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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 11.03.2009
Aktenzeichen: 3 U 76/08
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, VVG


Vorschriften:

BGB § 13
BGB § 280 Abs. 2
BGB § 286
BGB § 305 Abs. 2 Nr. 1
BGB § 305 Abs. 2 Nr. 2
BGB § 823 Abs. 1
ZPO § 92 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 286 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1
VVG § 61 a.F.
VVG § 81 Abs. 2 n.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 22. April 2008 verkündete Urteil des Landgerichts Cottbus - 3 O 179/07 - teilweise abgeändert und unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels insgesamt wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin € 250,00 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus ab 13. Februar 2007 zu zahlen.

2. Der Beklagte zu 1) wird darüber hinaus als Alleinschuldner verurteilt, an die Klägerin zu zahlen

a) 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus € 250,00 für die Zeit vom 11. Januar bis zum 12. Februar 2007 und

b) weitere € 39,00.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Prozessparteien streiten darum, ob die beklagten Eheleute der Klägerin, die bundesweit das Selbstfahrermietwagengeschäft betreibt, trotz vertraglicher Haftungsfreistellung nach Art einer Voll- und Teilkaskoversicherung mit € 250,00 Selbstbeteiligung Schadensersatz in voller Höhe schulden, weil der Pkw Mercedes-Benz A 150, den die Beklagte zu 2) am 23. November 2006 bei der Klägerin angemietet hat, bei einem Unfall am 28. November 2006 gegen 17 Uhr auf der Autobahn A ... im Bereich des Autobahnkreuzes W., als er berechtigt vom Beklagte zu 1) gefahren wurde, auf der linken Seite infolge Leitplankenkontakt Streifschäden erlitten hat. Die Polizei ist vom Beklagten zu 1) nicht hinzugezogen worden. Die Klägerin fordert in der Hauptsache Ersatz für Reparaturkosten, die laut Sachverständigengutachten € 6.993,81 netto betragen (Kopie Anlage K4/GA I 25), den Ausgleich einer Wertminderung von € 800,00, die Erstattung der Gutachterkosten in Höhe von € 45,90 netto (Kopie Anlage K5/GA I 38) sowie eine unfallbedingte Auslagenpauschale von € 30,00. Zur näheren Darstellung des Tatbestandes und der erstinstanzlichen Prozessgeschichte wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Vom Landgericht Cottbus, das in der Vorinstanz entschieden hat, wurde der Klage - nach Beweisaufnahme - nahezu in vollem Umfange stattgegeben. Zur Begründung hat die Zivilkammer ausgeführt, die Beklagten dürften sich nicht auf die vertragliche Haftungsbeschränkung berufen, weil die Allgemeinen Vermietbedingungen der Klägerin wirksam in den Vertrag mit der Beklagten zu 2) einbezogen worden seien und in entsprechender Anwendung der zivilprozessualen Beweisvereitelungsgrundsätze die grob fahrlässige Herbeiführung des Unfalls durch den Beklagten zu 1) bejaht werden könne; die Auslagenpauschale der Klägerin sei jedoch nur mit € 25,00 zu bemessen. Das angefochtene Urteil, auf das wegen der Entscheidungsgründe im Einzelnen verwiesen wird, ist den Beklagten am 05. Mai 2008 (GA I 169) - zu Händen ihrer erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten - zugestellt worden. Sie haben am 02. Juni 2008 (GA II 172) mit anwaltlichem Schriftsatz Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel - nach antragsgemäßer Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 30. Juli 2008 (GA II 180) - mit einem an diesem Tage per Telekopie bei dem Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangen Anwaltsschriftsatz begründet (GA II 185 ff.).

