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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 12.07.2006
Aktenzeichen: 3 U 220/05
Rechtsgebiete: ZVG, BGB, InsO, GmbHG


Vorschriften:

ZVG §§ 146 ff.
ZVG § 153b
BGB § 535 Abs. 2
BGB § 537 Abs. 2
BGB § 580a Abs. 2
BGB § 1123
BGB § 1124 Abs. 2
InsO § 108
InsO § 108 Abs. 1
InsO § 109 Abs. 1 Satz 1
InsO § 110
InsO § 110 Abs. 1
InsO § 110 Abs. 1 Satz 1
GmbHG § 32a Abs. 1
GmbHG § 32a Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

3 U 220/05 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 12.07.2006

Verkündet am 12.07.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Bunge, die Richterin am Oberlandesgericht Rohrbach-Rödding und den Richter am Oberlandesgericht Hüsgen auf die mündliche Verhandlung vom 05.07.2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers und unter Zurückweisung seiner weitergehenden Berufung wird das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 04.08.2005 - 3 O 343/03 -abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.446,22 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.04.2003. Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger 82 % und der Beklagte 18 % zu tragen. Von den Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz haben der Kläger 77 % und der Beklagte 23 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Jede Partei darf die Vollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils für die Gegenseite vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor ihrer Vollstreckung in Höhe von 120 % des für sie vollstreckbaren Betrages Sicherheit leistet. Als Sicherheit genügt die schriftliche, unbedingte, unbefristete, unwiderrufliche und selbstschuldnerische Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger verlangt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der früheren Vermieterin vom Beklagten als Insolvenzverwalter über das Vermögen der früheren Mieterin rückständige Gewerbemiete für drei Monate.

Frau M... Sch...vermietete gemäß schriftlichem Mietvertrag vom 02.03.1998 der Sch...GmbH, deren alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin sie war (vgl. Bl. 151 GA), in dem Haus auf dem Grundstück B... Weg 25 in ...140 m² Bürofläche und 130 m² Lagerräume und Außenlager bis zum 01.03.2007 für eine monatliche Nettokaltmiete von 3.500,00 DM zzgl. Mehrwertsteuer (vgl. K 3, Bl. 90 d. GA). Über das Vermögen der Mieterin hat das Amtsgericht Neuruppin am 01.08.2002 das Insolvenzverfahren eröffnet, unter Bestellung des Beklagten zum Insolvenzverwalter (K 2, Bl. 8 GA), über das Vermögen der Vermieterin am 01.01.2003, unter Einsetzung des Klägers zum Verwalter (vgl. K 1, 7 GA).

Dieser verlangt vom Beklagten rückständige Miete für die Monate August 2002, Januar 2003 und April 2003 in Höhe von je 2.057,95 €.

Der Beklagte, der das Mietverhältnis mit Schreiben vom 27.12.2002 (vgl. Anlage K 4, Bl. 11 d. GA) gekündigt hat, hat behauptet, er habe die Mieträume einvernehmlich am 31.01.2003 dem Kläger zurückgeben lassen, der sie ab dem 07.02.2003 einer Fliesen Sch... GmbH weiter vermietet habe. Aufgrund der Weitervermietung habe der Kläger seiner Gebrauchsüberlassungspflicht nicht genügen können. Im Übrigen hat der Beklagte den Mietforderungen des Klägers die Einrede der kapitalersetzenden Nutzungsüberlassung entgegen gehalten und hierzu behauptet, die Mieterin sei bereits geraume Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen insolvenzreif gewesen.

Mit dem angefochtenen Urteil, auf das der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die Einrede der eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung greife für alle streitgegenständlichen Mietzeiträume durch. Der eigenkapitalersetzende Charakter der Nutzungsüberlassung ergebe sich bei einem 22monatigen Mietrückstand aus einer Kreditunwürdigkeit der Mieterin in diesen Mietrückstandszeiträumen. Die Kreditunwürdigkeit der Mieterin folge daraus, dass diese über ganz erhebliche Zeiträume verschiedene Steuerarten sowie erhebliche Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt habe und zwar trotz Stundung der Mieten, auf die die Vermieterin im Übrigen dringend angewiesen sei, wie hier deren alsbaldige eigene Insolvenz zeige.

Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Zahlungsanträge uneingeschränkt weiter. Er hält die Einrede der eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung gegenüber dem Insolvenzverwalter über das Vermögen der Vermieterin, für unanwendbar. Zudem habe das Landgericht die Voraussetzungen einer eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung mangels Vorlage einer konkreten Überschuldungsbilanz nicht feststellen dürfen.

Er beantragt,

das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 04.08.2005 - 3 O 393/03 - abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an ihn 6.173,85 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus je 2.057,95 € seit dem 04.08.2002, 07.01.2003 und seit 04.04.2003.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Sch.... Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist er auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze sowie, insoweit auch wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme, auf sein Terminsprotokoll vom 05.07.2006.

II.

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers hat nur teilweise Erfolg.

1. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 1.446,22 € aus den § 535 Abs. 2 BGB; 108 Abs. 1 InsO als restliche Miete für April 2003.

a) Der Abschluss des Mietvertrages vom 02.03.1998 zwischen den damaligen Mietvertragsparteien und die Verwalterstellung der Prozessparteien über deren Vermögen sind unstreitig.

b) Der Mietvertrag bestand im April 2003 fort. Die Kündigung des Beklagten durch Schreiben vom 27.12.2002 (vgl. Anlage K 4, Bl. 11 d. GA) beendete den Mietvertrag gemäß den §§ 109 Abs. 1 Satz 1 InsO; 580a Abs. 2 BGB erst zum Ablauf des 30.06.2003. Eine vorherige einvernehmliche Beendigung des Mietverhältnisses ist angesichts der kontroversen Korrespondenz zwischen den Parteien mit Sicherheit auszuschließen (vgl. Schreiben des Klägers vom 03.04.2003, Anlage K 8, Bl. 17 d. GA, Schreiben des Beklagten vom 24.04.2003, Anlage K 9, Bl. 19 d. GA, Klägerschreiben vom 06.05.2003, Anlage K 10, Bl. 21 d. GA, Beklagtenschreiben vom 29.10.2003, Anlage K 11, Bl. 22 d. GA).

c) Die Mietforderung des Klägers für April 2003 beträgt nur noch 1.446,22 €. Der Kläger muss sich auf die geltend gemachte Miete von 2.057,95 € diejenigen Vorteile anrechnen lassen, die er durch die Weitervermietung der Mietsache erlangt hat (vgl. BGH-Urteil vom 31.03.1993 - XII ZR 198/91 = BGHZ 122, 163; Urteil vom 22.12.1999 - XII ZR 339/97 = NJW 2000, 1105). Die Weitervermietung steht aufgrund der Beweisaufnahme fest.

Der Zeuge Sch... hat bekundet, die von ihm am 12. Februar 2003 gegründete und geführte Fliesen Sch... GmbH habe die Räume ab Mitte Februar 2003 in Besitz gehabt, aufgrund der sinngemäßen Erklärung des Klägers, "richtet euch die Räume her". Hintergrund sei ein Mietvertrag gewesen, den der Kläger mit der Fliesen Sch... GmbH abschließen wollte und den diese Mietvertragsparteien später - mit Beginn ab 01.07.2003 - unterzeichneten. Die Fliesen Sch...GmbH erstellte für die Herrichtungsarbeiten ein Kostenangebot und bot sie dem Kläger im Anschluß an dessen Erklärung aus Februar 2003 unter dem 13.03.2003 für insgesamt 2.719,04 € an. Das Angebot erfolgte auf Geschäftsbögen, die bereits die Anschrift des Mietobjektes und die dortigen Telekommunikationsanschlüsse (vgl. Anlage K 12, K 13, Bl. 24/25 d. GA) aufführten. Die Fliesen Sch... GmbH führte die angebotenen Arbeiten aus, ohne dafür eine Vergütung zu erhalten. Wie der Zeuge hierzu näher bekundet hat, "könnte man es so betrachten, dass ich keine Miete gezahlt und dafür die Renovierungsleistungen erbracht habe".

