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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 30.08.2006
Aktenzeichen: 3 U 210/05
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 156 Abs. 1
ZPO § 156 Abs. 2
ZPO § 233
ZPO § 286 Abs. 1
ZPO § 292 Satz 1
ZPO § 442 Abs. 2
ZPO § 448
ZPO § 517
ZPO § 520 Abs. 2 Satz 1
BGB § 104 Nr. 2
BGB § 105
BGB § 123 Abs. 1
BGB § 134
BGB § 138 Abs. 1
BGB § 368
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

3 U 210/05 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 30.08.2006

verkündet am 30.08.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts unter Mitwirkung

der Vorsitzenden Richterin am Oberlandesgericht Bunge, der Richterin am Oberlandesgericht Rohrbach-Rödding und des Richters am Oberlandesgericht Jalaß,

auf die mündliche Verhandlung vom 02. August 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das am 01. November 2005 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam - 11 O 263/04 - wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet. Als Sicherheit genügt die schriftliche unbedingte, unbefristete, unwiderrufliche und selbstschuldnerische Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Prozessparteien streiten darum, ob der Beklagte dem Kläger noch fünf Geldbeträge zurückgewähren muss, die - was unstreitig ist - Letzterer Ersterem entweder in bar oder im Wege der Überweisung durch Dritte zur Aufbewahrung überlassen hat. Die Gesamtforderung des Klägers belief sich im ersten Rechtszug auf € 68.439,67 (DM 133.856,36) und setzte sich aus Teilbeträgen in Höhe von DM 55.000,00, DM 48.800,06, DM 9.176,27, DM 13.626,27 und DM 7.253,64 zusammen. Hintergrund für die Überlassung war nach den Behauptungen des Klägers, dass ihn der Beklagte dabei unterstützen sollte und wollte, sein Vermögen vor dem Arbeitsamt zu verstecken, um die Auszahlung von Arbeitslosenhilfe zu erwirken. Der Beklagte wendet indes ein, sein Konto habe lediglich vorübergehend die Gelder des Klägers aufnehmen sollen, weil dieser seine eigene Bankverbindung wegen Unzufriedenheit gekündigt hatte. Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes und der erstinstanzlichen Prozessgeschichte wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Im Berufungsrechtszug ist zwischen den Prozessparteien streitig geworden, ob die Darlehensverträge vom 25. Dezember 2000 über DM 50.000,00 (Kopien Anlagen K1 [GA I 36] und B7 [GA II 245]) sowie vom 15. Februar 2001 über DM 20.000,00 (Kopien Anlage K2 [GA I 37] und B9 [GA II 247]) von ihnen nur zum Schein unterschrieben wurden. Nachdem der Senat im Termin der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hatte, dass der Beklagte dem Kläger jedenfalls noch € 7,16 (DM 14,00) schuldet, weil sich die Quittung vom 18. Februar 2001 (Original in Hülle GA I 114; Kopie Anlage B2 = GA I 29) lediglich über DM 30.042,30 verhält, so dass ein entsprechender Differenzbetrag verbleibt, wurde dieser vom Beklagten zu Händen des Klägervertreters gezahlt (GA II 273, 274). Daraufhin hat Letzterer die Klage - mit Zustimmung des Beklagten - um € 7,16 nebst anteiliger Zinsen ermäßigt.

Die Zivilkammer hat die Rückzahlung der überlassenen Gelder als durch Quittungen belegt angesehen und die Klage abgewiesen. Das angefochtene Urteil, auf das auch wegen der Entscheidungsgründe im Einzelnen Bezug genommen wird, ist dem Kläger am 04. November 2005 - zu Händen seiner erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten - zugestellt worden. Er hat am 05. Dezember 2005, einem Montag, bei dem Brandenburgischen Oberlandesgericht einen Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) für die zweite Instanz eingereicht. Der Bewilligungsbeschluss des Senats wurde dem Kläger am 06. März 2006 zu Händen seines anwaltlichen Vertreters zugestellt. Am 15. März 2006 ist ein Anwaltsschriftsatz des Klägers eingegangen, der die Berufung, die zugehörige Begründung und einen Wiedereinsetzungsantrag enthält.

