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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 09.10.2006
Aktenzeichen: 3 W 38/06
Rechtsgebiete: VerbrKrG, ZPO, HWiG


Vorschriften:

VerbrKrG § 4
VerbrKrG § 4 Abs. 1 S. 4 Nr. 1 b
VerbrKrG § 6
VerbrKrG § 6 Abs. 1
VerbrKrG § 9
ZPO § 127 Abs. 2 S. 2
ZPO § 447
ZPO § 448
HWiG § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
HWiG § 1 S. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

3 W 38/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Prozesskostenhilfeverfahren

hat der 3. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch die Richterin am Oberlandesgericht Rohrbach-Rödding und die Richter am Oberlandesgericht Jalaß und Hüsgen

am 9. Oktober 2006

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragsteller vom 24. Mai 2006 gegen den Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 10. Mai 2006 - 8 O 700/05 - in Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 19. Juni 2006 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Antragsteller erbitten Prozesskostenhilfe für eine Klage, mit der sie die Antragsgegnerin auf Rückabwicklung eines Darlehens zur Finanzierung einer Fondsbeteiligung in Anspruch nehmen.

Sie vereinbarten am 23.12.1995 ein Darlehen mit der Antragsgegnerin über einen Nennbetrag von 25.000,00 DM, dessen Tilgung ausgesetzt war gegen die Abtretung einer Lebensversicherung und das gesichert war durch die Abtretung von 6 Anteilen an einem geschlossenen Immobilienfonds sowie durch die Abtretung der Rechte und Ansprüche der bereits erwähnten Lebensversicherung.

Die Antragsteller, die das ausgezahlte Darlehn bedienen, haben behauptet, die von ihnen abgeschlossene Beteiligung an dem Immobilienfonds sei ihnen von einer Frau H... in ihrer Privatwohnung im Dezember 1995 unterbreitet worden mit dem Versprechen erheblicher Steuervorteile über Jahre hinweg und jährlich steigender Mietpreise, die zzgl. der Steuervorteile den gesamten Finanzierungsbedarf decken würden, ohne Hinweis auf mögliche Risiken, wie sich aus einem Berechnungsbeispiel vom 12.12.1995 (Anlage K 1, Bl. 7 ff d. GA) ergebe. Ihren Beitritt zum Immobilienfonds habe eine C...Treuhand Steuerberatungsgesellschaft mbH abgeschlossen. Der zugrunde liegende Treuhandvertrag sei wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz nichtig.

Der Darlehensvertrag sei vom Treuhänder geschlossen und wegen der Nichtigkeit des Treuhandvertrages unwirksam. Außerdem sei er formnichtig, da wegen Nichtangabe der Kosten der Kapitallebensversicherung der Gesamtbetrag fehle. Schließlich stehe ihnen aufgrund des Haustürgeschäftes ein Widerrufsrecht zu.

Die Antragsgegnerin hat ein Eigenhandeln der Antragsteller behauptet, eine Kausalität der Haustürsituation für die Vertragsabschlüsse sowie eine Falschberatung der Antragsteller bestritten und sich gegen das Fehlen einer nach den §§ 4, 6 VerbrKrG erforderlichen Gesamtbetragsangabe gewandt.

Mit dem angefochtenen Beschluss, auf den der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist, hat das Landgericht das Prozesskostengesuch der Antragsteller mangels Erfolgsaussicht (§ 114 ZPO) zurückgewiesen. Dem Abschluss des Darlehensvertrages stünden keine vertretungsrechtlichen Bedenken entgegen, da die Antragsteller diesen selbst geschlossen hätten. Er sei, da er einen Gesamtbetrag enthalte und überdies valutiert sei, auch nicht formnichtig. Vertretungsrechtliche Bedenken stünden auch dem Beitritt zum Fonds nicht entgegen, da der Beitritt nach § 1 Abs. 1 des notariell beurkundeten Gesellschaftsvertrages vom 21.12.1995 einer ausdrücklichen Genehmigung durch die Antragsteller bedurft habe. Ein Widerrufsrecht nach dem Haustürwiderrufsgesetz hat das Landgericht an einer fehlenden Kausalität der Haustürsituation für den Abschluss des Darlehensvertrages scheitern lassen. Haftungsvoraussetzungen für ein Aufklärungsverschulden der Antragsgegnerin seien nicht dargelegt.

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsteller, die zu deren Begründung auf die Entscheidung BGH NJW 2004, 2737 verweisen, hat das Landgericht die Sache dem Senat vorgelegt.