Der Senat folgt diesen Bekundungen des Zeugen, die in Übereinstimmung stehen mit den von dem Kläger eingereichten Unterlagen. Aus ihnen ergibt sich im Ergebnis der Beweisaufnahme das Bestehen eines für die Zeit vor dem 01.07.2003 zumindest konkludent abgeschlossenen Mietvertrages zwischen der Fliesen Sch... GmbH und dem Kläger jedenfalls für den Monat April. Die Essentialien eines Mietvertrages, Mietobjekt, Gebrauchsüberlassungsvereinbarung und Entgeltlichkeit liegen vor. Welche Räume der Fliesen Sch...GmbH überlassen werden sollten, stand nach der Zeugenaussage fest. Die Gebrauchsüberlassung erfolgte jedenfalls auch im Interesse der Fliesen Sch... GmbH und damit an sie, nämlich um ihr die Möglichkeit zu geben das Mietobjekt nach ihren eigenen Wünschen zu gestalten. Überdies sprechen Gestaltung der Geschäftsbögen und deren Verwendung in der Geschäftskorrespondenz im März 2003 auch mit dem Kläger greifbar für eine übereinstimmende Überlassung der Räume für die geschäftlichen Zwecke der Fliesen Sch...GmbH bereits zu dieser Zeit. Die Entgeltlichkeit ergibt sich aus den geldwerten Leistungen der Fliesen Sch... GmbH, die diese, wie der Zeuge Sch...bekundet hat, statt der Miete als Renovierungsverwendung auf das vom Kläger verwaltete Mietobjekt erbracht hat. Die Werkleistungen sind unstreitig ausgeführt und zwar, als Leistungen eines Kaufmanns, grundsätzlich entgeltlich. Die fehlende Vereinbarung einer Geldzahlung ist für das Vorliegen eines Mietvertrages unerheblich (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 65. Aufl., § 535 Rn. 71 m.w.N.). Der Kläger hat, worauf es entscheidend ankommt, im Gegenzug für die Gebrauchsüberlassung der Räume an die Sch... GmbH die Renovierungskosten erspart. Diese hatte er im übrigen erstinstanzlich selbst noch ausdrücklich als erstattungsfähig vom Beklagten beansprucht.

Der Senat geht für April 2003 von einer anteiligen Verrechnung der geldwerten Leistungen in Höhe der ab dem 01.07.2003 vereinbarten Nettokaltmiete zzgl. Mehrwertsteuer (= 611,73 €) aus (vgl. Mietvertrag vom 08.08.2003, Anlage zum Terminsprotokoll vom 05.07.2006). Der Werklohn für die Leistungen der Fliesen Sch... GmbH beträgt auf der Grundlage ihres, vom Kläger selbst eingeführten, Kostenanschlags insgesamt 2.719,04 €. Dieser Betrag deckt unter Zugrundelegung des später vereinbarten Mietzinses eine Mietdauer von etwa 4 1/2 Monaten ab, und damit die Zeit seit Gründung der Fliesen Sch... GmbH bis zur Geltung des schriftlichen Mietvertrages.

d) Die weiteren Einwendungen des Beklagten gegenüber der restlichen Aprilmiete bleiben erfolglos.

(1) Soweit er geltend macht, seine Mietzahlungspflicht sei nach § 537 Abs. 2 BGB entfallen, weil der Kläger wegen der Gebrauchsüberlassung an die Fliesen Sch... GmbH außerstande gewesen sei, ihm, dem Beklagten, den Gebrauch zu gewähren, dringt er hiermit nicht durch (§ 242 BGB). Ist der Mieter ohne Rücksicht auf den weiteren bestehenden Mietvertrag endgültig, wie hier, ausgezogen und hat keine Miete mehr gezahlt und vermietet der Vermieter daraufhin das Mietobjekt zu einem niedrigeren Mietzins weiter, der dem erzielbaren Marktpreis entspricht, so bleibt der Mieter verpflichtet, die Mietdifferenz zu zahlen. Er kann sich gegenüber dem Mietzinsanspruch des Vermieters nicht darauf berufen, der Vermieter sei wegen der Weitervermietung zur Gebrauchsüberlassung an ihn nicht mehr in der Lage gewesen (vgl. BGH-Urteil vom 31.03.1993 - XII ZR 198/91 = BGHZ 122, 163). Der Auszug des Beklagten trotz fortbestehenden Mietvertrages und dessen fehlende Mietzahlung stehen fest. Dass der hier zugrunde zu legende Mietpreis den 2003 erzielbaren Marktpreis unterschritten hätte, hat der Beklagte nicht behauptet.

