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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 21.12.2005
Aktenzeichen: 3 U 79/05
Rechtsgebiete: BGB, InsO


Vorschriften:

BGB § 138
BGB § 488 Abs. 1 Satz 2
BGB § 765
BGB § 767
InsO § 130 Abs. 1 Nr. 1
InsO § 131
InsO § 131 Abs. 1 Nr. 1
InsO § 142
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

3 U 79/05 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 21.12.2005

verkündet am 21.12.2005

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ... und die Richter am Oberlandesgericht ... und ... auf die mündliche Verhandlung vom 30. November 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten und unter Zurückweisung ihrer weitergehenden Berufung wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 15.03.2005 - 12 O 258/04 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 13.181,19 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich hieraus ab dem 17.09.2003.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten als Gesamtschuldner 73 % zu tragen, die Klägerin 27 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagten als Bürgen in Anspruch für eine Forderung auf Rückführung eines Kontokorrentkredits.

Jeder der Beklagten unterzeichnete am 08.02.1995 je einen Bürgschaftsvertrag mit der Klägerin zur Sicherung aller bestehenden und künftigen Forderungen der Klägerin gegen die C... N... GmbH, deren Geschäftsführerin die Erstbeklagte war (vgl. Anlagen K 3, Bl. 31 d. GA, K 4, Bl. 32 d. GA, K 1, Bl. 28 d. GA). Mit Kontokorrentkreditvertrag gleichen Datums gewährte die Klägerin der Hauptschuldnerin einen Kontokorrentkredit bis zum Höchstbetrag von 30.000,00 DM auf dem Girokonto mit der Endziffer 11 (vgl. Anlage K 2, Bl. 89 d. GA).

Mit Schreiben vom 21.05.2001 (vgl. Anlage K 10, Bl. 28 d. GA) kündigte die Klägerin der Hauptschuldnerin den Kontokorrentvertrag mit einem Sollstand von 34.784,41 DM und forderte den Ausgleich dieser Summe bis zum 04.06.2001. Mit Schreiben gleichen Datums (vgl. Anlagen K 11, K 12, Bl. 40, 41) nahm die Klägerin die Beklagten aufgrund deren Bürgschaften in Anspruch. In ihre Saldenberechnung stellt sie nunmehr zu ihren Gunsten einen Betrag von weiteren 46.543,40 € ein (vgl. Forderungsberechnung per 16.09.2003, Bl. 48 d. GA), nachdem sie dem Insolvenzverwalter der Hauptschuldnerin im Anschluss an dessen Schreiben vom 13.08.2001 (vgl. Anlage K 17, Bl. 51 d. GA) einen Betrag in dieser Höhe am 05.09.2001 überwiesen hatte.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, insoweit einem Anfechtungsanspruch des Insolvenzverwalters wegen inkongruenter Deckung innerhalb des letzten Monats vor Stellung des Insolvenzantrags am 15.05.2001 (vgl. Anlage K 9, Bl. 37 d. GA) und wegen kongruenter Deckung nach diesem Datum ausgesetzt gewesen zu sein.

Die Beklagten haben sich gegen diesen Aktivposten des klägerisch beanspruchten Restsaldos von noch 18.155,33 € gewandt.

Der Beklagte zu 2. hat darüber hinaus die Sittenwidrigkeit seiner Bürgschaft geltend gemacht, sowie hilfsweise deren Begrenzung auf den Anlass der Bürgschaft in forderungsunterschreitendem Umfang.

Mit dem angefochtenen Urteil, auf das der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist, hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Die Voraussetzungen einer krassen wirtschaftlichen Überforderung habe der Zweitbeklagte nicht dargetan. Die verbürgte Hauptforderung bestehe in geltend gemachter Höhe. Die Klägerin sei dem Anfechtungsanspruch des Insolvenzverwalters über das Vermögen der Hauptschuldnerin in dem von ihr geltend gemachten Umfang ausgesetzt gewesen.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung verfolgen die Beklagten ihr erstinstanzliches Klageabweisungsbegehren uneingeschränkt weiter. Sie machen geltend, das Landgericht habe zu ihren Ungunsten die von der Klägerin nach dem 15.04.2001 vom streitgegenständlichen Girokonto vorgenommenen Lastschriften unberücksichtigt gelassen. Zudem habe sich das Landgericht über die gefestigten höchstrichterlichen Grundsätze zur sogenannten Anlassbürgschaft ohne nachvollziehbare Begründung hinweggesetzt.

Sie beantragen,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 15.03.2005 - 12 O 258/04 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstands verweist der Senat auf die im Berufungsrechtzug gewechselten Schriftsätze sowie auf sein Terminsprotokoll vom 30.11.2005.

II.

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung hat teilweise Erfolg.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten nur in zuletzt tenorierter Höhe einen Anspruch aus den §§ 765, 767, 488 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Ein Bürgschaftsvertrag ist mit jedem der Beklagten zustande gekommen. Die Ausführungen des Landgerichts zur fehlenden Feststellbarkeit der Voraussetzungen für eine Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB wegen krasser finanzieller Überforderung des Zweitbeklagten treffen zu und sind mit der Berufung auch nicht mehr angegriffen.