Der Kläger ficht das Urteil des Landgerichts - sein bisheriges Vorbringen wiederholend und vertiefend - in vollem Umfange seiner Beschwer an. Er trägt dazu insbesondere Folgendes vor:

Die Eingangsinstanz hätte ihn, den Kläger, nach § 448 ZPO von Amts wegen als Partei vernehmen müssen und nicht nur formlos anhören dürfen, damit er den von ihr - allerdings zu Unrecht - für erforderlich gehaltenen Vollbeweis für die Unrichtigkeit der vom Beklagten vorgelegten Urkunden erbringen könne. Der Negativbeweis, kein Geld erhalten zu haben, sei praktisch kaum zu führen; Zeugen und Urkunden stünden ihm, dem Kläger, als Beweismittel nicht zur Verfügung. Ferner habe die Zivilkammer den Privaturkunden nicht dieselbe innere Beweiskraft zusprechen dürfen wie öffentlichen Urkunden. Von ihm, dem Kläger, seien Umstände vorgetragen worden, die bei einer Gesamtschau geeignet sind, den Wahrheitsgehalt der in den Quittungen festgehaltenen Rückzahlung erheblich in Zweifel zu ziehen. Hierzu gehörten insbesondere die Erklärungen, die der Beklagte am Karfreitag des Jahres 2001 gegenüber der Zeugin E... S... abgegeben habe. Mit der Einholung eines psychiatrischen und psychologischen Gutachtens hätte zudem beweisen werden können, dass er aufgrund seiner Intelligenzminderung in seiner Urteils- und Kritikfähigkeit erheblich eingeschränkt sowie leicht beeinflussbar und täuschbar sei; vor allem in psychisch angespannten Situationen könne er keine vernünftigen Erwägungen vornehmen und deshalb leicht zur Unterschriftsleistung gedrängt werden, ohne die ihm vorgelegten Schriftstücke zu prüfen. Zu Unrecht habe die Vorinstanz die Nichtigkeit der Empfangsquittungen nach § 105 BGB mit einem formalen Hinweis auf die jedenfalls beschränkte Geschäftsfähigkeit von sechs- bis zwölfjährigen Kindern verneint. In der Praxis würden diese kaum Quittungen über Beträge der hier vorliegenden Größenordnung ausstellen. Im Streitfall komme hinzu, dass er, der Kläger, sich aufgrund eigener krimineller Handlungen und der Gefahr, entdeckt zu werden, in einer psychisch angestrengten Situation befunden habe, durch die vernünftige Erwägungen im Zeitpunkt der Unterschriftsleistung ausgeschlossen gewesen seien. Zumindest greife die Anfechtungserklärung durch. Er, der Kläger, habe vorgetragen, er sei davon ausgegangen, dass ihm der Beklagte Unterlagen für das Arbeitsamt zur Unterschrift vorlege; zum Zwecke der Beweisführung hätte ihn die Eingangsinstanz von Amts wegen als Partei vernehmen müssen. Schließlich ergebe sich aus dem Abschluss der Schein-Darlehensverträge ohne weiteres, dass die vom Beklagten vorgelegten Quittungen unrichtig seien. Die DM 55.000,00 aus dem Wertpapierverkauf habe der Beklagte offenbar bei seiner Sparkassenfiliale in der Nähe des Stahlwerks eingezahlt. Er sei bereit gewesen, für ihn - den Kläger - bei der Verschleierung seiner Vermögensverhältnisse gegenüber dem Arbeitsamt tätig zu werden. Dem zuständigen Sachbearbeiter des Arbeitsamtes habe der Beklagte wider besseres Wissen erklärt, das Geld sei "verlebt" worden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Beklagten unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung zu verurteilen, an ihn - den Kläger - € 68.432,51 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt sinngemäß,

die gegnerische Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt - sein erstinstanzliches Vorbringen ebenfalls wiederholend und vertiefend - das angefochtene Urteil. Dazu trägt er insbesondere Folgendes vor:

Das landgerichtliche Urteil könne schon deshalb nicht mehr mit Erfolg angefochten werden, weil der Kläger die Berufungsfrist und die Begründungsfrist versäumt habe. Jedenfalls sei der geltend gemachte Anspruch durch Erfüllung erloschen. Der Kläger selbst habe die Rückgewähr des Geldes bestätigt und die Echtheit seiner Unterschrift auf den Quittungen eingeräumt. Der Gegenbeweis sei ihm nicht gelungen. Bei dem pauschalen Vorbringen, seinen Namenszug nicht bewusst auf die Empfangsbescheinigungen gesetzt zu haben, handele es sich lediglich um eine unsubstanziierte Schutzbehauptung, der die Vorinstanz nicht weiter habe nachgehen müssen. Auch die Voraussetzungen für eine Parteivernehmung von Amts wegen seien nicht vorhanden gewesen. Der Kläger könne, wie sich nicht zuletzt in der mündlichen Verhandlung erster Instanz gezeigt habe, durchaus umfassend und selbstständig am Wirtschaftsverkehr teilnehmen. Er habe die Schule besucht, eine Lehre absolviert und die Pkw-Fahrerlaubnis erworben. Für die Einholung eines psychiatrischen und psychologischen Sachverständigengutachtens gebe es keine Grundlage. Die vom Kläger behauptete Intelligenzminderung schließe seine Geschäftsfähigkeit nicht aus. Für seine Täuschung oder Bedrohung fehle schlüssiger Sachvortrag und tauglicher Beweisantritt. Mit neuem Vorbringen könne der Kläger in zweiter Instanz nicht mehr gehört werden. Im Zeitraum 1999/2000 habe der Kläger zuvor schon andere Versicherungsverträge gekündigt. Die Aktien, aus denen insgesamt DM 55.911,22 erlöst worden seien, habe er nach dem Erhalt des Schreibens des Arbeitsamtes aus eigenem Antrieb verkauft. Vom Kläger seien ihm, dem Beklagten, in der Tat zwei zinslose Darlehen in Höhe von zusammen DM 70.000,00 gewährt worden; diese würden zum Fälligkeitstermin vereinbarungsgemäß zurückgezahlt. Nur auf diese Darlehen könne sich auch eine eventuelle Bekundung der Zeugin E... S... beziehen, die sich ihm - dem Beklagten - gegenüber wahrheitswidrig als amtlich bestellter Vormund ausgegeben habe, damals in Wirklichkeit aber nicht einmal im Besitz einer rechtsgeschäftlichen Vollmacht des Klägers gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der bisherigen Prozessgeschichte wird ergänzend auf die Schriftsätze beider Parteien nebst Anlagen, auf sämtliche Terminsprotokolle und auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen. Nach dem Schluss des letzten Termins der mündlichen Verhandlung vom 02. August 2006 hat der Kläger einen weiteren anwaltlichen Schriftsatz vom 09. August 2006 eingereicht (GA II 279 ff.).

II.

A. Das Rechtsmittel des Klägers ist zulässig. Er hat zwar die Berufungsfrist nach § 517 ZPO und die Frist für die Begründung seines Rechtsmittels gemäß § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO versäumt. Dem Kläger steht aber ein Anspruch auf Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu, weil er - im Sinne von § 233 ZPO - ohne sein Verschulden verhindert war, diese beiden Fristen einzuhalten. Nach allgemeiner Auffassung, die der Senat in ständiger Rechtsprechung teilt (vgl. jüngst OLG Brandenburg, Urt. v. 12.07.2006 - 3 U 178/05, n.v., Umdr. S. 5 f.), ist das durch Bedürftigkeit begründete Unvermögen einer Partei, einen Rechtsanwalt mit der notwendigen Vertretung bei der Vornahme von fristwahrenden Prozesshandlungen - wie etwa der Einlegung und der Begründung eines Rechtsmittels - zu beauftragen, ein Wiedereinsetzungsgrund, wenn die Partei alles in ihren Kräften Stehende und ihr Zumutbare zur Fristwahrung getan hat (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 233 Rdn. 23 Stichwort "Prozesskostenhilfe"; ferner Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl., § 233 Rdn. 36 ff.; jeweils m.w.N.). So verhält es sich im Streitfall. Der Kläger hat noch vor dem Ablauf der Berufungsfrist - unter Beifügung einer Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - beim Brandenburgischen Oberlandesgericht um Bewilligung von Prozesskostenhilfe nachgesucht. Die Wiedereinsetzungsfrist nach § 234 ZPO ist gewahrt; sie wurde mit der Zustellung des Beschlusses über die Gewährung von Prozesskostenhilfe an den anwaltlichen Vertreter der Klägers in Lauf gesetzt. Auch die versäumten Prozesshandlungen - die Einlegung und die Begründung seiner Berufung - hat der Kläger rechtzeitig nachgeholt (§ 234 Abs. 1 i.V.m. 236 Abs. 2 Satz 2 1. Halbs. ZPO).