(2) Sein Einwand der kapitalersetzenden Nutzungsüberlassung greift gegenüber der restlichen Aprilmiete nicht durch. Die Einrede der kapitalersetzenden Nutzungsüberlassung steht dem Insolvenzverwalter der Gesellschaftsgläubiger grundsätzlich nur gegenüber dem Gesellschafter zu, nicht gegenüber dessen Gläubigern oder "deren" Insolvenzverwalter.

Die Kapitalersatzregelungen betreffen grundsätzlich nur das Verhältnis der gesamtvollstreckenden Gesellschaftsgläubiger zum wirtschaftlich aktiven Gesellschafter. Hierfür spricht schon der Wortlaut des § 32a I GmbHG. Auch Sinn und Zweck belegen dieses Ergebnis. Ohne besondere Anknüpfungspunkte trifft Dritte keine Finanzierungsverantwortung gegenüber der Gesellschaft; dies folgt im Umkehrschluss aus § 32a II GmbHG. Kapitalersetzungsgrundsätze können zudem auch gesetzessystematisch das Verhältnis der gesamtvollstreckenden Gesellschaftsgläubiger gegenüber vollstreckenden Gesellschaftergläubigern nicht regeln. Deren Stellung ergibt sich vielmehr aus speziellen Vollstreckungsordnungen; im Falle der Einzelzwangsvollstreckung beispielsweise aus dem ZVG, so etwa aus dessen §§ 146 ff, im Falle der Gesamtvollstreckung beispielsweise aus der InsO , so etwa aus deren §§ 80 ff, und bei Vermieterinsolvenz namentlich aus deren §§ 108, 110 oder gleichfalls aus dem ZVG, vgl. etwa § 153b ZVG.

Dass die Einrede der kapitalersetzenden Nutzungsüberlassung gegenüber Gläubigern des Gesellschafters nicht erhoben werden kann, hat der BGH bereits für den Fall eines vollstreckenden Grundpfandgläubigers wiederholt entschieden. (vgl. BGH Urteil vom 7. Dezember 1998 -II ZR 382/96 = BGHZ 140,147; BGH, Urteil vom 31. 1. 2000 - II ZR 309/98: NZG 2000, 371). Die Einrede scheitere in entsprechender Anwendung von §§ 146 ff. ZVG, 1123, 1124 Abs. 2 BGB an der Unwirksamkeit einer Vorausverfügung, da die nach den Eigenkapitalersatzregeln in der Krise der Gesellschaft eintretende Undurchsetzbarkeit des Anspruchs auf Auszahlung des vereinbarten Nutzungsentgelts dieselben Auswirkungen habe wie eine rechtsgeschäftliche Stundungsabrede. Dem tritt der Senat bei.

Wirkt die Undurchsetzbarkeit des Anspruchs auf Auszahlung des vereinbarten Nutzungsentgeltes wie eine Stundung, so ist dem Rechtsgedanken der §§ 1123, 1124 II BGB im Insolvenzverfahren über das Vermietervermögen in gleicher Weise Rechnung zu tragen: Hatte der Schuldner als Vermieter einer Immobilie oder von Räumen vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen über die Mietforderung für die spätere Zeit verfügt, wie hier durch eine wie eine rechtsgeschäftliche Stundungsabrede wirkende kapitalersetzenden Nutzungsüberlassung, dann ist diese Verfügung nur wirksam, soweit sie sich auf die Miete für den zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens laufenden Kalendermonat bezieht, vgl. § 110 I InsO.

