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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 27.05.2009
Aktenzeichen: 3 U 39/09
Rechtsgebiete: BGB, StGB


Vorschriften:

BGB § 228
BGB § 554
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 2
BGB § 854
BGB § 904
BGB § 1004
StGB § 123 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

I. Auf die Berufung des Verfügungsklägers wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 5. Februar 2009 - 5 O 3/09 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

1. Den Verfügungsbeklagten wird untersagt, sich ohne Einwilligung des Verfügungsklägers und ohne Vorliegen einer Gefahr im Verzuge und vor seiner Besitzaufgabe Zugang zu dessen Wohnung ...weg 1 a, D..., zu verschaffen;

2. ihnen wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Festsetzung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise eine Ordnungshaft oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht;

3. den Verfügungsbeklagten wird untersagt, an den Verfügungskläger adressierte Post zu öffnen und/oder zu lesen;

4. für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird ihnen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise für je 50,00 € ein Tag Ordnungshaft oder sogleich eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall bis zu insgesamt 2 Jahren angedroht.

II. Die Verfügungsbeklagten werden, nachdem sie ihre Berufung vom 05.03.2009 gegen das am 05.02.2009 verkündete Urteil des Landgerichts Cottbus - 5 O 3/09 - zurückgenommen haben, dieses Rechtsmittels für verlustig erklärt.

III. Die Verfügungsbeklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand:

Der berufungsführende Verfügungskläger (fortan: Kläger) will im einstweiligen Verfügungsverfahren den zunächst ihrerseits berufungsführenden Verfügungsbeklagten (fortan: Beklagten) strafbewährt untersagen lassen, sich ohne seine Einwilligung und ohne Vorliegen einer Gefahr im Verzuge während seiner Besitzzeit Zugang zu einer von ihm besessenen Wohnung zu verschaffen. Diese im Dachgeschoss (vgl. B 15, 123 GA) eines im Übrigen von den Beklagten, seinen Eltern, bewohnten Hauses liegende Wohnung mietete er von diesen gemäß schriftlichem Mietvertrag vom 27.12.1996 (vgl. K 1, 14 GA). Am 07.01.2009 informierte sein Bruder den Kläger über die bevorstehende Öffnung der Tür zu seiner Wohnung, aus der ein Knacken gedrungen sein soll, das auf einen Wasseraustritt schließen lasse, auch wenn die Zwischendecken keine dahingehenden Anzeichen auswiesen. Daraufhin mandatierte der Kläger seinen Prozessbevollmächtigten, der sodann den Telefonanschluss der Beklagten anwählte und, nachdem niemand abnahm, auf dem Anrufbeantworter wegen andauernden Klärungsbedarfes um Rückruf bat. Die Beklagten unterließen einen Rückruf und ließen gegen 14:00 Uhr die Tür zur Wohnung öffnen, in der sich sodann keinerlei Anzeichen für einen Wasserrohrbruch fanden. Am selben Tag übersandte der damalige Rechtsanwalt der Beklagten dem Prozessbevollmächtigten des Klägers um 16:14 Uhr ein Telefax (vgl. K 6, 30 GA), wonach die Beklagten am vorhergehenden Abend ein lautes Knarren in der Wohnung des Klägers gehört hätten. Mit Anwaltsschreiben vom 14.01.2009 ließ der Kläger die Beklagten unter Hinweis auf einen Hausfriedensbruch auffordern, eine strafbewährte Unterlassungserklärung abzugeben (vgl. K 8, 35 GA, K 10, 40 GA). Durch Anwaltsschreiben vom 19.01.2009 verweigerten die Beklagten die Unterlassungserklärung mit der Begründung, ein Hausfriedensbruch könne wegen vorangegangener Kündigung des Mietverhältnisses nicht vorgelegen haben (vgl. K 7, 32 GA). Mit dem angefochtenen Urteil, auf das der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist, hat das Landgericht den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung teilweise zurückgewiesen. Ein Verfügungsgrund liege nicht vor, da § 554 BGB in direkter oder analoger Anwendung den Beklagten das Recht gebe, vom Kläger die Duldung von Erhaltungsmaßnahmen zu verlangen. Da der Kläger seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen sei, seien die Beklagten berechtigt gewesen, die Duldung der Begehung durch Öffnung der Wohnung mit Hilfe eines Schlüsseldienstes zu erzwingen. Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Verfügungsbegehren im Umfang seins Unterliegens uneingeschränkt weiter. Er beanstandet die Tatsachenfeststellung des Landgerichts und dessen rechtlichen Ausführungen. Der Kläger beantragt, unter Abänderung des am 05.02.2009 verkündeten Urteils des Landgerichts Cottbus, Az.: 5 O 3/09, die Beklagten wie folgt zu verurteilen: 1. Den Antragsgegnern wird untersagt, sich ohne seine Einwilligung und ohne Vorliegen einer Gefahr im Verzuge und vor Besitzaufgabe an der Wohnung ...weg 1 a, D..., Zugang zur vorgenannten Wohnung zu verschaffen. 2. Den Antragsgegnern wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Festsetzung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise eine Ordnungshaft oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht. Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigen das angefochtene Urteil, soweit es ihnen günstig ist. Ihre eigene Berufung gegen ihre Verurteilung aus demselben Urteil, es zu unterlassen, an den Verfügungskläger adressierte Post zu öffnen und/oder zu lesen, haben sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 20.05.2009 zurückgenommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf den Schriftsatzwechsel im Berufungsrechtszug sowie auf sein Terminsprotokoll vom 20.05.2009.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg. 1. Er hat gegen die Beklagten einen Verfügungsanspruch - einen solchen hat das Landgericht ersichtlich ungeprüft gelassen - auf Unterlassung aus den §§ 823 Abs. 1, 854, 1004 BGB entsprechend, § 823 Abs. 2 BGB, 123 StGB. § 823 Abs. 1 BGB schützt den Besitz (§ 864 BGB) des Klägers direkt (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 68. Aufl., § 823, Rn. 13 m.w.N.) und § 1004 BGB gibt ihm in analoger Anwendung einen Unterlassungsschutz für alle absoluten Rechte, und damit gleichfalls für den Besitz (vgl. Palandt/Bassenge, BGB, 68. Aufl., § 1004, Rn. 4 m.w.N.). Der Unterlassungsanspruch setzt entweder eine Erstbegehungs- oder eine Wiederholungsgefahr voraus. Hat, wie hier, ein Eingriff in den Besitz des Klägers bereits stattgefunden, begründet dies für gleichartige Verletzungshandlungen die widerlegbare Vermutung der Wiederholungsgefahr, auch außerhalb des Wettbewerbsrechts (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 68. Aufl., Einführung vor § 823, Rn. 20 m.w.N.). a) Das Eindringen der Beklagten in die Wohnung des Klägers ist unstreitig und erfüllt zugleich objektiv den Tatbestand des Hausfriedensbruchs, § 123 Abs. 1 StGB, wobei dessen Tatbestandsmerkmal "widerrechtlich" (1. Alt.) und "ohne Befugnis" (2. Alt.) lediglich das allgemeine Deliktsmerkmal der Rechtswidrigkeit kennzeichnen (vgl. Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 27. Aufl., § 123, Rn. 31 m.w.N.). Die Auffassung des Rechtsanwalts der Beklagten, eine zwischen den Parteien streitige Kündigung des Mietverhältnisses stünde einer Tatbestandsverwirklichung entgegen, ist grob rechtsirrig, da der Ausspruch der Kündigung nichts an der Geeignetheit der streitgegenständlichen Räume im Besitz des Klägers zu Wohnzwecken ändern kann. Desgleichen lässt der Ausspruch einer Kündigung die Besitzverhältnisse an den Räumlichkeiten unbeeinflusst.