B. In der Sache selbst bleibt die Berufung jedoch erfolglos. Der Senat kommt ebenfalls - wenn auch zum Teil aus anderen rechtlichen Erwägungen als das Landgericht - zu dem Ergebnis, dass dem Kläger die streitgegenständlichen Zahlungsansprüche gegen den Beklagten nicht mehr zustehen. Es kann offen bleiben, ob sie ihre Grundlage - direkt bei der Übergabe von Bargeld und analog bei den überwiesen Summen - in den für die so genannte unregelmäßige Verwahrung geltenden Vorschriften finden (§ 607 Abs. 1 i.V.m. § 700 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F.) oder ob Bereicherungsrecht anzuwenden ist (§ 818 Abs. 2 i.V.m. § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB), weil die rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen der Parteien gemäß § 134 BGB beziehungsweise § 138 Abs. 1 BGB wegen des vom Kläger behaupteten Zwecks, ihm das Erschleichen von öffentlichen Sozialleistungen durch Betrugshandlungen zu ermöglichen, keinen Bestand haben können. Jedenfalls ist die Schuld vom Beklagten erfüllt worden (§ 362 BGB). Im Einzelnen gilt Folgendes:

1. Der Beklagte hat mit den im Original zu den Gerichtsakten gereichten Empfangsbestätigungen des Klägers vom 18. November 2000 über DM 55.000,00 (Hülle GA I 112 und 115), vom 22. Dezember 2000 über weitere DM 48.800,06 (Hülle GA I 113) und vom 18. Februar 2001 über weitere DM 30.042,30 (Hülle GA I 114) den Nachweis erbracht, dass die nach der geringfügigen Klageermäßigung noch streitgegenständlichen Beträge bereits gezahlt worden sind.

a) Die Einwendungen, die der Kläger gegen die Rechtsgültigkeit der Quittungen erhebt, bleiben erfolglos.

aa) Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht das Vorbringen des Klägers nicht durchgreifen lassen, mit dem er sich darauf beruft, bei der Unterschriftsleitung geschäftsunfähig im Sinne von § 104 Nr. 2 BGB gewesen zu sein und zudem die Empfangsbestätigungen - wegen widerrechtlicher Drohung und arglistiger Täuschung gemäß § 123 Abs. 1 BGB - erfolgreich angefochten zu haben. Die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Geschäftsfähigkeit und über die Willenserklärung finden auf Quittungen nach dem Verständnis von § 368 BGB, um die es hier im Streitfall geht, keine Anwendung. Denn eine Quittung ist lediglich das - rein tatsächliche - einseitige Bekenntnis des Gläubigers, die geschuldete Leistung empfangen zu haben; es handelt sich dabei also nur um die Bestätigung eines realen Lebensvorganges, um eine bloße Wissenserklärung, die allein Beweiszwecken dient (vgl. dazu RGZ 108, 55; OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 20.09.1990 - 6 U 117/ 88, WM 1990, 2036 = DB 1991, 544; ferner Jauernig/Stürner, BGB, 10. Aufl., §§ 368, 369 Rdn. 1; Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 368 Rdn. 2).

bb) Eine entsprechende Heranziehung der gesetzlichen Regelungen über die Geschäftsunfähigkeit und über das Vorhandensein von anderen Willensmängeln kommt - entgegen der Auffassung des Landgerichts (LGU 4) - ebenfalls nicht in Betracht. Denn eine geschäftsähnliche Handlung, für die solches von der herrschenden Meinung bejaht wird, liegt nur dann vor, wenn die jeweilige Erklärung auf einen tatsächlichen Erfolg gerichtet ist und mit ihr kraft Gesetzes bestimmte materiell-rechtliche Konsequenzen verbunden sind, sich also die Rechtsfolge - unabhängig vom Willen der Beteiligten - aus dem Gesetz selbst ergibt (vgl. Jauernig aaO, Vor § 104 Rdn. 23; Palandt/Heinrichs aaO, Überbl v § 104 Rdn. 6 f.). Die Erteilung einer Quittung hat indes keine - über die Beweiswirkung hinausgehenden - rechtlichen Folgen, es sei denn, von den Beteiligten wurde Abweichendes vereinbart. Dafür fehlt im Streitfall allerdings jeder Anhaltspunkt. Mit Hilfe eines psychiatrisch-psychologischen Sachverständigengutachtens, auf das sich der Kläger in erster Instanz berufen hat, konnte deshalb die Beweiskraft der Empfangsbestätigungen nicht beseitigt werden.