Entgegen der Ansicht des Beklagten und anders als eine Forderung der Gesellschafter auf Rückgewähr eines eigenkapitalersetzenden Darlehns, die im Insolvenzverfahren der Gesellschaft lediglich eine nachrangige Insolvenzforderung darstellt, können Mieten bei Insolvenz des vermietenden Gesellschafters zu einer Forderung dieser Masse erstarken. Der Beklagte verkennt den Rechtscharakter des Nutzungsverhältnisses, an dem die Umqualifizierung der Gebrauchsüberlassung in funktionales Eigenkapital nichts ändert (vgl. BGHZ 140, 147, 153). Es bleibt ein Mietverhältnis. Im Gegensatz zur Miete ist der in der Insolvenz der Gesellschaft nachrangige Darlehensrückzahlungsanspruch betagt, nämlich bereits vor Insolvenz des Gesellschafters und damit in dessen Person entstanden; die periodisch entstehenden Mietforderungen sind demgegenüber befristet, ihr Entstehungstatbestand verwirklicht sich erst in der Zukunft (vgl. BGH, Urteil vom 30.01.97 - IX ZR 89/96 = WM 1997, 545). Nach Beschlagnahme entstehen die Mietforderungen demgemäß in der Person des Insolvenzverwalters über das Vermietervermögen. Dies steht zwar ihrer Vorausverfügung nicht grundsätzlich entgegen, konfligiert aber bei Insolvenz des Vermieters mit der allein dem Insolvenzverwalter zugeordneten Verfügungsbefugnis über Schuldnervermögen ab Beschlagnahme. Schon dies gebietet es, erst künftig und in der Person des Insolvenzverwalters entstehende Mietforderungen insolvenzrechtlich anders zu behandeln, als alte Darlehensforderungen des Schuldners.

Auch vermeidet dieses Ergebnis Verwerfungen zwischen dem ZVG und der InsO, namentlich beim Umfang der Beschlagnahme oder etwa wenn auf Antrag des Insolvenzverwalters die Zwangsverwaltung gemäß § 153b ZVG vollständig oder teilweise eingestellt ist, mit der Auflage, die Nachteile, die dem betreibenden Gläubiger aus der Einstellung erwachsen, durch laufende Zahlungen aus der Insolvenzmasse auszugleichen. Hierzu ist der Insolvenzverwalter in aller Regel auf die Mieteinnahmen angewiesen. Die Einrede der eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung zwar bei Vollstreckungen nach dem ZVG zu versagen, nicht hingegen im Rahmen der InsO würde zu erheblichen weiteren Friktionen zwischen beiden Vollstreckungsordnungen führen. Der Insolvenzverwalter muss, auch wenn eine Zwangsverwaltung von vorneherein nicht stattfindet, die Mieteinnahmen zur Befriedigung des absonderungsberechtigten Grundpfandgläubigers (§ 49 InsO) erzielen und einsetzen. Diesen Gleichklang zwischen der InsO und dem ZVG dann aufzuheben, wenn der vermietende und immobiliarsichernde Schuldner zugleich Gesellschafter der Mieterin ist und dessen Gläubiger im Gesamtvollstreckungsverfahren schlechter zu stellen als die Gläubiger eines vergleichbaren Schuldners ohne Gesellschafterstellung an der Mieterin ist vor allem auch sachlich nicht zu rechtfertigen. Die Gläubiger eines Gesellschafters tragen, wie bereits erörtert, ohne besondere Anknüpfungspunkte keine Finanzierungsverantwortung gegenüber der Gesellschaft oder deren Gläubigern. Auch die Vollstreckungsordnungen legen ihnen keine dahingehende gesellschaftsrechtliche Finanzierungsverantwortung auf.

2. Die weiteren Klageforderungen sind unbegründet. Gegenüber den Mietforderungen für August 2002 und Januar 2003 greift die Einrede der kapitalersetzenden Nutzungsüberlassung durch.

a) Im August 2002 bestand ein Auszahlungsverbot für den Beklagten gegenüber der Vermieterin. Bei der Vermietung von Immobilien oder beweglicher Sachen durch einen Gesellschafter an die GmbH, an der er kapitalmäßig beteiligt ist, wie hier, sind im Insolvenzverfahren über das Vermögen der mietenden GmbH die Grundsätze des kapitalersetzenden Darlehens (§§ 32 a, 32 b GmbHG, 135 InsO) heranzuziehen (Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 9. Aufl., Rn. 1551 m.w.N.), d.h. es besteht für die Dauer der Krise ein Auszahlungsverbot des Insolvenzverwalters über das Vermögen der Mieterin an den vermietenden Gesellschafter.