Die Beklagten fechten das landgerichtliche Urteil - unter Wiederholung und Vertiefung ihrer bisherigen Darlegungen - nach einem terminsvorbereitenden Hinweis des Senats noch insoweit an, wie sie gesamtschuldnerisch zur Zahlung eines die vereinbarte Selbstbeteiligung von € 250,00 nebst Zinsen übersteigenden Betrages verurteilt worden sind. Im Übrigen haben sie die - anfänglich in vollem Umfange ihrer Beschwer eingelegte - Berufung zurückgenommen. Sie tragen insbesondere Folgendes vor:

Zu Unrecht habe die Eingangsinstanz angenommen, die durch den Zusatz " VK + TK mit 250,- € SB " in der Vertragsurkunde vom 23. November 2006 (Kopie Anlage K1/GA I 17) vereinbarte Haftungsbeschränkung finde im Streitfall - wegen der weiteren Bestimmungen in den Allgemeinen Vermietbedingungen - keine Anwendung. Diese seien nicht in den Vertrag einbezogen worden. Es fehle schon an einem ausdrücklichen Hinweis auf die Bedingungen im Sinne des § 305 Abs. 2 Nr. 1 BGB; die Einbeziehungsklausel sei hier vielmehr in einem elfzeiligen Fließtext enthalten und falle bei einem flüchtigen Blick nicht auf. Zudem hätten die Allgemeinen Vermietbedingungen bei Vertragsabschluss nicht ausgelegen, so dass keine Kenntnisnahmemöglichkeit nach dem Verständnis von § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB bestanden habe. Die Beweiswürdigung der Zivilkammer, die zum gegenteiligen Resultat gelange, sei in sich widersprüchlich und lasse Teile des Beweisergebnisses unberücksichtigt. Sie - die Beklagten - hätten bei ihrer Anhörung übereinstimmend dargetan, dass der Kundentresen in den Räumen des Zeugen F. Sch., den sie, weil sie längere Zeit warten mussten, keineswegs nur einmal im Blick gehabt hätten, bei der Anmietung des Fahrzeugs, anders als sonst bei Autowerkstätten und Abschleppdiensten üblich, leer gewesen sei. Auf die Frage, was im Schadensfall geschehe, habe der Zeuge auf die Teil- und Vollkaskoversicherung des Wagens hingewiesen und den entsprechenden Zusatz handschriftlich in das Vertragsformular eingetragen. Angesichts dessen bleibe auch im Verhältnis zum Beklagten zu 1) bei der Prüfung von Ansprüchen aus § 823 Abs. 1 BGB für eine Umkehr der Beweislast kein Raum.

Die Beklagten beantragen sinngemäß,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit sie - die Beklagten - zur Zahlung von mehr als € 250,00 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab 13. Februar 2007 verurteilt worden sind.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt - ihr bisheriges Vorbringen ebenfalls wiederholend und vertiefend - das landgerichtliche Urteil, soweit es ihr günstig ist; im Übrigen nimmt sie es hin. Sie trägt insbesondere Folgendes vor:

Der in der Vertragsurkunde enthaltene Hinweis auf die Allgemeinen Vermietbedingungen und ihre Auslage im Vermietbüro sei ausreichend. Konkrete Anhaltspunkte im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, bei deren Vorliegen die Bindung des Berufungsgerichts an die erstinstanzliche Beweiswürdigung entfalle, würden die Beklagten nicht aufzeigen; sie nähmen lediglich eine abweichende Beweiswürdigung vor. Das angefochtenen Urteil enthalte eine detaillierte Auseinandersetzung mit den Bekundungen des Zeugen und der Beklagten. Dass Letztere sich bei alltäglichen Geschäften im Einzelnen an Nebensächlichkeiten wie die Ausstattung des Verkaufstresens erinnern könnten, widerspreche der allgemeinen Lebenserfahrung. Dagegen wäre es dem Zeugen F. Sch., der sich täglich in den Räumen aufhalte, sofort aufgefallen, wenn die Allgemeinen Vermietbedingungen gefehlt hätten. Dass sie von jemand kurzfristig weggenommen worden seien, was der Zeuge nicht habe ausschließen können, stelle nur eine rein theoretische und völlig unreale Möglichkeit dar. Zu Recht habe die Eingangsinstanz auch eine Beweislastumkehr bejaht. Wer eine Mietsache in beschädigten Zustand zurückgebe habe eine tatsächliche Verschuldensvermutung gegen sich.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat der Senat gemäß Beschluss vom 11. Februar 2009 (GA II 231R) Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen F. Sch. sowie beide Beklagten persönlich angehört; wegen des Ergebnisses wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom selben Tage Bezug genommen (GA II 231 ff.). Die Sach- und Rechtslage ist mit den Prozessbevollmächtigten der Parteien im Termin eingehend erörtert worden. Ergänzend wird zur Darstellung der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der bisherigen Prozessgeschichte auf die vorbereitenden Schriftsätze beider Seiten nebst Anlagen, auf sämtliche Terminsprotokolle und auf den übrigen Akteninhalt Bezug verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 517 ff. ZPO). In der Sache selbst hat sie - nach der Beschränkung des Rechtsmittels - nahezu in vollen Umfange Erfolg. Sie führt insoweit zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung und zur Abweisung der weitergehenden Klage. Die Klägerin kann von den Beklagten als Gesamtschuldnern wegen der Streifschäden an dem streitgegenständlichen Mietwagen lediglich die vereinbarte Selbstbeteiligung nebst Verzugszinsen verlangen, die - gemäß dem übereinstimmenden Vorbringen beider Prozessparteien - € 250,00 pro Schadensfall beträgt (§ 280 Abs. 1 Satz 1 und § 823 Abs. 1 i.V.m. § 840 Abs. 1 BGB analog). Die rechtsgeschäftliche Haftungsbeschränkung ist - mangels Einbeziehung der Allgemeinen Vermietbedingungen der Klägerin in den Vertrag mit der Beklagten zu 2) - nicht entfallen. Sie wirkt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, Urt. v. 16.12.1981 - VIII ZR 1/81, WM 1982, 294 = NJW 1982, 987), der sich der Senat angeschlossen hat, auch im Verhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 1), der das Fahrzeug im Unfallzeitpunkt mit dem Einverständnis der Beklagten zu 2) geführt hat. Da er früher als diese gemahnt wurde, hat jedoch der Beklagte zu 1) allein der Klägerin weitere Verzugszinsen zu zahlen und vorgerichtliche Anwaltskosten zu erstatten. Im Einzelnen gilt Folgendes:

1. Zutreffend hat das Landgericht - mit den Prozessparteien - angenommen, dass die Entscheidung des Streitfalles davon abhängt, ob die Allgemeinen Vermietbedingungen der Klägerin (Kopie Anlage K2/GA I 18 ff.) Bestandteil des mit der Beklagten zu 2) abgeschlossenen Vertrages geworden sind. Der handschriftliche Zusatz " VK + TK mit 250,- € SB ", der in die Mietvertragsurkunde vom 23. November 2006 (Kopie Anlage K1/GA I 17) aufgenommen wurde, soll nach dem übereinstimmenden Parteivorbringen eine vertragliche Haftungsbeschränkung des Mieters nach Art einer Voll- und Teilkaskoversicherung auf maximal € 250,00 Selbstbeteiligung bedeuten, insbesondere bei Verkehrsunfällen. Da brancheneinheitliche Bedingungen für die Autoversicherung, die von einer Behörde genehmigt wurden und deshalb Leitbildfunktion haben können, nicht mehr existieren, kommt es jetzt in besonderem Maße auf die konkrete Ausgestaltung der gewillkürten Haftungsfreistellung im jeweiligen Einzelfall an. Der in § 61 VVG a.F. enthaltene Grundsatz, wonach der Versicherer in der Schadensversicherung bereits bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles durch den Versicherungsnehmer leistungsfrei wird, könnte in Fällen der vorliegenden Art - ohne eine entsprechende Vereinbarung - allenfalls analog herangezogen werden. Dies erscheint jedoch zumindest dann bedenklich, wenn Mieter und berechtigter Fahrer - wie hier die Beklagten - Verbraucher im Sinne des § 13 BGB und juristischer Laien sind. Sie müssen nicht ohne weiteres damit rechnen, schon bei grober Fahrlässigkeit - trotz vertraglicher Haftungsbeschränkung - in vollem Umfange zum Ausgleich von Unfallschäden herangezogen zu werden. Nach den allgemeinen schuldrechtlichen Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches kann lediglich die Haftung für Vorsatz nicht im Voraus erlassen werden (§ 276 Abs. 3 BGB). Zudem hält § 81 Abs. 2 VVG n.F. bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles nicht mehr am so genannten Alles-oder-Nichts-Prinzip fest. Im Streitfall kommt es darauf jedoch letztlich nicht an, weil es - wie unten im Abschnitt II A 3 noch näher zu erörtern sein wird - keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Beklagte zu 1) die Beschädigung des klägerischen Mietwagens grob fahrlässig verursacht hat.