b) Die Einwendungen des Klägers gegen die Richtigkeit der Quittungsbelege dringen ebenfalls nicht durch.

aa) Die vom Beklagten vorgelegten Originalquittungen begründen zwar - nachdem der Kläger die Echtheit seiner Unterschrift im Termin der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 06. September 2005 zugestanden hat (GA I 119, 120) und die gesetzliche Vermutung der Echtheit der darüber stehenden Schrift, die aus § 442 Abs. 2 ZPO folgt, von ihm nicht durch den Beweis des Gegenteils gemäß § 292 Satz 1 ZPO widerlegt worden ist - zunächst nur vollen Beweis dafür, dass die in den Urkunden enthaltenen Erklärungen vom Kläger abgegeben worden sind (sog. formelle oder äußere Beweiskraft); ob sie inhaltlich zutreffen, unterliegt indes der freien richterlichen Beweiswürdigung nach § 286 Abs. 1 ZPO (sog. materielle oder innere Beweiskraft; vgl. dazu BGH, Urt. v. 13.07.1979 - I ZR 153/77, WM 1979, 1157 = HFR 1980, 161; Urt. v. 28.09.1987 - II ZR 35/87, WM 1988, 524 = NJW-RR 1988, 881; Urt. v. 21.12.2004 - XI ZR 17/03, juris Rdn. 16). Insoweit kann sich der Schuldner aber auf die in der Regel schon allein beweiskräftige tatsächliche Vermutung stützten, wonach der Inhalt einer echten Urkunde zugleich vollständig und richtig ist (vgl. Jauernig/Stürner aaO, §§ 368, 369 Rdn. 1; Palandt/Heinrichs aaO, § 368 Rdn. 4; Reichold in Thomas/Putzo aaO, § 416 Rdn. 3).

bb) Mit der Erteilung einer Quittung setzt der Aussteller ein Zeugnis gegen sich selbst; dieses ist allerdings widerleglich und kann - was vom Landgericht nicht hinreichend beachtet wurde - durch jeden Gegenbeweis entkräftet werden (vgl. BGH, Urt. v. 03.04.2001 - XI ZR 120/00, WM 2001, 1035 = NJW 2001, 2096; ferner BGH, Urt. v. 14.04.1978 - V ZR 10/77, MDR 1978, 914 = WM 1978, 849; OLG Koblenz, Urt. v. 01.07.1998 - 1 U 376/97, OLG-Rp 1999, 26; OLG Köln, Urt. v. 20.06. 1997 - 19 U 225/96, OLG-Rp 1998, 10 = VersR 1998 , 1006; Urt. v. 19.12. 1997 - 19 U 142/97, WM 1998, 1682 = NJW-RR 1998, 1383). Hierfür genügt es, wenn die Überzeugung des Gerichts von der zu beweisenden Tatsache erschüttert wird; dass ihre Unwahrheit positiv festgestellt werden kann, ist hingegen nicht erforderlich (vgl. BGH aaO). Allerdings reicht bloßes Bestreiten für eine erfolgreiche Rechtsverfolgung nicht aus. Denn die Quittung verkörpert ein außergerichtliches Geständnis hinsichtlich des Leistungsempfangs und erfahrungsgemäß pflegt niemand ohne Not eine ihm ungünstige Tatsache zuzugeben, der nicht von ihrer Wahrheit überzeugt ist (vgl. BGH MDR 1978, 914 = WM 1978, 849; OLG Saarbrücken, Urt. v. 05.06.1997 - 8 U 310/96, MDR 1997, 1107 = OLG-Rp 1997, 209; OLG Düsseldorf, Urt. v. 08.05.2001 - 23 U 163/00, OLG-Rp 2001, 466).