II.

Die nach § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die beabsichtigte Klage hat keine hinreichende Erfolgsaussicht (§ 114 ZPO).

1. Der streitgegenständliche Darlehensvertrag vom 20./23.12.1995 zu der damaligen Kto-Nr.: 8.... ist wirksam zustande gekommen.

a) Ein Vertretungsmangel (§§ 164 ff BGB) bei Abschluss des Darlehensvertrages liegt nicht vor. Entgegen ihrem Vorbringen haben die Antragsteller den Darlehensvertrag selbst geschlossen. Ihre eigenhändigen Unterschriften auf der Darlehensurkunde ergeben sich aus deren zur Akte gereichten Ablichtung (vgl. K 3, Bl. 21 rück d. GA), wie bereits das Landgericht zutreffend erkannt hat und wogegen die Beschwerde auch nichts vorbringt.

b) Der Darlehensvertrag ist entgegen der Ansicht der Antragsteller auch nicht formnichtig (§ 6 VerbrKrG in der 1995 geltenden Fassung).

Nach § 6 Abs. 1 VerbrKrG ist ein Kreditvertrag nur dann nichtig, wenn die in § 4 Abs. 1 S. 4 Nr. 1 b VerbrKrG vorgeschriebene Gesamtbetragsangabe völlig fehlt, nicht jedoch, wenn sie falsch ist (vgl. BGH, Urt. v. 25.04.2006 - XI ZR 106/05 = NJW 2006, 1955). Hier ist, worauf bereits das Landgericht zutreffend hingewiesen hat, im Darlehensvertrag ein Gesamtbetrag angegeben. Inwieweit das zu seiner Fehlerhaftigkeit führende Unterlassen der Angaben der Kosten für die Kapitallebensversicherung das völlige Fehlen einer Gesamtbetragsangabe mit sich bringen sollte, haben die Antragsteller auch im Beschwerdevorbringen nicht dargetan.

Davon abgesehen wäre selbst ein nach § 6 Abs. 1 VerbrKrG formnichtiger Darlehensvertrag nach Abs. 2 dieser Bestimmung durch die Valutierung geheilt, und zwar auch bei einem verbundenen Geschäft (vgl. BGH a.a.O.). Seine von den Antragstellern herangezogene entgegengesetzte Auffassung hat der II. Zivilsenat des BGH fallen gelassen (vgl. BGH a.a.O.). Eine unwirksame Valutierung führen die Antragsteller nicht aus.

2. Der Darlehensvertrag ist auch nicht widerrufen oder im Wege der Naturalrestitution aufgrund eines Schadensersatzanspruches der Antragsteller wegen eines eigenen Fehlverhaltens der Antragsgegnerin aufzulösen.

a) Das Landgericht hat einen wirksamen Widerruf der auf Abschluss des Darlehensvertrages der Parteien vom 20./23.12.1995 gerichteten Erklärung der Antragsteller nach den Vorschriften des Haustürwiderrufsgesetzes im Ergebnis zu Recht verneint.

Hier lässt sich die Kausalität einer Haustürsituation für den Abschluss des Darlehens durch die Antragssteller nicht feststellen. Ein Widerrufsrecht i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HWiG setzt voraus, dass der Kunde durch mündliche Verhandlung im Bereich einer Privatwohnung oder an seinem Arbeitsplatz zu seiner späteren Vertragserklärung bestimmt worden ist. Dabei genügt es, dass er in eine Lage gebracht worden ist, in der er in seiner Entschließungsfreiheit, den ihm später angebotenen Vertrag zu schließen oder davon Abstand zu nehmen, beeinträchtigt war. Ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen den mündlichen Verhandlungen gem. § 1 S. 1 Nr. 1 HWiG und der Vertragserklärung wird für den Nachweis des Kausalzusammenhanges vom Gesetz nicht gefordert. Die von einem engen zeitlichen Zusammenhang ausgehende Indizwirkung nimmt allerdings mit zunehmendem zeitlichem Abstand ab und kann nach einer gewissen Zeit ganz entfallen. Welcher Zeitraum hierfür erforderlich ist und welche Bedeutung möglicherweise auch anderen Umständen im Rahmen der Kausalitätsprüfung zukommt, ist eine Frage des konkreten Einzelfalles (vgl. BGH, Urteil vom 09.05.2006 -XI ZR 119/05 = WM 2006, 1243).