Die Gebrauchsüberlassung wird zum Kapitalersatz, wenn der vermietende Gesellschafter sie in der Krise der Gesellschaft andauern lässt, insbesondere, wenn die Mieterin weder selbst über die zur Anmietung des Mietobjektes erforderlichen Mittel verfügt, noch sie sich diese aus eigener Kraft auf den Kapitalmarkt zu üblichen Bedingungen verschaffen könnte und ein vernünftig handelnder Vermieter, der an der Mieterin kapitalmäßig nicht beteiligt ist oder sich an ihr beteiligen will, unter den gegebenen Umständen ihr keinen Sachwert zur Nutzung überlassen würde. Namentlich ist Kapitalersatz stets anzunehmen, wenn die Gebrauchsüberlassung trotz Überschuldung der Gesellschaft oder erst nach Eintritt der Krise erfolgt, ohne dass es dann darauf ankäme, ob ein vernünftig handelnder Dritter dazu bereit gewesen wäre (vgl. Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 9. Aufl., Rn. 1553 f).

Die danach erforderlichen Voraussetzungen einer Krise (§ 32a GmbHG) hat das Landgericht anhand der Kreditunwürdigkeit der Mieterin zutreffend festgestellt. Dem substanziierten Vorbringen des Beklagten zu den Anmeldungen der Gläubigerinnen der Mieterin in dem Insolvenzverfahren über deren Vermögen wegen rückständiger Steuerverbindlichkeiten in Höhe von rund 481.000,00 DM Ende 2001, wegen rückständigen Leistungen an die Bauberufsgenossenschaft H... in Höhe von etwa 14.000,00 DM Ende 2001, wegen rückständiger Abgaben an die DAK am 30.09.2001 in Höhe von rund 133.000,00 DM (vgl. Bl. 200 GA m.w.N.) und zu der Angewiesenheit der Vermieterin auf die Mieteinnahmen, um eigene Verbindlichkeiten ausgleichen zu können, ist der Kläger weder erst- noch zweitinstanzlich im einzelnen qualifiziert entgegengetreten.

Einer Überschuldungsbilanz bedurfte es nicht. Insolvenzreife und Kreditunwürdigkeit sind eigenständige, in ihren Anwendungsvoraussetzungen voneinander unabhängige Tatbestände der Krise im Sinne des Eigenkapitalersatzrechts (BGH, Urteil vom 03.04.2006 - II ZR 332/05 = WM 2006, 1150).

b) Die Einrede ergreift auch die Januarmiete 2003. Die Einrede der eigenkapitalersetzenden Gebrauchsüberlassung ist nur in entsprechender Anwendung der §§ 110 InsO, 1123, 1124 Abs. 2 BGB nach deren Maßgabe mit dem Wirksamwerden des Insolvenzbeschlusses über das Vermögen der Vermieterin gegenüber deren Insolvenzverwalter unbeachtlich. Nach § 110 Abs. 1 Satz 1 InsO sind Vorausverfügungen des Vermieters über die Miete gegenüber dem Insolvenzverwalter über das Vermögen des Vermieters indessen noch wirksam, soweit sie sich auf die Miete für den zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens laufenden Kalandermonat beziehen. Der Kläger wurde am 01.01.2003 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Vermieterin bestellt und muss sich folglich deren Mietstundung als Vorausverfügung für Januar 2003 noch entgegenhalten lassen.

3. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist zuzulassen, § 543 Abs. 2 ZPO. Die Verurteilung des Beklagen zur Zahlung der restlichen Aprilmiete hängt ab von der Unanwendbarkeit der Einrede der eigenkapitaler-setzenden Gebrauchsüberlassung gegenüber dem Insolvenzverwalter über das Vermögen des Gesellschafters. Die Abweisung der Mietklage für Januar 2003 hängt ab von dem zeitlichen Anwendungsbereich der Einrede der eigenkapitalersetzenden Gebrauchsüberlassung gegenüber Ansprüchen des Insolvenzverwalters über das Vermietervermögen, namentlich von der Geltung des § 110 Abs. 1 InsO in diesen Fällen. Beide Fragen sind höchstrichterlich noch nicht entschieden.

Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.173,85 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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