2. Im Ergebnis der Beweisaufnahme vermag der Senat nicht festzustellen, dass die Allgemeinen Vermietbedingungen der Klägerin in den Vertrag mit der Beklagten zu 2) einbezogen worden sind. Dies geht hier zulasten der klagenden Partei. Denn sie beruft sich als Verwenderin von allgemeinen Geschäftsbedingungen auf vorformulierte Klauseln, nach denen eine - unstreitig vereinbarte - Haftungsbeschränkung entfallen soll. Deshalb hat sie - gemäß den allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen - die Einbeziehungsvoraussetzungen darzulegen und nachzuweisen (vgl. dazu Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Aufl., § 305 Rdn. 28; ferner Schulte-Nölke in Schulze/Dörner/Ebert, BGB, 5. Aufl., § 305 Rdn. 21).

a) Allerdings fehlt es im Streitfall - entgegen der Ansicht der Beklagten - nicht bereits an einem ausdrücklichen Hinweis auf die allgemeinen Geschäftsbedingungen nach dem Verständnis des § 305 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Der drucktechnischen Hervorhebung von Textbestandteilen bedarf es hierfür nach dem Gesetz nicht; es genügt vielmehr, wenn auf andere Weise gewährleistet wird, dass der Einbeziehungshinweis für einen Kunden mit durchschnittlicher Aufmerksamkeit - also selbst bei flüchtiger Betrachtung (vgl. hierzu Palandt/Grüneberg aaO, Rdn. 29, m.w.N.) - nicht zu übersehen ist (vgl. BGH, Urt. v. 11.07.2007 - XII ZR 197/05, NJW 2007, 2988 = VersR 2007, 1531, juris-Rdn. 14). Der Senat hat sich durch Inaugenscheinnahme der Originalurkunde des Kfz-Mietvertrags davon überzeugen können, dass dies hier zutrifft. Zwar befindet sich die Bezugnahme auf die Allgemeinen Vermietbedingungen - anders als in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall (aaO) - nicht am Beginn eines neuen Absatzes, sondern in einem kleingedruckten Fließtext, der mit Regelungen über Auslandsfahrverbote beginnt und mit - im Streitfall nicht einschlägigen - Bestimmungen über die volle Haftung des Mieters von Lastkraftwagen für Schäden durch die Nichtbeachtung der Fahrzeugabmessungen und durch nicht verzurrte Ladung endet. Der gesamte Absatz besteht aber lediglich aus elf Zeilen, die - in der Basisschriftgröße der Urkunde - kursiv gesetzt sind und sich von dem nachfolgenden, neun Zeilen umfassenden Absatz auch deshalb abheben, weil dieser in englischer Sprache abgefasst ist. Über dem Absatz, der die deutschsprachige Einbeziehungsklausel enthält, befinden sich Leerzeilen, in die bei Bedarf eine gesonderte Rechnungsanschrift eingetragen werden kann. Berücksichtigt man ferner die Gesamtgliederung des Formulars und seine farbliche Gestaltung durch schwarze und orange Linien auf weißem Papier, so wird auch ein Durchschnittskunde, der zunächst nur einen flüchtigen Blick auf das Formular wirft, dazu veranlasst, den kurzen Fließtext - entweder in deutscher oder in englischer Sprache - zu lesen.

b) Nicht zu konstatieren vermag der Senat hingegen, dass die Klägerin - wie § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB für die Einbeziehung ferner verlangt - den Beklagten die Möglichkeit verschafft hat, in zumutbarer Weise vom Inhalt der Allgemeinen Vermietbedingungen Kenntnis zu nehmen.