Entstehung und Fälligkeit der Hauptforderung dem Grunde nach sind gleichfalls nicht angegriffen.

Der Vortrag der Klägerin zur Höhe der Hauptforderung ist im Umfang von 4.974,14 € (= 9.728,57 DM) unschlüssig, da sich insoweit die Voraussetzungen einer Insolvenzanfechtung nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO wegen inkongruenter Deckung nicht feststellen lassen. Verrechnungen im Kontokorrent sind kongruent, soweit die Bank ihren Kunden (den späteren Insolvenzschuldner) vereinbarungsgemäß wieder über die Eingänge verfügen lässt (BGHZ 150, 122 = NJW 2002, 1722). So liegt es hier. Die Giro- und Kontokorrentabrede vom 08.02.1995 (vgl. Anlage K 2, Bl. 29 d. GA) bestand bis zur Kündigung am 21.05.2001 fort. Vor Insolvenzeröffnung handelt die Bank, in dem sie die Giro- und Kontokorrentabrede einhält und den Giroverkehr - wie hier - fortsetzt, vertragsgemäß, also kongruent. Hier hat die Klägerin die GmbH über die eingehenden kontokorrenterfassten Gutschriften im Umfang von 9.728,57 DM im Ergebnis wirksam verfügen lassen, wie sich aus den von der Klägerin selbst dargestellten ausgeführten Gutschriften ergibt (vgl. Anlage K 24, Bl. 162 d. GA).

Hinsichtlich der darüber hinaus gehenden Gutschriften, also im Umfang von 36.844,83 DM war die Einstellung in den Kontokorrent allerdings inkongruent im Sinne des § 131 InsO, denn bereits die Herstellung einer Verrechnungslage ist geeignet, die Insolvenzgläubiger des Bankkunden zu benachteiligen (vgl. BGH, a.a.O.), und insoweit fehlt es an einem wirksamen Verfügenlassen der späteren Insolvenzschuldnerin.

Die Verrechnung der Gutschriften im Umfang der ausgeführten Lastschriften ist auch nicht nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar. Vielmehr handelt es sich in diesem Umfang vorliegend um ein Bargeschäft im Sinne des § 142 InsO. Die von der Klägerin ins Kontokorrent eingestellten Gutschriften, die vorübergehend die Forderung gegen die GmbH gemäß dem jeweiligen Tagessaldo verringerten, ermöglichten im anfechtungsrechtlichen Sinne die Erfüllungsleistung der Schuldnerin infolge der späteren Verrechnung (vgl. § 130 Abs. 1 InsO). Die Gutschriften wurden jeweils ausgeglichen, soweit die Beklagte es der GmbH allgemein gestattete, Kredit wieder in Anspruch zu nehmen, sie also die Kreditlinie offen hielt. Diese erneute Kreditgewährung war die Gegenleistung, die in das Vermögen der Schuldnerin gelangte.

Die Kontokorrentverrechnungen sind hier auch jeweils unmittelbar erfolgt, d.h. in einem zeitlichen Zusammenhang mit den jeweiligen Überweisungen des Schuldners. Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BGH am a.a.O. m.w.N.) ist für die Unmittelbarkeit im Sinne des § 142 InsO die genaue Reihenfolgen zwischen Ein- und Auszahlung unerheblich und einen Zeitraum von zwei Wochen zwischen Ein- und Auszahlung übersteigt nicht den Rahmen des engen zeitlichen Zusammenhangs. Im vorliegenden Fall erfolgten Ein- und Auszahlungen zum Teil taggleich und im Übrigen jedenfalls innerhalb des sich aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung ergebenden Zeitrahmens. Der von der GmbH in Anspruch genommene Kredit war schließlich auch gleichwertig mit den in entsprechender Höhe erfolgten Gutschriften durch die Klägerin. Das Kreditinstitut erfüllt seine gleichwertige Pflicht aus dem Kontokorrentvertrag regelmäßig schon, wenn es den Schuldner, wie hier, innerhalb des Kreditrahmens vereinbarungsgemäß wieder verfügen lässt (vgl. BGH a.a.O.; BGH NJW 2003, 360).

Weitere Aktivposten der Klägerin sind nicht angegriffen.

Die nach der - wie oben ausgeführt - zu korrigierenden Abrechnung der Klägerin verbleibende Klageforderung von noch 13.181,19 € liegt innerhalb der Bürgschaftshaftung, die der Zweitbeklagte für die der Hauptschuldnerin eingeräumte Kreditlinie von bis zu 30.000,00 DM eingegangen ist.

Die von der Klägerin ausgerechneten Zinsen von 5.251,36 € (vgl. Forderungsberechnung per 16.09.2003, Anlage K 16, Bl. 49 d. GA) sind wegen des veränderten Kapitalanteils so nicht mehr nachvollziehbar.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, da ihre Entscheidung von keiner Beantwortung einer höchstrichterlich bisher noch unentschiedenen Frage abhängt. Sie gibt auch keine Veranlassung, in den berührten Rechtsgebieten neue Leitsätze aufzustellen, Gesetzeslücken zu füllen oder von höchst- oder obergerichtlicher Rechtsprechung abzuweichen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 18.155,33 €.

Ende der Entscheidung

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