Gemessen an diesen Grundsätzen wird sich voraussichtlich nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen lassen, dass der Abschluss des Darlehensvertrages der Parteien unter dem Eindruck einer für Haustürgeschäfte typischen Überrumpelungssituation zustande gekommen ist. Nach dem Vorbringen der Antragsteller ist ein zeitlicher Abstand von mehr als drei Wochen zwischen dem Ansprechen der Antragsteller in ihrer Privatwohnung und dem Vertragsabschluss durch ihre Annahmeerklärung vom 23.12.1995 nicht auszuschließen. Überdies bestehen neben dem Schwinden der dadurch nachteilig betroffenen Indizwirkung weitere Umstände, die den von den Antragstellern behaupteten Kausalzusammenhang nachhaltig in Frage stellen. Dabei kann offen bleiben, ob ein Anscheinsbeweis zugunsten des in einer Haustürsituation geworbenen Verbrauchers nach der allgemeinen Lebenserfahrung gewöhnlich schon etwa nach einer Woche entfällt (s. etwa MüKo BGB Ulmer, 3. Aufl., § 1 HWiG, Rn. 17). Jedenfalls ist der hier in Rede stehende Zeitraum für eine solche Betrachtungsweise dann lang genug, wenn, wie hier, den Kausalzusammenhang in Frage stellende Umstände hinzutreten (vgl. BGH a.a.O.). Die Antragsteller haben sich nicht wie typisch überrumpelte Verbraucher verhalten. Sie haben, wie sie selbst vortragen, dem Vorschlag der Frau H... schließlich nur zögernd zugestimmt (vgl. Bl. 4 d. GA), also schon nicht einmal bedenkenfrei oder unkritisch. Ferner haben sie sich ein gesondert gefertigtes Berechnungsbeispiel vom 12.12.1995 zukommen lassen oder entgegengenommen. In diesem war umfangreich auf Risiken hinsichtlich der Liquiditäts- und Ertragsentwicklung hingewiesen, auf negative Auswirkungen bei Ausbleiben der Immobilienwertsteigerung oder bei einem rückläufigen Immobilienmarkt, ebenso wie auf damit verbundene vermutliche Verluste mit negativen Auswirkungen auf die Mietausschüttungen. Der Risikohinweis erstreckte sich ferner auf die Möglichkeiten niedrigerer Mietausschüttungen abhängig u. a. von den regionalen Gegebenheiten, der Mietnachfrage und dem Objektzustand (vgl. Anlage K 1, Bl. 9 d. GA). Ein Verbraucher, der ein Anlagegeschäft trotz dieser ausführlichen, umfangreichen und weitgehenden Risikobelehrung abschließt, tut dies regelmäßig bewusst. Hierbei bezieht er normalerweise auch die wirtschaftlich damit eng verbundene Finanzierungsentscheidung in seine Überlegungen mit ein.

b) Dass die Antragsgegnerin auf Schadensersatz haften müsste, weil sie durch die Verletzung von eigenen Aufklärungspflichten oder durch sonstiges Fehlverhalten einen Schaden verursacht hätte, lässt sich dem Antragstellervorbringen nicht entnehmen.

3. Die Antragsgegnerin muss sich ihren Ansprüchen aus dem Darlehensvertrag vom 20/23.12.1994 auch nicht aus § 9 VerbrKrG Einwendungen entgegenhalten lassen.

a) Dass der notariell beurkundete und nach § 1 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages von den Antragstellern selbst zu genehmigende Fondsbeitritt unwirksam wäre, lässt sich nicht feststellen, wie das Landgericht bereits zutreffend ausgeführt hat. Das Beschwerdevorbringen führt hiergegen auch keine Angriffe.

b) Die von den Antragstellern behaupteten Falschangaben der Fondsvermittlerin werden sich voraussichtlich nicht feststellen lassen. Die Antragsteller haben für ihr bestrittenes Vorbringen nur ihre Parteivernehmung angeboten. Das nach § 447 ZPO nötige Einverständnis der Antragsgegnerin ist nicht zu erwarten. Für eine Vernehmung von Amts wegen nach § 448 ZPO fehlt die erforderliche Anfangswahrscheinlichkeit. Vielmehr erscheint das Vorbringen der Antragsteller im Hinblick auf die oben bereits erörterten umfangreichen Risikohinweise in der Berechnung vom 12.12.1995 ganz unwahrscheinlich.

Ende der Entscheidung

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