aa) Händigt der Verwender - wie hier geschehen - der anderen Vertragspartei das einschlägige Klauselwerk nicht aus, so ist nach der herkömmlichen Auffassung, die der Senat teilt, zumindest erforderlich, dass die Bedingungen beim Vertragsabschuss in den jeweiligen Geschäftsräumen zur Einsicht ausliegen oder aushängen (vgl. dazu die Begründung zum Regierungsentwurf eines AGB-Gesetzes, BT-Drucks. 7/3919, 9, 18; ferner MünchKommBGB/Basedow, 5. Aufl., § 305 Rdn. 62). Ob auch das bloße Bereithalten von allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Einsicht den gesetzlichen Anforderungen genügen kann, wenn die Einbeziehungsklausel entsprechend gefasst wurde, wie offenbar Grüneberg (in Palandt aaO Rdn. 34) der Entscheidung des BGH, Urt. v. 29.06.2006 - I ZR 176/03 (NJW-RR 2007, 32 = BGH-Rp 2006, 1412; juris-Rdn. 19) entnimmt, mag offen bleiben. Denn in dem hier streitgegenständlichen Formular heißt es explizit, die Allgemeinen Vermietbedingungen " liegen im Vermietbüro aus " (GA I 17). Unter diesen Umständen darf der Kunde die tatsächliche Auslage erwarten, und zwar zu der Zeit und an dem Ort, wo er aufgefordert wird, die Mietvertragsurkunde zu unterzeichnen. Da es nach dem Gesetz dem Verwender obliegt, der anderen Vertragspartei die Kenntnisnahmemöglichkeit zu verschaffen, muss diese sich grundsätzlich nicht nach dem Inhalt der allgemeinen Geschäftsbedingungen erkundigen (vgl. hierzu BGHZ 109, 192, 196; ferner MünchKommBGB/Basedow aaO Fn. 167; kritisch Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 10. Aufl., BGB § 305 Rdn. 148).

bb) Dass die Allgemeinen Vermietbedingungen der Klägerin bei der Unterzeichnung des streitgegenständlichen Vertrages durch die Beklagte zu 2) auf dem Tresen im Büro des Zeugen F. Sch. auslagen, ist nicht erwiesen. Der Zeuge selbst konnte - wie schon bei seiner Vernehmung in der Eingangsinstanz (GA I 143, 146) - keineswegs ausschließen, dass der entsprechende Ordner beziehungsweise Hefter, der sich nach seinen Bekundungen grundsätzlich dort befand, von jemand kurzzeitig entfernt und später wieder zurückgebracht wurde, obgleich er dafür keine konkreten Anhaltpunkte hatte. Seine Aussage ist deshalb nicht geeignet, den vollen Beweis für die Auslage des klägerischen Klauselwerkes im hier maßgeblichen Zeitpunkt zu führen. Auch unter Berücksichtigung des sonstigen Inhalts der Verhandlungen lässt sich ein entsprechender Schluss im Rahmen von § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht ziehen. Denn die Beklagten haben bei ihrer persönlichen Anhörung plausibel dargetan, warum sie sich sicher sind, dass seinerzeit auf den Tresen nichts lag. So bekundete der Beklagte zu 1), dass beide Beklagten für etwa zehn Minuten direkt an dem nur etwa 160 cm langen Tresen auf den Zeugen gewartet hätten und er seinen Arm darauf gestützt habe. Die Einwendungen der Beklagten sind insgesamt nachvollziehbar und erscheinen glaubhaft. Dass den Beklagten keine hinreichende Gelegenheit blieb, sich damit zu befassen, was auf dem Tresen lag, hat sich nicht bestätigt. Sofern der Zeuge über ein zweites Exemplar des Klauselwerkes verfügte, dass sich in seinen Unterlagen befand, lag dieses jedenfalls nicht aus.