cc) Im Streitfall ist es dem Kläger nicht gelungen, die Beweiswirkung der von ihm unterzeichneten Empfangsbestätigungen zu erschüttern. Auch bei einer Gesamtschau aller Umstände sind - ausgehend von dem insoweit allein maßgebenden Sach- und Streitstandes am Schluss der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz - keine konkreten Umstände mehr ersichtlich, die hinreichend deutlich dafür sprechen, dass der Beklagte dem Kläger die geltend gemachten Beträge trotz Ausstellung der Quittungen in Wirklichkeit nicht zurückgezahlt hat.

(1) Nach dem Stand der Dinge im Prozesskostenhilfeverfahren betreffend den Berufungsrechtszug kam als gewichtiges Indiz gegen die Richtigkeit der Quittungen die - unter Beweisantritt gestellte - Behauptung des Klägers in Betracht, der Beklagte habe am Karfreitag des Jahres 2001, von der Zeugin E... S... unter Ankündigung einer Strafanzeige zur Rückzahlung des Geldes aufgefordert, erklärt, er sei dazu imstande, wolle dies aber derzeit wegen persönlicher Differenzen mit dem Kläger nicht (GA I 42, 43). Damit hätte der Beklagte seinerseits - nach dem Ausstellungsdatum der Empfangsbestätigungen - ein Zeugnis des Inhalts gegen sich selbst gesetzt haben können, dass er tatsächlich über die streitgegenständlichen Beträge noch verfügt. Im Laufe des Berufungsverfahren selbst wurde vom Kläger indes eingeräumt, die Zeugin E... S... habe im Zeitpunkt ihrer Aufforderung an den Beklagten, das erhaltene Geld zurückzuzahlen, über die Einzelheiten der vorgenommenen Transaktionen nicht Bescheid gewusst; er - der Kläger - habe ihr gegenüber jedoch erwähnt, dass zwei Darlehensverträge unterschrieben worden seien (GA II 267, 270). Andererseits hat der Beklagte vorgetragen, ihm seien auf der Grundlage der Darlehensvereinbarungen vom 25. Dezember 2000 und vom 15. Februar 2001 tatsächlich insgesamt DM 70.000,00 zugeflossen, die er bei Fälligkeit an den Kläger zurückzahlen werde. Danach kann bereits auf der Grundlage des klägerischen Vorbringens ausgeschlossen werden, dass die Zeugin E... S... den Beklagten zur Rückerstattung der hier streitgegenständlichen Beträge aufgefordert hat. Sollte er ihr gegenüber bestätigt haben, dem Kläger noch die Darlehensrückgewähr oder allgemein die Rückzahlung von Geld zu schulden, so würde dies nicht ausreichen, um die Beweiskraft der hier in Rede stehenden Quittungen zu erschüttern. Deshalb hat der Senat - wie mit den Parteien im Termin der mündlichen Verhandlung erörtert worden ist - aufgrund des veränderten Sach- und Streitstandes von der vorbereiteten Zeugenvernehmung abgesehen. Dass der Beklagte erst im zweiten Rechtszug dargetan hat, dem Kläger aufgrund der beiden Darlehensverträge - zu einem späteren Zeitpunkt - noch die Rückerstattung von DM 70.000,00 zu schulden, rechtfertigt keine abweichende Würdigung; in der Eingangsinstanz kam es auf diesem Umstand nicht an. Die Voraussetzungen für eine Parteivernehmung nach § 448 ZPO liegen nicht vor.

(2) Dass der Kläger durch die von ihm behauptete krankheitswertige Intelligenzminderung daran gehindert war, geistig zu erfassen, ob ihm durch den Beklagten tatsächlich Geldbeträge zurückgezahlt worden sind oder nicht, macht er nicht geltend. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich. Insbesondere haben sich für den Senat im Termin der mündlichen Verhandlung solche nicht ergeben. Mit dem medizinstatistischen Schlüssel ICD-10-GM F70 wird eine leichte Intelligenzminderung und mit dem Kürzel ICD-10-GM F71 eine mittelgradige Intelligenzminderung beschrieben. Das entsprechende amtliche Regelwerk kennzeichnet die zuletzt genannte - schwerere - Krankheitsform wie folgt:

"IQ-Bereich 35 bis 49 (bei Erwachsenen Intelligenzalter von sechs bis unter neun Jahren). Deutliche Entwickelungsverzögerung in der Kindheit. Die meisten können aber ein gewisses Maß an Unabhängigkeit erreichen und eine ausreichende Kommunikationsfähigkeit und Ausbildung erwerben. Erwachsene brauchen in unterschiedlichem Ausmaß Unterstützung im tägliche Leben und bei der Arbeit." (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandten Gesundheitsprobleme, 10. Revision, German Modification, herausgegeben vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information, DIMDI, im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit und soziale Sicherung, Stand 01. Oktober 2005, abrufbar im Internet unter http://www.dimdi.de)

2. Auf die Frage, ob sich für den Kläger gegen den Beklagten mit Blick auf die beiden Darlehensverträge vom 25. Dezember 2000 und vom 15. Februar 2001, die sich zusammen lediglich über DM 70.000,00 verhalten und schon deswegen nicht ohne weiteres als von der klägerischen Zahlungsaufforderung vom 15. August 2001 (Kopie Anlage K1 = GA I 7) erfasst angesehen werden können, bereits jetzt Ansprüche ergeben, kommt es nicht an. Denn dabei handelt es sich um einen anderen Streitgegenstand, der - wie die Erörterung dieses Punktes in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt hat - hier nicht zur Entscheidung steht. Der Kläger möchte nach wie vor die fünf Einzelbeträge ausgekehrt haben, die dem Beklagten Ende 2000/Anfang 2001 aus der Veräußerung von Wertpapieren und der Kündigung von Versicherungsverträgen zugeflossen sind. Bezüglich der Darlehensverträge macht der Kläger weiterhin geltend, es handele sich um Scheingeschäfte, auf deren Grundlage auch keine Zahlungen erfolgt seien.

C. Das nicht nachgelassene Vorbringen des Klägers in dem anwaltlichen Schriftsatz vom 09. August 2006 (GA II 278 ff.) gibt dem Senat zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 Abs. 1 ZPO keinen Anlass. Die Voraussetzungen unter denen sie nach § 156 Abs. 2 ZPO zwingend wieder zu eröffnen ist, liegen im Streitfall nicht vor. Selbst unter Berücksichtigung der ergänzenden Ausführungen kommt der Senat zu keiner abweichenden rechtlichen Beurteilung.

D. Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 97 Abs. 1 und § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Danach hat der Kläger die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen, weil es von ihm eingelegt wurde. Auch hinsichtlich der geringfügigen Klagerücknahme fallen ihm die Kosten zur Last; unter Berücksichtigung des in § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO enthaltenen Rechtsgedankens, der auch zugunsten des jeweiligen Beklagten anzuwenden ist, wenn die gegen ihn gerichtete Klage lediglich zu einem geringfügigen Teil Erfolg hat (vgl. dazu Hüßtege aaO, § 92 Rdn. 8), kam unter Berücksichtigung der Gesamthöhe der Klageforderung eine Kostenbelastung des Beklagten wegen der im Termin der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz zu Händen des Klägervertreters entrichteten € 7,16 unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht.

E. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des vorliegenden Urteils folgt aus § 708 Nr. 10 sowie § 711 Satz 1 und 2 i.V.m. § 709 Satz 2 ZPO. Art und Umfang der Sicherheitsleistung bestimmt der Senat gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 ZPO unter Berücksichtigung der in § 108 Abs. 1 Satz 2 ZPO und in § 239 Abs. 2 BGB enthaltenen Rechtsgedanken.

F. Die Revision wird vom Senat nicht zugelassen, weil es an den gesetzlichen Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO i.V.m. § 133 GVG fehlt. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes als Revisionsgericht. Das Urteil zweiter Instanz beruht im Wesentlichen auf einer Würdigung der Umstände des Einzelfalles.

G. Der Gebührenstreitwert für den zweiten Rechtszug beträgt € 68.439,67 (§ 3 ZPO i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 und § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG). Die geringfügige Klagerücknahme in Höhe von € 7,16 im Termin der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 02. August 2006 bewirkt keinen Gebührensprung und kann deshalb unberücksichtigt bleiben.

Ende der Entscheidung

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