oben bezeichneten Kontokorrentverhältnis zum Hauptschuldner.

Die Bürgschaftserklärung des Beklagten erfolgte auf einem Bürgschaftsformular der B... mit weiter Zweckerklärung, so dass sich die Bürgschaft wegen AGB-widriger Überdehnung der Bürgenhaftung auf den Anlasskredit beschränkt und auf diejenigen zukünftigen Forderungen, die nach Grund und Umfang schon bei Vertragsschluss für den Bürgen klar erkennbar sind (vgl. BGH NJW-RR 2002, 343 m.w.N.); bei Vertragsabschluss am 04./05.11.1998 bestand der oben bezeichnete Kontokorrentvertrag mit der Endziffer 005 zwischen dem Hauptschuldner und der B... unstreitig. Dass die Klageforderung den damaligen Kontokorrentrahmen gesprengt hätte, hat der Beklagte nicht behauptet und liegt überdies - schon im Hinblick auf die vertraglich genannte Haftungshöchstgrenze von 150.000,00 DM - fern.

Der Einwand des Beklagten, nicht gewusst zu haben, aufgrund seiner Erklärung ein Angebot für die Bürgschaft für Verbindlichkeiten aus Bankverbindungen eingegangen zu sein, vermag nicht zu überzeugen. Der Text des vom Beklagten unterschriebenen Vertragsangebots lässt aus der maßgeblichen Sicht der B... als Angebotsempfängerin an einer Bürgschaft zur Sicherung aller bestehenden, künftigen und bedingten Ansprüche der Bank aus der Geschäftsverbindung mit dem Hauptschuldner keine Zweifel.

3.

Der Bürgschaftsvertrag mit dem oben erläuterten Inhalt ist in der Bürgschaftsurkunde vom 04./05.1998 formgerecht (§ 766 Satz 1 BGB) niedergelegt. Die Vertragsurkunde ist vom Beklagten unterschrieben und gibt den Bürgen, dessen Verbürgungswillen, den Hauptschuldner und die verbürgte Verbindlichkeit ausdrücklich wieder. Die Person der Gläubigerin ist hinreichend angedeutet. Eine der Schriftform genügende Andeutung liegt vor, wenn der Urkundentext einen Rückschluss auf den vertragswesentlichen Umstand ermöglicht. Die in der Urkunde enthaltene Angabe "Bank" ermöglicht einen Rückschluss auf die B..., die nämlich eine Bank war. Ein Rückschluss auf die B... drängt sich hier förmlich auf, da das Angebot an sie gerichtet war; Anhaltspunkte für andere Bankverbindungen des Hauptschuldners als die zur B... mit in Betracht kommenden Verbindlichkeiten über 150.000,00 DM am 04.11.1998 sind nicht dargetan.

C.

Offene Verbindlichkeiten des Hauptschuldners aufgrund des gekündigten Kontokorrektverhältnisses in Höhe der Klageforderung sind unstreitig.

D.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Heilung des Zulässigkeitsmangels im Berufungsrechtszug führt hier zu keiner Anwendung des § 97 Abs. 2 ZPO, da der Kläger mangels erstinstanzlichen Hinweises zu einer entsprechenden Konkretisierung im ersten Rechtszug nicht imstande war.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, da ihre Entscheidung von keiner Beantwortung einer höchstrichterlich bisher noch unentschiedenen Frage abhängt. Sie gibt auch keine Veranlassung, in den berührten Rechtsgebieten neue Leitsätze aufzustellen, Gesetzeslücken zu füllen oder von höchst- oder obergerichtlicher Rechtsprechung abzuweichen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.000,00 € festgesetzt.

Richter am Oberlandesgericht ... ist urlaubsbedingt abwesend und an der Unterschrift gehindert.

Ende der Entscheidung

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