3. Als Grundlage für Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen den Beklagten zu 1) ist allein das Recht der unerlaubten Handlung in Betracht zu ziehen. Der Beweis des ersten Anscheins spricht dafür, dass er die Streifschäden an dem Mietwagen schuldhaft verursacht hat, weil er von der Fahrbahn abkam und die Leitplanken berührte. Dieser Anscheinsbeweis konnte nicht entkräftet werden. Folgerichtig haben die Beklagten - auf einen entsprechenden terminsvorbereitenden Hinweis des Senats - die Berufung beschränkt; ihre gesamtschuldnerische Verurteilung zur Zahlung der Selbstbeteiligung nebst Verzugszinsen nehmen sie nunmehr hin. Mit Hilfe eines Satzes der Lebenserfahrung lässt sich allerdings nicht nachweisen, dass der Beklagte zu 1) den Verkehrsunfall grob fahrlässig herbeigeführt hat. Für eine generelle Umkehr der Beweislast in Fällen der streitgegenständlichen Art, wie sie offenbar von der Zivilkammer bejaht wird, gibt es weder eine rechtliche Grundlage noch ein Bedürfnis. Ein Kfz-Vermieter kann - ebenso wie ein Autoversicherer - seine berechtigten Interessen hinreichend schützen, indem er mit dem Mieter Obliegenheiten vereinbart, die nach dem Eintritt eines Schadensfalles zu erfüllen sind und deren Verletzung zum Wegfall der Haftungsfreistellung führt. Die Klägerin hat davon in ihren Allgemeinen Vermietbedingungen Gebrauch gemacht. Es fällt jedoch in ihren Risikobereich, für die wirksame Einbeziehung des Klauselwerkes in die einzelnen Mietverträge zu sorgen.

B. Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Danach kann das Gericht der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat. Diese Regelung ist nicht allein zugunsten der klagenden, sondern - sinngemäß - auch zugunsten der beklagten Partei anwendbar, wenn sie lediglich zur Zahlung eines geringfügigen Betrages verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen wird (vgl. dazu RGZ 142, 83 f.; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl., § 92 Rdn. 8; Saenger/Gierl, Hk-ZPO, 2. Aufl., § 92 Rdn. 16; Zöller/Herget, ZPO, 27. Aufl., § 92 Rdn. 11). So verhält es sich hier im Ergebnis des zweiten Rechtszuges. Die Beklagten unterliegen nur im Umfange von rund 3 % der Klageforderung; dagegen bleibt das Zahlungsbegehren der Klägerin zu 97 % erfolglos. Zu einem Gebührensprung kommt es durch die € 250,00, die von den Beklagten als Gesamtschuldnern in der Hauptsache zu entrichten sind, ebenfalls nicht.

Davon unberührt bleibt zwar der materiell-rechtliche Anspruch der Klägerin auf Erstattung ihrer vorgerichtlichen Anwaltskosten in Gestalt der 1,3-fachen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV, die sich trotz des Anrechnungsgebots gemäß der Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 zu Nr. 3100 RVG-VV nicht auf die Hälfte mindert (vgl. dazu BGH, Urt. v. 07.03.2007 - VIII ZR 86/06, NJW 2007, 2049 = BGH-Rp 2007, 684). Denn der Anspruch folgt aus § 280 Abs. 2 i.V.m. § 286 BGB. Im Streitfall ist insoweit aber nur der Beklagte zu 1) passiv legitimiert, weil sich das klägerische Anwaltschreiben vom 29. Januar 2007 im Verhältnis zur Beklagten zu 2) als verzugsbegründende Erstmahnung darstellt. Deren Kosten sind vom Schuldner nicht zu ersetzen (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Aufl., § 286 Rdn. 44). Außerdem kann die Anwaltsgebühr lediglich auf der Grundlage eines Gegenstandswertes von bis zu € 300,00 plus 20 % Postpauschale nach Nr. 7002 RVG-VV berechnet werden. Im Übrigen handelt es sich um eine Zuvielmahnung, deren Kosten nicht erstattungsfähig sind.

C. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des vorliegenden Urteils ergibt sich aus § 708 Nr. 10 i.V.m. § 713 und § 543 Abs. 1 ZPO sowie § 26 Nr. 8 EGZPO.

D. Die Revision wird vom Senat nicht zugelassen, weil es an den gesetzlichen Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO i.V.m. § 133 GVG fehlt. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes als Revisionsgericht. Das Berufungsurteil beruht im Wesentlichen auf einer Würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalles. Eine Divergenz zu Entscheidungen des Bundesgerichtshofes oder anderer Oberlandesgericht ist nicht ersichtlich.

E. Der Gebührenstreitwert für die Berufungsinstanz beträgt bis € 8.000,00 (§ 3 ZPO i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 und § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG).

Ende der Entscheidung

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