b) Von ihnen darzulegende und ggf. zu beweisende tragfähige Rechtfertigungsgründe haben die Beklagten schon nicht dargelegt. Da eine Einwilligung des Klägers und damit zugleich eine rechtfertigende Geschäftsführung ohne Auftrag (vgl. §§ 677 ff BGB) ausscheidet, kommen nur vertragliche oder gesetzliche Rechtfertigungsgründe in Betracht. aa) Die Voraussetzung des § 10 Nr. 1 S. 1 Mietvertrag, wonach Ausbesserungsarbeiten zur Abwendung drohender Gefahren auch ohne vorherige Ankündigung vorgenommen werden können (vgl. 15 GA), sind mangels greifbarer Gefahrensignale ersichtlich nicht gegeben. Gegen das Erfordernis eines sofortigen Handelns sprach handfest das Fehlen konkreter Gefahrensignale, insbesondere keinerlei wahrnehmbare Feuchtebeeinträchtigungen der die klägerische Wohnung umschließenden Gebäudeteile. § 13 Nr. 1 Mietvertrag lässt sich gleichfalls nicht zugunsten der Beklagten heranziehen, denn er gibt ihnen lediglich das Recht, nach mündlicher Ankündigung die Räume in angemessener Frist zu betreten, um die Notwendigkeit unaufschiebbarer Hausarbeiten festzustellen (vgl. 16 GA). Angemessen ist die Frist nur dann, wenn dem Mieter Zeit bleibt, bei gebotener Sorgfalt sachgerechte Entscheidungen zu treffen. Der Kläger hat hier eine sachgerechte Entscheidung getroffen, indem er seinen späteren Prozessbevollmächtigten mit seiner Interessenvertretung mandatiert und ihm den Telefonanschluss der Beklagten mitgeteilt hat. Die Beklagten waren es, die sich auf die Kommunikation mit dem Bevollmächtigten des Klägers nicht eingelassen haben, indem sie dessen Nachricht und Bitte um Rückruf zunächst unbeantwortet gelassen haben. Diese Reaktionslosigkeit der Beklagten wiegt beträchtlich, denn bei dem angespannten Verhältnis zwischen den Parteien war mit der Einschaltung eines Anwalts durch den Kläger naheliegend zu rechnen und dementsprechend hat der damalige Rechtsanwalt der Beklagten auch noch am selben Tage, allerdings erst nach deren gewaltsamen Öffnen der Tür, die Kommunikation mit dem Prozessbevollmächtigten des Klägers gesucht. Die Ausführungen des Landgerichts, der Kläger hätte seine Mitwirkungspflichten gegenüber den Beklagten verletzt, stellt die tatsächlichen und im Übrigen unstreitigen Kommunikationsabläufe vom 07.01.2009 geradezu auf den Kopf. bb) Gesetzliche Rechtfertigungsgründe lassen sich gleichfalls nicht feststellen. Eine Notwehr (§ 227 BGB) hat schon deswegen auszuscheiden, weil ein Unterlassen des Klägers, selbst wenn eine Pflicht zum Handeln bestünde und gegen diese Handlungspflicht verstoßen worden wäre, keinen Angriff i.S.d. Bestimmung darstellt (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 68. Aufl., § 227, Rn. 2 m.w.N.). Ein rechtfertigender Notstand (§ 34 StGB), wonach das Recht des Klägers auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG), hinter das Besichtungs-/Eigentumsrecht der Beklagten zurückzutreten hätte, liegt nicht vor, ebenso wenig die Voraussetzungen eines Verteidigungsnotstandes nach § 228 BGB oder eines so genannten Angriffsnotstandes nach § 904 BGB. Alle drei Bestimmungen erfordern eine Notstandslage, bei der zumindest eine Gefahr droht. Eine Gefahr droht, wenn eine auf tatsächliche Umstände begründete Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts besteht (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 68. Aufl., § 228, Rn. 4 m.w.N.). Hier war der Eintritt eines Wasserschadens nicht wahrscheinlich, sondern unwahrscheinlich. Über nahezu 20 Stunden hinweg hatten sich keinerlei Anzeichen für eine auch nur beginnende Feuchtebeeinträchtigung des Baukörpers gezeigt, obwohl solche bei einem von den Beklagten als Rauschen interpretierten Geräusch zwingend zu erwarten gewesen wären. c) Abgesehen davon wäre es selbst bei der Annahme eines drohenden Schadens angesichts dessen ausgesprochen langsamen Eintritts und sogar bei einer Gesprächsverweigerung des Klägers, für die - wie erörtert - nichts dargetan ist, unverhältnismäßig gewesen, den Besichtigungsanspruch durch private Gewalt durchzusetzen. Die Voraussetzungen der Selbsthilfe (§ 229 BGB) lagen ersichtlich nicht vor und nichts ist dafür dargetan, dass die Beklagten am 07.01.2009, einem Mittwoch, bei der gebotenen Hinzuziehung eines Rechtsanwalts nicht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes hätten vorgehen können und ihr Besichtigungsrecht durch einen Gerichtsvollzieher hätten durchsetzen lassen können. 2. Der Verfügungsgrund ergibt sich aus der Wiederholungsgefahr. Die insoweit gegen sie streitende Vermutung haben die Beklagten nicht zu widerlegen vermocht. Die Widerlegung verlangt, dass entweder ein erneuter Eingriff nicht mehr rechtswidrig ist, oder das Verhalten des Störers eine sichere Gewähr gegen weitere Eingriffe bietet oder die tatsächliche Entwicklung einen neuen Eingriff unwahrscheinlich macht, wobei für den Nachweis strenge Anforderungen gelten (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 68. Aufl., Einführung vor § 823, Rn. 20 m.w.N.). So genügt etwa selbst ein strafbewährtes Unterlassungsversprechen dann nicht, wenn im Prozess der Abweisungsantrag mit der Begründung aufrechterhalten wird, die als verletzend beanstandete Handlung sei berechtigt (vgl. OLG Stuttgart, NJW-RR 2004, 619, 623 m.w.N.). 3. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO. Der Gebührenstreitwert für die erste Instanz wird in Abänderung des Festsetzungsbeschlusses des Landgerichts in seinem Urteil vom 05.02.2009 auf bis zu 13.000,00 € festgesetzt. Für die zweite Instanz beträgt er bis zur Rücknahme der Beklagtenberufung 11.000,00 €, sodann 8.000,00 €. Der vom Kläger beantragte Schutz der Unverletzlichkeit seiner Wohnung begründet eine nicht vermögensrechtliche Streitigkeit, deren Streitwert der Senat nach § 48 Abs. 2 GKG unter Berücksichtigung des tiefgreifenden Zerwürfnisses zwischen den Parteien mit 8.000,00 € ansetzt. Hinsichtlich des Antrages zum Schutze seines Postgeheimnisses belässt es der Senat bei der landgerichtlichen Festsetzung von 3.000,00 €. Von einer Bruchteilsbewertung sieht er im Hinblick auf den kritisch liegenden Fall vorliegend ab (vgl. Zöller/ Herget, ZPO, 26. Aufl., § 3, Rn. 16, Stichwort: einstweilige Verfügung.

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